TE UVS Steiermark 1996/10/08 30.4-100/96

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Veröffentlicht am 08.10.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Klaus Stühlinger über die Berufung der Frau E. M., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 10.5.1996, GZ.: 15.1 1993/6028, wie folgt entschieden:

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat die Berufungswerberin als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 100,-- binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Text

Auf Grund des von der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grundlage der am 7.10.1996 vorgenommen, öffentlichen, mündlichen Verhandlung ergeben sich folgende Feststellungen:

Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher bezeichneten Straferkenntnis vom 10.5.1996 war über Frau E. M. auf Rechtsgrundlage des § 22 Abs 1 Meldegesetz wegen Übertretung der §§ 1 Abs 1, 7 Abs 1 und 3 Abs 1 eine Geldstrafe von S 500,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt worden, da sie seit 14.10.1993 in L., G. Str. 13, Unterkunft genommen und es bis zumindest 27.10.1993 unterlassen hätte, sich beim Gemeindeamt L. anzumelden, obwohl eine Unterkunftnahme innerhalb von 3 Tagen bei der Meldebehörde zu melden ist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, in welcher der Sachverhalt zwar nicht bestritten, jedoch behauptet wird, die zuständige Meldebehörde hätte der nunmehrigen Berufungswerberin mit der Zurkenntnisnahme der Anmeldung Probleme bereitet, auch sei es zu Schwierigkeiten bei der Abmeldung in A. gekommen und der Unterkunftgeber hätte den Meldeschein nicht unterfertigt. Ausdrücklich wird in der Berufung bestätigt, daß die Berufungswerberin in L. Unterkunft bezogen hätte.

Von seiten der Berufungsbehörde wurde zunächst bei der zuständigen Meldebehörde, dem Marktgemeindeamt L.,

erhoben, inwieweit das Vorbringen in der Berufung richtig wäre. Mit Schreiben vom 19.8.1996 hat der Bürgermeister der Marktgemeinde L. bekanntgegeben, die nunmehrige Berufungswerberin sei damals informiert worden, daß der Meldeschein vom Unterkunftgeber zu unterfertigen wäre. Da dieser jedoch ein Gerichtsverfahren zur Delogierung eingeleitet hätte, sei es zur Verzögerung der Anmeldung gekommen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde sodann durch die Berufungsbehörde mit Ladungsbescheiden vom 30.8.1996 eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung angeordnet, dieser Ladungsbescheid wurde der Berufungswerberin persönlich (RSa) im landesgerichtlichen Gefangenenhaus L. am 4.9.1996 zugestellt, der Ladungsbescheid enthielt den Hinweis, daß die Verhandlung auch in Abwesenheit der Berufungswerberin durchgeführt werden könnte, wobei in diesem Fall, sollte ein Schuldspruch erfolgen, von einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa S 7.000,-- ausgegangen würde. Hinsichtlich des Zustellvorganges wurde mit der Anstaltsleitung der Justizanstalt L. am 27.8.1996 telefonisch vereinbart, es sei sichergestellt, daß der Ladungsbescheid der Berufungswerberin, die bis 21.5.1997 in Haft wäre, zukommen würde, die Erlassung eines weiteren Vorführungsauftrages sei nicht notwendig, da von Amts wegen dafür gesorgt werden würde, daß die Berufungswerberin zur Berufungsverhandlung vorgeführt würde.

Die Berufungswerberin ist zur Berufungsverhandlung unentschuldigt nicht erschienen, wobei nach Eröffnung der Verhandlung - ein Vertreter der belangten Behörde hat daran ebenfalls nicht teilgenommen - nochmals telefonisch mit der Justizanstalt L. Kontakt aufgenommen wurde. Hiebei wurde in Erfahrung gebracht, daß die nunmehrige Berufungswerberin am 19.9.1996 in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Graz/Jakomini überstellt worden wäre und sich auch derzeit dort befinde.

In weiterer Folge wurde der gesamte erstinstanzliche Akt erörtert und sodann festgestellt, daß der Sachverhalt als vollständig geklärt zu bezeichnen ist, worauf am 7.10.1996 der vorliegende Berufungsbescheid mündlich verkündet worden ist.

Die Berufungsbehörde ist dabei von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Gemäß § 51e Abs 2 VStG kann eine Berufungsverhandlung unterbleiben, wenn in der Berufung nur eine unrichtige, rechtliche Beurteilung behauptet wird, oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet, oder wenn im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Dies ist im konkreten Fall nicht geschehen; von seiten der Berufungsbehörde wurde jedoch dennoch eine Berufungsverhandlung anberaumt, um der Berufungswerberin die Möglichkeit zu geben, ihren Standpunkt zu vertreten. Wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, hindert dies gemäß § 51f Abs 2 VStG weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, hindert dies gemäß § 51f Abs 2 VStG weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses, sofern sich nicht gemäß § 51h Abs 1 VStG die Einvernahme des von der Verhandlung Ausgebliebenen als notwendig zur Klärung des Sachverhaltes erweist.

Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde bzw. durchzuführen ist, ist gemäß § 51i VStG bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet (Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens); weiters ist Zweck dieser öffentlichen, mündlichen Verhandlung als Teil des gemäß § 37 AVG durchzuführenden Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (Grundsatz der materiellen Wahrheitsfindung).

Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Weiters sind gemäß § 25 Abs 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Der im § 45 Abs 2 AVG genannte Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist in Zusammenhalt mit den bereits erwähnten Grundsätzen der Unmittelbarkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheitsforschung zu sehen. Voraussetzung für eine gesetzmäßige Beweiswürdigung ist ein ausreichend durchgeführtes Ermittlungsverfahren, in welchem die Parteien ihre Rechte geltend machen können. Diese Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde, den Sachverhalt von sich aus festzustellen, begründet als Folgewirkung die Tatsache, daß ein verwaltungsstrafrechtlicher Schuldspruch nur dann erfolgen kann, wenn der in Frage stehende Sachverhalt als absolut sicher festzustellen ist. Voraussetzung dafür wiederum ist eine entsprechende Beweissicherung bzw. die Möglichkeit, eine solche durchzuführen.

Gemäß § 3 Abs 1 Meldegesetz 1991 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 352/1995 ist, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden. Diese Meldepflicht trifft gemäß § 7 Abs 1 leg cit den Unterkunftnehmer; gemäß § 22 Abs 1 Z 1 im Meldegesetz begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 10.000,-- zu bestrafen, wer die ihn treffende Meldepflicht nach den Bestimmungen der §§ 3 bis 5 nicht erfüllt.

Die Berufungswerberin hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufung bestritten, im bereits näher beschriebenen Zeitraum Unterkunft genommen zu haben, ohne jedoch ihrer Meldepflicht nachgekommen zu sein. Dies wird von ihr damit begründet, es sei ihr die Durchführung der Anmeldung nicht möglich gewesen, da der Vermieter die erforderliche Unterschrift nicht geleistet hätte; diese Argumentation wird auch von der zuständigen Meldebehörde bestätigt.

Es ergibt sich somit auf Grundlage des § 3 Abs 1 Meldegesetz, der auf einen objektiven Tatbestand, nämlich das Faktum der Unterkunftnahme unabhängig vom Grund derselben, abstellt, daß die nunmehrige Berufungswerberin ab 14.10.1993 in der G. Str. 13 in L. Unterkunft genommen hat, wodurch die Verpflichtung entstanden ist, der bereits beschriebenen Meldepflicht zu entsprechen (vgl. VwGH 22.9.1982, 82/01/0108, 0109). Nach der Judikatur (VwGH 30.9.1991, 91/19/0195) liegt eine Unterkunftnahme dann vor, wenn von einer Unterkunft (Wohnung) widmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird. Voraussetzung hiefür ist im Zusammenhang mit der daraus resultierenden Verpflichtung gemäß § 3 Abs 1 Meldegesetz, daß der Meldepflichtige die privatrechtlichen Voraussetzungen für die Vornahme der Anmeldung schafft.

Wenn, wie im konkreten Fall, Unterkunft in einer Wohnung genommen worden ist, ohne daß die diesbezüglichen privatrechtlichen (mietrechtlichen) Voraussetzungen bestanden haben, worauf der Wohnungseigentümer ein Gerichtsverfahren zum Zweck der Delogierung der nunmehrigen Berufungswerberin eingeleitet hat, ergibt dies in rechtlicher Beurteilung, daß die nunmehrige Berufungswerberin in zumindest fahrlässiger Weise die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung, nämlich die erforderliche Meldung unterlassen zu haben, zu verantworten hat. Hinsichtlich der Strafbemessung sind noch folgende Feststellungen zu treffen:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Berufungswerberin hat durch ihr Verhalten massiv in das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Meldewesens eingegriffen, Angaben über ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hat sie trotz diesbezüglicher Aufforderung im Ladungsbescheid der Berufungsbehörde nicht vorgelegt, sodaß von der bereits beschriebenen, von der Berufungsbehörde vorgenommenen Einschätzung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Berufungswerberin (vgl. VwGH 19.3.1986, 85/03/0164) auszugehen war.

Es erscheint somit nach Ansicht der Berufungsbehörde auch unter der Annahme der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit als Milderungsgrund die von der Erstinstanz vorgenommene Strafbemessung sowohl als schuldangemessen als auch als erforderlich, um in Zukunft die Begehung gleicher oder ähnlicher Verwaltungsübertretungen zu verhindern; unter Berücksichtigung der möglichen Höchststrafe wäre zur Sicherung der diesbezüglichen öffentlichen Interessen an einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Meldepflicht auch eine Verwaltungsstrafe zumindest in der Höhe der festgesetzten bei einer Berufungswerberin zu verhängen gewesen, die sich in noch ungünstigeren finanziellen Verhältnissen befindet, als dies bei Frau E. M. anzunehmen ist.

Dazu ist festzustellen, daß die Verhängung einer Geldstrafe sogar dann als gerechtfertigt anzusehen ist, wenn der Bestrafte über keinerlei Einkommen verfügte. Eine Geldstrafe wäre auch dann zu verhängen, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bestraften es wahrscheinlich erscheinen ließen, er würde nicht in der Lage sein, sie zu bezahlen. Nur bei der Bemessung ihrer Höhe sind gemäß § 19 VStG neben den mildernden und erschwerenden Umständen auch die Vermögens- und Familienverhältnisse zu berücksichtigen (vgl. VwGH 24.2.1988, 87/03/0253). Aufgrund dieser Überlegungen erweist sich auch die von der Erstinstanz vorgenommene Strafbemessung als rechtsordnungskonform und war daher im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden. Die Festsetzung des Kostenbeitrages des Verwaltungsstrafverfahrens zweiter Instanz ergibt sich aus § 64 VStG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe festzusetzen ist.

Schlagworte
Unterkunftnahme Anmeldepflicht Unterschrift
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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