TE UVS Steiermark 2002/11/21 30.11-19/2002

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung der Frau E I, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 15.1.2002, GZ.: 15.1 6167/2000, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 15.1.2002, GZ.: 15.1 6167/2000, wurde Frau E I (im Folgenden Berufungswerberin) vorgeworfen, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der I GesmbH mit dem Sitz in G unterlassen dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes eingehalten worden seien. Sie habe nämlich im Zeitraum vom 14.8.2000 bis zumindest 12.10.2000 die Arbeitnehmer M N, M P und A H der Firma R, F W F GesmbH, in W überlassen und dabei

1.) die Arbeitskräfte ohne Ausstellung eines Dienstzettels, der den Vorschriften des § 11 entspricht, überlassen, in welchem weder die Höhe des Entgeltes, die Zahlungstermine und die Urlaubsansprüche, ein bestimmtes zeitliches Ausmaß der Arbeitsverpflichtung und die Gründe für eine allfällige Befristung, Kündigungsfristen etc. angegeben gewesen seien, 2.) die Mitteilungspflicht nach § 12 nicht eingehalten, nämlich als Überlasser nicht die Verpflichtung wahrgenommen, den oben angeführten Arbeitskräften vor der Beschäftigung die für die Überlassung wesentlichen Umstände, insbesondere den Beschäftiger, die voraussichtliche Arbeitszeit und das Entgelt, das für die Dauer der Überlassung gebühre, mitzuteilen und ehestmöglich schriftlich zu bestätigen, 3.) die gemäß § 13 zu führenden Aufzeichnungen und die zu übermittelnden statistischen Daten nicht geführt, also keine laufenden Aufzeichnungen über die Überlassung von Arbeitskräften im Sinne von § 13 Abs 2 getätigt. Dadurch habe die Berufungswerberin im Punkt 1.) eine Übertretung nach § 11 iVm § 22 Abs 2 Z b des AÜG, im Punkt 2.) nach § 12 iVm § 22 Abs 2 lit c leg. cit. und im Punkt 3.) nach § 22 Abs 2 lit d iVm § 13 leg. cit. begangen und verhängte die Erstbehörde über sie in allen drei Punkten Geldstrafen von jeweils ? 145,35 (im Uneinbringlichkeitsfall jeweils 36 Stunden Ersatzarrest). Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Berufungswerberin fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung, wobei sie zunächst ausführte, dass der Abschnitt III (§§ 10 bis 14) des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes nur auf die bewilligungspflichtige Überlassung von Arbeitskräften anzuwenden sei. Nach § 257 GewO unterliege der Bewilligungspflicht nicht die vorübergehende Überlassung von Arbeitskräften an Beschäftiger, welche die gleiche Erwerbstätigkeit wie der Überlasser ausüben, unter der Voraussetzung, dass der Charakter des Betriebes des Überlassers gewahrt bleibe, bis zur Höchstdauer von sechs Monaten im Kalenderjahr. Da im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nur ein Tatzeitraum von etwa zwei Monaten aufscheine, würden die Bestimmungen der §§ 11 bis 13 AÜG im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung kommen. Weiters bestritt die Berufungswerberin, Überlasser im Sinne des AÜG zu sein. In diesem Zusammenhang führte die Berufungswerberin aus, dass A H seinerseits nicht Arbeitnehmer der Firma F gewesen sei, sondern für diese als Subunternehmer tätig gewesen sei. Die beiden anderen Personen, nämlich M N und M P seien zum damaligen Zeitpunkt Arbeitskräfte der Firma F gewesen, sodass die Berufungswerberin keinerlei rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, diese Personen der Firma R zur Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen, da ja nur ein Arbeitsverhältnis zwischen der Firma F und den Arbeitnehmern bestanden habe. Weiters hätte die belangte Behörde bei der Prüfung der Kriterien nach § 4 AÜG auch zum Schluss kommen müssen, dass zwischen der I GesmbH und der R GesmbH ein Werkvertrag vorgelegen sei und es sich nicht um Arbeitskräfteüberlassung gehandelt habe. Abschließend verwies die Berufungswerberin auf die bereits bisher erstatteten Stellungnahmen und die vorgelegten Unterlagen und beantragte in Stattgebung ihrer Berufung das Verfahren einzustellen. Am 21.11.2002 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung statt, an der die Berufungswerberin und ihr Rechtsvertreter teilnahmen und in deren Verlauf neben der Berufungswerberin der Zweitbeschuldigte J I sowie die Zeugen Ing. M H und K W einvernommen wurden. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens geht die Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung von folgender Sach- und Rechtlage aus: Die Berufungswerberin war im Jahre 2000 handelsrechtliche Geschäftsführerin der I GesmbH mit dem Sitz in G. Die Firma I hatte keine eigene Betriebsstätte. Die I GesmbH hatte mit der Firma R, der Firma M in U und der Firma S in G Rahmenwerkverträge abgeschlossen über Auslöse-, Zuschneide- und Sortierarbeiten von Schweine-, Rind- und Kalbfleisch. Der Werkvertrag mit der R F W F GesmbH, W, datiert mit 1.12.1997. In der zweiten Jahreshälfte 2000 übernahm die I GesmbH einen Auftrag der Firma R über Zerlegearbeiten von Fleischwaren. Dieser Auftrag wurde von der I GesmbH an die F & P OEG mit dem Sitz K weitervergeben, wobei als Grundlage ein Rahmenwerkvertrag zwischen beiden Unternehmungen aus dem Jahre 1997 diente. Vom 14.8. bis 12.10.2000 führten M N, M P und A H Fleischzerlegearbeiten in den Betriebsräumlichkeiten der Firma R in W durch. M N und M P waren in diesem Zeitraum Arbeitnehmer der F & P OEG. A H hatte einen Gewerbeschein, war selbstständig tätig und hatte ebenfalls eine Vertragsbeziehung zur

F & P OEG. Durch die Tätigkeit von Fremdarbeitskräften wurden bei der Firma R Arbeitsspitzen abgedeckt. Das zu bearbeitende Fleisch erhielten M N, M P und A H vom Abteilungsleiter der Firma R, K W und zwar, nachdem das Fleisch zuvor abgewogen wurde. Die Menge des abgewogenen Fleisches diente als Abrechnungsgrundlage. N, P und H hatten einen eigenen Arbeitstisch und waren nicht in den sonstigen Arbeitsablauf der Firma R integriert. Das ausgelöste Fleisch wurde von K W kontrolliert. Abgerechnet wurde schließlich zwischen der I GesmbH und der Firma R bzw. der F & P OEG und der Firma R. Diese Feststellungen konnten aufgrund der Angaben der Berufungswerberin, des Zweitbeschuldigten J I und des Zeugen W getätigt werden. Im Berufungsverfahren wurde auch eine Versicherungszeitenbestätigung bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse eingeholt, aus der sich ergibt, dass M P und M N vom 14.8. bis 12.10.2000 bei der F &

P OEG zur Sozialversicherung angemeldet waren. Rechtliche Beurteilung: Gemäß § 3 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) ist die Überlassung von Arbeitskräften die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte. Gemäß § 3 Abs 2 AÜG ist Überlasser, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet. Gemäß § 3 Abs 3 AÜG ist Beschäftiger, wer Arbeitskräfte für betriebseigene Aufgaben einsetzt. Gemäß § 4 Abs 1 AÜG ist für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Gemäß § 11 Abs 1 AÜG darf der Überlasser eine Arbeitskraft an einen Dritten nur nach Abschluss einer ausdrücklichen Vereinbarung überlassen, die unabhängig von der einzelnen Überlassung insbesondere folgende Bedienungen zwingend festzulegen hat: 1.) die Höhe des Entgeltes, die Zahlungstermine und die Urlaubsansprüche; 2.) ein bestimmtes zeitliches Ausmaß der Arbeitsverpflichtung und die Gründe für eine allfällige Befristung; 3.) die Kündigungsfristen; 4.) die voraussichtliche Art der Arbeitsleistung; 5.) die Bundesländer oder die Staaten, in denen die überlassene Arbeitskraft beschäftigt werden soll; Gemäß § 12 Abs 1 AÜG ist der Überlasser verpflichtet, der Arbeitskraft vor jeder Beschäftigung in einem anderen Betrieb die für die Überlassung wesentlichen Umstände, insbesondere den Beschäftiger, die voraussichtliche Arbeitszeit der überlassenen Arbeitskraft im Betrieb des Beschäftigers und das Entgelt, das für die Dauer der Überlassung gebührt, mitzuteilen und ehestmöglich schriftlich zu bestätigen.

Gemäß § 13 Abs 1 AÜG hat der Überlasser ab Aufnahme der Überlassungstätigkeit laufend Aufzeichnungen über die Überlassung von Arbeitskräften zu führen. Nach Abs 2 haben die Aufzeichnungen zu enthalten:

1.) Namen, Geburtsdaten, Geschlecht und Staatsbürgerschaft der überlassenen Arbeitskräfte, gegliedert nach Arbeitern und Angestellten, 2.) Name der Beschäftiger und deren gesetzliche Interessenvertretung, bei Zugehörigkeit zur Landeskammer der Gewerblichen Wirtschaft auch deren zuständige Fachgruppe

3.) Beginn und Ende der Überlassungen für jede überlassene Arbeitskraft.

In ihrer ausführlichen Berufung legte die Berufungswerberin unter Punkt 2.2 dar, dass sie nicht als Überlasser im Sinne des § 3 Abs 2 AÜG angesehen werden kann. Damit ist sie im Recht, da nur derjenige nach § 3 AÜG als Überlasser angesehen werden kann, der Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet. Bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung knüpft der Begriff des Überlassers nicht daran an, ob sich dieser dazu verpflichtet, jemandem Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, sondern, dass dieser mit der Arbeitskraft vereinbart, dass sie ihre Arbeitsleistung bei Dritten erbringt. Für die Überlassung von Arbeitskräften ist demnach charakteristisch, dass die Arbeitskraft ihre Arbeitsleistung nicht im Betrieb ihres Arbeitgebers, sondern in Unterordnung unter dessen Weisungsbefugnis im Betrieb des Beschäftigers erbringt (vgl. OGH 10.10.1990, 9Ob/A/602/90). In höchstgerichtlichen Entscheidungen bzw. Kommentaren zum AÜG wird der Begriff des Überlassers synonym mit dem des Arbeitgebers verwendet (vgl. VwGH 8.9.1994, 92/18/050). Auch nach dem Zweck der Verpflichtungen nach § 11 AÜG (Ausstellung eines Dienstzettels), § 12 AÜG (Mitteilungspflichten vor Antritt in einem neuen Betrieb) und § 13 AÜG (Aufzeichnungspflichten) handelt es sich um typische Pflichten des Arbeitgebers gegenüber den von ihm in einem fremden Betrieb eingesetzten Arbeitnehmern. Dienstverträge zwischen den eingesetzten Arbeitskräften und der I GesmbH gab es nicht. Somit ist - sollte tatsächlich von einer Arbeitskräfteüberlassung und nicht von echten Werkverträgen auszugehen sein - die F & P OEG als Überlasser und die Firma R als Beschäftiger anzusehen sein. Ein Ketten- oder Mehrfachverleih liegt dann vor, wenn derjenige, dem die Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, sie nicht selbst beschäftigt, sondern einem anderen gegen Entgelt zur Arbeitsverrichtung überlässt. Im gegenständlichen Fall - wieder unter der Prämisse, es habe sich tatsächlich um Arbeitskräfteüberlassung gehandelt - wäre also praktisch die I GesmbH als zwischengeschalteter "Zweitüberlasser" anzusehen. Ein derartiger Zwischenverleih ist nach dem AÜG nicht gestattet, denn ein Dritter, der eine ihm von einem Überlasser überlassene Arbeitskraft weiter überlässt, wird in Folge dieser Überlassung nicht Arbeitgeber der überlassenen Arbeitskraft, weshalb ein Fall der nach § 9 Abs 4 Arbeitsmarktförderungsgesetz verbotenen Arbeitsvermittlung vorliegt (vgl. Geppert, Kommentar zum AÜG, Wien 1989, 48; Leutner-Schwarz-Ziniel, Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, Wien 1989, 71). Zur Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist zu bemerken, dass sich die Erstbehörde zwar damit auseinander setzte, ob im gegenständlichen Fall von einem echten Werkvertrag oder Arbeitskräfteüberlassung auszugehen ist, es findet sich aber keine Auseinandersetzung mit der Frage, wer als Überlasser im Sinne des § 3 Abs 2 AÜG anzusehen ist. Immerhin richten sich ja die Verpflichtungen der Bestimmungen der §§ 11 ff AÜG an den Überlasser. Als solcher kann aber - Arbeitskräfteüberlassung vorausgesetzt - nur die F & P OEG als Arbeitgeber bzw. Vertragspartner der gegenständlichen Arbeitskräfte angesehen werden. Somit war bereits aus diesem Grund der Berufung Folge zu geben und das Verfahren einzustellen. Eine nähere Auseinandersetzung damit, ob tatsächlich Arbeitskräfteüberlassung oder ein echter Werkvertrag vorlag und weiters, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs 3 AÜG gegeben waren, erübrigt sich somit.

Schlagworte
Arbeitskräfteüberlassung Zweitüberlasser vertragliche Verpflichtung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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