TE UVS Wien 1997/11/24 07/S/05/112/96

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Veröffentlicht am 24.11.1997
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Behandlung vom VwGH abgelehnt, GZ 98/02/0027 vom 20.2.1998 Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Hason über die Berufung des Herrn Franz Z gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk vom 14.10.1996, MBA 4/5 - S 14.683/94, wegen Übertretung zu I) 1) § 114 Abs 4 Z 7, § 109 Abs 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl Nr 450/1994 idgF iVm § 46 Abs 9; 2) § 72 Abs 1; 3) § 72 Abs 2 jeweils Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl Nr 218/1983 idgF; zu II) 4) § 118 Abs 3 ArbeitnehmerInnschutzgesetz 1994 iVm § 3 Abs 1 und 2; 5) § 7 Abs 1; 6) § 31 Abs 4 jeweils Verordnung über den Schutz von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, BGBl Nr 267/54 idgF (Bauarbeiterschutzverordnung), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 4.8.1997 entschieden und verkündet:

Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG wird der Berufung hinsichtlich Punkt I) keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG wird dem Berufungswerber zu Punkt I) ein Beitrag von S 4.000,-- (ds 20 % der verhängten Strafe) zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG wird das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Punkt II) behoben und das Verfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs 1 Z 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG eingestellt. Demnach entfällt zu Punkt II) der erstinstanzliche Kostenbeitrag. Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber zu Punkt II) kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Begründung:

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hat folgenden Wortlaut:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen berufenes Organ der I-Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien, G-gasse, zu verantworten, daß diese Gesellschaft von ihrem Sitz aus am 29. September 1994 auf der Baustelle in V, S-seite, folgenden, zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erlassenen Vorschriften nicht entsprochen hat:

I) Als Arbeiten zur Errichtung des Gerüstes und des Standplatzes

für die Arbeiten an der Wasserleitung unter der Südostkante der Brücke unterhalb der nicht fertiggestellten Fahrbahndecke der neuen Brücke durchgeführt wurden, wurden

1) das Gerüst, und die Arbeitsplattform nicht von geeigneten, fachkundigen und hiezu berechtigten Personen und auch nicht unter fachkundiger Aufsicht von mit solchen Arbeiten vertrauten Personen aufgestellt;

2) obwohl bei den Arbeiten zum Gerüstaufbau an absturzgefährlicher Stelle durch Schutzmaßnahmen nach den §§ 18, 24 und 44 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung ein ausreichender Schutz nicht erreicht werden konnte, den Arbeitnehmern nicht im ausreichenden Maße Sicherheitsgürtel oder Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkkürzer oder Höhensicherungsgeräte zur Verfügung gestellt. Es waren lediglich zwei Sicherheitsgürtel und ein altes, bereits ausgefranstes Hanfseil, an dem die Enden mit Draht fixiert worden und einige Litzen gebrochen waren, vorhanden. Der Standort, der erreicht werden hätte sollen, befand sich unter der Brücke ca 1 m außerhalb der Außenkante.

3) Für die zu verwendenden Schutzausrüstungen waren keine Befestigungseinrichtungen vorhanden, die den bei einem Absturz auftretenden Belastungen standhalten hätten können.

II) Als Arbeiten am Rohr der Wasserleitung unter der Südostkante der Brücke unterhalb der nicht fertiggestellten Fahrbahndecke der neuen Brücke durchgeführt wurden, waren:

4) um 7.45 Uhr und um 11.00 Uhr keine fachkundige Aufsichtspersonen an der Arbeitsstelle vorhanden und auch kein Dienstnehmer als Anordnungsbefugter für die Einhaltung der für die Arbeitsstelle geltenden Dienstnehmerschutzvorschriften bestimmt;

5) obwohl Absturzgefahr bestand, am Arbeitsgerüst keine Einrichtungen, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehre, Schutzgerüste, oder Fangnetze, vorhanden. Der Arbeitnehmer Su Zvonko war bei den Arbeiten an dieser besonders gefährlichen Stelle nicht angeseilt (Er stürzte 7 - 7,5 m ab.).

6) für das gefahrlose Besteigen und Verlassen des Gerüstes sowie für die Verbindung zwischen den Gerüstgeschoßen keine Laufbrücken, Treppen oder Leitergänge vorhanden. Der Arbeitnehmer Su Zvonko mußte zum Erreichen seines Arbeitsplatzes über die Außenkante, die über den Arbeitsplatz ca 1 m hinausragte, klettern.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

zu I) :

1) §§ 114 Abs 4 Z 7, 109 Abs 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl Nr 450/1994 idgF, iVm § 46 Abs 9; 2) § 72 Abs, 1; 3) § 72 Abs 2 jeweils Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl Nr 218/1983 in der geltenden Fassung.

zu II)

4) § 118 Abs 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 1994 iVm § 3 Abs 1 und 2; 5) § 7 Abs 1; 6) § 31 Abs 4 jeweils Verordnung über den Schutz von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, BGBl Nr 267/54 in der geltenden Fassung (Bauarbeiterschutzverordnung).

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe zu I) 1) S 5.000,--, 2) S 10.000,--, 3) S 5.000,--, II)

4) S 5.000,--, 5) S 10.000,-- und 6) S 5.000,--, zusammen Schilling 40.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von I) 1) 1 Tag, 2) 2 Tagen, 3) 1 Tag, II)

4) 1 Tag, 5) 2 Tagen und 6) 1 Tag zusammen 8 Tage,

gemäß § 130 Abs 5 ArbeitnehmerInnschutzgesetz, BGBl Nr 450/1994 idgF

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

4.000,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher 44.000,-- Schilling.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

In der dagegen gerichteten Berufung bestreitet der Berufungswerber (BW) die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen. Er bringt vor, daß die I-GmbH (idF kurz: I) an der Adresse V, B-straße eine Betriebsstätte unterhalte, mit deren Leitung Herr Ing Karl Sa betraut und ihm hiefür Handlungsvollmacht erteilt worden sei. Innerhalb der Arbeits- und Organisationsstruktur sei der zuständige Bauleiter mit der Ausübung der Kontrolltätigkeit betraut. Es gäbe seitens der Geschäftsführung keine Einschränkung in der Beschaffung von erforderlicher Ausrüstung und könnten sämtliche Ausrüstungsgegenstände und Gerätschaften jederzeit zur Verfügung bzw beigestellt werden. Weiters gäbe es eine ausreichende Schulung der Bauleiter und Sicherheitsvertrauensleute. Auch sei der zu Unfall gekommene Dienstnehmer im Rahmen eines Werkvertrages auf der Baustelle tätig gewesen, die Verantwortlichkeit für die Einhaltung sämtlicher dienstnehmerbezogenen Vorschriften obliege somit der Firma B, deren Mitarbeiter der Arbeiter gewesen sei. Auch stamme das Gerüst nicht von der Firma I, und die Einteilung, wonach der Arbeiter dort zu arbeiten hatte, sei nicht von der Firma I erstellt worden. Es sei daher seitens des BW alles getan worden um die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften sicherzustellen und treffe ihn an den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen kein Verschulden. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den erstinstanzlichen Strafakt MBA 4/5 - S 14683/94, durch Einvernahme der Zeugen Sa und Bu sowie durch Einsicht in den Akt des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien zur gegenständlichen Zahl.

Demnach ergibt sich hinsichtlich Punkt I.) folgendes:

Am 29. September 1994 wurden auf einer Baustelle der Firma I, (deren Sitz sich in Wien, G-gasse befindet), in V - Kriegsbrücke Arbeiten durchgeführt. Ein Arbeitnehmer - Herr Su Zvonko -, der von der Firma B-gesmbH der Firma I zur Verfügung gestellt worden war, arbeitete gemeinsam mit drei anderen Arbeitern der Firma I an der Wasserleitung unterhalb der Brücke. Zu diesem Zweck mußte ua das Gerüst, welches Herr Su Zvonko gemeinsam mit den anderen Arbeitern der Fa I am Vortag aufgestellt hatte, jeweils um drei Meter verlegt werden. Zum Unfallzeitpunkt ersuchte Herr Su Zvonko einen dieser Arbeiter, der auf der linksufrigen Seite arbeitete, ihm zu helfen, Pfosten des Gerüstes zu verlegen. Bei dieser Tätigkeit stürzte Su Zvonko vom Gerüst. Das Gerüst war weder von einer geeigneten, fachkundigen und hiezu berechtigen Person oder unter fachkundiger Aufsicht von mit solchen Arbeiten vertrauten Personen aufgestellt worden, noch wurden dem Arbeiter Su Zvonko Sicherheitsgürtel oder Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazu gehörigen Ausrüstungen wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer etc zur Verfügung gestellt, noch waren geeignete Befestigungsvorrichtungen vorhanden, die den bei einem Absturz auftretenden Belastungen standhalten würden. Su Zvonko stürzte von dem Gerüst ca 7,5 Meter zu Boden und verletzte sich schwer.

Diese Feststellungen stützen sich zunächst auf die Aussage des Zeugen Su Zvonko anläßlich seiner Einvernahme vor dem Magistrat der Landeshauptstadt Linz am 25.4.1995, in der dieser sowohl über den Unfallhergang als auch über die Vorgänge anläßlich der Durchführung der Arbeiten genaue Angaben machte und sich kein Anhaltspunkt dafür ergab, daß er anläßlich seiner Einvernahme eine falsche Aussage machte. Weiters stützen sich diese Feststellungen auf die Aussage des Zeugen Klaus St, der anläßlich seiner Einvernahme vor dem Magistrat der Stadt Wien vom 26.1.1996 ebenfalls angab, daß er mit dem verunfallten Arbeiter das Gerüst umbauen wollte.

Dem gegenteiligen, bestreitenden Vorbringen des BW konnte hingegen nicht gefolgt werden: So war dieser, ebenso wie der Bauleiter und Obermonteur Herr Alois Bu und der Leiter der Firmenniederlassung in V - Herr Sa - zum Unfallzeitpunkt nicht auf der Baustelle und konnten daher zum unmittelbaren Vorfall - ebenso wie die Zeugen Bu und Sa - keine eigenen Wahrnehmungen haben. Wenn der BW vorbringt, die Gerüstumbauarbeiten hätten ausschließlich von der Firma P durchgeführt werden müssen und sei nicht erklärlich, was der verunfallte Arbeiter am Unfallort am Gerüst machte, so kann dies den BW keinesfalls entlasten, da keine die Aufsicht ausübende Person auf der Baustelle war und Unfälle wie der gegenständliche sich immer wieder ereignen, wenn Arbeiter unbeaufsichtigt Arbeiten vornehmen, die eigentlich eine andere, dafür speziell ausgesuchte Firma vornehmen soll. Auch muß vom BW erwartet werden, daß - wenn er selbst nicht in der Lage ist, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu überwachen - er sich einer Person bedient, die sich darum kümmert. Im vorliegenden Fall war jedoch weder der Bauleiter noch eine sonstige anordnungsbefugte Person auf der Baustelle.

Rechtlich ergibt sich folgendes:

Gemäß § 46 Abs 9 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl Nr 218/1983 in der geltenden Fassung dürfen Gerüste nur von geeigneten, fachkundigen und hiezu berechtigten Personen oder unter fachkundiger Aufsicht von mit solchen Arbeiten vertrauten Personen aufgestellt, wesentlich geändert oder abgetragen werden. Im vorliegenden Fall wurde das Gerüst von Zvonko Su umgebaut, wobei dieser weder entsprechend fachkundig noch hierzu berechtigt war und sich auch keine weitere fachkundige oder hierzu berechtigte Person auf der Baustelle befand.

Gemäß § 72 Abs 1 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl Nr 218/1983 sind den Arbeitnehmern Sicherheitsgürtel oder Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazu gehörigen Ausrüstungen, wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkürzer oder Höhensicherungsgeräte zur Verfügung zu stellen, sofern bei Arbeiten an absturzgefährlichen Stellen durch Schutzmaßnahmen nach den §§ 18, 24 und 44 ein ausreichender Schutz nicht erreicht werden kann oder die Durchführung solcher Schutzmaßnahmen im Hinblick auf den Umfang der auszuführenden Arbeiten nicht gerechtfertigt ist.

Auf der Baustelle waren jedoch lediglich zwei Sicherheitsgürtel und ein altes bereits ausgefranstes Hanfseil, an dem die Enden mit Draht fixiert wurden und bereits einige Litzen gebrochen waren, vorhanden. Weitere Schutzmaßnahmen wurden nicht ergriffen. Gemäß § 72 Abs 2 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung BGBl Nr 218/1983 in der geltenden Fassung müssen an Stellen, an denen Schutzausrüstungen nach Abs 1 dieser Bestimmung verwendet werden, geeignete Befestigungsvorrichtungen möglichst lotrecht oberhalb dieser Stellen vorhanden sein, die den bei einem Absturz auftretenden Belastungen standhalten. Im vorliegenden Fall war eine Befestigungsvorrichtung, die bei einem Absturz die auftretende Belastung aushalten würde, nicht vorhanden. Es war somit in allen drei Fällen von der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen - und, da es sich dabei um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs 1 VStG handelt und der BW nicht glaubhaft machte, daß ihn an der Übertretung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft, auch von der subjektiven Tatseite - der zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen auszugehen. Soweit der BW vorbringt, es treffe ihn an den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen kein Verschulden, da er Herrn Alois Bu bzw Herrn Karl Sa zu verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG bestellt habe, ist ihm folgendes entgegenzuhalten: Mit Aktennotiz vom Jänner 1991 (Aktenblatt 103) wurde Herr Alois Bu zum Beauftragten der Firma I bestellt. In dieser Funktion hat er - wie dem Schreiben zu entnehmen ist - für die Einhaltung der Bestimmungen der Arbeitnehmerschutzverordnung 1983 Sorge zu tragen. Mit Schreiben vom 24.2.1994 (Aktenblatt 105 und 106) wurde Herrn Karl Sa die Verantwortung für die Einhaltung der sicherheitstechnischen, gewerberechtlichen Bestimmungen und der Arbeitsschutzbestimmungen in seinem örtlichen und sachlichen Aufgabenbereich übertragen. Die Bestellung dieser Personen zu verantwortlich Beauftragten im Sinne des § 9 VStG ist aus folgenden (vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7.4.1995, Zl 94/02/0470, angestellten) Überlegungen rechtsunwirksam:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 9 Abs 4 VStG in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen, daß die Bestellung und Namhaftmachung von verantwortlichen Beauftragten für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens dann nicht rechtswirksam sind, wenn dieser Bereich nicht klar abgegrenzt ist, sodaß die Verwaltungsstrafbehörde die Bestellung auf Grund der Ergebnisse von hiezu erforderlichen Ermittlungen einer Interpretation zu unterziehen hat. Die Bestellungen (Namhaftmachungen) dürfen keine Zweifel über den Umfang der Übertragung der Verantwortlichkeit offen lassen (vgl die Erk vom 21.2.1993, Zl 92/11/0258, vom 9.8.1994, Zl 94/11/0207, 0208; vgl auch das Erk vom 28.6.1994, Zl 94/11/0051). Eine solche eindeutige und zu keinen Zweifeln Anlaß gebende Umschreibung des Verantwortungsbereiches liegt darüber hinaus nur dann vor, wenn für die, in räumlicher, sachlicher und allenfalls auch zeitlicher Hinsicht abgegrenzte, verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit immer nur eine von vornherein feststehende Person in Betracht kommt. Wird im Bereich der Tätigkeit einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit von der gesetzlichen Grundregel der Strafbarkeit (aller) ihrer zur Vertretung nach außen befugten Organe abgegangen und von der Möglichkeit der Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit auf andere Personen mit entsprechender Anordnungsbefugnis Gebrauch gemacht, dann kann für ein- und denselben Verantwortungsbereich nur ein verantwortlicher Beauftragter bestellt werden. Die rechtspolitisch fragwürdige Situation, daß ungeachtet ihrer tatsächlichen internen Aufgabenverteilung alle eine bestimmte Organstellung bekleidenden Personen - auch kumulativ - für Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften zur Verantwortung gezogen werden dürfen, soll im Falle gewillkürten Abgehens zu der Lösung führen, daß die Verantwortlichkeit möglichst klar definiert ist. Dies ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn auf Grund überlappender Verantwortungsbereiche wiederum mehrere Personen nebeneinander und wiederum auch kumulativ für einen bestimmten Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift bestraft werden können."

Da im vorliegenden Fall die Verantwortlichkeit zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen an zwei verschiedene Personen übertragen wurde, kam eine Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 VStG nicht in Betracht und verblieb die Verantwortlichkeit daher beim BW.

Überdies muß auf § 23 Arbeitsinspektionsgesetz hingewiesen werden, wonach eine Bestellung zum verantwortlich Beauftragten erst ab Einlangen dieser Meldung beim zuständigen Arbeitsinspektorat wirksam wird und eine solche Meldung im vorliegenden Fall nicht erfolgt ist.

Eine Herabsetzung der Strafen hinsichtlich Punkt I) kam aus folgenden Gründen nicht in Betracht:

Jede Nichteinhaltung der Bestimmungen des Arbeitnehmer(Innen)schutzgesetzes schädigt in nicht unerheblichem Maße das öffentliche Interesse am Schutz des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern, dem die Strafdrohung dient. Der objektive Unrechtsgehalt der angelasteten Verwaltungsübertretungen war daher als erheblich zu werten.

Auch kann das Ausmaß des Verschuldens im vorliegenden Fall nicht als geringfügig bezeichnet werden, da weder hervorgekommen ist noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschrift vom BW besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder die Verwirklichung der hergestellten Straftatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Dem Vorbringen des BW, seine Arbeitnehmer seien ausreichend kontrolliert und beaufsichtigt worden, ist folgendes entgegenzuhalten:

Es entspricht herrschender Rechtsprechung, daß der Verantwortliche, der persönlich nicht mehr sämtlichen Überwachungsaufgaben nachkommen kann, durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz von ihrerseits wieder überwachten Aufsichtsorganen dafür zu sorgen hat, daß die im Unternehmen von den Beschäftigten zu beachtenden Vorschriften diesen nicht nur bekannt sind, sondern auch tatsächlich im Einzelfall eingehalten werden (VwGH 19.2.1986, 85/09/0037). Nur wenn der Verantwortliche glaubhaft machen kann, daß die ihm angelastete Verwaltungsübertretung trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems, ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden (VwGH 27.9.1988, 87/08/0026). Im Sinne dieser Judikatur reicht die bloße Erteilung von Weisungen nicht aus, der Verantwortliche muß auch glaubhaft machen, daß für eine geeignete Kontrolle der beauftragten Personen Vorsorge getroffen worden ist (VwGH 18.9.1987, 86/17/0021), wobei sein diesbezügliches Vorbringen einer Nachprüfung zugänglich sein muß (VwGH 18.1.1989, 88/03/0155). Allgemein gehaltene Behauptungen sind jedenfalls nicht geeignet, den Entlastungsbeweis für mangelndes Verschulden an einer angelasteten Verwaltungsübertretung als erbracht anzusehen (VwGH 17.9.1985, 84/04/0237).

Im Hinblick darauf, daß die auf der Baustelle arbeitenden Arbeitnehmer der Firma I völlig unbeaufsichtigt ihrer Arbeit nachgingen, ist davon auszugehen, daß der BW kein taugliches Kontrollsystem eingerichtet hat.

Unter Berücksichtigung des bis S 50.000,-- pro Delikt reichenden Strafrahmens, des objektiven Unrechtsgehaltes der Tat und des Verschuldens des BW, sowie im Hinblick darauf, daß ein Arbeitnehmer aufgrund der fehlenden Sicherheitseinrichtungen schwer zu Sturz kam und genau die Unfallfolge eintrat, der die Bestimmungen zu Punkt I.1), 2) und 3) des Straferkenntnisses entgegenwirken sollen, kam eine Herabsetzung der verhängten Strafen nicht in Betracht.

Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die im Spruch genannte Gesetzesstelle.

Die Behebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich Punkt II) war jedoch geboten, da der Strafantrag des Arbeitsinspektorates alternativ dafür gestellt wurde, ob Gerüstarbeiten oder Arbeiten an der Wasserleitung durchgeführt wurden und eine Bestrafung entweder für die Übertretung der allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung oder der Bauarbeiterschutzverordnung gefordert wurde, je nachdem, welche Tätigkeiten tatsächlich durchgeführt wurden. Da sich im vorliegenden Fall ergab, daß der Unfall beim Umbau des Gerüstes erfolgte, war lediglich eine Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung vorzunehmen. Um eine unzulässige Doppelbestrafung des BW zu vermeiden, war das Straferkenntnis hinsichtlich Punkt II) zu beheben und das Verfahren diesbezüglich einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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