TE UVS Wien 1998/05/07 01/38/23/98

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.1998
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat durch das Mitglied Mag Pfeifer über die mit 1.4.1998 datierte und am 1.4.1998 ha eingelangte Beschwerde des Herrn Hüseyin D, vertreten durch RA, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, entschieden:

Gemäß § 72 Abs 1, 2 und 4 Fremdengesetz 1997 - FrG in Verbindung mit § 67c Abs 4 AVG wird die Beschwerde, mit welcher die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und die Anhaltung in Schubhaft behauptet wird, als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundespolizeidirektion Wien) gemäß § 73 Abs 2 FrG in Verbindung mit § 79a AVG und § 1 der Aufwandersatzverordnung UVS Kosten in der Höhe von S 3.365,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Am 1.4.1998 langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine Beschwerde gemäß § 72 FrG des Hüseyin D, vertreten durch Dr Eva Maria B, ein. In der Begründung wird ausgeführt, daß sich sowohl der Bescheid vom 5.2.1998 als auch die Verhängung der Schubhaft und die Anhaltung in der Schubhaft als rechtswidrig erweisen würden.

Gemäß § 56 FrG könnten Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar sei, von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheine oder

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen seien oder

3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten sei, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder

4. sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt seien.

Der angefochtene Bescheid lasse nicht erkennen, auf welchen Tatbestand des § 56 FrG er sich stützt.

Richtig sei wohl, daß ein Ausweisungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 21.10.1997, Zahl IV-715.019-FrB/97 vorliege, welcher von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien am 16.12.1997 zur Zahl SD 1324/97 bestätigt worden wäre.

Gegen diesen Bescheid hätte er jedoch das Rechtsmittel der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht und mit der Beschwerde den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

Die aufschiebende Wirkung wäre durch den Verwaltungsgerichtshof nunmehr erlassen worden und werde er die aufschiebende Wirkung unverzüglich nachreichen.

Aufgrund seiner Beschwerde an die Höchstgerichte hätte er einen Rechtsanspruch darauf, daß er das Ergebnis der Beschwerde abwarte und könne daraus alleine nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, daß er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkomme. Die Ausweisung hätte sich deshalb als rechtswidrig erwiesen, weil hiedurch in unzulässiger Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen worden sei. Seine Eltern würden sich seit mehr als 10 Jahren in Österreich befinden und seien im Besitze einer unbefristeten Aufenthaltsbewilligung. Er hätte ordnungsgemäß einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung im Ausland zum Zwecke der Familienzusammenführung gestellt, aufgrund einer unrichtigen Rechtsbelehrung aber die Erledigung des Antrages nicht im Ausland abgewartet, sondern sei er nach Österreich eingereist und habe das Verfahren in Österreich abgewartet. Zu dem komme, daß er die Auflage erteilt erhalten hätte, seine Zeugnisse in Österreich zu nostrifizieren und hiezu einen Deutschkurs zu besuchen. Er hätte daher davon ausgehen müssen, daß er sich zum Zwecke der Absolvierung des Deutschkurses in Österreich aufhalten könne. Die Anordnung der Schubhaft erweise sich auch deshalb als rechtswidrig, weil gemäß § 66 FrG gelindere Mittel anzuwenden seien, wenn die Behörde Grund zur Annahme habe, daß der Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könne. Als gelindere Mittel komme insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführe, die Verhängung der Schubhaft sei notwendig, da nicht anzunehmen sei, daß er das Bundesgebiet freiwillig verlassen werde und zu befürchten sei, daß er sich dem fremdenpolizeilichen Zugriff zu entziehen versuchen werde und den illegalen Aufenthalt weiterhin fortsetzen werde, so sei hiezu auszuführen, daß dies mit § 66 FrG nicht im Einklang sei.

Demnach sei bei Anwendung gelinderer Mittel nicht zu prüfen, ob der Aufenthalt illegal sei, sondern einzig und allein, ob der Fremde der Anordnung Folge leisten werde, in bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen und sich jeden zweiten Tag bei der ihm bekanntgegebenen Sicherheitsdienststelle zu melden. Die belangte Behörde führe nicht aus, weshalb sie annehme, daß er diese Voraussetzungen nicht erfüllen werde.

Er hätte einen ordnungsgemäßen Wohnsitz, sei polizeilich gemeldet, sei in Österreich bei seinen Eltern und seiner Familie, die sich im übrigen nahezu zur Gänze in Österreich befinde, integriert, sodaß nicht anzunehmen sei, er würde sich der Verpflichtung zur Meldung entziehen. Der angefochtene Bescheid, die Festnahme und die Anhaltung in Schubhaft würden sich somit auch wegen Verletzung des § 66 FrG als rechtsirrig erweisen.

Im übrigen werde aber auch ein unzulässiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben gemäß Art 8 EMRK geltend gemacht, da er seine familiären Bindungen ausschließlich in Österreich hätte, sich seine Eltern in Österreich befänden und er lediglich wegen eines formalen Fehlers noch keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich habe. Hiezu komme aber, daß nach der nunmehrigen Gesetzeslage ein Abwarten der Entscheidung im Ausland nicht mehr notwendig sei, sodaß auch aus diesem Gesichtspunkt der Eingriff in sein Privat- und Familienleben zu beurteilen sei.

Die belangte Behörde hätte auch nicht geprüft, daß ihm als Angehöriger eines türkischen Staatsbürgers, welcher in Österreich aufgrund des Assoziierungsabkommens EG/Türkei Niederlassungsfreiheit habe, ebenso eine Berechtigung zum Aufenthalt zustehen würde.

Er stelle sohin den Antrag, 1. eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und 2. festzustellen, daß die Festnahme, die Anhaltung in Schubhaft und der Schubhaftbescheid rechtswidrig seien.

In einer Stellungnahme vom 1.4.1998 führt die belangte Behörde (Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro) aus, daß gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 21.10.1997 eine Ausweisung verfügt und einer dagegen eingebrachten Berufung mit Bescheid vom 16.12.1997 keine Folge gegeben und der Berufungsbescheid vom 17.12.1997 an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellt worden wäre. Die Ausweisung sei somit in Rechtskraft erwachsen und durchsetzbar. Die vom Beschwerdeführer behauptete Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof sei bisher nicht vorgelegt bzw nicht nachgewiesen worden. Am 30.3.1998 sei der Beschwerdeführer aufgrund vorliegenden Schubhaftbescheides festgenommen und über ihn die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt worden. Die Rechtsmeinung des Beschwerdeführers betreffend die Ausführungen zu § 66 FrG würden sich als verfehlt erweisen. Durch den vorliegenden Sachverhalt sei hinreichend dokumentiert, daß der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig nachgekommen ist, sodaß für die Durchsetzung der Abschiebung in Vollstreckung der durchsetzbaren Ausweisung nur die Verhängung der Schubhaft in Betracht käme.

Aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer offensichtlich nicht gewillt ist, Österreich freiwillig zu verlassen. Ein Fremder, der sich monatelang weigere, entgegen einer ihn treffenden gesetzlichen Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, setzt nämlich ein Verhalten, das begründeten Anlaß zur Annahme bietet, er werde sich der Abschiebung entziehen oder diese doch wesentlich erschweren (vgl VwGH vom 28.10.1993, Zl 93/18/0372).

Die Schubhaftbeschwerde werde daher abzuweisen sein. An Kosten wurden gemäß der Verordnung BGBl Nr 855/995 an Vorlageaufwand S 565,-- und an Schriftsatzaufwand S 2.800,-- verzeichnet.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich darüberhinaus folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsbürger und ist mit einem Touristensichtvermerk, gültig vom 13.9.1995 bis 13.10.1995, ins Bundesgebiet eingereist. Er hat das Bundesgebiet kurzfristig zur Stellung eines Antrages gemäß § 6 Abs 1 AufG 1992 verlassen und ist im Anschluß daran, ohne den erforderlichen Sichtvermerk, wieder eingereist und hält sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Mit Bescheid vom 23.2.1996, MA 62-9/2167372/1, wurde der erstmalige Antrag des Beschwerdeführers vom 30.10.1995 auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs 1 in Verbindung mit § 6 Abs 1 Aufenthaltsgesetz 1992 mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs 2 Aufenthaltsgesetz abgewiesen.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid vom 19.3.1997 keine Folge gegeben und wurde diese gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs 1 Aufenthaltsgesetz und § 10 Abs 1 Zif 6 des Fremdengesetzes abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.5.1997, Zl 97/19/1142, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Am 21.10.1997 erließ die Bundespolizeidirektion, Fremdenpolizeiliches Büro, zur Zl IV-715.019/FrB/97 gemäß § 17 Abs 1 FrG eine Ausweisung. Der Berufungswerber wurde aufgefordert, gemäß § 22 Abs 1 FrG sofort nach Rechtskraft des Bescheides das Bundesgebiet zu verlassen.

Dieser Bescheid wurde an den Berufungswerber zu Handen seiner rechtsfreundlichen Vertreterin, Dr Eva Maria B, am 28.10.1997 zugestellt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid eine Berufung und wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16.12.1997, Zl SD 1324/97, zugestellt am 18.12.1997, darüber entschieden und ausgesprochen, daß der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs 4 AVG bestätigt wird.

Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde.

Mit Schreiben der BPD Wien vom 8.1.1998, zugestellt an die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers, wurde dieser nochmals aufgefordert das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Er wurde darauf hingewiesen, daß widrigenfalls gegen ihn fremdenpolizeiliche Maßnahmen, dh die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung, ergriffen würden.

Mit Beschluß vom 23.2.1998, Zl B 277/98, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß 1.) der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, 2.) die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und 3.) die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten werde. Am 5.2.1998 verfaßte die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, in dem gemäß § 61 Abs 1 FrG (BGBl Nr 75/1997) iVm § 57 Abs 1 AVG gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung (§ 56 FrG) angeordnet wurde. Der Schubhaftbescheid wurde damit begründet, daß die BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, zur Zahl IV-715.019-FrB/97 gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen habe. Die Verhängung der Schubhaft sei zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens bzw sei die Abstandnahme von der Anwendung gelinderer Mittel notwendig, da nicht anzunehmen sei, daß er das Bundesgebiet freiwillig verlassen werde, vielmehr sei zu befürchten, daß er sich dem fremdenpolizeilichen Zugriff zu entziehen versuche und seinen illegalen Aufenthalt weiterhin fortsetzen werde. Am 30.3.1998 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer fremdenpolizeilichen Streife an der Wohnadresse Wien, A-Straße, um

20.45 Uhr, festgenommen. Im Zuge dessen wurde ihm der Schubhaftbescheid zugestellt und von ihm die Übernahme des Bescheides bestätigt.

Der Beschwerdeführer wurde am 1.4.1998 von der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, niederschriftlich einvernommen und brachte er vor, daß er in Kenntnis dessen sei, daß gegen ihn eine rechtskräftige Ausweisung bestehe. Sein Rechtsanwalt habe ihm jedoch gesagt, er könne das VwGH-Verfahren abwarten. Zu der an seinen Rechtsanwalt zugestellten Ausreiseaufforderung gab er an, daß er diese nie erhalten habe. Sein Anwalt habe ihm davon nichts gesagt. Wenn er dies gewußt hätte, wäre er freiwillig ausgereist. Zu seinen Unterhaltsmitteln befragt, gab er an, daß er über S 100,-- verfüge, er habe in Österreich keine legale Beschäftigung ausgeübt. Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt, gab er an, daß er ledig und für keine Kinder sorgepflichtig sei. Seine Familie lebe in Österreich. Er sei Hilfsarbeiter und habe 8 Jahre Grundschule und 3 Jahre Handelsschule besucht. Ab dem Zeitpunkt seiner Einreise habe er in Wien, A-Straße gewohnt und sei er dort polizeilich gemeldet.

Mit Beschluß vom 2.4.1998 gab der Verwaltungsgerichtshof, zur Zahl AW 98/18/016, dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend das Ausweisungsverfahren gemäß § 30 Abs 2 VwGG statt.

Über Aufforderung des Unabhängigen Verwaltungssenates wurde dieser Beschluß am 3.4.1998, um 10.20 Uhr, von der Vertreterin des Beschwerdeführers übermittelt. Sowohl vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien als auch von der Rechtsvertreterin wurde der genannte Beschluß sogleich an die BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, weitergeleitet. Der Beschwerdeführer wurde an diesem Tag, um

11.45 Uhr, aus der Schubhaft entlassen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 61 Abs 1 FrG, BGBl Nr 75/1997 (Fremdengesetz 1997 - FrG) können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder eine Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung oder Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung eines Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen. Gemäß Abs 4 dieser Bestimmung kann die Verhängung der Schubhaft mit Beschwerde gemäß § 72 angefochten werden.

Gemäß § 66 Abs 1 FrG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, daß deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, daß der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Gemäß § 66 Abs 2 FrG kommt als gelinderes Mittel insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen. Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, daß der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese hätte bereits aus dem Grunde des § 96 Abs 1 Z 1 von amtswegen zu erfolgen. Gemäß § 56 Abs 1 FrG können Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint (Z 1), sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind (Z 2), aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommem (Z 3) oder sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind (Z 4).

Gemäß § 69 Abs 2 darf die Schubhaft nur solange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Wird ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt (§ 69 Abs 3 FrG).

Gemäß § 73 Abs 2 zweiter Satz FrG gelten die §§ 67 c bis 67 g sowie § 79 a AVG mit der Maßgabe, daß eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Im gegenständlichen Fall erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen ausreichend geklärt, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte.

Der Beschwerdeführer bekämpft mit der vorliegenden Beschwerde die Verhängung der Schubhaft und Anhaltung in Schubhaft. Gemäß § 72 Abs 1 FrG hat, wer gemäß § 63 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen.

Da der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt in Wien hat und auch in Wien festgenommen wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig.

Zur Verhängung der Schubhaft:

Mit dem Einwand der Integration des Beschwerdeführers in Österreich aufgrund seiner Familienbeziehungen vermag dieser nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar die Fremdenbehörde bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nicht aber der Unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen der Schubhaftbeschwerde auf die Frage der Zulässigkeit eines allfälligen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Fremden Bedacht zu nehmen hat (vgl ua VwGH vom 10.5.1996, Zahl 96/02/0194). Siehe auch VwGH vom 25.4.1997,

Zahl 95/02/0115, wonach der UVS auf familiäre Beziehungen bei der Erlassung des Schubhaftbescheides nicht Bedacht zu nehmen hat. Eine Anwendung des Art 8 EMRK im Verfahren zur Erlassung der Schubhaft ist daher in diesem Zusammenhang vom Ansatzpunkt verfehlt.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Schubhaft die Rechtskraft (Durchsetzbarkeit) der Ausweisung zu beachten. Für die Prüfung der Rechtsrichtigkeit der im Instanzenzug ergangenen Ausweisung gegenüber dem Mitbeteiligten bleibt daher kein Raum (vgl VwGH vom 2.8.1996, Zl 96/02/0168). Was die Ausführungen in der Beschwerde zum Beschluß Nr 1/80 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 zwischen der EG und der Türkei betrifft, ist auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 1.10.1997, Zl 97/09/0131, zu verweisen, worin ausgesprochen wurde, daß der in Rede stehende Beschluß Nr 1/80 nicht den europarechtlichen Anspruch auf "Familiennachzug" regle, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familienangehörigen, die aufgrund anderer Rechtsgrundlagen der Mitgliedstaaten die Genehmigung erhalten haben, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. Das hat auch bereits der EuGH ausgesprochen (vgl in dieser Hinsicht das Erkenntnis des VwGH vom 2.10.1996, Zahl 96/21/0641 und die darin angegebene weiterführende Judikatur, sowie das Erkenntnis vom 16.4.1997, 96/21/0758 ).

Dem Beschwerdeführer kam jedoch aufgrund der innerstaatlichen Normen kein "Zuzugsrecht" zu.

Die Erhebung einer Beschwerde an den VfGH in Verbindung mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vermag an der vorläufigen Durchsetzbarkeit einer Ausweisung, welche vom UVS bei der Prüfung der Zulässigkeit der Schubhaft zu beachten ist, nichts zu ändern, wenn zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den VfGH noch nicht abgesprochen ist (VwGH vom 25.4.1997, 95/02/0115).

Im Beschwerdefall wurde die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung angeordnet, wobei die Bundespolizeidirektion Wien die Gefahr, der Beschwerdeführer werde sich durch Flucht dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen, deshalb angenommen hat, da er seiner Ausreiseverpflichtung trotz der rechtskräftigen Ausweisung seit 18.12.1997 und trotz der Ausreiseaufforderung vom 8.1.1998 nicht nachgekommen ist. Im Hinblick darauf und unter Bedachtnahme auf die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich der Einvernahme am 1.4.1998, wonach er über keinerlei Barmittel verfügt, konnte im Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung auch künftig nicht ohne weiteres selbst nachkommen werde und erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die mit Bescheid erfolgte Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers als nicht rechtswidrig. Aufgrund seines seit 1995 währenden, hartnäckigen Bestrebens, rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig zu sein - sogar nach rechtskräftiger Ausweisung ist er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen - besteht kein Grund zur Annahme, daß dieser Sicherungszweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könnte.

Zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft:

Hinsichtlich der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft bis 3.4.1997, 11.45 Uhr, ist sohin festzustellen, daß bis dahin die über den Beschwerdeführer verfügte Ausweisung durchsetzbar und rechtskräftig war und der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zu verlassen gehabt hätte.

In Anbetracht dessen, daß der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung trotz durchsetzbarer Ausweisung und Aufforderung, das Land zu verlassen, nicht nachgekommen ist und aufgrund seiner Ausführungen während des Ausweisungsverfahrens und auch in der Schubhaftbeschwerde, wonach er das Recht habe, sich während des Verfahrens beim Verwaltungsgerichtshof in Österreich aufzuhalten, hat er dokumentiert, daß er jedenfalls nicht gewillt ist bis zur Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, daß die Überwachung seiner rechtlich gebotenen Ausreise erforderlich ist, sodaß die Schubhaft zur Erreichung des im § 61 Abs 1 FrG normierten Sicherungszweckes notwendig ist. Die Schubhaft wurde im gegenständlichen Falle zur Sicherung der Abschiebung erlassen. Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes wurde nunmehr der Beschwerde betreffend die Ausweisung die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem verstärkten Senat ausgesprochen, daß das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung als ein die Funktionsfähigkeit jenes Rechtsschutzsystems stützendes Element anzusehen ist, im Rahmen dessen der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Bescheiden berufen ist. Die in der Bescheidprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof gegebene Rechtsschutzfunktion dürfe durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht ausgehöhlt werden. Unter "Vollzug" im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG sei daher die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit zu verstehen und eine Rücksichtnahme auf jene Folgen notwendig, die dem Beschwerdeführer bei der Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit treffen würde (Erkenntnis vom 25.2.1981, Sammlung Nr 10.381/A). Diese am Rechtsschutzgedanken orientierte Auslegung des § 30 Abs 2 VwGG findet ihre Bestätigung in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, derzufolge Einschränkungen des Grundsatzes der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfes nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig sind (vgl Erkenntnis des VfGH vom 1.12.1995, G 1306/95). Diese Aussage trifft auch auf den Rechtsbehelf der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG zu. Den § 30 Abs 2 und § 63 Abs 1 VwGG kann im Lichte des Rechtsschutzprinzips nicht die Bedeutung unterstellt werden, die Behörde könnte durch die vorzeitige Abschiebung eines Fremden diese allenfalls durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bewirkte Verpflichtung gemäß § 63 Abs 1 VwGG unterlaufen (VwGH vom 17.5.1996, AW 96/21/0267). In Anlehnung an die angeführte Judikatur folgt, daß mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Sicherungszweck der Schubhaft, nämlich die Abschiebung, weggefallen ist, die Schubhaft durfte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr darauf gestützt werden, weshalb der Beschwerdeführer aus der Schubhaft zu entlassen war. Indem der Beschwerdeführer bereits ungefähr eine Stunde nach Bekanntwerden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus der Schubhaft entlassen wurde, wurde diesem Beschluß auch unverzüglich entsprochen.

Aufgrund der dargelegten Umstände erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die mit Bescheid erfolgte Inschubhaftnahme sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in dieser bis zu seiner Entlassung als nicht rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 79a AVG (diese Bestimmung ist nach § 73 Abs 2 FrG 1997 im vorliegenden Fall anzuwenden) in Verbindung mit § 1 der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl Nr 855/1995.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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