TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/17 91/03/0286

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Veröffentlicht am 17.06.1992
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des E in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 6. August 1991, Zl. 8V-1290/5/91, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO einschließlich des damit verbundenen Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 6. August 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 18. Oktober 1988 um 08.05 Uhr in Zellbach auf der Packerstraße B 70, Stadtgemeinde St. Andrä, Bez. Wolfsberg, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe es unterlassen,

1) sofort anzuhalten und 2) davon ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach zu 1) § 4 Abs. 1 lit. a StVO und zu 2) § 4 Abs. 5 StVO begangen, weshalb über ihn zwei Geldstrafen (zwei Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Einwand des Beschwerdeführers, im vorliegenden Fall sei die Identität der Tat hinsichtlich des Zeitpunktes deshalb zweifelhaft, weil die Erstinstanz in ihrem Straferkenntnis vom (richtigen) Vorfallsdatum "18.10.1988 gegen 8.05 Uhr" ausgegangen sei, während die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Tatzeitpunkt mit "19.10.1988 um 8.05 Uhr" umschreibe, ist vorweg zu bemerken, daß diese "Diskrepanz des Tatzeitpunktes" entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers den angefochtenen Bescheid nicht als "unhaltbar" erscheinen läßt. Wie der Beschwerdeführer selbst ausführt, enthält der Spruch des von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Straferkenntnisses die richtige Tatzeit. Der Spruch des Straferkenntnisses entspricht sohin in Ansehung der Tatzeit den Erfordernissen des § 44a lit. a VStG. Wohl irrte sich die belangte Behörde, wenn sie in der Sachverhaltsdarstellung der Begründung des angefochtenen Bescheides darlegte, daß die Erstinstanz dem Beschwerdeführer zur Last gelegt habe, er habe die ihm vorgeworfenen Übertretungen am 19. Oktober 1988 begangen. Dieser - wie gesagt - in der Sachverhaltsdarstellung der belangten Behörde unterlaufene Irrtum ist aber im vorliegenden Fall deswegen nicht von Belang, weil sich aus der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, daß der Tattag der 18. Oktober 1988 war.

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten. Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, das sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ereignet und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat. Das sofortige Anhalten hat den Zweck, daß der Lenker, nachdem er sich von dem Ausmaß des Verkehrsunfalles überzeugt hat, die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen, so insbesondere die nach § 4 Abs. 1 lit. b und c, Abs. 2 und 5 StVO trifft (vgl. u.a. das auch vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1985, Zl. 85/03/0132, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur).

Die Verpflichtung des Lenkers zum sofortigen Anhalten des Fahrzeuges gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO besteht sohin bei jedem Verkehrsunfall mit Personen- oder Sachschaden, und zwar unabhängig davon, in welcher Person und an welcher Sache ein Schaden eintrat. Stand der Beschwerdeführer mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang, dann war er entgegen seiner Ansicht verpflichtet, sein Fahrzeug sofort anzuhalten, auch wenn bei dem Verkehrsunfall nur sein Fahrzeug beschädigt wurde. Es ist demnach die Ansicht des Beschwerdeführers für die Verletzung der Pflicht nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO sei das Vorliegen mindestens eines Sachschadens im Sinne eines von ihm verursachten Sachschadens, somit ohne Bedachtnahme auf den an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden Tatbestandsvoraussetzung, unrichtig. Gegen diese Ansicht spricht auch der vorstehend angeführte Zweck der Regelung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO.

Richtig ist, daß die Anhaltepflicht gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO so wie die Meldepflicht gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. das Wissen um einen Verkehrsunfall im Sinne der angeführten Bestimmungen voraussetzt, wobei aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich ist, sondern es genügt - da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist (§ 5 VStG) -, wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1985, Zl. 85/02/0129).

Auf Grund der Aktenlage durfte die belangte Behörde, ohne daß ihr eine Rechtswidrigkeit anzulasten ist, zu Recht davon ausgehen, daß es zur Tatzeit am Tatort im Zusammenhang mit einem vom Beschwerdeführer vorgenommenen Überholvorgang zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden kam, mit dem der Beschwerdeführer in ursächlichem Zusammenhang stand. Der belangten Behörde kann ferner nicht entgegengetreten werden, wenn sie als erwiesen annahm, daß der Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang erkennen hätte müssen. Sie konnte diese Annahme nicht nur auf die Zeugenaussage des unfallsbeteiligten Lenkers des vom Beschwerdeführer überholten Sattelkraftfahrzeuges, sondern vor allem auch auf die Stellungnahme des kraftfahrtechnischen Sachverständigen gründen, derzufolge für den Beschwerdeführer zumindest ein durch den Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge - und nicht durch andere Ursachen - hervorgerufener Ruck wahrnehmbar war. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer dem Gendarmeriebeamten gegenüber - wie schon in der Anzeige festgehalten ist und worauf die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend hinweist - erklärte, daß er einen Ruck beim Einordnen verspürte, wenngleich er diesen Ruck zunächst auf eine Bodenwelle, später auf einen auf der Straße liegenden Ast zurückführte. Gegen die Beweiswürdigung bestehen keine Bedenken.

Ausgehend davon aber war der Beschwerdeführer verpflichtet, nach dem Verkehrsunfall sofort anzuhalten. Da er dies unterließ, ist die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO nicht als rechtswidrig zu erkennen, weshalb insoweit die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Gemäß § 4 Abs. 5 StVO haben die im Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, besteht bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, wenn der Sachschaden nur im Vermögen einer Person entstanden ist, für letztere gemäß § 4 Abs. 5 StVO keine Verpflichtung zur Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle. Der Fall eines "Sachschadens" im Sinne der angeführten Gesetzesstelle liegt dann nicht vor, wenn eine Person durch ihr Verkehrsverhalten nur selbst in ihrem Vermögen zu Schaden gekommen ist. Ein solcher "Sachschaden" liegt vielmehr nur dann vor, wenn eine oder mehrere Personen einer oder mehreren anderen Personen oder wenn zwei oder mehrere Personen einander Vermögensschäden zugefügt haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. September 1968, Zl. 620/68, und vom 18. Dezember 1979, Slg. Nr. 9999/A).

Der Beschwerdeführer bemängelt, daß eine Besichtigung des Sattelkraftfahrzeuges zur Überprüfung der Frage, ob an diesem ebenfalls ein Schaden entstanden sei, unterblieben sei. Es fehlten konkrete Feststellungen, welche Beschädigungen der Beschwerdeführer am Sattelkraftfahrzeug herbeigeführt haben soll. Es sei weder eine Schadensbesichtigung noch eine Beweissicherung, etwa in Form von Lichtbildaufnahmen, vorgenommen worden. Zur wesentlichen Frage, welcher Schaden am Sattelkraftfahrzeug entstanden sei, lägen sohin keine unbedenklichen Beweise vor. Der unfallsbeteiligte Lenker des Sattelkraftfahrzeuges erwähne in seiner Zeugenaussage nur nebenbei, daß an seinem Lkw "kein besonderer Schaden außer ein Lackschaden an der Stoßstange" entstanden sei, was die Erstinstanz in der Begründung des Bescheides nur in einem Nebensatz erwähne. Bei der gegebenen Situation einer außerordentlich geringfügigen Berührung der beiden Fahrzeuge wäre die belangte Behörde zu weiteren Beweisaufnahmen verpflichtet gewesen, um Rückschlüsse auf das tatsächliche Ausmaß des Schadens am Sattelkraftfahrzeug ziehen zu können.

Dieser Einwand ist berechtigt. Der Beschwerdeführer brachte schon im Verwaltungsstrafverfahren Bedenken dagegen vor, daß auch am Sattelkraftfahrzeug ein Schaden entstanden sei, und stellte dazu konkrete Beweisanträge. Die belangte Behörde ging ungeachtet dessen auf die Frage, ob es sich bei dem vom Lenker des Sattelkraftfahrzeuges behaupteten "Lackschaden an der Stoßstange" um einen "Sachschaden" im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO handelte, nicht ein. Auch der von ihr eingeholten Stellungnahme des kraftfahrtechnischen Sachverständigen ist dazu nichts zu entnehmen. Nun ist es zwar richtig, daß auch ein Lackschaden zu einer Verständigungspflicht der nächsten Sicherheitsdienststelle gemäß § 4 Abs. 5 StVO verpflichtet. Voraussetzung dafür aber ist, daß tatsächlich ein Lackschaden vorliegt und es sich hiebei nicht etwa um eine ohne nennenswerten Aufwand entfernbare Lackspur handelt. In Hinsicht darauf hätte sich die belangte Behörde über die diesbezüglichen Beweisanträge des Beschwerdeführers nicht hinwegsetzen dürfen, zumindest aber darzulegen gehabt, warum sie den diesbezüglichen Einwand des Beschwerdeführers nicht für berechtigt erachtete. Stellt sich nämlich heraus, daß die Stoßstange des Sattelkraftfahrzeuges nicht lackiert war - außer dem Lackschaden an der Stoßstange wurden keine weiteren Schäden behauptet -, wäre der Beschwerdeführer zu Unrecht wegen der Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO bestraft worden, weil dann beim Verkehrsunfall nur an seinem Fahrzeug Schaden entstand, was jedoch nach dem Vorgesagten keine Meldepflicht des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 5 StVO auslöste.

Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO blieb demnach nicht nur der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig, sondern wurden auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Insoweit war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens hat nichterforderlichen Stempelgebührenaufwand zum Gegenstand.

Schlagworte

Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991030286.X00

Im RIS seit

29.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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