TE UVS Tirol 2003/04/10 2003/20/065-2

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Veröffentlicht am 10.04.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alfred Stöbich über die Berufung des Herrn S. F., 6114 Kolsass, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 26.11.2002, Zahl 703-4-1199-2002-FSE, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 35 Abs 1 FSG wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung von 8 Monaten (gerechnet ab. 9.11.2002) auf

6 Monate herabgesetzt wird.

 

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Text

Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck wurde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B für den Zeitraum 8 Monaten, gerechnet ab 9.11.2002, entzogen. Weiters wurde dem Berufungswerber das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen für die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung verboten. Dem Berufungswerber wurde auch das Recht, von einer allfällig erteilten ausländischen Lenkberechtigung auf die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt. Zudem wurde gemäß § 24 Abs 3 FSG eine Nachschulung angeordnet.

 

Dagegen wurde eine am 12.12.2002 eingebrachte ? als Einspruch bezeichnete ? Vorstellung erhoben.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid, dessen Zustellung durch Hinterlegung am 29.1.2003 ausgewiesen ist, wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. (Der angefochtene Bescheid weist offensichtlich irrtümlich das Bescheiddatum 26.11.2002 auf. Der Bescheid wurde jedoch nach einem darauf angebrachten Datumsstempel offensichtlich am 28.1.2003 abgefertigt.)

 

Dieser Bescheid wird nunmehr mittels Berufung bekämpft. Dabei wird insbesondere vorgebracht, dass die Erstbehörde es unterlassen habe, entsprechende Erhebungen zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen. Zum Aktenzeichen

3 U 390/02x des Bezirksgerichtes Hall in Tirol werde wegen des gegenständlichen Vorfalles ein Strafverfahren gegen den Berufungswerber durchgeführt. Der Stand des Verfahrens sei der, dass sich der Strafakt beim medizinischen Sachverständigen Dr. Lugger befinde, um über dieses Verfahren maßgebliche Tatsachen abzuklären, ob die beteiligten Personen, schwer, leicht oder gar im Sinne des § 88 Abs 2 Z 4 StGB durch den gegenständlichen Unfall vom 9.11.2002 verletzt worden sei oder nicht.

 

Die Erstbehörde hätte zumindest dieses erwähnte Gutachten abwarten müssen, da dies zumindest die exorbitant hohe Entziehungsdauer der Lenkberechtigung reduziert hätte, da sich aus dem gegenständlichen Sachverständigengutachten ergeben würde, dass die mitfahrenden Personen im Kraftfahrzeug des Berufungswerbers (falls tatsächlich verletzt) lediglich leichte Prellungen durch den gegenständlichen Verkehrsunfall erlitten hätten.

 

Es seien auch keinerlei Erhebungen seitens der Erstbehörde dahingehend durchgeführt worden, dass der Verkehrsunfall aufgrund einer durch ein anderes Kraftfahrzeug herbeigeführten Verkehrssituation verursacht worden sei und dieser Verkehrsunfall in keiner Weise mit der Alkoholisierung des Berufungswerbers im Zusammenhang stehe. Der Berufungswerber sei zu einem Spurwechsel aufgrund eines von hinten aufdrängenden Fahrzeuges gezwungen worden. Der Unfall hätte auch von einer nüchternen Person nicht verhindert werden können. Diesbezüglich wäre ein entsprechendes kraftfahrtechnisches Gutachten einzuholen gewesen.

 

Die exorbitant hohe Entzugsdauer sei nicht nachvollziehbar.

 

Ein Berauschter dürfte nicht schlechter gestellt werden als ein Nüchterner, dem man den eingetretenen Erfolg auch nicht zugerechnet hätte. Aus den Schadensfotos des beschädigten Kraftfahrzeuges des Berufungswerbers sei ersichtlich, dass die Lenksäule des Kraftfahrzeuges durch den nicht zu verhindernden Anprall gebrochen sei. Den daraus resultierenden Schädigungen an Verkehrsleiteinrichtungen, der Straßenlaterne sowie am KFZ des Beschuldigten und der anscheinenden Personenschäden fehle es damit an einem Kausalzusammenhang. Dies sei dem Beschuldigten nicht vorwerfbar und sei abgesehen davon, dass eine Entziehung der Lenkerberechtigung überhaupt nicht gerechtfertigt sei, eine Entziehung in der Mindestdauer von 3 Monaten vorzunehmen.

 

Der Berufungswerber sei bis zum Vorfall vom 9.11.2002 vollkommen unbescholten und werde dieser Umstand überhaupt nicht berücksichtigt. Die Personen- und Sachschäden seien dem Berufungswerber nicht zurechenbar. Es werde auch die Einholung der entsprechenden Gutachten verlangt.

 

Aufgrund dieser Berufung holte die Berufungsbehörde zunächst den Strafakt des Bezirksgerichtes Hall mit der Aktenzahl 3 U 390/02x ein.

 

Daraus ergibt sich, dass der Berufungswerber mit Urteil des Bezirksgerichts Hall vom 19.3.2003 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 3 StGB zu einer Strafe von 60 Tagessätzen zu Euro 20,--, insgesamt Euro 1.200,--, im Uneinbringlichkeitsfalle 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bestraft wurde. Dieses Urteil ist bereits in Rechtskraft erwachsen. Der Berufungswerber wurde schuldig erkannt, er habe am 9.11.2002 in Innsbruck als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen IL-378AL dadurch, dass er auf der B174 in östliche Richtung fahrend bei km 2,2 in der Folge von Unachtsamkeit und überhöhter Geschwindigkeit an einer Abzweigung der dortigen Nebenfahrbahn nach rechts abgekommen sei, über die Verkehrsinsel gefahren sei und gegen einen Fahrbahnteiler gestoßen sei, sodann er die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe und ins Schleudern geraten sei, dabei frontal gegen eine Straßenlampe auf der Mittelinsel gestoßen sei, wodurch sich das Fahrzeug überschlagen habe, gegen ein Wegweisschild geprallt sei und dann am Dach liegend zum Stillstand gekommen sei, seine Mitfahrer fahrlässig am Körper verletzt, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig durch den Genuss von Alkohol in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt habe, obwohl er vorhersehen hätte können, dass ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges, mithin eine Tätigkeit bevorstehen würde, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet gewesen sei. Im Urteil sind auch die Verletzungen der Mitfahrer Stefan M., Markus D. und Hannes M. angeführt.

 

Aus dem diesem Urteil zu Grunde gelegten unfallchirurgischen Fachgutachten des Univ.Prof.

Dr. Lois-Jörg L. ergibt sich, dass die Verletzungen des Hannes M. als leichte Körperverletzung verbunden mit einer mehr als drei ? weniger als 24-tägigen Gesundheitsstörung zu qualifizieren sei. Bei den Verletzungen der beiden anderen Mitfahrer handelt es sich im Wesentlichen um Abschürfungen und Prellungen.

 

Der Berufungswerber verbrachte den Nachmittag des 9.11.2002 gemeinsam mit seinen Mitfahrern im Cafe J. in Innsbruck. In diesem Lokal fand ein Tischfussballturnier statt, an welchem der Berufungswerber teilnahm. Dabei konsumierte der Berufungswerber auch Alkohol. Nach seinen Angaben trank er zwei große Weizenbier mit Red Bull, zwei kleine Weizenbier pur sowie einen vorm Wirt spendierten Ramazotti (2 cl).

 

Die nach dem Unfall um 22.18 Uhr durchgeführte Alkomatmessung ergab einen Wert von 0,66 mg/l.

 

Zum Zeitpunkt des Unfalls herrschte leichter Nieselregen und war die Fahrbahn nass.

 

In seiner Einvernahme vor der Bundespolizeidirektion Innsbruck, Verkehrsunfallkommando, am 17.11.2002 wurde dem Berufungswerber vorgehalten, dass er mit seinen drei Mitfahrern bereits von Schwaz nach Innsbruck gefahren sei und diese wieder nach Schwaz mitnehmen sollte und dass er gewusst habe, dass er diese wieder am selben Abend zurückfahren werde und trotzdem Alkohol getrunken habe. Der Berufungswerber rechtfertigt sich dahingehend, dass er mit dem ersten Platz beim Turnier gerechnet habe. Anschließend hätte man die in diesem Fall anfallende Prämie von Euro 70,-- in alkoholischen Getränke umgesetzt und hätte er diesfalls den Wagen stehen gelassen. So sei man früher ausgeschieden und hätte eben die Heimreise früher antreten müssen, wobei er nicht das Gefühl gehabt habe, dass er betrunken sei.

 

Diese Feststellungen ergeben sich auf der Grundlage des erstinstanzlichen Aktes sowie insbesondere aufgrund des erwähnten Strafaktes des Bezirksgerichtes Hall in Tirol. Im letztgenannten Akt findet sich eine umfassende Strafanzeige der Bundespolizeidirektion Innsbruck, Verkehrsunfallkommando, an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Innsbruck. In dieser finden sich weiters eine umfassende Lichtbilddokumentation sowie Niederschriften mit dem am Unfall beteiligten Personen. Das Ausmaß der Alkoholisierung ist durch den Messstreifen des Alkomaten objektiviert.

 

Dass der Berufungswerber vor dem Unfall zu einem Spurwechsel augrund eines von hinten aufdrängenden Fahrzeuges gezwungen worden sei, kann nicht festgestellt werden. In der Anzeige sind die diesbezüglichen Angaben des Zeugen Koschina festgehalten, der sich in einem nachfahrenden Fahrzeug befunden hat. Dieser wusste offensichtlich anzugeben, dass ein weiteres Fahrzeug in unmittelbarer Nähe des verunfallten Fahrzeuges ihm nicht aufgefallen sei. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang festgehalten, dass es für die Beurteilung des gegenständlichen Falles nicht entscheidend darauf ankommt, inwieweit der Berufungswerber tatsächlich durch ein anderes Fahrzeug veranlasst wurde, einen Spurwechsel durchzuführen, zumal ein derartiges Manöver üblicherweise ohne größere Schwierigkeiten bewältigt werden kann.

 

Unter Bedachtnahme darauf war jedenfalls die Einholung eines kfz-technischen Sachverständigengutachtens entbehrlich.

 

In das unfallchirurgische Fachgutachten des Dr: Lois-Jörg L., welches sich im Gerichtsakt befindet, wurde Einsicht genommen.

 

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß § 7 Abs 1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs 3 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl Nr 566/1991, zu beurteilen ist;

2. beim Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol oder Suchtmittel beeinträchtigten Zustand auch einen Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht hat und diese Tat daher auf Grund des § 99 Abs 6 lit c StVO 1960 nicht als Verwaltungsübertretung zu ahnden ist.

 

Aufgrund der Bindung an das rechtskräftige strafgerichtliche Urteil hat die Berufungsbehörde davon auszugehen, dass der Berufungswerber die ihm angelastete Straftat in der im Spruch des Urteiles umschriebenen Weise begangen hat (vgl VwGH vom 29.9.1999, Zahl 99/11/0276). Es kann daher kein Zweifel am Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs 1 FSG bestehen. Aufgrund des Alkoholisierungsgrades beträgt gemäß § 26 Abs 1 Z 3 die Entziehungsdauer mindestens 3 Monate.

 

Nach § 7 Abs 4 FSG sind für die Wertung der in Abs 3 beispielsweise angeführten Tatsachen, deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Im Bezug auf die Gefährlichkeit der Verhältnisse ist anzuführen, dass der Berufungswerber vor dem Unfall im Ortsgebiet mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war, dies bei Nacht und leichtem Nieselregen sowie bei nasser Fahrbahn. Zu Lasten des Berufungswerber ist auch zur berücksichtigen, dass der Berufungswerber trotz des von ihm konsumierten Alkohols und des Umstandes, dass er sich im klaren darüber hätte sein müssen, dass er nicht mehr fahrtauglich war, mit seinen drei Mitfahrern, welche er ursprünglich von Schwaz nach Innsbruck mitnahm und wieder nach Schwaz zurückbringen sollte, den PKW in Betrieb nahm und ihn nach Schwaz lenken wollte.

 

Dies ist nach Ansicht der Berufungsbehörde als Resultat mangelnden Verantwortungsbewusstseins anzusehen und stellt in hohem Ausmaß eine verwerfliche Begehungsweise dar.

 

Unbestritten ist, dass der Berufungswerber einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht hat, wobei dem Berufungswerber entsprechend dem strafgerichtlichen Urteil eine Unachtsamkeit unterlaufen ist. Reaktions- und Aufmerksamkeitsfehler allein ? auch wenn aus ihnen ein Verkehrsunfall mit Personenschaden resultiert - gehören nicht zu den eine Charaktereigenschaft im Sinne des § 7 Abs 1 FSG hinweisenden Verhaltensweisen. Auch ist auszuführen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es nicht auf das Ausmaß der Unfallfolgen ankommt (vgl VwGH vom 20.2.2001, Zahl 98/11/0317). Zugunsten des Berufungswerbers ist zu berücksichtigten, dass er gerichtlich und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist.

 

Was die verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit betrifft, ist auszuführen, dass dies mangels entsprechend langer Zeitdauer nicht entsprechend ins Gewicht fallen kann.

 

Unter Bedachtnahme auf diese Kriterien erscheint die von der Erstbehörde ausgesprochene Entziehungsdauer als überhöht und war diese im Ausmaß von 6 Monaten festzusetzen.

Schlagworte
Gefährlichkeit, Verhältnisse, überhöhter, Geschwindigkeit, Alkohols, drei, Mitfahrern
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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