TE UVS Steiermark 1998/06/18 20.3-16/98

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.1998
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die am 20. Februar 1998 eingelangte Beschwerde der Frau Daniela H, geb. am 14. August 1947, vertreten durch Dr. Bernd F, Dr. Klaus K, Dr. Günter F, Dr. Werner St und Mag. Franz D, alle Rechtsanwälte in G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:

Das Anlegen der Handfessel bei der Beschwerdeführerin am 12. Jänner 1998, um ca. 11.00 Uhr, im Stiegenhaus des Hauses Laimburggasse 32, 8010 Graz, durch Organe der Bundespolizeidirektion Graz war rechtswidrig und wurde die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt.

Rechtsgrundlagen: §§ 67 a Abs 1 Z 2 und Abs 2, 67 c Abs 1 und Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG), §§ 4, 5 Waffengebrauchsgesetz, Artikel 3 Europäische Menschenrechtskonvention (im folgenden MRK), § 2 Abs 1 der Dienstanweisung über die Anwendung und Handhabung der Handfessel (im folgenden HFDA).

Die Bundespolizeidirektion Graz hat der Beschwerdeführerin gemäß § 79 a AVG die für den Zweck entsprechende Rechtsverfolgung notwendige und mit S 18.980,-- bestimmten Kosten binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

I.1. In der Beschwerde vom 20. Februar 1998 wurde nachfolgendes vorgebracht:

I. Sachverhalt

Der vorliegenden Beschwerde liegt nachstehender Sachverhalt zugrunde:

Am 12.1.1998 kam es in Graz, Laimburggasse 32, im Zusammenhang mit einer Benützung des Hausliftes zu einer Auseinandersetzung zwischen der Beschwerdeführerin und der Mitbewohnerin Gohar G. Dieser Vorfall ist zu 10 EVr 306/98 des LG für Strafsachen Graz gerichtsanhängig. Die von G geschilderten Ereignisse sind unzutreffend, zugleich jedoch auch für das gegenständliche Beschwerdeverfahren ohne Relevanz.

Aufgrund des genannten Vorfalles wurde von G Anzeige gegenüber der BPD Graz, Wachzimmer Grabenstraße, erstattet. Nach dem Inhalt dieser Anzeige sei sie von der Beschwerdeführerin mit einer Pistole bedroht worden.

Nach Anzeigeerstattung begaben sich RI H und RI Franz N 3 in die Laimburggasse 32 und forderten in weiterer Folge das Mobile Einsatzkommando an. Seitens des Mobilen Einsatzkommandos beteiligten sich unter dem Kommando von BI O die weiteren Beamten J, Z, Pf, W, St, G und D (die Genannten sind jedenfalls in der Anzeige der BPD Graz angeführt) an der nachfolgenden Amtshandlung.

Der Ablauf der Ereignisse am Vormittag des 12.1.1998:

Offenbar zur Überprüfung der Anwesenheit kam es zunächst zu einem Telefonanruf in der Wohnung der Beschwerdeführerin. Nachdem diese sich am Telefon gemeldet hatte, legte der Anrufer auf, ohne sich seinerseits zu melden. Unmittelbar danach wurde die Beschwerdeführerin neuerlich angerufen und telefonisch aufgefordert, ihre Wohnung zu verlassen. Sie begab sich über diese Aufforderung unverzüglich aus der Wohnung in das Stiegenhaus und stand, einen Schritt von der Wohnungstür entfernt, am Ende der vom

5. in den 6. Stock führenden Stufen.

Frau H trug zu diesem Zeitpunkt eine Hose, ein Jeanshemd und eine Jacke. Nach dem Verlassen der Wohnung war sie plötzlich mit der Situation konfrontiert, daß im Bereich des Stiegenaufganges mehrere Polizeibeamte in Einsatzausrüstung, mit Schutzschild und in Anschlag gebrachten Waffen vor ihr standen.

Sie wurde von einem der Beamten aufgefordert, sich mit dem Gesicht zur Wand aufzustellen und damit den einschreitenden Beamten den Rücken zuzuwenden. Zugleich wurde ihr aufgetragen, die Hände zu heben. Angesichts dieser bedrohlichen und für die Beschwerdeführerin völlig unerwarteten Situation wurde diese Anweisung unverzüglich befolgt. Die nächste Tätigkeit der Beamten bestand darin, die Hände der Beschwerdeführerin zu ergreifen und dieser Handfesseln anzulegen, wobei die Hände am Rücken geschlossen wurden. Zugleich wurde die Jacke über die Schultern heruntergezogen, um die Bewegungsmöglichkeit weiter einzuschränken. Im Zuge des Anlegens kam es zur ersten verbalen Kommunikation zwischen Daniela H und einem Polizeibeamten. Die Beschwerdeführerin sagte, daß das Anlegen der Handfesseln schmerzhaft sei. Die Antwort darauf war ebenso knapp wie aussagekräftig: Es soll weh tun. Zur Untermauerung wurden die Handschellen einige Rasten enger gestellt.

Der geschiedene Gatte der Beschwerdeführerin, Herr Juraj H, der mit der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt lebt, kam im Hause Laimburggasse 32 an, bevor die vorhin beschriebene Amtshandlung begonnen hatte. Bei seinem Eintreffen stand ein uniformierter Beamter im Erdgeschoß im Bereich des Liftes, welcher offensichtlich in Folge der bevorstehenden Ereignisse abgestellt worden war. Nachdem er sich zu erkennen gegeben hatte, wurde dieser Umstand zunächst über Funk den im Hause befindlichen Einsatzkräften mitgeteilt, nachfolgend wurde er in Begleitung eines Beamten über die Stiege bis in den

5. Stock des Hauses vorgelassen. Die Amtshandlung selbst konnte er nicht beobachten, er wurde jedoch Ohrenzeuge der gesamten Auseinandersetzung, da die Amtshandlung zu dem Zeitpunkt, als er im 5. Stock letztendlich angehalten wurde, noch nicht begonnen hatte.

Aus den Gesprächen der Beamten und den Tätigkeiten war für ihn erkennbar, daß Frau H im Verdacht einer strafbaren Handlung im Zusammenhang mit einer Waffe stehe. Er teilte einem Beamten daraufhin mit, daß er dies ausschließen kann, da sich keine Waffe in der Wohnung befindet. Weiters bot er den Beamten an, sich in die Wohnung zu begeben, um die Situation zu klären, da für ihn die Absurdität des erhobenen Vorwurfes völlig klar war. Das dahingehende Ansinnen wurde jedoch zurückgewiesen.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, daß die in der Anzeige auf Seite 3 enthaltenen Ausführungen (3. Absatz) in mehreren Punkten unrichtig sind.

Aufgrund seiner akustischen Wahrnehmungen war für Herrn H erkennbar, daß sich im Stockwerk darüber dramatische Szenen abspielten. Einem der vorbeigehenden Beamten stellte er die Frage, wer als Kommandant für diese skandalöse Vorgangsweise verantwortlich sei. Ob dieser Wißbegierde offensichtlich erstaunt, wurde anstatt der gewünschten Information entgegnet: Du brauchst das nicht zu wissen. Dieser Beamte gab nachfolgend, nach seinem Namen befragt, ohne nähere Erklärung an: 607. Zugleich vergewisserte er sich auch mit der Frage: Kannst Du Dir das merken? von den intellektuellen Fähigkeiten des Fragestellers. Nachfolgend wandte sich der Uniformierte von dem auf diese Weise Uninformierten ab.

Nach dem Abführen der Beschwerdeführerin stellte ihr geschiedener Gatte schließlich die Frage, wohin diese nunmehr gebracht werde. Dazu wurde mitgeteilt, daß er sich diesbezüglich beim Journaldienst erkundigen müsse. Die weitere Frage, wo dieser Journaldienst erreichbar sei, wurde damit beantwortet, daß der Polizeibeamte kein Fremdenführer sei.

Zurück zu den Ereignissen in und vor der Wohnung der Beschwerdeführerin:

Nach dem Anlegen der Handschellen am Rücken begann die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Situation und Verzweiflung zu weinen, was die einschreitenden Polizeibeamten jedoch sichtlich nicht beeindruckte.

Einige der Beamten begaben sich, während die Beschwerdeführerin im Stiegenhaus mit angelegten Handschellen angehalten wurde, in die Wohnung, um diese zu durchsuchen. Kurze Zeit später erschien einer dieser Polizeibeamten vor der Wohnung und hielt das corpus delicti in Händen. Kriminaltechnisch offensichtlich versierter als seine Kollegen, faßte er es mit zwei Fingern lediglich am Rand des Abzugbügels (dazu später) an und teilte mit, daß er die Tatwaffe gefunden habe. Es dürfte auch für ihn zu diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen sein, daß es sich dabei nur um eine Spielzeugpistole handelt. Dessen ungeachtet, bestand nach Ansicht der einschreitenden Beamten offensichtlich jedoch keinerlei Veranlassung dazu, wenigstens zu diesem Zeitpunkt die Handschellen abzunehmen. Nachdem einige Zeit später die Amtshandlung an Ort und Stelle offensichtlich abgeschlossen war, wurde die Beschwerdeführerin zum Lift gebracht. Einer der Polizeibeamten hinterfragte bei einem Kollegen die Notwendigkeit der Handschellen mit den Worten: Ist das notwendig?. Daraufhin wurden die Handschellen im Hause Laimburggasse 32 vor der Wohnung der Beschwerdeführerin abgenommen.

Stattdessen ergriffen 2 Polizeibeamte die Beschwerdeführerin an den Oberarmen und verhinderten auf diese Weise erfolgreich die Flucht oder gar einen tätlichen Angriff auf die bewaffneten Beamten des Mobilen Einsatzkommandos. Frau H wurde in weiterer Folge mit dem Lift zum Hausausgang gebracht und nachfolgend in das Wachzimmer Grabenstraße überstellt.

Zum Zeitpunkt der Amtshandlung befand sich die Beschwerdeführerin alleine in der Wohnung. Da es die Beamten nach Beendigung der Hausdurchsuchung nicht der Mühe wert fanden, die von ihnen geöffnete Balkontüre sowie die Wohnungstüre zu schließen, ersuchte sie darum, vor ihrem Abführen zumindest die Wohnungstüre schließen zu dürfen. Das wurde ihr verweigert, auch seitens der Beamten erfolgten keinerlei Veranlassungen. Der Ort des Geschehens wurde bei sperrangelweit geöffneten Türen verlassen. Im Rahmen der Darstellung des Sachverhaltes wurde bereits die Sicherstellung der 'Tatwaffe' erwähnt. Das hohe Maß der Unprofessionalität in der Vorgangsweise der Beamten zeigte sich auch nachfolgend, als die Beschwerdeführerin ausdrücklich verlangte, eine daktyloskopische Untersuchung des Spielzeuges vorzunehmen. Das dahingehende Ansinnen veranlaßte einen der Polizisten einem Kollegen gegenüber zu der Bemerkung, daß dies wohl kaum erfolgversprechend sei, weil 'schon mindestens fünf von uns die Pistole in der Hand hatten'. Tatsächlich erbrachte die kriminaltechnische Untersuchung - angesichts dieser Tatsachen wenig überraschend - keine verwertbaren Fingerabdrücke. Von der Beschwerdeführerin wurden schon im Wachzimmer keine Fingerabdrücke genommen.

Die Beschwerde richtet sich primär gegen das rechtswidrige Anlegen der Handfesseln. Ebenso schwerwiegend ist jedoch der Umstand, daß seitens der einschreitenden Beamten eine menschenverachtende und herabwürdigende Umgangsform gewählt wurde (die wenigen an die Beschwerdeführerin und an ihren Gatten gerichteten Äußerungen wurden in der Sachverhaltsschilderung weitestgehend wörtlich wiedergegeben).

Die Einschreiterin wie auch ihr Ehegatte sind österreichische Staatsbürger und stammen aus der Slowakei. Sie halten sich seit 20 Jahren in Österreich auf, die Herkunft ist jedoch durch den Akzent erkennbar. Es ist wohl davon auszugehen, daß dieser Umstand das Verhalten der Polizeibeamten beeinflußte. Unzweifelhaft steht jedoch fest, daß solchen Handlungen mit einer Entschiedenheit entgegenzutreten ist.

Der Einsatz von Spezialeinheiten gegen Hausfrauen mag unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein. Wenn sich jedoch Hausfrauen wie Hausfrauen verhalten haben auch Polizeibeamte wie Polizeibeamte auftreten - und nicht in Söldnermanier Ausbildungsinhalte anzuwenden, die nur darauf abzielen, auf Selbstschutz bedacht bewaffnete und gefährliche Kriminelle dingfest zu machen.

Daß der Gatte der Beschwerdeführerin als bekannter und erfolgreicher Opernsänger im Mittelpunkt des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens steht, begründet zwar keinen Anspruch auf Sonderbehandlung für ihn und seine Familie, es ist aber ein Indiz dafür, daß es sich bei der Familie H um integere und geachtete Personen handelt. Die in dieser Beschwerde geschilderte, skandalöse Vorgangsweise ist inhaltlich durch nichts, weder durch die erstattete Anzeige und erst recht nicht durch einen fremdländischen Akzent zu rechtfertigen.

Zum Beweise des Beschwerdevorbringen wird der ANTRAG

gestellt, die Beschwerdeführerin, Herrn Juraj H, p.A. der Beschwerdeführerin sowie die Polizeibeamten RI N. H und RI Franz N 3, beide p.A. BPD Graz, Wachzimmer Grabenstraße sowie die Beamten BI N. O, N. J, N. Z, N. Pf, Bernhard W, N. St, N. G und N. D, alle p.A. BPD Graz, MEK, als Zeugen zu laden und anläßlich der mündlichen Verhandlung einzuvernehmen sowie allenfalls weitere beteiligte Beamte auszuforschen und einzuvernehmen. Weiters wird der ANTRAG

gestellt, ihm Rahmen des Beschwerdeverfahrens einen Ortsaugenschein durchzuführen und die Anzeige der BPD Graz, Wachzimmer Grabenstraße vom 12.1.1998, Anzeige-Nr. 270, die Unterlagen der KTZ Graz betreffend die daktyloskopische Untersuchung der Spielzeugpistole sowie die anläßlich der Amtshandlung beschlagnahmte Tatwaffe (Depositenstelle der BPD Graz, Dep. Nr. 135/98) beizuschaffen.

2. Beschwerdelegitimation

Der gegenständliche Vorfall ereignete sich am 12.1.1998, die Beschwerdefrist ist daher gewahrt.

Die Beschwerdelegitimation ergibt sich daraus, daß die Beschwerdeführerin durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

3. Beschwerdegründe

Die Beschwerdeführerin wurde durch die dargelegte Vorgangsweise in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden verletzt.

Dieses Rechts ist in Artikel 3 MRK im Verfassungsrang verbrieft. Die Amtshandlung ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beurteilen. Eine Rechtsverletzung liegt dann vor, wenn eine Maßnahme aufgrund des Gesamtbildes des behördlichen Einschreitens angesichts der konkreten Umstände als unangemessen anzusehen ist.

Die rechtliche Grundlage für die Anwendung der Handfesseln bildet § 4 Waffengebrauchsgesetz. In Ausführung dieser Bestimmung wird in der Dienstanweisung über die Anwendung und Handhabung der Handfesseln (HFDA) im Detail geregelt, in welchen Fällen, auf welche Weise und bei wem die Anwendung zulässig ist. Die einschreitenden Polizeibeamten berufen sich in der vorliegenden Anzeige auf § 1 HFDA und vermeinen, daß diese Vorgangsweise aufgrund einer nicht auszuschließenden Gefährdung ihrer eigenen Person sowie eines Angriffes gegen die einschreitenden SWB gerechtfertigt wäre.

Diese Argumentation ist in mehrerer Hinsicht verfehlt:

1.

Wie bereits dargestellt, bot die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten nicht die geringste Annahme dafür, daß einer der genannten Gründe vorliegen könnte. Sie hatte überdies keine Gelegenheit dazu, einen Grund zu setzen, da ihr die Handfesseln unmittelbar nach dem Verlassen der Wohnung angelegt wurden.

2.

Auch in dem rüden Umgangston, den herabwürdigenden Äußerungen und der selbstverständlichen Verwendung des Du-Wortes liegt eine erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 MRK.

3.

Die Beschwerdeführerin wurde durch die gegenständliche Vorgangsweise auch an ihrer Gesundheit beeinträchtigt. Infolge der massiven psychischen Belastung erfolgte nach dem Vorfall eine stationäre Behandlung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eggenberg, wobei nach den Ausführungen der behandelnden Ärzte die Zuordnung der Körperverletzung zum gegenständlichen Ereignisablauf in medizinischer Hinsicht unzweifelhaft ist. Die bezughabenden medizinischen Unterlagen liegen zum Zeitpunkt der Überreichung der Beschwerde noch nicht vor, sie werden jedoch spätestens in der Verhandlung vorgelegt werden. Sofern diese bereits vorher benötigt werden, wird um einen Auftrag zur Urkundenvorlage unter angemessener Fristsetzung ersucht.

Eine weiters aufgrund des Vorfalls eingetretene Rötung und Schmerzhaftigkeit der Handgelenke blieb in der Anzeige unerwähnt.

4.

Die auf Seite 3 der Anzeige angeblich vom Gatten der Beschwerdeführerin abgelegte Äußerung, daß diese sich wegen ihres psychischen Zustandes in ärztlicher Behandlung befinde ist zutreffend. Faktum ist, daß aufgrund eines Übergriffes von Ghassem G am 5.1.1998 eine Körperverletzung, welche ärztlich behandelt wurde, gegeben war. Da sich dieser tätliche Angriff im Lift ereignete, hatte die Beschwerdeführerin in der Zeit danach Ängste, den Fahrstuhl zu benutzen und holte aus diesem Grund medizinischen Ratschlag ein.

Eine psychische Krankheit, wie es nunmehr offensichtlich seitens der BPD Graz dargestellt werden soll, bestand keinesfalls, der nachfolgende Krankenhausaufenthalt ist ausschließlich auf das rücksichtslose, gesetzwidrige und unprofessionelle Einschreiten der Beamten zurückzuführen und steht in keinerlei Zusammenhang mit einem Nachbarschaftsstreit.

5.

Verwiesen wird in rechtlicher Hinsicht auf darauf, daß vor Einführung der Maßnahmenbeschwerde an den UVS der VfGH in weit weniger dramatischen Fällen eine Verletzung des Art. 3 MRK ausgesprochen hatte, so etwa bei einer sachlich nicht erforderlichen Anlegung von Handschellen ohne nennenswerte Folgen (VfGH 9.6.1992, B 820/90, VfSlg 13044).

6.

Nach ständiger Judikatur des VwGH verletzen physische Zwangsakte die Bestimmung des Art. 3 MRK, wenn ihnen eine die Menschenwürde beeinträchtigende Mißachtung des Betroffenen als Person zu Eigen ist. Für die Beurteilung ist inhaltlich das Gebot der Verhältnismäßigkeit und des Maßhaltens ausschlaggebend (VfGH 7.3.1994, B 115/93, VfSlg 13708).

Zum Verhältnismäßigkeitsgebot ist wiederum auszuführen, daß eine konkrete Maßnahme nur dann zulässig ist, wenn diese nach ihrem Zweck im Hinblick auf die (drohende) Rechtsgutverletzung erforderlich ist. Wenn jedoch - wie im vorliegenden Fall - von einer ernsthaften und drohenden Rechtsgutverletzung überhaupt nicht die Rede sein kann, ist auch eine Vorgangsweise, gegen die sich diese Beschwerde richtet, unzulässig und rechtswidrig (Zeleny, Zur Festnahme allgemein und von Schwarzfahrern im besonderen, ÖJZ 1995, 560 (563). Den besonderen Umständen des konkreten Falles wird, diesem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend, auch in den Bestimmungen der HFDA Rechnung getragen, welche am Vormittag des 12.1.1998 eklatant verletzt wurde.

Zusammenfassend ergibt sich daraus, daß die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt wurde.

Es wurde gemäß § 67 c Abs 2 Z 5 AVG das Begehren gestellt, nachstehendes Erkenntnis zu fällen:

Die Beschwerdeführerin wurde durch das am 12.1.1998, gegen 11.00 Uhr, durch Organe der Bundespolizeidirektion Graz erfolgte Anlegen von Handschellen sowie die im Zuge der Amtshandlung vorgenommene herabwürdigende Behandlung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Artikel 3 MRK), verletzt. Zudem wurde ein Kostenbegehren in der Höhe von S 18.980,-- gestellt.

2. Die Bundespolizeidirektion Graz legte eine Stellungnahme des Kommandos der Einsatzabteilung, GZ.: SW - 7623, vom 17. März 1998 vor und vertrat die Auffassung, daß den in die Amtshandlung involvierten Beamten kein Fehlverhalten angelastet werden kann. Zudem wurde ein Kostenbegehren gestellt.

II.1. Nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 8. Juni 1998, wobei die Zeugen Bez. Insp. Thomas O 2, Rev. Insp. Josef J 2, Rev. Insp. Alois Pf 2, Rev. Insp. Gerald St, Rev. Insp. Wolfgang H, Rev. Insp. Peter D, Herr Juraj H, als auch die Beschwerdeführerin einvernommen wurden, wird nachfolgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt:

Am 12. Jänner 1998, um ca. 10.45 Uhr, wurde die belangte Behörde fernmündlich informiert, daß die Beschwerdeführerin ihre Nachbarin im Lift des gemeinsamen Wohnhauses Laimburggasse 32, 8010 Graz, mit einer Pistole bedroht hätte. Auf Grund des Verdachtes des Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung (Verdacht der schweren Nötigung - § 106 Strafgesetzbuch) als auch dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin möglicherweise mit einer Faustfeuerwaffe bewaffnet sei, wurde unter Heranziehung von Beamten des mobilen Einsatzkommandos der Bundespolizeidirektion Graz vor der Wohnungstüre der Beschwerdeführerin insofern Stellung bezogen, als ein Beamter mit Schutzschild sowie andere Beamte mit in Anschlag gebrachten Dienstpistolen die Örtlichkeit absicherten. Zuvor wurde mit der Anzeigerin, die ein Stockwerk unter der Beschwerdeführerin wohnt, Kontakt aufgenommen und eine vorläufige Sachverhaltsaufnahme veranlaßt.

Die Beschwerdeführerin wurde sodann telefonisch aufgefordert, mit erhobenen Händen die Wohnung zu verlassen. Die Beschwerdeführerin kam in angemessener Zeit der Aufforderung nach, wobei sie jedoch ohne erhobene Hände in das Stiegenhaus kam und nach Aufforderung die Hände zu heben und sich umzudrehen, dies auch durchführte. Unmittelbar nach dem Umdrehen wurde sie von zwei Exekutivbeamten an den Unterarmen gefaßt und an den Taschen ihrer Jacke nach einer etwaigen Waffe abgetastet. Das Abtasten verlief negativ. Sodann wurde die Beschwerdeführerin von den zwei Exekutivbeamten, welche sie an beiden Armen festhielten, in den Halbstock zwischen fünften und sechsten Stock gebracht und ihr der Inhalt der Anzeige sowie die Festnahme nach der Strafprozeßordnung zur Kenntnis gebracht. Auf die Frage, wo sich eine Waffe in der Wohnung befinde, gab die Beschwerdeführerin an, daß in der Wohnung keine Waffe vorhanden sei. Auf die Ergänzungsfrage, ob ähnliche Gegenstände wie eine Waffe in der Wohnung wären, gab die Beschwerdeführerin an, daß eine Spielzeugpistole auf der Couch im Kinderzimmer liegen würde. Während der Befragung machte die Beschwerdeführerin einen weinerlichen Eindruck und fragte ständig was passiert sei. Zudem versuchte die Beschwerdeführerin sich dem Festhaltegriff der beiden Beamten zu entziehen, indem sie mit ihren Armen versuchte, sich aus dem Festhaltegriff herauszuwinden. Andere Abwehrbewegungen wie zum Beispiel: treten mit den Füßen oder der Versuch wegzulaufen, wurden nicht durchgeführt. Auf Grund der Abwehrhandlung wurden der Beschwerdeführerin von einem der beiden Beamten, die sie festhielten, Handfessel am Rücken angelegt. Während die Beschwerdeführerin noch im Halbstock verweilte, kam ein Exekutivbeamter mit der in der Wohnung der Beschwerdeführerin vorgefundenen Spielzeugpistole. Auf Grund dessen gab der Einsatzleiter Rev. Insp. O 2 die Anordnung, die Beschwerdeführerin mit einem Zivilfahrzeug zum Wachzimmer zu führen. Die Beschwerdeführerin wurde sodann in Handfesseln vom Halbstock in den fünften Stock zur Lifttüre geführt. Der dort eintreffende Beamte Rev. Insp. St, welcher in Zivil war, nahm der Beschwerdeführerin im Lift die Handfessel ab, da er in Kenntnis war, daß die angebliche Bedrohung mit einer Spielzeugpistole durchgeführt wurde. Der Aufforderung mit aufs Wachzimmer zu kommen, kam die Beschwerdeführerin ohne Gegenwehr nach. In weiterer Folge wurde sodann die Beschwerdeführerin zur weiteren Einvernahme in das Wachzimmer Grabenstraße gebracht.

2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die im großen und ganzen übereinstimmenden Zeugenaussagen der einvernommenen Polizisten. Soweit die Beschwerdeführerin vermeint, daß ihr bereits die Handfessel im Stiegenhaus des sechsten Stockes angelegt wurden, wird dem kein Glaube geschenkt, da offensichtlich die Beschwerdeführerin in Anbetracht der Streßsituation keinen zeitlich logischen Handlungsverlauf mehr wiedergeben kann. Fest steht jedenfalls auch, daß die einschreitenden Beamten bereits von der Bedrohung mit der Spielzeugpistole zu dem Zeitpunkt Kenntnis hatten, als sich die Beschwerdeführerin noch im Halbstock zwischen fünften und sechsten Stockwerk aufhielt. Bei dieser Würdigung wird vor allem auf die Zeugenaussage des Herrn Rev. Insp. O 2 Bedacht genommen, der als Einsatzleiter den Überblick über das Geschehen hatte und in nachvollziehbarer Weise den Geschehnisablauf schilderte. Es ist auch durchaus logisch, wenn der Zeuge angibt, daß er erst ab dem Zeitpunkt, als er in Kenntnis der stattgefundenen Bedrohung mit einer Spielzeugpistole war, die Anordnung traf, daß die Beschwerdeführerin mit einem Zivilfahrzeug in das Wachzimmer gebracht werden sollte. Diese Anordnung wurde sicherlich im Halbstock unter Beisein der Beschwerdeführerin getroffen und es ist daher in diesem Punkte die Zeugenaussage des Herrn Rev. Insp. Alois Pf 2 nicht nachvollziehbar, wenn er angibt, hievon erst bei der Lifttüre im fünften Stock Kenntnis erlangt zu haben. Würde man dieser Darstellungsweise folgen, so wäre die Anordnung des Einsatzleiters, die Beschwerdeführerin mittels Zivilfahrzeug in das Wachzimmer zu bringen - ohne dessen Kenntnis, daß eine Spielzeugpistole verwendet wurde - getroffen worden und würde dies seiner Zeugenaussage widersprechen und zudem logisch nicht nachvollziehbar sein.

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt folgendes:

1. Gemäß § 67 a Abs 1 Z 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stellt die Fesselung einer Person mit Handschellen eine Maßnahme der unmittelbaren behördlichen Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl. VfGH 24.11.1983, B 281/82, VfSlg. 7081/1973, 7377/1974, 8146/1977, VfGH 26.9.1989, B 121/86).

Die Beschwerde über das Anlegen von Handschellen bei der Beschwerdeführerin im Sprengel der Bundespolizeidirektion Graz langte am 20. Februar 1998 beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark ein, wodurch sowohl die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben war als auch die sechswöchige Beschwerdefrist des § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde.

2. Vorweg stellt der Unabhängige Verwaltungssenat fest, daß die Rechtmäßigkeit der Festnahme nicht Gegenstand des Verfahrens war. Es wurden daher die Gründe der Festnahme nach der Strafprozeßordnung (§§ 175, 177 StPO) keiner näheren Prüfung unterzogen. Die Rechtmäßigkeit der Festnahme wurde auch von der Beschwerdeführerin selbst nie in Abrede gestellt, sondern nur die gewählte Vorgangsweise. Soweit die Beschwerdeausführungen sich auf die Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten im Sinne des § 89 Sicherheitspolizeigesetz beziehen, wurde dies in einem gesonderten Verfahren abgehandelt und wurde kein Antrag im Sinne des § 89 Abs 4 SPG eingebracht.

Somit war ausschließlich die Frage zu klären, ob das Anlegen von Handfesseln durch das Organ der Bundespolizeidirektion Graz die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Unterlassung einer erniedrigenden Behandlung verletzte.

Die Konvention zum Schutz der Menschenrechte in Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 201/1958, die gemäß dem B-VG, BGBl. Nr. 59/1964, im Verfassungsrang steht, bestimmt in ihrem Artikel 3, daß niemand ... unmenschlicher oder erniedrigender ...... Behandlung unterworfen werden darf. Eine den Umständen nach nicht notwendige, ungerechtfertigte Fesselung verstößt gegen Artikel 3 MRK, wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt darlegte (VfSlg. 7081/1973, 8146/1977 und 9836/1983).

Gemäß § 4 Waffengebrauchsgesetz ist der Waffengebrauch nur zulässig, wenn ungefährliche oder weniger gefährliche Maßnahmen, wie insbesondere die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, die Androhung des Waffengebrauches, die Verfolgung eines Flüchtenden, die Anwendung von Körperkraft oder verfügbare gelindere Mittel, wie insbesondere Handfesseln oder technische Sperren, ungeeignet erscheinen oder sich als wirkungslos erwiesen haben. Stehen gemäß § 5 leg. cit. verschiedene Waffen zur Verfügung, darf nur von der am wenigsten gefährlichen, nach der jeweiligen Lage noch geeignet erscheinenden Waffe Gebrauch gemacht werden.

In Anbetracht der gesetzlichen Bestimmungen ist auch hier beim Anlegen von Handfesseln vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszugehen. In Anbetracht des Verhältnismäßigkeitsgrund-satzes wäre bei dem Sachverhalt die Anwendung von Körperkraft, nämlich das Festhalten der ca. 50-jährigen Beschwerdeführerin durch zwei Exekutivbeamten an den Armen ausreichend gewesen, um vorerst dem Zweck der Maßnahme, nämlich das Verweilen der Beschwerdeführerin im Halbstock, zu gewährleisten. Nach Angaben der beteiligten Exekutivbeamten führte die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt keine Fluchtbewegungen aus und es wäre auch zur Eigensicherung der einschreitenden Beamten ein Festhalten mittels Körperkraft angemessen gewesen. In der Situation darf nicht übersehen werden, daß neben den beiden Beamten, die die Beschwerdeführerin festhielten, auch noch andere Exekutivbeamte mit in Anschlag gebrachten Dienstpistolen die Eigensicherung durchführten. Zudem kommt nun der Umstand, daß die einschreitenden Exekutivbeamten bereits im Halbstock in Kenntnis waren, daß sich der ihnen zur Kenntnis gelangte Vorfall mit einer Spielzeugpistole ereignet hat, da der Einsatzleiter Rev. Insp. O 2 selbst angab, daß er ab dem Kenntnisstand von einem anderen Maßstab des Einschreitens ausgegangen ist. Es ist daher nicht einsehbar, daß die Beschwerdeführerin mittels Handfessel vom Halbstock zur Lifttüre des fünften Stockwerkes geführt wurde und erst im Lift die Handfessel abgenommen wurden. Ebenfalls kommt bei der Entscheidung zum Tragen, daß die Beschwerdeführerin anstandslos der Anweisung des Exekutivbeamten in das Wachzimmer Grabenstraße mitzukommen gefolgt ist. Auch sonst war nicht nach den Begleitumständen der Amtshandlung eine Gefährdung der einschreitenden Polizeibeamten ernstlich zu befürchten. Keinesfalls lagen neben dem Fehlen der allgemeinen Voraussetzungen die besonderen Gründe für das Anlegen von Handfessel bei Frauen vor (siehe auch § 2 Abs 1 HFDA).

Zusammenfassend steht daher fest, daß die Beschwerdeführerin durch die Fesselung mit Handfessel in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Artikel 3 MRK verletzt wurde.

3. Als Kosten wurde gemäß § 79 a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. 855/1995, der Beschwerdeführerin ein Betrag von S 18.980,-- zugesprochen. Der Beschwerdeführerin gebührt S 8.400,-- an Schriftsatzaufwand,

S 10.400,-- an Verhandlungsaufwand und S 180,-- an Stempelgebührenersatz.

Schlagworte
Handfesseln Handschellen Verhältnismäßigkeit Abwehrhandlung Festhaltegriff Eigensicherung Handfesseldienstanweisung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten