TE UVS Steiermark 1999/02/17 30.7-228/98

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.1999
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erik Hanel über die Berufung des J R, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J F-K und Dr. C K, K Gasse 7, D, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 19.10.1998, GZ.: III/S-24098/98, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und gemäß § 69 Abs 1 Z 3 AVG die Wiederaufnahme des it Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Graz vom 17.7.1998, GZ.: III/S-24098/98, abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren verfügt.

Text

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 19.10.1998, Zl.: III/S-24098/98, wurde gemäß § 69 Abs 1 AVG der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Strafverfügung rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens zur selben Geschäftszahl abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob J R durch seinen Rechtsvertreter innerhalb offener Frist Berufung und bringt in dieser zusammenfassend vor, dass die Bundespolizeidirektion Graz übersehe, dass er in seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens auf die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Graz vom 10.8.1998 Bezug genommen habe und sich aus dieser ergäbe, dass das Strafverfahren gegen ihn aus den Gründen des § 6 Abs 1 Jugendgerichtsgesetz eingestellt worden sei. Diese Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens impliziere einen Verfolgungsverzicht im Sinne des § 42 StGB und sei daher die dem jugendlichen Berufungswerber zur Last gelegte Tat eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung gewesen. Die belangte Behörde habe selbst im bekämpften Bescheid darauf hingewiesen, dass gemäß § 99 Abs 6 lit. c StVO eine Verwaltungsübertretung dann nicht vorliege, wenn eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung verwirklicht worden sei. Über diese für die Entscheidung der Bundespolizeidirektion Graz maßgebliche Vorfrage habe das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft Graz am 10.8.1998, also erst zu einem Zeitpunkt entscheiden, als die Strafverfügung der belangten Behörde vom 17.7.1998 bereits rechtskräftig gewesen sei. Es liege daher entgegen der Auffassung der belangten Behörde der Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs 1 lit. c AVG (gemeint wohl: § 69 Abs 1 Z 3 AVG) vor.

Dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes der Bundespolizeidirektion Graz sind nachstehende Umstände und Verfahrensschritte zu entnehmen:

Am 16.5.1998 gegen 23.00 Uhr kam es in Graz an der Kreuzung Karlauer Gürtel - Herrgottwiesgasse zwischen dem Berufungswerber und einem weiteren Fahrzeuglenker zu einem Verkehrsunfall, im Zuge dessen der zweite Unfallbeteiligte aufgrund der Kollision mit dem Personenkraftwagen des Berufungswerbers leicht verletzt wurde. Die Verkehrsunfallanzeige wurde von der Bundespolizeidirektion Graz, Unfallkommando, der Staatsanwaltschaft sowie dem Strafamt der Bundespolizeidirektion Graz übermittelt.

Aus einem Aktenvermerk vom 9.7.1998 des Strafamtes der Bundespolizeidirektion Graz geht hervor, dass die Verkehrsunfallsanzeige bis zum Einlangen der Mitteilung des öffentlichen Anklägers gemäß Artikel IV des Verkehrsrechtsanpassungsgesetzes über den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens zurückgelegt wurde.

Am 29.7.1998 benachrichtigte die Staatsanwaltschaft Graz die Bundespolizeidirektion Graz vom Unterbleiben der Verfolgung des Berufungswerbers, da die erstattete Anzeige wegen § 88 Abs 1 StGB gemäß § 90 Abs 1 StPO zurückgelegt wurde.

Am 17.7.1998 erliess die Bundespolizeidirektion Graz gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung, der zufolge er am 16.5.1998 um ca. 23.00 Uhr in Graz, Karlauer Gürtel - Herrgottwiesgasse, als Lenker des Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen DL-96 BB bei der genannten Kreuzung beim Lichtzeichen "Freie Fahrt" (grünes Licht) beim Einbiegen nach links dem entgegenkommenden geradeausfahrenden Personenkraftwagenlenker (G-47 RHE) nicht den Vorrang gegeben hätte und diesen dazu genötigt hätte, sein Fahrzeug unvermittelt abzubremsen, wodurch es zum gegenständlichen Verkehrsunfall gekommen sei.

Er habe hiedurch die Rechtsvorschriften des § 38 Abs 4 StVO iVm § 19 Abs 7 StVO verletzt und wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO verhängt. Diese Strafverfügung wurde dem Berufungswerber nachweislich am 22.7.1998 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Am 20.8.1998 langte bei der Bundespolizeidirektion Graz ein Antrag des Berufungswerbers auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens ein, wobei dieser Antrag damit begründet wurde, dass am 10.8.1998 die Staatsanwaltschaft Graz dem Berufungswerber mitgeteilt hätte, dass das gegen ihn eingeleitete gerichtliche Strafverfahren aus den Gründen des § 6 Abs 1 JGG eingestellt worden sei. Damit sei die dem jugendlichen Beschuldigten zur Last gelegte Tat eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung gewesen und verstoße somit die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Graz gegen das Doppelbestrafungsverbot des § 99 Abs 1 lit. c StVO (gemeint wohl: § 99 Abs 6 lit. c StVO).

Dieser Antrag wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid abgewiesen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 69 Abs 1 Z 3 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Ein solcher Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen 3 Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die der Bescheid in erster Instanz erlassen hat (§ 69 Abs 2 AVG).

Die Bestimmung des § 70 Abs 3 AVG normiert wiederum, dass gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiederaufnahme dem Antragsteller das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde zusteht, wenn aber in der Sache eine Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zusteht. Gegen die Bewilligung oder die Verfügung der Wiederaufnahme ist eine abgesonderte Berufung nicht zulässig. Es war daher vorab zu prüfen, ob der gegenständliche Antrag an die Bundespolizeidirektion Graz rechtzeitig gestellt wurde:

Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass die Benachrichtigung des jugendlichen Angezeigten J R von der Staatsanwaltschaft Graz mit 10.8.1998 datiert ist und daher frühestens an diesem Tag dem Berufungswerber zugegangen sein kann. Der Antrag auf Wiederaufnahme langte bei der Bundespolizeidirektion Graz am 20.8.1998 ein, sodass die Einbringung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Frist des § 69 Abs 2 AVG erfolgte. Das Fehlen der Angabe darüber, wann der Berufungswerber vom Vorhandensein des von ihm geltend gemachten Beweismittels Kenntnis erlangt hat, kann ihm in diesem Fall nicht zum Nachteil gereichen, da die Einbringung des Wiederaufnahmeantrages bereits 10 Tage nach Vorhandensein des von ihm geltend gemachten Beweismittels erfolgte.

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ergibt sich aus der oben zitierten Bestimmung des § 70 Abs 3 AVG.

In der Sache selbst ist der Berufungswerber mit seinem Vorbringen aus folgenden Gründen im Recht:

Die Bestimmung des § 99 Abs 6 lit. c StVO normiert, dass eine Verwaltungsübertretung nicht vorliegt, wenn eine Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht.

Ob nun eine solche Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, kann die Behörde gemäß § 38 AVG als Vorfrage beurteilen oder, beurteilt sie diese nicht selbst, die Aussetzung des Verfahrens in Form eines anfechtbaren verfahrensrechtlichen Bescheides verfügen. Die Bundespolizeidirektion Graz hat zunächst in richtiger Anwendung des Artikel IV Verkehrsrechtsanpassungsgesetz das gegenständliche Verfahren bis zur gerichtlichen Mitteilung ausgesetzt. Am 25.6.1998 traf bei der Behörde erster Instanz die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Graz ein, derzufolge die gegen den Berufungswerber erstattete Anzeige gemäß § 90 Abs 1 StPO zurückgelegt wurde. Erst am 10.8.1998 erging von der Staatsanwaltschaft Graz eine neuerliche Benachrichtigung, diesmal offensichtlich nur an den Berufungswerber J R, demzufolge ein Strafverfahren aus den Gründen des § 6 Abs 1 JGG unterblieb. Da jedoch, wie der Berufungswerber in seinem Rechtsmittel richtig vorbringt, der Verfolgungsverzicht der Staatsanwaltschaft gemäß § 6 Abs 1 JGG - ebenso wie die Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens gemäß § 42 StGB - impliziert, dass die dem jugendlichen Beschuldigten zur Last gelegte Tat eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung bildet, war im Sinne des § 99 Abs 6 lit c StVO eine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde hier nicht gegeben. Da der Bescheid (Strafverfügung vom 17.7.1998) von einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG abhängig war und nachträglich (siehe die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Graz vom 10.8.1998) über eine solche Vorfrage von der zuständigen Behörde anders entschieden wurde, war der Berufung Folge zu geben und dem Antrag auf Wiederaufnahme des gegenständlichen Strafverfahrens stattzugeben.

Schlagworte
Verwaltungsübertretung Gerichtsdelikt Jugendlicher Vorfrage Zuständigkeit Wiederaufnahmsgrund
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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