TE UVS Steiermark 1998/07/02 30.14-174/97

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Veröffentlicht am 02.07.1998
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn Hermann R, wohnhaft in G, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 18.07.2997, GZ.: III/S-6490/96, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung, wie folgt entschieden:

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und Abs 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 400,-- binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.

Text

I.) Mit dem Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, am 05.02.1996 um 09.15 Uhr in Graz, Kärntner Straße Nr. 256, als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen G- 31 CEC von der Ausfahrt der Firma Sp kommend in Richtung Kärntner Straße durch Einbiegen den Vorrang eines im fließenden Verkehr fahrenden VW-Busses nicht beachtet und dadurch den Lenker genötigt zu haben, sein Fahrzeug unvermittelt abzubremsen, wodurch es zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen sei. Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften der §§ 19 Abs 7 in Verbindung mit 19 Abs 6 StVO wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in Höhe von S 2.000,--, bei deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe von 3 Tagen verhängt. II.) Innerhalb offener Frist erhob der Berufungswerber gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung, in der er im wesentlichen ausführte, der Tatvorwurf sei - bezogen auf den tatsächlichen Ablauf des Einbiegemanövers - in keinster Weise gerechtfertigt. Er habe nach einer Lieferung bei der Firma R die Absicht gehabt, nach links (stadtauswärts) in die Kärntner Straße einzubiegen. Dazu habe er zuerst den eher starken Kolonnenverkehr von links abwarten müssen. Nachdem die Fahrspuren Richtung stadteinwärts frei gewesen seien, sei er mit dem von ihm gelenkten LKW bis zur Fahrbahnmitte vorgefahren. Dort habe er sein Fahrzeug angehalten, um die stadtauswärts fahrenden PKWs vorbeizulassen. Als sich eine entsprechend große Lücke im Verkehrsfluß aufgetan habe, sei er ganz normal nach links in den stadtauswärts führenden Fahrstreifen der Kärntner Straße eingebogen und weitergefahren. Von einem unvermittelten Abbremsmanöver des VW-Busses habe er nichts bemerkt. Ein solches wäre aufgrund seines Fahrverhaltens auch nicht notwendig gewesen. Sollte es dennoch stattgefunden haben, habe es sich um eine Überreaktion des Lenkers gehandelt. Der darauf folgende geringe Auffahrunfall sei durch den fehlenden Abstand eines Nachfahrenden verursacht worden. Es stimme auch nicht, daß er beim Losfahren von der Fahrbahnmitte ins Rutschen

gekommen wäre. Es treffe zwar zu, daß die gesamte Fahrbahnbreite zu diesem Zeitpunkt mit Schneematsch bedeckt gewesen sei; die Straße war aber nicht eis- bzw. schneeglatt.

Der Berufungswerber beantragte die ersatzlose Aufhebung des Bescheides und die Einstellung des Verfahrens; in eventu eine wesentliche Herabsetzung der verhängten Strafe, da der Berufungswerber als selbständiger Handelskaufmann über einhunderttausend Kilometer auf den Straßen jährlich zurücklege, völlige Unbescholtenheit vorliege und nur ein geringfügiger Schaden am drittbeteiligten PKW eingetreten sei, der - wie schon gesagt - allein auf das Fahrverhalten des Lenkers zurückzuführen gewesen sei. III.) Am 15. Juni 1998 hat vor dem erkennenden Senat eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Mitwirkung des Berufungswerbers stattgefunden, in der als Zeugen Herr Peter V und Herr Karl-Heinz R zur Sache befragt wurden. Aufgrund der aufgenommenen Beweise werden folgende Feststellungen getroffen:

Die Kärntner Straße in Graz weist an der im Straferkenntnis angeführten Tatörtlichkeit insgesamt vier Fahrstreifen auf, wobei drei davon (Autobahnabfahrt, Busspur, Fahrstreifen für den sonstigen Verkehr) stadteinwärts führen. Am 05.02.1996 gegen 09.15 Uhr - es war stärkeres Verkehrsaufkommen, die Fahrbahn war schneematschbedeckt, die Sichtverhältnisse gut - beabsichtigte der Berufungswerber mit dem von ihm gelenkten LKW vom Gelände der Firma R (Ausfahrt Firma Sp) die ersten drei stadteinwärts führenden Fahrstreifen zu queren, um in der Folge in den stadtauswärts führenden Fahrstreifen einzubiegen. Nachdem er bereits mehrere Minuten bei der Ausfahrt Sp in Warteposition verbrachte, konnte der Berufungswerber die Kärntner Straße bis zum stadtauswärts führenden Fahrstreifen befahren, wo er seine Ausgangsgeschwindigkeit von etwa 30 km/h herabbremste und mit einer leichten Rutschbewegung mit dem LKW teilweise schon im stadtauswärts führenden Fahrstreifen zum Stehen kam. Der Lenker des auf diesem Fahrstreifen herannahenden Busses - es war dies der Zeuge Peter V - führte in Reaktion auf das Fahrverhalten des Berufungswerbers eine Notbremsung - ebenfalls aus einer Geschwindigkeit von 30 km/h heraus - durch, weil er sah, daß der LKW des Berufungswerbers zu weit in seinen Fahrbahnteil gerät und für ihn noch nicht eindeutig erkennbar war, daß dieser noch rechtzeitig sein Fahrzeug anhalten wird können. Durch das Bremsmanöver des Zeugen V war es dem ihm nachfahrenden Lenker, dem Zeugen Karl-Heinz R, nicht mehr möglich, mit seinem PKW rechtzeitig stehenzubleiben; er fuhr seinem Vordermann auf.

Der Berufungswerber, der laut seinen Angaben von diesen Vorfällen nichts bemerkte, führte in der Folge das beabsichtigte Einbiegemanöver durch und setzte seine Fahrt stadtauswärts fort. IV.) Diese Feststellungen gründen sich in erster Linie auf die glaubwürdigen Aussagen des Zeugen Peter V, der den Hergang der Ereignisse glaubwürdig und auch logisch nachvollziehbar darstellte. Soweit sich die Aussagen des Zeugen Karl-Heinz R mit jenen des Zeugen V deckten, waren sie auch beweisbildend. Beide Zeugen haben übereinstimmend angegeben, daß der Berufungswerber im Zuge des Abbremsmanövers mit seinem LKW zumindest ein Stück weit in die von ihnen benützte Fahrspur geraten ist und dadurch das Bremsmanöver des Zeugen V ausgelöst hat. Während beide Zeugen weiters angaben, der Berufungswerber sei kurz nach dem Auffahrunfall nur eine knappe Fahrzeuglänge vom stehengebliebenen Fahrzeug entfernt in der von ihm eingenommenen Position gestanden - der Zeuge V konnte sich noch erinnern, wie der Berufungswerber im Fahrzeug gesessen sei und seitlich zu ihm herausgeschaut habe - gab der Berufungswerber an, keinen Blickkontakt zu dem Ankommenden gehabt zu haben. Für ihn sei beim Einbiegen in den stadtauswärts führenden Fahrstreifen die entstandene Lücke groß genug gewesen. Jeder ankommende Fahrzeuglenker hätte daher schon von weitem sehen können, daß er einbiegen habe wollen und da auch etwas mithelfen können. Dazu hätte es bereits genügt, etwas vom Gas herunterzugehen, um ihn hereinzulassen

die Lücke aber als groß genug eingeschätzt und sei dann gefahren. Damit schilderte der Berufungswerber eine Erwartungshaltung, die im täglichen Verkehrsgeschehen auch immer wieder eingelöst wird. Ein solches Verhalten von Vorrangberechtigten kann aber nicht von vornherein angenommen werden, ohne mit dem betroffenen Lenker in eine Interaktion zu treten. Gerade dies scheint hier im Hinblick auf das tatsächliche Geschehen (Bremsung, Auffahrunfall) nicht der Fall gewesen zu sein. Auch wenn die Darstellungen des Berufungswerbers aus seiner Sicht nachvollziehbar waren, konnten sie dennoch die Aussagen der Zeugen - er sei im Zuge des Stehenbleibens in ihren Fahrbereich gekommen - nicht entkräften, zumal der Berufungswerber dazu nur angeben konnte, sich nicht erinnern zu können, ins Rutschen gekommen zu sein.

V.) Die rechtliche Beurteilung ergibt folgendes:

Gemäß § 19 Abs 6 StVO haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen. § 19 Abs 7 StVO als Strafbestimmung ordnet an: Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen. Bezogen auf den hier zu beurteilenden Fall war festzustellen, daß der Berufungswerber vom Beginn seines Fahrmanövers (Verlassen der Grundstücksausfahrt) bis zum Ende des Einbiegevorganges verpflichtet gewesen wäre, die oben zitierte Vorrangregel zu beachten. Demnach hätte er sein Fahrverhalten - unter Einbezug der Fahrbahnverhältnisse (Schneematsch) -so anlegen müssen, daß er den LKW jedenfalls noch außerhalb des stadtauswärts führenden Fahrstreifens der Kärntner Straße anhalten hätte können. Dies ist hier nachweislich nicht geschehen. Der Zeuge V mußte zum Zeitpunkt seines Bremsentschlusses annehmen, daß der Berufungswerber mit dem Fahrzeug in seinen Fahrstreifen gerät, da das Fahrzeug des Berufungswerbers da noch in Bewegung war. Bei der Beurteilung, ob ein Einbiegevorgang den Vorrangberechtigten zu unvermitteltem Bremsen genötigt hat, ist davon auszugehen, daß der Hintermann (der Vorrangberechtigte) verpflichtet ist, zu seinem Vordermann (dem Wartepflichtigen) gemäß § 18 Abs 1 StVO einen genügenden Sicherheitsabstand einzuhalten. Verkürzt der Wartepflichtige den Sicherheitsabstand des Vorrangberechtigten dadurch, indem er den Anhalteweg zu knapp bemißt und so mit dem Fahrzeug bereits in den Fahrbereich des ankommenden Verkehrsteilnehmers eindringt, kann der Vorrangberechtigte einen ausreichenden Sicherheitsabstand zwangsläufig nur mit einer unvermittelten Bremsung wiederherstellen. Eine unter diesen Umständen erfolgte Bremsung ist nicht als Überreaktion des Lenkers zu werten. Dadurch, daß der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug bereits innerhalb des stadtauswärts führenden Fahrstreifens zum Stillstand gekommen ist, hat er eine Vorrangverletzung begangen und daher auch die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu verantworten.

VI.) Zur Strafbemessung ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Die vom Berufungswerber übertretene Vorrangregel zielt, wie nahezu sämtliche Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung, darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu reduzieren, nicht zuletzt um Personen und Sachschäden zu vermeiden. Wer diese Vorschriften mißachtet, trägt zur Erhöhung der Gefahren im Straßenverkehr bei und gefährdet in seinem Bereich die Verkehrssicherheit. Dadurch, daß der Berufungswerber das ihm nachgewiesene Verhalten gesetzt hat, hat er gegen den Schutzzweck der Norm verstoßen.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Wie schon die belangte Behörde, so hat auch die Berufungsbehörde weder Erschwerungs- noch Milderungsgründe angenommen. Die vom Berufungswerber behauptete Unbescholtenheit liegt nicht vor, da eine Vormerkung (Straferkenntnis vom 02.08.1993 wegen Übertretung des KFG) noch nicht getilgt ist. Selbst wenn man den Auffahrunfall dem Berufungswerber nicht anlasten will - dieser könnte auch auf einen unzureichenden Sicherheitsabstand zwischen den Zeugenfahrzeugen zurückzuführen sein - so ist ihm jedenfalls Fahrlässigkeit bei der Begehung der gegenständlichen Übertretung anzulasten, weil der Berufungswerber bei der Wahl seiner Fahrweise die konkreten Straßenverhältnisse nicht ausreichend einbezogen hat (Rutschen). In der Gesamtbetrachtung erscheint aber die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe im Hinblick auf die oben genannten Zumessungskriterien gerechtfertigt und schuldangemessen. Die vom Berufungswerber angegebenen persönlichen Verhältnisse (monatliches Nettoeinkommen von S 15.000,--, Liegenschaft mit Haus, Belastungen aus der Scheidung, keine Sorgepflichten) waren für sich nicht geeignet, strafherabsetzend zu wirken, zumal sich das Strafausmaß ohnehin noch im unteren Bereich des möglichen Strafrahmens bis zu S 10.000,-- befindet und noch geeignet sein muß, den Berufungswerber an die Aufbringung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt zu ermahnen.

Die Festsetzung des Kostenbeitrages des Verwaltungsstrafverfahrens zweiter Instanz ergibt sich aus § 64 VStG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe festzusetzen ist.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Schlagworte
Wartepflicht einordnen fließender Verkehr
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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