TE UVS Tirol 2002/01/30 2001/12/028-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2002
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den stellvertretenden Vorsitzenden Dr. S. D. über die Beschwerden von M. S., vertreten durch dessen Mutter H. M. S., und C. F., vertreten durch dessen Mutter M. F., diese wiederum vertreten durch Dr. A. O., Dr. C. O., Rechtsanwälte in I., wegen Verletzungen des Sicherheitspolizeigesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.9.2001 wie folgt:

 

I.

Gemäß § 67c Abs 3 AVG iVm § 88 Abs 1 und 2 Sicherheitspolizeigesetz und Art 129a Abs 1 Z 2 BVG wird dem Antrag der Beschwerdeführer, der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol möge

 

1) die Rechtsbelehrungen des Insp. S. am 31.1.2001 gegenüber den Beschwerdeführern, sie müssten die Wahrheit sagen, dann wäre die Sache erledigt, sowie die in der Niederschrift als Textbaustein enthaltene Belehrung über eine Aussageverweigerung nur im Falle der Selbstbezichtigung für rechtswidrig erklären;

 

2) die an den Beschwerdeführern vorgenommene erkennungsdienstliche Behandlung am 31.1.2001 für rechtswidrig zu erklären,

 

keine Folge gegeben und festgestellt, dass keine Richtlinie verletzt worden ist. Weiters wird festgestellt, dass weder ein einfach gesetzlich noch ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt worden ist.

 

II.

Gemäß § 79a AVG iVm der Aufwandsersatzverordnung des Unabhängiger Verwaltungssenates in Tirol, Bundesgesetzblatt II Nr 499/2001, wird dem Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz in folgenden

Umfang stattgegeben:

 

Vorlageaufwand: 41,00 Euro (564,17 ATS)

Schriftsatzaufwand: 203,00 Euro (2.793,34 ATS)

Verhandlungsaufwand: 254,00 Euro (3.495,12 ATS)

498,00 Euro (6.852,63 ATS)

 

Die beiden Beschwerdeführer haben den Geldbetrag von 498,00 Euro (6.852,63 ATS) je zur Hälfte an die belangte Behörde, das ist die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

III.

Der Antrag der Beschwerdeführer, ihnen Kostenersatz zuzuerkennen, wird als unbegründet abgewiesen.

Text

Am 13.3.2001 brachten die beiden Beschwerdeführer folgende Maßnahmenbeschwerde ein:

 

?Gegen die gegenüber den Beschwerdeführern am 31.1.2001 gesetzten sicherheitspolizeilichen Maßnahmen

1) der unrichtigen und ungenügenden Rechtsbelehrung anlässlich der niederschriftlichen Vernehmung am Gendarmerieposten L. durch den Gendarmeriebeamten S.

2) der erkennungsdienstlichen Behandlung

erheben die Beschwerdeführer innerhalb offener Frist die Maßnahmenbeschwerde

gemäß § 88 Abs 1 und 2 Sicherheitspolizeigesetz.

 

Hiezu wird vorgebracht:

1)

Am 30.1.2001 wurden jeweils die Mütter der Beschwerdeführer als Erziehungsberechtigte fernmündlich von Herrn Inspektor S. vom Gendarmerieposten L. verständigt, dass die Beschwerdeführer wegen Verdachts auf Ladendiebstahl in der XY-Filiale in L. niederschriftlich einvernommen werden sollen. Den Erziehungsberechtigten wurde dabei erklärt, wenn die Beschwerdeführer im Zuge der Vernehmung die volle Wahrheit sagen würden, sei die Angelegenheit mit einer Entschuldigung bei der Firma XY und Wiedergutmachung des Schadens erledigt. Die Erziehungsberechtigten wurden informiert, dass sie bei der Vernehmung anwesend sein dürfen.

Am 31.1.2001 fanden die Vernehmungen statt.

Entgegen dem Vermerk im Protokoll, der bereits textbausteinmäßig vorbereitet war, fand eingangs der Vernehmung keinerlei Hinweis auf das Recht der Aussageverweigerung statt. Selbst wenn, so wie im Protokoll vermerkt, eine Belehrung stattgefunden hätte, so wäre diese Belehrung falsch, da keinerlei Verpflichtung zur Aussage besteht, nicht nur ein Verweigerungsrecht im Fall der möglichen Selbstbelastung.

Statt dessen wurde den Beschwerdeführern eindringlich erklärt, sie müssten die Wahrheit sagen, dann wäre die Sache nach erfolgter Schadenswiedergutmachung erledigt. Die Beschwerdeführer wurden daher mit einer unrichtigen und seitens des Gendarmeriebeamten S. unerfüllbaren Zusage, die Sache sei erledigt, wenn die Beschwerdeführer nur die Wahrheit sagen würden und der Schaden wieder gut gemacht würde, zu einer Aussage bewogen, mit der sie sich letztlich, wenn auch nur im Sinne eines Bagatelldeliktes, belasteten.

Der Gendarmeriebeamte Insp. S. hat daher in Verletzung der im Sinne des § 31 Sicherheitspolizeigesetz erlassenen Richtlinien sowie in Verletzung der Verpflichtungen im Sinne des § 28a Abs 3 Sicherheitspolizeigesetz die Beschwerdeführer zu sie selbst belastenden niederschriftlichen Angaben durch falsche Versprechungen veranlasst.

 

Tatsächlich war mit der wahrheitsgemäßen Aussage und mit dem Angebot der Schadensgutmachung die Sache keineswegs erledigt, sondern wurde von Insp. S. eine Strafanzeige erstattet.

 

Beweis:  Akt XY GPK-L.

H. M. S.

M. F.

 

2)

Weiters wurde im Anschluss an die Vernehmung am 31.1.2001 die erkennungsdienstliche Behandlung der beiden Beschwerdeführer vorgenommen.

Bei einem Ladendiebstahl im Umfang von ATS 30,00 bzw ATS 100,00, dessen die Beschuldigten darüber hinaus geständig sind, ist eine erkennungsdienstliche Behandlung der Verdächtigen weit außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit, wie sie in § 28a Abs 3 sowie in § 29 Abs 1 und Abs 2 lit 4 Sicherheitspolizeigesetz normiert ist. Es gab weder einen Anhaltspunkt darauf, dass eine kriminelle Vereinigung von Jugendlichen bestanden hatte, noch der geringste Anhaltspunkt dafür, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung der Überführung von Tätern oder dem Ausschluss einer Täterschaft dienen könnte.

Weiters gab es keinerlei ausreichend konkreten Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführer einen größeren als denen von ihnen eingestandenen Schaden verursacht haben könnten und auch keinerlei Aussicht darauf, die Beschwerdeführer mit Hilfe der erkennungsdienstlich gewonnenen Daten diesbezüglich zu überführen. Die erkennungsdienstliche Behandlung der beiden Beschwerdeführer am 31.1.2001 war daher rechtswidrig.

Es wird daher gestellt der Antrag,

 

der Unabhängiger Verwaltungssenat möge

1. die Rechtsbelehrungen des Insp. S. am 31.1.2001 gegenüber den Beschwerdeführern, sie müssten die Wahrheit sagen, dann wäre die Sache erledigt sowie die in der Niederschrift als Textbaustein enthaltene Belehrung über ein Aussageverweigerungsrecht nur im Fall der Selbstbezichtigung für rechtswidrig erklären;

2. die an den Beschwerdeführern vorgenommene erkennungsdienstliche Behandlung am 31.2.2001 für rechtswidrig erklären.?

 

In ihrer Gegenäußerung brachte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als belangte Behörde Folgendes vor:

?Einleitung

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer ist zu entnehmen, dass sie sich durch zwei Sachverhalte in ihren Rechten verletzt fühlen: Zum einen, so wird behauptet, seien die Beschwerdeführer unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgeladen und zu einer Aussage gedrängt worden, zum anderen seien sie erkennungsdienstlich behandelt worden, ohne dass die Voraussetzungen für eine derartige Maßnahme vorgelegen hätte. Bei entsprechender Rechtsbelehrung wären sie nicht zur Einvernahme erschienen, sie hätten keine sie belastenden Aussagen gemacht und sie hätten sich auch keiner erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. Seitens der Beschwerdeführer wird der Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol möge die Rechtsbelehrungen des Insp. S. am 31.1.2001, wonach die Beschwerdeführer die Wahrheit sagen müssten, sowie die Belehrung des Inhaltes, dass eine Aussageverweigerung nur im Falle der Selbstbezichtigung bestehe, für rechtswidrig erklären. Ebenfalls sollen die vorgenommenen erkennungsdienstlichen Behandlungen für rechtswidrig erklärt werden.

 

Beide Beschwerdeführer bedürfen auf Grund Verschiedenartigkeit der Vorwürfe einer getrennten Behandlung.

Niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer

 

Wie sich aus der vorliegenden Anzeige ergibt, stehen die Beschwerdeführer in Verdacht, als Mitglieder einer Jugendbande seit Juni 2000 in der XY-Filiale in L. regelmäßig Diebstähle begangen zu haben. Im Zuge der Erhebungen wurden die Verdächtigen zum Gendarmerieposten L. bestellt, wo mit ihnen ein Protokoll aufgenommen wurde. Vorher hat Insp. S. mit den Erziehungsberechtigten der Jugendlichen Kontakt aufgenommen und es wurde mit diesen die Rechts- und Sachlage erörtert. Insp. S. hat dabei erklärt, dass man die Sache nicht auf sich beruhen lassen könne, bei einem begründeten Verdacht einer strafbaren Handlung müsse Anzeige erstattet werden. Es sei daher, so wurde den Müttern der Beschwerdeführer klargemacht, im Interesse aller gelegen, den Sachverhalt aufzuklären. Es erfolgte nach Darstellung von Insp. S. auch eine Belehrung dahingehend, dass eine Verpflichtung zur Aussage nicht bestehe. Die Angaben auf dem Gendarmerieposten haben die Beschwerdeführer frei von jeglichem Zwang gemacht.

 

Auf der Grundlage des geschilderten Sachverhaltes sind folgende rechtliche Überlegungen anzustellen:

 

1) Ist das in der Beschwerde gezogene Verhalten der Sicherheitsbehörde oder dem Gericht zuzurechnen?

2) Liegt überhaupt ein Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt vor?

3) Wenn nein, kann eine unrichtige und ungenügende Rechtsbelehrung als Verletzung eines Rechtes im Sinne des § 88 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz qualifiziert werden und welche Vorschriften sind bei der Einvernahme von Verdächtigen von der Exekutive zu beachten?

4) Liegt allenfalls eine Verletzung einer gemäß § 31 Sicherheitspolizeigesetz erlassenen Richtlinie vor?

 

Zu Punkt 1):

Unbestritten und aktenkundig ist, dass dem im Beschwerdefall bekämpften Verwaltungsakt kein richterlicher Auftrag zu Grunde lag. Die vom eingangs näher bezeichneten Organe des Gendarmeriepostens L. durchgeführten niederschriftlichen Einvernahmen der Beschwerdeführer am 31.1.2001 sind daher der belangten Behörde als gemäß Art V EGVG im Dienste der Strafjustiz vorgenommene Verwaltungsakte zuzurechnen. Die gesetzliche Ermächtigung dazu stützt sich auf § 24 StPO, welcher die Sicherheitsbehörden berechtigt und verpflichtet, allen Verbrechen und Vergehen (...) nachzuforschen und (...) die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen (vgl VwGH vom 13.11.1991, 91/0135).

 

Zu Punkt 2):

Festzuhalten ist, dass die Beschwerdeführer über telefonisches Ersuchen freiwillig zur Einvernahme erschienen sind, irgendwelche Zwangsmaßnahmen für den Fall des Nichterscheinens wurden ihn nicht angedroht oder in Aussicht gestellt. Dies wird in der vorliegenden Beschwerde auch gar nicht behauptet. Gleiches gilt für die Einvernahme der Beschwerdeführer auf dem Gendarmerieposten, die ebenfalls freiwillig erfolgte.

 

Zu Punkt 1):

Unbestritten und aktenkundig ist, dass dem im Beschwerdefall bekämpften Verwaltungsakt kein richterlicher Auftrag zu Grunde lag. Die vom eingangs näher bezeichneten Organe des Gendarmeriepostens L. durchgeführten niederschriftlichen Einvernahmen der Beschwerdeführer am 31.1.2001 sind daher der belangten Behörde als gemäß Art V EGVG im Dienste der Strafjustiz vorgenommene Verwaltungsakte zuzurechnen. Die gesetzliche Ermächtigung dazu stützt sich auf § 24 StPO, welcher die Sicherheitsbehörden berechtigt und verpflichtet, allen Verbrechen und Vergehen (...) nachzuforschen und (...) die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen (vgl VwGH vom 13.11.1991, 91/0135).

 

Zu Punkt 2):

Festzuhalten ist, dass die Beschwerdeführer über telefonisches Ersuchen freiwillig zur Einvernahme erschienen sind, irgendwelche Zwangsmaßnahmen für den Fall des Nichterscheinens wurden ihnen nicht angedroht oder in Aussicht gestellt. Dies wird in der vorliegenden Beschwerde auch gar nicht behauptet. Gleiches gilt für die Einvernahme der Beschwerdeführer auf dem Gendarmerieposten, die ebenfalls freiwillig erfolgte.

Nach der ständigen Rechtssprechung ist die Aufforderung (freiwillig) zum Gendarmerieposten mitzukommen, nicht als Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, wenn der Betroffene im Fall des Verweigerns keinen Zwang zu erwarten hat (VwGH vom 27.02.1991, ZI 90/01/0191). Nichts anderes kann für die niederschriftliche Einvernahme gelten, die ebenfalls freiwillig erfolgte.

 

Zu Punkt 3):

Da ein verbotswidriger Eingriff in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer in Form einer Maßnahme der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt ausscheidet, ist weiters zu prüfen, ob in anderer Weise ungerechtfertigt in Rechte der Beschwerdeführer eingegriffen wurde. Dazu ist einleitend anzumerken, dass nach dem Wortlaut des § 88 Abs 2 SPG vom Gesetzgeber nur Rechtsverletzungen angesprochen werden, die ?durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung? erfolgen. Im Anlassfall erfolgte das Einschreiten der Organe der öffentliche Aufsicht im Dienste der Strafjustiz. Bei einer wörtlichen Interpretation des Gesetzes müsste man daher zum Ergebnis gelangen, dass eine Rechtsverletzung im Sinne des § 88 Abs 2 SPG nicht vorliegt. Allerdings verkennt die belangte Behörde nicht, dass das Einschreiten im Dienste der Strafjustiz und die Besorgung der Sicherheitsverwaltung oft Hand in Hand geht und entweder gar nicht und wenn, dann nur sehr schwer voneinander zu unterscheiden ist; (so ist im vorliegenden Fall beispielsweise die erkennungsdienstliche Behandlung eindeutig ein Akt der Sicherheitsverwaltung, während die niederschriftlichen Einvernahmen den Zweck hatten, Fakten für eine allfällige Gerichtsanzeige zu sammeln, also im Dienste der Strafjustiz erfolgten).

 

Bei dieser Sachlage ist ungeachtet der vorangestellten Ausführungen zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchen Rechten die Beschwerdeführer verletzt worden sein könnten. Nach dem Inhalt der Beschwerde zu schließen, reut es die beiden Beschwerdeführer ja, dass sie sich freiwi1lig einer Einvernahme gestellt haben, obwohl eine Vorladung zum Gendarmerieposten nicht zwangsweise durchsetzbar gewesen wäre (was nichts über die Erlaubtheit aussagt, Personen zum freiwilligen Erscheinen zu bewegen). Sie vertreten heute die Rechtsmeinung, dass sie diesbezüglich eingehend zu belehren gewesen wären.

 

Um diesem Vorbringen zu begegnen, ist vorerst allgemein auf das Recht der Aussageverweigerung von Verdächtigen einzugehen. Dazu ist folgendes auszuführen:

 

Der allgemeine Grundsatz ?nemo tenetur se ipsum accusare (prodere)?, das Verbot eines Zwangs zur Selbstbelastung, gehört heute zu den gefestigten Prinzipien des Strafprozessrechts. Sein zentraler Aussagegehalt besteht darin, dass es im Strafverfahren unzulässig ist, den Beschuldigten zu selbst belastenden Angaben oder zu irgendeiner sonstigen Mitwirkung an der eigenen Überführung zu zwingen. Dementsprechend dürfen gemäß § 202 StPO keine Versprechungen, Vorspiegelungen, Drohungen oder Zwangsmittel angewandt werden, um den Beschuldigten zu bestimmten Angaben zu bewegen; damit übereinstimmend darf der Angeklagte gemäß § 245 Abs 2 StPO nicht zur Beantwortung der gegen ihn gerichteten Fragen verhalten werden.

 

Das Verbot eines Zwangs zur Selbstbelastung ist aber nicht auf den Beschuldigten in dem gegen ihn geführten Strafverfahren beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf Situationen außerhalb des Strafverfahrens. Demgemäß ist es auch bei den Erhebungen im Vorfeld des eigentlichen Strafverfahrens zu beachten. Dies erhellt sich nicht zuletzt auch aus der Bestimmung des Art V EGVG. Danach sind, sofern sich aus den Vorschriften über das strafgerichtliche Verfahren nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des VStG über das Verwaltungsstrafverfahren auch auf die Amtshandlungen sinngemäß anzuwenden, die von den Verwaltungsbehörden im Dienst der Strafjustiz vorzunehmen sind. Das heißt, dass in Bezug auf Amtshandlungen von Verwaltungsbehörden im Dienste der Strafjustiz subsidiär zur StPO die Regeln des VStG anzuwenden sind. Das Gesagte gilt wohl für Einvernahmen von Verdächtigen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sinngemäß (vgl Bertel, Grundriss 97).

 

Eine ausdrückliche Rechtsbelehrung, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nicht aussagen zu müssen, sieht die Strafprozessordnung nur für Zeugen, nicht aber für Beschuldigte vor. Lediglich § 178 StPO enthält eine Spezialbestimmung: Danach ist jeder Festgenommene bei der Festnahme oder unmittelbar danach über den gegen ihn bestehenden Tatverdacht und den Festnahmegrund zu unterrichten sowie darüber zu belehren, dass er berechtigt sei, einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson und einen Verteidiger zu verständigen, und dass er das Recht habe, nicht auszusagen. Dabei ist er darauf aufmerksam zu machen, dass seine Aussage seiner Verteidigung diene, aber auch als Beweis gegen ihn Verwendung finden könne. Wenn der Gesetzgeber diese Belehrungspflicht ausdrücklich nur für Verhaftete normiert, so bedeutet dies, dass eine diesbezügliche Belehrungspflicht gegenüber sich in Freiheit befindlichen Verdächtigen nicht besteht.

 

Auch das subsidiär anzuwendende VStG verpflichtet das vernehmende Verwaltungsorgan nicht zu einer derartigen Belehrung. § 33 Abs 2 VStG bestimmt lapidar, dass ein Beschuldigter nicht zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen gezwungen werden kann. Auf andere gesetzliche Regelungen (zB § 109 GDI 1895) können sich die Beschwerdeführer nicht berufen. Bei diesen Gendarmerieinstruktionen handelt es sich um eine interne Dienstvorschriften, aus der Rechte von Normunterworfenen nicht abgeleitet werden können (vgl dazu VfSIg 15.046/1997: ?Die Gendarmeriedienstinstruktion stellt ganz allgemein nicht darauf ab, Rechte und Pflichten der Rechtsunterworfenen zu gestalten?. In einer anderen Entscheidung schloss der Verfassungsgerichtshof die GDI als gesetzliche Grundlage eines Bescheides, mit dem über einen Schusswaffengebrauch abgesprochen wurde, kategorisch aus: ?Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine ausschließlich an Verwaltungsorgane gerichtete verwaltungsinterne Anordnung?; siehe auch Ronald Faber, Die Wachkörper und das Erste Bundesrechtsbereinigungsgesetz, JRP 2000, 35).

 

Da sich aus dem Gesetz somit keine Belehrungspflicht im obigen Sinne ableiten lässt, geht das Vorbringen der beiden Beschwerdeführer ins Leere.

 

Dass die Organe der öffentlichen Aussicht aufgrund der Bestimmung des § 24 StPO berechtigt und verpflichtet sind strafbaren Handlungen nachzuforschen, wurde bereits dargetan. Dieser gesetzliche Auftrag berechtigt die Exekutivorgane auch, Personen zu einer Befragung zur Dienststelle zu bestellen. Aus dem Umstand, dass die Befolgung eines solchen Ersuchens nicht unmittelbar zwangsweise durchsetzbar ist, kann nicht gefolgert werden, dass eine diesbezügliche Aufklärungspflicht besteht. Auch in dieser Hinsicht ist die Beschwerde nicht berechtigt.

 

Selbstverständlich sind auch Aussagen, dass sich ein Geständnis oder eine Schadenswiedergutmachung für einen Beschuldigten im Strafverfahren mildernd auswirken, nicht rechtswidrig, zumal sich derartige Belehrungen ja auf das Gesetz stützen können. Dass die Beschwerdeführer durch Vortäuschung von unrichtigen Tatsachen, insbesondere durch das Versprechen, im Falle eines Geständnisses von einer Anzeige Abstand zu nehmen, getäuscht und zu einer Aussage verleitet wurde, erscheint der belangten Behörde vollkommen aus der Luft gegriffen.

 

Punkt 4):

Bleibt noch die Frage, ob allenfalls (als letzte Möglichkeit) eine Richtlinienverletzung vorliegt. In diesem Zusammenhang ist die Dienstaufsichtsbehörde (das Landesgendarmeriekommando) und nicht die gefertigte Behörde zu einer Stellungnahme berufen. Es ist allerdings unklar, ob die Beschwerdeführer gleichzeitig auch eine Richtlinienbeschwerde erheben wollten. Jedenfalls müssten die in § 89 SPG vorgeschriebenen Verfahrensschritte beachtet werden. Der Vollständigkeit halber ist noch festzuhalten, dass die Beschwerdeführer in der Maßnahmenbeschwerde eine Rechtsverletzung nach § 88 Abs 1 oder 2 SPG nicht mit Erfolg auf eine bloße Verletzung einer gemäß § 31 SPG erlassenen Richtlinie stützen können. Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass eine Richtlinienverletzung vorliegt, könnte darauf kein verurteilendes Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates gestützt werden, da nicht die Bezirksverwaltungsbehörde´, sondern die Dienstaufsichtsbehörde für eine Richtlinienverletzung einzustehen hätte. Vielmehr wäre vom Unabhängigen Verwaltungssenat bei einer Entscheidung zum Nachteil der belangten Behörde konkret jene (einfach- oder verfassungsgesetzliche) Norm zu benennen, gegen die ihre Hilfsorgane im vorliegenden Fall verstoßen haben.

 

Erkennungsdienstliche Behandlung

Die Sicherheitsbehörden sind gemäß § 65 Abs 1 SPG ermächtigt, einen Menschen, der in Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn der Betroffene im Rahmen krimineller Verbindungen tätig wurde oder dies sonst zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint. Im vorliegenden Fall besteht der konkrete Verdacht, dass die Beschwerdeführer gewerbsmäßig und als Mitglieder einer Bande über einen längeren Zeitraum Diebstähle begangen haben. Dieser Umstand rechtfertigt nach Dafürhalten der belangten Behörde jedenfalls die Setzung der in § 65 Abs 1 SPG vorgesehenen Maßnahme. Es würde bereits das Vorliegen einer der im Gesetz genannten Voraussetzungen für die Setzung dieser Vorbeugungsmaßnahme ausreichen.

 

Wie sich aus dem Akt ergibt, haben sich die beiden Beschwerdeführer der Prozedur freiwillig unterzogen. Schon aus diesem Grund ist nicht vom Vorliegen eines Aktes der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt auszugehen. Es bestehen in dieser Hinsicht keine besonderen gesetzlichen Aufklärungspflichten. Nicht einmal der Umstand, dass ein zuerst noch unentschlossener Proband vom Exekutivorgan auf die Möglichkeit der bescheidmäßigen Durchsetzung der beabsichtigten Maßnahme hingewiesen wird, könnte die Annahme hindern, dass dieser sich der ED-Behandlung freiwillig unterzogen hat. Die Entscheidung, ob eine erkennungsdienstliche Maßnahme zu setzen ist oder nicht, ist auch keine Frage der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 28 Abs 3 SPG, da diese Bestimmung in allgemeiner Weise eine Regelung trifft, unter welchen Voraussetzungen in die Rechte von Personen eingegriffen werden darf. Insofern ist mit dem Hinweis auf diese Gesetzesstelle für die Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.

Aus den genannten Gründen wird der

 

Antrag

gestellt, die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen?.

 

Gleichzeitig wurden die Bezug habenden Akten vorgelegt.

 

Das Landesgendarmeriekommando für Tirol gab folgende Stellungnahme ab:

 

Am 13.03.2001 wurde seitens Ihrer Mandantschaften, M. S. - vertreten durch dessen Mutter H. M. S., sowie C. F., vertreten durch dessen Mutter M. S., beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol, anlässlich einer Amtshandlung auf dem Gendarmerieposten L. am 31.01.2001, eine Maßnahmenbeschwerde gemäß § 88 Abs 1 und 2 SPG erhoben.

 

In der Konkretisierung des Punktes 1 der gegenständlichen Beschwerde wurde ua festgestellt, Insp. S. des Gendarmerieposten L. habe durch falsche Versprechungen, insbesondere der Erklärung, ?dass bei wahrheitsgetreuen Angaben sowie erfolgter Schadenswiedergutmachung die Sache erledigt sei?, Ihre Mandantschaften zu einer sie selbst belastenden Aussage veranlasst und dadurch eine gemäß § 31 SPG erlassene Richtlinie

für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verletzt.

 

Gemäß § 89 Abs 2 SPG nimmt das Landesgendarmeriekommando für Tirol als Dienstaufsichtsbehörde des betroffenen Beamten zu dem aufgrund der durchgeführten Erhebungen als erwiesen angenommenen Sachverhalt wie folgt Stellung:

 

?Ihre Mandantschaften, M. S. und C. F., waren im Zeitraum von ca Juni 2000 bis zumindest Jänner 2001 Mitglieder einer aus insgesamt fünf Jugendlichen bestehenden ?Clique?, welche die Tiefgarage im Bereich der XY-Filiale in L. als gemeinsamen Treffpunkt und Aufenthaltsort nützte. Am 04. Jänner dieses Jahres wurde ein Mitglied der Gruppe in dieser XY-Filiale auf frischer Tat bei einem Ladendiebstahl betreten und in weiterer Folge dem GP L. zur Anzeige gebracht.

 

Im Zuge der daraufhin durchgeführten Erstbefragung gestand der junge Mann ein, ca seit September des Vorjahres mindestens 15 derartiger Diebstähle in der bezeichneten Filiale begangen zu haben und beschuldigte überdies auch alle anderen Mitglieder der Gruppe, auch ihre Mandantschaften, der mehrfachen Begehung derartiger Delikte.

 

Aufgrund der vorliegenden Anzeigeerstattung der Leiterin der XY-Filiale in L., lag für den erhebenden Beamten zumindest ein Offizialdelikt nach § 127 Strafgesetzbuch vor, dem er gemäß § 24 StPO entsprechend nachzuforschen hatte. Diese Nachforschungen, welche ausschließlich den Zweck der Klärung gerichtlich strafbarer Handlungen im Sinne der Strafprozessordnung verfolgten, bestanden vorerst in der niederschriftlichen Einvernahme der Anzeigeerstatterin, der Befragung des auf frischer Tat betretenen Jugendlichen und in weiterer Folge in der Kontaktaufnahme mit den ebenfalls mehrerer Offizialdelikte beschuldigten Gruppenmitgliedern. Ungeachtet der bekannten Tatsache, dass bei allen Verdächtigen das Jugendgerichtsgesetz Anwendung finden würde und die Staatsanwaltschaft Innsbruck gemäß § 7 )GG in Verbindung mit den §§ 90 a ff StPO von der Möglichkeit einer Diversion Gebrauch machen müsste, war für den Beamten eine Anzeigeverpflichtung gemäß § 84 StPO an die Staatsanwaltschaft Innsbruck zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Nach Beurteilung sämtlicher bekannter Umstände, kam für den Beamten eine Einvernahme der weiteren verdächtigen Jugendlichen ausschließlich in Form einer freiwilligen Befragung zum Sachverhalt im Beisein eines Erziehungsberechtigten in Frage.

 

Am 30.01.2001 setzte Grlnsp. S., als zuständiger Sachbearbeiter auf dem Gendarmerieposten L., die Mütter der beiden Beschwerdeführer, H. M. S. und M. F., telefonisch über die gegen ihre Söhne bestehende Verdachtslage in Kenntnis. Beide Erziehungsberechtigen wurden dabei im Sinne der grundsätzlichen Überlegungen des Beamten ersucht, auf eine freiwillige Befragung ihrer Söhne hinzuwirken und gegebenenfalls mit diesen zur Klärung des Sachverhaltes auf den Gendarmerieposten L. zu kommen, wobei im Falle der Zustimmung eine Terminwahl freigestellt wurde.

 

Während sich Frau M. F. mit dieser Vorgangsweise sogleich einverstanden erklärte und mit dem Beamten einen Befragungstermin für den nächsten Tag vereinbarte, vertrat Frau H. S. vorerst die Auffassung, ihren Sohn wegen ?eines Ladendiebstahles selbst maßregeln und die Sache damit erledigen zu können?. Grlnsp. S. klärte Frau S. daraufhin unmissverständlich auf, dass zwar keinerlei Verpflichtung zu einer Aussage auf dem Gendarmerieposten bestehe, eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck aber jedenfalls, gegebenenfalls ohne Angaben von M. S., erstattet werden müsse.

 

Der Beamte erklärte daher im Zuge der geführten Telefonate keinem Gesprächspartner gegenüber, dass ?die Angelegenheit erledigt sei, wenn die verdächtigen Jugendlichen im Rahmen ihrer Vernehmung die Wahrheit sagen, sich bei der Firma XY entschuldigen und den Schaden wieder gutmachen würden?, vielmehr setzte er Frau S. sogar dezidiert darüber in Kenntnis, dass eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck jedenfalls erstattet werden müsse.

 

Es entspricht aber den Tatsachen, dass die Erziehungsberechtigten in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit eines außergerichtlichen Tatausgleiches sowie die diesbezüglichen Voraussetzungen hingewiesen wurden, worauf sich dann auch Frau S. bereit erklärte, mit ihrem Sohn freiwillig zu einer Befragung auf den Gendarmerieposten L. zu kommen.

 

Bei der am 31.01.2001 jeweils im Beisein der Mütter durchgeführten Befragung Ihrer Mandantschaften, bestand für den Beamten aufgrund der Inhalte der am Vortag durchgeführten telefonischen Kontaktaufnahmen kein Zweifel an der freiwilligen Aussagebereitschaft der beiden Jugendlichen, weshalb von einem neuerlichen ausdrücklichen Hinweis auf die Freiwilligkeit der Aussage gemäß § 4 der Richtlinienverordnung sowie von einer nochmaligen Aufklärung über das Recht die Aussage verweigern zu können, Abstand genommen wurde.

 

Aufgrund der Eigenschaft der zu befragenden Personen - diese waren über Ersuchen und ohne behauptete Versprechungen oder gar Androhung von Konsequenzen freiwillig zur Befragung und Klärung des Sachverhaltes auf die Dienststelle gekommen - trafen auch bestehenden Belehrungspflichten gemäß § 152 StPO (Entschlagungsrecht von Zeugen) sowie § 178 StPO (Aufklärungspflicht von Festgenommenen) nicht zu. Ungeachtet dessen nahm Grlnsp. S. aber bei allen Niederschriften den Passus auf, dass die Aussage verweigert werden könne, wenn man sich dadurch selbst strafbar mache. Dieser Passus bezog sich auf die konkrete anlassbezogene Situation und wurde in weiterer Folge von allen Betroffenen, auch den Erziehungsberechtigten, gelesen und zur Kenntnis genommen.

 

Da es sich bei den Tätigkeiten des Beamten um Vollzugsakte zur Klärung gerichtlich strafbarer Handlungen, also ausschließlich um Maßnahmen der Strafprozessordnung handelte, war eine Beurteilung nach § 28 a SPG nicht direkt durchzuführen. Ungeachtet dessen wird aber auch die Auffassung vertreten, dass eine auf Freiwilligkeit beruhende Befragung nicht als eine in Rechte von Menschen eingreifende Maßnahme anzusehen ist.

 

Im Zuge der Befragungen erklärte der Beamte - nicht zuletzt auch im Interesse der Erziehungsberechtigten - auch die Möglichkeiten einer diversionellen Maßnahme, insbesondere jene eines außergerichtlichen Tatausgleiches. Dabei führte der Beamte auch an, dass es dafür von Bedeutung sei die Tat einzugestehen und den Schaden wieder gutzumachen. Zu keinem Zeitpunkt verband Grlnsp S. diese Aufklärung mit einer Andeutung oder gar dem Versprechen, dass im Falle einer diesbezüglichen Zustimmung von einer Anzeigeerstattung Abstand genommen werden könnte und ?die Sache erledigt sei?! Abschließend wird festgestellt, dass das Landesgendarmeriekommando für Tirol aufgrund des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes keine Verletzung einer gemäß § 31 SPG

erlassenen Richtlinie für das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festzustellen vermag.?

 

In der mündlichen Verhandlung wurde jene Äußerung vorgelegt, die das Landesgendarmeriekommando für Tirol den Beschwerdeführern mitgeteilt hat.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat erwogen:

Beweis aufgenommen wurde durch die Einvernahme des Zeugen GrInsp. S. M. sowie durch Verlesung der Akten des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol und der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck.

Demnach ist vom folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

 

Die beiden Beschwerdeführer brachten eine mit 13.3.2001 datierte Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol ein, welche dort am 15.3.2001 einlangte. Auf Grund des Beschwerdevorbringens wurde die Beschwerde der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zur Stellungnahme und dem Landesgendarmeriekommando für Tirol zur Gegenäußerung übermittelt. Das Landesgendarmeriekommando für Tirol richtete mit Schreiben vom 5.6.2001 eine Äußerung an die Beschwerdeführer. Diese langte am 11.6.2001 beim Rechtsvertreter der Beschwerdeführer ein. Auf Grund der Aktenlage und der Angaben des Vertreters der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass die Mitteilung vom 5.6.2001 nicht weiter bekämpft worden ist. Daher wird in weiterer Folge der Sachverhalt so betrachtet, wie er sich in dieser Mitteilung darstellt. Dieser Sachverhalt wird durch die Aussage des Zeugen Grlnsp. M. S. bestätigt, der Folgendes zu Protokoll gab:

Ich habe den gegenständlichen Vorfall noch in Erinnerung. Ich habe die Anzeige verfasst. Die Geschäftsführerin des XY, Frau W., hat einen Jugendlichen wegen Geschäftsdiebstahls angezeigt. Ich habe diesen Jugendlichen dann befragt und im Zuge der Befragung wurde bekannt, dass mehrere Jugendliche auch beteiligt sind. Aufgrund meiner Erhebungen habe ich dann eine fortgesetzte Strafhandlung gesehen, die sich über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr hingezogen hat, wobei der erste Jugendliche mindestens 15 Straftaten eingestanden hat, dieser jedoch nicht der Haupttäter sein konnte, da er vorübergehend in L. wohnhaft war. Von diesem Jugendlichen war ein gewisser F. und ein gewisser M. als Haupttäter genannt worden, wobei es sich so dargestellt hat, dass diese beiden ersten die Haupttäter gewesen sind und die anderen die Nutznießer waren. Bei den Beschwerdeführern habe ich meine normale Vorgangsweise gesetzt. In erster Linie habe ich die Eltern der beiden Jugendlichen verständigt. Ich habe mit der Mutter von C. F., das ist Frau M. F., und mit der Mutter von M. S., das ist Frau H. M. S., telefoniert. Ich schilderte am Telefon kurz den Sachverhalt und habe auch gesagt, dass eine Einvernahme zweckmäßig wäre. Am Telefon habe ich auch kurz die Diversion angeführt. Ich bin aber darauf nicht näher eingegangen. Ich habe lediglich angeführt, sie sollten mit dem Sohn erscheinen. Ich möchte mich nun auf das Telefonat mit der Frau H. S. beziehen. Frau S. sah das eher als eine Lappalie am Telefon. Ich habe ihr erklärt, mir steht eine Beurteilung nicht zu, dass ich aber den Sachverhalt zu bearbeiten hätte und dass eine Befragung von Vorteil wäre. Ansonsten müsste ich die ganze Angelegenheit ohne Befragung weiterleiten.

 

Hinsichtlich Frau F. kann ich angeben, dass sie sehr schnell erschienen ist, ich kann nicht mehr genau sagen, gleich am nächsten Tag Morgen oder wann, jedenfalls sie war schnell da. Bei der Befragung des Herrn C. F. hat es keinerlei Probleme gegeben.

 

Ich habe auch bei dem Telefonat angeführt, da ich sehr viel mit Jugendlichen zu tun habe, dass auch bei der Befragung die Eltern anwesend sein sollten. Damals war es ja so, dass aufgrund der gesetzlichen Grundlage nur der Jugendliche zu vernehmen gewesen wäre. Das ist in der Zwischenzeit ja anders geregelt worden.

 

Hinsichtlich der Befragung von Herrn C. F. gebe ich an, dass dieser mit seiner Mutter erschienen ist. Ich habe noch einmal im Vorhinein erklärt, dass es eine Diversion geben könnte. Ich habe das mit eigenen Worten erklärt. Ich sagte, dass es wichtig wäre, dass der Sachverhalt maßgebend geklärt wäre, wichtig wäre auch noch ein Geständnis und die Schadensgutmachung. Dann könnte nach Jugendgerichtsgesetz der außergerichtliche Tatausgleich angewendet werden. Ich habe nie gesagt, dass für den Fall, dass ein Geständnis erfolgt, die Angelegenheit erledigt wäre.

 

Bei der Rechtsbelehrung erkläre ich den Jugendlichen immer, und zwar mit eigenen Worten, dass sie sich nicht selbst strafbar machen dürfen, ich erkläre ihnen auch, was eine Verleumdung ist. Ich mache das immer mit eigenen Worten, damit die Jugendlichen das auch verstehen. Ich habe die Jugendlichen auch auf das Recht hingewiesen, dass sie die Aussage entschlagen können. Beide, M. F. und C. F., haben zugestimmt, dass ausgesagt werden soll. Ich habe die Einvernahme gemacht und bei der Einvernahme selbst sind keine Probleme entstanden. Es kann sein, dass ich im Zuge dieser Vernehmung etwas zynisch geworden bin, denn C. F. hat nur einen Schaden von ATS 100,00 zugegeben. Ich habe auch C. F. hinsichtlich des Suchtmittelgesetzes befragt. Im Zuge einer anderen Erhebung ist nämlich der Name C. F. als verdächtiger Mitkonsument gefallen. Ich habe den Eindruck gehabt, dass diese Befragung Frau F. eher recht war, weil ich ja darauf hingewiesen habe, welche Gefahren Suchtmittel nach sich ziehen. Es war eine problemlose Einvernahme. Dadurch, dass meiner Meinung nach die Diebstähle fortgesetzt begangen worden sind, habe ich den Verdacht der Gewerbsmäßigkeit gesehen. Weiters könnte ich anführen, dass die Mitglieder in einer Art Bande fungiert haben. Ich hätte heute auch den Bandendiebstahl annehmen können. Für mich war auch zu sehen, dass die Diebstähle auch durch eine längere Zeit hindurch durchgeführt worden sind, es war also die Fortsetzungsgefahr gegeben. Deswegen habe ich nach § 65 Abs 1 SPG die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt. Bei dieser hat es auch keinerlei Probleme gegeben.

 

Hinsichtlich des Beschwerdeführers M. S. ist Folgendes zu sagen:

Die Einvernahme war eigentlich der selbe Vorgang wie bei C. F. Ich hatte lediglich den Eindruck, dass es der Frau S. eher nicht recht war, dass ich die Befragung führe und nicht sie selber. Es hat aber soweit keine Probleme gegeben. Es war die gleiche Vorgangsweise wie bei C. F. Anführen möchte ich lediglich, dass Frau S. einen oder zwei Tage später mich telefonisch kontaktiert hat und sehr erzürnt war. Sie hat mir am Telefon mitgeteilt, ich hätte eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht durchführen dürfen. Bei diesem Gespräch hat sie mich selbst nicht zu Wort kommen lassen. Sie hat schlussendlich am Telefon nur mehr geschrieen, worauf ich das Telefongespräch abgebrochen habe. Abschließend möchte ich auch noch betonen, dass ich gegenüber M. S. auch nicht gesagt habe, dass mit der Einvernahme alles erledigt wäre.

 

Auf die Fragen des Vertreters der Beschwerdeführer gebe ich Folgendes an:

Wenn ich die Jugendlichen aufkläre mit eigenen Worten, so kann daraus nicht erkannt werden, dass ich etwas anderes mündlich gesagt habe, als ich protokolliert habe. Im gegenständlichen Fall habe ich den alten Computer verwendet, ich musste daher die Rechtsbelehrung selbst dazuschreiben. Beim neuen Computer, den ich aber nicht verwendet habe, hätte ich das mit einem Klick, also mit einem Textbaustein drinnen und könnte das abrufen. Frau S. habe ich am Telefon klipp und klar gesagt, dass ihr Sohn zu mir nicht kommen muss.

 

Die beiden Beschwerdeführer und deren Vertreter sind trotz ausgewiesener Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie konnten daher zum Sachverhalt nicht vernommen werden.

 

Der vorliegende Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu würdigen:

 

Gemäß § 89 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz hat der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol, soweit mit einer Beschwerde an den Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten. Dies wurde im gegenständlichen Fall vorgenommen, denn unter Punkt 1) der Maßnahmenbeschwerde wurde eine Richtlinienverletzung behauptet. Das Landesgendarmeriekommando für Tirol hat als zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde den Beschwerdeführern die Äußerung vom 5.6.2001 am 11.6.2001 zugestellt.

 

Gemäß § 89 Abs 4 Sicherheitspolizeigesetz hat jeder das Recht, dem gemäß Abs 2 mitgeteilt wurde, dass die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, binnen 14 Tagen die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol zu verlangen. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht erfolgt. Sohin ist davon auszugehen, dass eine Richtlinienverletzung nicht stattgefunden hat, worauf aber im gegenständlichen Verfahren Bedacht zu nehmen ist.

 

In der Beschwerde wurde behauptet, dass § 28a Abs 3 Sicherheitspolizeigesetz verletzt worden ist. Gemäß § 28a Abs 3 Sicherheitspolizeigesetz dürfen die Sicherheitsbehörden in die Rechte eines Menschen bei der Erfüllung dieser Aufgabe nur dann eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgabe nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht. Weiters verweist die Beschwerde auf § 29 Abs 1 und Abs 2 Z 4 Sicherheitspolizeigesetz.

 

Gemäß § 29 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz darf ein Eingriff in Rechte von Menschen, wenn es sich als erforderlich erweist (§ 28a Abs 3), nur geschehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlass und zum angestrebten Erfolg wahrt.

 

Gemäß § 29 Abs 2 Z 4 Sicherheitspolizeigesetz haben die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes insbesondere auch während der Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt auf die Schonung der Rechte und schutzwürdigen Interessen der Betroffenen Bedacht zu nehmen. Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde, insbesondere des Hinweises auf § 88 Abs 1 und 2 Sicherheitspolizeigesetz, war daher nunmehr zu prüfen, ob die Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall im Sinne des § 88 Abs 1 durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Rechten verletzt worden sind (Art 129a Abs 1 Ziff.2 BVG) und ob sie auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden sind.

 

Gemäß § 88 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz erkennen die Unabhängige Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in den Rechten verletzt worden zu sein (Art 129a Abs 1 Z 2 BVG). Alle jene Maßnahmen, die Gr.Insp. S. M. im Zuge seiner Amtshandlung gesetzt hat, können nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesehen werden. Die beiden Beschwerdeführer sind freiwillig in Begleitung ihrer Mütter zum Gendarmerieposten L. gekommen. Auch bei der erkennungsdienstlichen Behandlung hat es keine Probleme gegeben.

 

Gemäß § 65 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn der Betroffene im Rahmen krimineller Verbindungen tätig wurde oder die sonst zuvor bei gefährlichen Angriffe des Betroffenen erforderlich erscheint. Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig geworden sind. Die beiden Beschwerdeführer waren im Zeitraum von ca Juni 2000 bis zumindest Jänner 2001 Mitglieder einer aus insgesamt 5 Jugendlichen bestehenden Clique, die in der XY-Filiale in L. Diebstähle begangen haben.

 

Gemäß § 16 Abs 1 Z 2 Sicherheitspolizeigesetz ist eine kriminelle Verbindung, wenn sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz verbinden, gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen. Dies ist im gegenständlichen Fall vorgelegen. Bezeichnender Weise haben die beiden Beschwerdeführer zur Gegenschrift der belangten Behörde diesbezüglich keine Stellungnahme abgegeben, auch sind sie zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen und konnten daher dazu nicht befragt werden. Die vom Gendarmerieposten L. mit den 5 Jugendlichen aufgenommenen Niederschriften lassen auch diesbezüglich keine Zweifel offen. Wie sich auf Grund der Aktenvorlage durch die belangte Behörde ergibt, haben sich die beiden Beschwerdeführer der erkennungsdienstlichen Behandlung im Sinne des § 25 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz freiwillig unterzogen, nachdem sie dazu im Sinne des § 77 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz formlos aufgefordert wurden (vgl dazu beispielsweise VwGH 14.9.2001, 98/02/0136). Es bestand dabei auch keine gesetzliche Verpflichtung, vorher detailliert bekannt zu geben, welche der im § 64 Abs.2 Sicherheitspolizeigesetz genannten erkennungsdienstlichen Maßnahmen in Aussicht genommen werden (vgl dazu VwGH 22.4.1998/96/01/0784). Somit steht fest, dass keine unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt worden ist. Der Hinweis auf § 29 Abs 2 lit 4 Sicherheitspolizeigesetz entbehrt jeglicher Grundlage. Der Vollständigkeit halber muss noch darauf hingewiesen werden, dass die beiden Beschwerdeführer zum Vorfallszeitpunkt minderjährig waren. § 65 Sicherheitspolizeigesetz ist jedoch auch auf Minderjährige anzuwenden. Das ergibt sich daraus, dass das Sicherheitspolizeigesetz an mehreren Stellen (zB § 24 Abs 1 Z 4, § 35 Abs 1 Z 5 lit a, § 57 Abs 1 Z 9) auf die Minderjährigen Bezug nimmt, nicht jedoch im 3. Hauptstück (Erkennungsdienst). Daher ist die erkennungsdienstliche Behandlung Minderjähriger zulässig.

 

Gemäß § 88 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz erkennen die Unabhängige Verwaltungssenate außerdem über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist. Es ist nicht erkennbar, wie durch die erkennungsdienstliche Behandlung im Sinne des § 65 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz die Beschwerdeführer in ihren Rechten verletzt worden sein können. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass die Sicherheitsdirektion für Tirol mit Schreiben vom 20.8.2001, Zahl II2264-6/01, die beiden Beschwerdeführer davon in Kenntnis setzte, dass die erkennungsdienstlichen Daten von amtswegen vollständig gelöscht wurden. Auf Grund der nicht nur äußerst glaubwürdigen sondern auch überzeugenden Darlegung der Amtshandlung durch den diensthabenden Beamten Gr.Insp. M. S. kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beschwerdeführer selbst belastet haben, weil sie mit einer unrichtigen und seitens des diensthabenden Beamten unerfüllbaren Zusage dazu veranlasst worden wären. Diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführer erscheinen mehr als nur unglaubwürdig. Die Aufnahme der Protokolle erfolgte ordnungsgemäß. Bezeichnender Weise haben es die beiden Beschwerdeführer und deren gesetzliche Vertreter vorgezogen, bei der mündlichen Verhandlung trotz ausgewiesener Ladung nicht zu erscheinen. Sie konnte daher - wie schon ausgeführt - zum Sachverhalt nicht befragt werden. Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer weder in einfachgesetzlich noch in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sind.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 79a AVG. Da im gegenständlichen Fall davon auszugehen ist, dass der belangten Behörde der Vorlageaufwand, der Schriftsatzaufwand und der Verhandlungsaufwand durch das Zusammenziehen der beiden Beschwerden nur einmal erwachsen ist, waren ihr diese Aufwandersätze auch nur einmal im spruchgemäßen Umfang zuzusprechen. Die beiden Beschwerdeführer haben diese Aufwandersätze der belangten Behörde je zur Hälfte zu ersetzen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde, erkennungsdienstliche, Behandlung, Ladendiebstahl
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten