TE UVS Wien 1997/05/26 03/P/25/5111/96

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Veröffentlicht am 26.05.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Frey über die Berufung des Herrn Abdel S, geb 1954, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 25.11.1996, Zl 71.646/Fr/96, wegen Übertretung des § 16 in Verbindung mit § 83 Z 2 lit a Fremdengesetz, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 zweiter Fall des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG eingestellt.

Demnach entfällt der erstinstanzliche Kostenbeitrag. Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (BW) schuldig erkannt, er habe es am 20.3.1996 um 13.45 Uhr in Wien, W-gasse, als Fremder (§ 1 Abs 1 Fremdengesetz) trotz Aufforderung eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterlassen, diesem das für seine Aufenthaltsberechtigung maßgebliche Dokument auszuhändigen.

Wegen Verletzung des § 16 iVm § 83 Z 2 lit a Fremdengesetz (FrG) wurde eine Geldstrafe von S 500,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 25 Stunden verhängt und ein erstinstanzlicher Strafkostenbeitrag von S 50,-- vorgeschrieben.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung führt der BW im wesentlichen aus, er erhebe gegen die rechtlichen Würdigungen im Straferkenntnis Berufung mit der Begründung, sein "Ansuchen hinsichtlich Aufenthalt" sei in ein entscheidendes Stadium getreten - die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei anhängig - weshalb er ein entsprechendes Dokument, aus dem sich seine Aufenthaltsberechtigung ergebe, nicht habe vorlegen können. Er habe dem Sicherheitswachebeamten auch erklärt, daß sein Anwalt diese seine Aufenthaltbewilligung für ihn betreibe und sämtliche Unterlagen, unter anderem auch fallweise den Reisepaß, bei sich habe.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Anzeige vom 20.3.1996.

Daraus ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Fremde wies das maßgebliche Dokument nicht vor - er hatte es nicht bei sich -, gab aber an, wo sich sein Paß befinde. Der Fremde wurde nicht aufgefordert, sich in Begleitung des Organes an jene Stelle zu begeben, an der das Dokument verwahrt ist. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus diesem Sachverhalt folgendes:

Gemäß § 16 erster Satz FrG sind Fremde verpflichtet, den Behörden und ihren Organen auf eine bei der Vollziehung eines Bundesgesetzes ergehende Aufforderung hin die für ihre Aufenthaltsberechtigung maßgeblichen Dokumente vorzuweisen und sich erforderlichenfalls in Begleitung eines Organes an jene Stelle zu begeben, an der die Dokumente verwahrt sind.

§ 83 Z 2 lit a und b FrG hat folgenden Wortlaut:

Wer

...

2. trotz Aufforderung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes

a) diesem ein für die Aufenthaltsberechtigung maßgebliches Dokument nicht aushändigt oder

b) sich nicht in dessen Begleitung an jene Stelle begibt, an der das Dokument verwahrt ist, ...

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S

3.000,-- zu bestrafen.

Eine ausdrückliche Verpflichtung der Fremden, die für ihre Aufenthaltsberechtigung maßgeblichen Dokumente ständig mit sich zu führen, ergibt sich aus diesem Gesetzeswortlaut nicht. Vielmehr ist dem Regelungszusammenhang des § 16 erster Satz FrG, nämlich den Worten "und sich erforderlichenfalls" zu entnehmen, daß dann, wenn der Fremde das maßgebliche Dokument nicht mit sich führt und daher auch nicht vorweisen kann, dieser sich in Begleitung eines Organes an jene Stelle zu begeben hat, an der das Dokument verwahrt ist. Daraus ergibt sich, daß gemäß § 83 Z 2 lit a FrG nur ein Fremder strafbar ist, der das maßgebliche Dokument zwar mit sich führt, aber nicht aushändigt, und gemäß § 83 Z 2 lit b FrG nur ein Fremder strafbar ist, der das maßgebliche Dokument nicht mit sich führt und sich auch nicht in Begleitung des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes an jene Stelle begibt, an der das Dokument verwahrt ist.

Die Nichtaushändigung eines nicht mitgeführten Dokumentes ohne Weigerung, sich in Begleitung eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes an jene Stelle zu begeben, an der das Dokument verwahrt ist, bildet keine Verwaltungsübertretung.

In diesem Sinne führen auch Widermann-Körner-Schindler-Wimmer (früher: Schindler-Widermann-Wimmer), Fremdenrecht, Praxiskommentar, Juridica Verlag, Erläuterungen zu § 16 FrG, aus:

Der Regelungsinhalt des § 16 ergibt sich erst bei einer Zusammenschau mit den §§ 2, 83 Z 2 und 85 Abs 3 FrG. Gemäß § 2 brauchen Fremde für die Einreise, während des Aufenthaltes und für die Ausreise grundsätzlich einen gültigen Reisepaß. Aus § 16 ergibt sich die Verpflichtung, das Dokument vorweisen zu können bzw sich in Begleitung eines Organs an den Verwahrungsort des Dokumentes zu begeben. Für den Fall der Verletzung dieser Pflicht enthält § 83 Z 2 FrG die entsprechende verwaltungsstrafrechtliche Sanktion. Voraussetzung, damit das Dokument vorgewiesen werden kann, ist, daß der Fremde das Dokument bei sich oder zumindest griffbereit hat. Ist dies nicht der Fall, kann er seiner Verpflichtung nur dann entsprechen, wenn er sich in Begleitung eines Organes an den Verwahrungsort begibt.

Da der Fremde im vorliegenden Fall zwar aufgefordert wurde, das maßgebliche Dokument auszuhändigen, dieses aber nicht bei sich hatte, war er gemäß § 16 in Verbindung mit § 83 Z 2 lit a FrG wegen der Nichtaushändigung nicht strafbar. Weil der Fremde jedoch nach Angabe des Ortes der Verwahrung des Dokumentes nicht aufgefordert wurde, sich mit dem Sicherheitswachebeamten an jene Stelle zu begeben, an der er das Dokument verwahrte, konnte es zu einer Weigerung, sich an diese Stelle zu begeben, gar nicht kommen, sodaß der Fremde auch nicht gemäß § 16 in Verbindung mit § 83 Z 2 lit b FrG strafbar war.

Es war daher gemäß § 45 Abs 1 Z 1 zweiter Fall VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

Eine verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung des BW wegen nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet im Sinne des § 82 Abs 1 Z 4 iVm § 15 FrG (Aufenthalt ohne Sichtvermerk) wurde dem BW im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht angelastet.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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