TE UVS Wien 1996/09/25 04/G/21/39/96

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Veröffentlicht am 25.09.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch Mag Romano als Vorsitzenden, Dr Hollinger als Berichterin und Dr Schopf als Beisitzer über die Berufung des Herrn Peter P, pA Friseurbedarf S, Wien, S-straße, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk, vom 27.11.1995, Zl MBA 11 - S 6188/95, wegen Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung hinsichtlich der Geldstrafe und des erstinstanzlichen Strafkostenbeitrages sowie in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die verletzte Rechtsvorschrift richtig: "§ 366 Abs 1 Ziffer 2 GewO 1994" und die Strafsanktionsnorm richtig: "§ 366 Einleitungssatz GewO 1994" zu lauten hat.

Hingegen wird die Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Tagen auf 6 Tage herabgesetzt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk, vom 27.11.1995, enthält folgenden Spruch:

"Sie haben die gemäß § 74 der Gewerbeordnung 1994 genehmigungspflichtige Betriebsanlage in Wien, S-straße (Friseurbedarf S), zumindest in der Zeit von 17.03.1993 bis 25.09.1995 betrieben, ohne daß dafür die erforderliche Betriebsanlagengenehmigung erteilt worden war.

Die Genehmigungspflicht ergibt sich daraus, daß durch die Lagerung von großen Mengen an Druckgaspackungen in der Betriebsanlage, unter denen sich auch solche mit Flammensymbol befinden (mehr als 45% oder 250 g an brennbaren Inhaltsstoffen), im Brandfalle Gefährdungen für die neben der Betriebsanlage vorbeiflüchtenden Nachbarn sowie für den Betriebsinhaber nicht auszuschließen sind.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 74 Abs 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994)

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von S 18.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Tagen gemäß § 366 Abs 1 Ziffer 2 GewO 1994.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

S 1.800,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 19.800,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten, in welcher dieser unter anderem ausführt, daß, da sie angewiesen wurden, die gewünschten Auflagen der MA 36 zu erfüllen, diese aber auch dem Arbeitsinspektorat entsprechen sollten, noch dazu dem Hauseigentümer, es sehr schwierig gewesen sei, alle drei Parteienbedingungen zu erfüllen. Sie hätten ständig mit den verschiedenen Stellen verhandelt und durch das Entgegenkommen ihres Vermieters - Hauseigentümers - alle geforderten Auflagen erfüllen können. Dies sei sehr zeitaufwendig gewesen, teilweise hätten sie auch durch Urlaube der zuständigen Verhandlungspartner Zeit verloren. Wie schwierig dies gewesen sei, könne sich nur derjenige vorstellen, der bei der Augenscheinsverhandlung dabei war und die Situation, in der sie sich befunden hätten, miterlebt habe. Nunmehr gebe es eine Möglichkeit zum Umbau, die der Hausherr ermöglicht habe. Alle Stellen hätten sich nach mündlicher Kontaktaufnahme einverstanden erklärt. Am 05.12.1995 sei die Besprechung mit dem Arbeitsinspektor gewesen, am 12.12.1996 mit der MA 36 und am 15.12.1996 seien beim Magistrat alle neuen Unterlagen, Pläne etc neu eingereicht worden. Er verstehe daher nicht, weshalb nachträglich ein Straferkenntnis am 10.01.996 ergangen sei und ersuche um Überprüfung, ob ein Straferkenntnis nach Übergabe der Unterlagen notwendig sei. Auch die Höhe der Strafe sei in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sie sich derzeit befänden, viel zu hoch. Seit zwei Jahren würde eine Minusbilanz erwirtschaftet werden; 1995 sei mit großer Mühe ein Konkursantrag der Sozialversicherung abgewendet worden.

Die Berufung ist nicht begründet:

Gemäß § 366 Abs 1 Ziffer 2 GewO 1994 (GewO) begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesbestimmung mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt. Aus den vorgelegten Akten ergibt sich folgender - unbestritten gebliebener - Sachverhalt:

Wie von einem Organ der Magistratsabteilung 36 am 17.03.1993 erhoben werden konnte, wurde die Betriebsanlage in Wien, S-straße, vom Berufungswerber übernommen und diente dann der Lagerung und dem Verkauf von Friseurzubehör. Hinsichtlich der gegenständlichen Betriebsanlage konnten folgende Tatsachen festgestellt werden, die für eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage im Sinne des § 74 GewO sprechen (vgl Anzeige der MA 36 vom 21.04.1993, erstinstanzlicher Akt Bl 2):

"Die Betriebsanlage erstreckt sich über ein ebenerdiges Gebäude an der S-straße und besteht im wesentlichen aus einem ca 20 qm großen Verkaufsraum und einem nach hinten anschließenden, ca 6 qm großen, Lagerraum. Es werden vorwiegend Haarpflegemittel, darunter ca 800 Druckgaspackungen zum Verkauf bereitgehalten. Links, direkt neben dem Gebäude der Betriebsanlage, befindet sich der einzige Ausgang auf die öffentliche Verkehrsfläche des entlang der hinteren Grundstücksgrenze befindlichen Wohnhauses.

Durch die Lagerung der großen Mengen an Druckgaspackungen, unter denen sich auch solche mit Flammensymbol (mehr als 45% oder 250 g brennbaren Inhaltsstoffen) befinden, sind im Brandfalle Gefährdungen für die neben der Betriebsanlage vorbeiflüchtenden Nachbarn sowie dem Betriebsinhaber nicht auszuschließen". Am 04.05.1993 reichte der Berufungswerber beim Magistratischen Bezirksamt für den 11. Bezirk das Ansuchen um Betriebsanlagengenehmigung ein.

Nachdem im Rahmen einer Augenscheinsverhandlung am 31.03.1995 festgestellt werden mußte, daß kein konkretes Projekt vorlag, somit eine Beurteilung nicht durchgeführt werden konnte, wurde seitens des Berufungswerbers zugesagt, das neue Projekt spätestens in zwei Monaten beim Magistratischen Bezirksamt für den 11. Bezirk vorzulegen. Trotz zweimaliger Urgenzen (vom 14.07.1995 und 24.08.1995), die beide dem Berufungswerber nachweislich zugestellt wurden, legte dieser bis zum 25.09.1995 die Unterlagen bezüglich des neuen Projektes weder vor, noch suchte er um die Erstreckung der Frist für die Vorlage des Projektes an.

Der Berufungswerber stellt das Betreiben der in Rede stehenden gewerblichen Betriebsanlage in dem ihm angelasteten Zeitraum nicht in Abrede. Die "erforderliche Genehmigung" einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage im Sinne der Bestimmungen des § 366 Abs 1 Ziffer 2 GewO liegt aber erst dann vor, wenn die Rechtskraft des Genehmigungsbescheides eingetreten ist. Die Wirkung der Rechtskraft beginnt mit der Erlassung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden letztinstanzlichen, in der Sache ergangenen Bescheides. Lediglich in den Ausnahmefällen des § 78 Abs 1 GewO - welche aber im konkreten Fall nicht gegeben sind - dürfen Betriebsanlagen oder Teile von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft eines Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden.

Da die erforderliche Genehmigung der genehmigungspflichtigen Betriebsanlage - wie schon oben ausgeführt - erst dann vorliegt, wenn die Rechtskraft des Genehmigungsbescheides eingetreten ist, war der Berufungswerber verpflichtet, vom Betrieb der genehmigungspflichtigen Betriebsanlage, vor erlangter Genehmigung, Abstand zu nehmen.

§ 366 Abs 1 Ziffer 2 GewO sieht weiters nicht vor, daß eine Bestrafung wegen genehmigungslosen Betriebes einer Betriebsanlage während eines anhängigen Genehmigungsverfahrens nicht erfolgen dürfte (vgl VwGH vom 17.09.1995, Zl 84/04/0180).

Der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erweist sich daher als gegeben.

Zur subjektiven Tatseite - somit zum Verschulden - ist folgendes auszuführen:

Da zum Tatbestand des § 366 Abs 1 Ziffer 2 GewO weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt. Es besteht in solchen Fällen von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form von fahrlässigen Verhalten) des Täters, welches aber von ihm widerlegt werden kann (vgl VwGH vom 22.12.1992, 91/04/0019).

Soweit der Berufungswerber in diesem Zusammenhang vorbringt, das Genehmigungsverfahren sei schon eine geraume Weile anhängig gewesen, es sei nicht ausschließlich an ihm gelegen, daß das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, vermag er sich damit nicht auf einen gesetzlich anerkannten Schuldausschließungsgrund zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungssgerichtshofes vermag auch die Tatsache, daß ein Antrag auf Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage an die Gewerbebehörde gerichtet wurde, über den noch nicht entschieden wurde, die Strafbarkeit nicht auszuschließen (VwGH vom 05.03.1985, 84/04/0091).

Die lange Dauer des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens und damit verknüpft die Frage der Zumutbarkeit des Zuwartens mit dem Betreiben der Anlage, bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme eines Schuldausschließungsgrundes oder Rechtfertigungsgrundes (VwGH vom 20.09.1994, 93/04/0087). Da auch kein Notstand gegeben war (dieser würde nur dann vorliegen, wenn eine Verwaltungsübertretung zur Abwendung einer dem Beschuldigten unmittelbar drohenden Gefahr erfolgt, die so groß ist, daß er sich in unwiderstehlichem Zwang befindet, eher die jeweilige Vorschrift zu übertreten, als das unmittelbar drohende Übel über sich ergehen zu lassen), ist davon auszugehen, daß auch die subjektive Tatseite der Verwaltungsübertretung gegeben ist.

Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse am Schutz des Lebens und der Gesundheit der im § 74 GewO genannten Personen vor von der Betriebsanlage ausgehenden Gefahren und Belästigungen, im konkreten Falle das Interesse an der Vermeidung von Gefährdungen von (neben der Betriebsanlage vorbeiflüchtenden) Nachbarn sowie Gefährdungen des Betriebsinhabers selbst im Brandfalle. Der Unrechtsgehalt der Tat war daher nicht geringfügig.

Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt dem Berufungswerber nicht mehr zugute. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis zu S 50.000,-- reichenden gesetzlichen Strafsatz, ist die verhängte Geldstrafe - auch unter Bedachtnahme auf die nunmehr bekanntgegebenen und ha bekannten ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse - auf Grund des extrem langen Tatzeitraumes durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal im Verfahren keine besonderen Milderungsgründe hervorgetreten sind. Eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe kam daher nicht in Betracht.

Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde herabgesetzt, da ihr Höchstausmaß im vorliegenden Fall (nach Wegfall der Primärarreststrafe in § 366 Einleitungssatz GewO durch die Gewerberechtsnovelle 1988) gemäß § 16 Abs 2 VStG vierzehn Tage beträgt. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien erachtet daher (im Verhältnis der verhängten Geldstrafe zur Höchststrafe von S 50.000,--) eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen als angemessen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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