TE UVS Steiermark 2003/04/17 20.3-28/2002

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Veröffentlicht am 17.04.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Beschwerde des Mag. R L, vertreten durch Dr. M G, Dr. R G und Mag. R V, Rechtsanwälte in K, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß §§ 67a Abs 1 Z 2, 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) und § 37a Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), wie folgt entschieden:

Die Zurückbehaltung des Personalausweises des Beschwerdeführers durch ein Organ der Bezirkshauptmannschaft L an der Grenzkontrollstelle S am 11. Oktober 2002 um ca. 16.30 Uhr war rechtswidrig.

Der Bund (Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) sowie das Land Steiermark haben dem Beschwerdeführer je zur Hälfte gemäß § 79a AVG die Kosten des Verfahrens in der Höhe von ?

1.378,00 binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

I. 1. In der Beschwerde vom 21.11.2002 bringt der Beschwerdeführer vor, dass ihm im Zuge der Amtshandlung an der Grenzkontrollstelle

S am 11.10.2002 um ca. 16.30 Uhr der Personalausweis, den er im Rahmen der Grenzkontrolle aushändigte, nicht zurückgegeben wurde. Als Begründung wurde ihm genannt, dass er zuvor eine Strafe zu bezahlen hätte. Zudem sei er im Zuge der Amtshandlung, die mit Unterbrechung von ca. 16.30 Uhr bis ca. 17.00 Uhr gedauert habe, beschimpft worden und sei ihm die Ausstellung einer Bestätigung über die Bezahlung einer Geldstrafe mit der Bemerkung verweigert worden, er könne sich die Bestätigung "in den Arsch schieben". Er sei daher im Recht, keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Artikel 3 MRK) verletzt worden. Eine Kostennote vom 03.04.2003 wurde vorgelegt.

2. Mit Schreiben vom 07.01.2003 beantragte die Bezirkshauptmannschaft L die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und ihr die Kosten zuzusprechen. Hiebei verwies sie auf die Sachverhaltsdarstellung des BGK L vom 16.12.2002 (Beilage).

II. 1. Aufgrund des Akteninhaltes, sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers, der Zeugen RI J T, RI W S, BI F N und D L in den Verhandlungen am 25.02.2003 und 04.04.2003 geht der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark von nachfolgendem, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

Am 11. Oktober 2002 um ca. 16.30 Uhr wollte der Beschwerdeführer mit dem Fahrzeug im Bereich der Grenzkontrollstelle S - Autobahn nach S ausreisen. Als Beifahrerin im Fahrzeug war seine Ehefrau D L. Im Zuge der Grenzkontrolle wurden dem Zeugen RI T die Personalausweise ausgehändigt. Da der Zeuge beim Fahrzeug des Beschwerdeführers ein defektes Abblendlicht wahrnahm, wies er den Beschwerdeführer an, das Fahrzeug am Zollparkplatz zu parken. In weiterer Folge suchte sowohl der Beschwerdeführer, als auch seine Ehefrau das Grenzkontrollorgan auf und erklärten ihm in englischer Sprache, dass sie kein Geld mehr hätten, um die Strafe zu bezahlen, da sie in Ö einen Großeinkauf gemacht hätten und die Personalausweise benötigen würden, um nach S einzureisen und beim Bankomaten Geld abzuholen. Der Beschwerdeführer protestierte hiebei gegen die Strafe, da er der Meinung war, dass der Scheinwerfer, nachdem er auf das Fahrzeug geklopft habe, nunmehr funktioniere. Letztendlich begaben sich er als auch seine Ehefrau nach S, um Geld für die Bezahlung der Strafe zu holen. Bei der Einreise nach S wiesen sich der Beschwerdeführer, als auch seine Ehefrau, mit dem Führerschein aus und erklärten dem s Grenzbeamten die Situation. Die Personalausweise behielt der Beamte zurück. Da seine Frau schwanger war, blieb sie in S zurück und fuhr der Beschwerdeführer wiederum zur österreichischen Grenzkontrollstelle. Er suchte sodann wieder den Zeugen RI T auf und händigte ihm die ? 21,00 aus, worauf dieser nunmehr erklärte, dass die Strafe nicht mehr ? 21,00, sondern ? 42,00 betragen würde, da ein weiteres Delikt, nämlich die Anstandsverletzung, hinzugekommen wäre. Der Beschwerdeführer brachte wiederum seinen Unmut zum Ausdruck und gab in englischer Sprache an, dass er sich an ein Gericht wenden werde, da er keine Anstandsverletzung begangen habe. Sodann fuhr der Beschwerdeführer wiederum nach S zurück. Da die in S wartende Ehefrau ihren Personalausweis zurückhaben wollte, fuhren beide wiederum zur österreichischen Grenzabfertigungsstelle und suchten das Zollgebäude auf. Auf Verlangen folgte sodann der Zeuge RI S der Ehefrau des Beschwerdeführers ihren Personalausweis aus und erklärte, dass der Beschwerdeführer seinen Personalausweis nicht bekommen würde, solange er die Strafe nicht bezahlen würde. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer bzw. seiner Ehefrau vom Zeugen RI T die Organstrafverfügung bezüglich der bezahlten ? 21,00 ausgehändigt, wobei sich die Organstrafverfügung auf die Anstandsverletzung bezog (siehe Beilage C). Der Zeuge RI T war zwar in Kenntnis, dass der Beschwerdeführer die ? 21,00 für das defekte Abblendlicht bezahlen wollte, jedoch hat er die Organstrafverfügung wegen der von ihm wahrgenommenen Anstandsverletzung ausgestellt. Die Aushändigung der Organstrafverfügung wegen des defekten Abblendlichtes wurde deshalb nicht vorgenommen, da er keine Kennzeichen des Fahrzeuges des Beschwerdeführers hatte. Die Organstrafverfügung wurde der Zeugin D L ausgefolgt und wurde von ihr zerrissen und auf den Boden geworfen, als ihr der Zeuge RI T erklärte, dass dies nicht wegen dem defekten Abblendlicht sei, sondern wegen der Anstandsverletzung. Nach einer heftigen Diskussion wurde jedenfalls dem Beschwerdeführer erklärt, dass er erst seinen Personalausweis bekommen würde, wenn er die Strafe bezahlen würde. Die Möglichkeit, eine vorläufige Sicherheit im Sinne des § 37a VStG einzuheben, wurde nicht angeboten, sodass der Beschwerdeführer ohne seinen Personalausweis wiederum nach S ausreiste. 2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen und des Beschwerdeführers. Soweit hiebei der entscheidungsrelevante Sachverhalt ermittelt wurde, ist eine Übereinstimmung in den Zeugenaussagen vorgelegen. Ob von Seiten des Beschwerdeführers bzw. der Organe der belangten Behörde Beschimpfungen im Rahmen der Amtshandlungen geäußert wurden, wurde nicht mehr näher eingegangen, da dies nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde darstellt (VwGH 23.11.1984, B 560/78). Laut ständiger Rechtssprechung sind nämlich selbst unangemessene Ausdrucksweisen oder Beschimpfungen dann nicht als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpfbar, wenn sie bei Gelegenheit oder aus Anlass der Ausübung der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt gebraucht wurden. Eine etwaige festgestellte Anstandsverletzung wäre Gegenstand eines verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens. Außer Streit steht, dass die Nichtrückgabe des Personalausweises mit der Begründung, dass zuvor die Strafe bezahlt werden müsse, erfolgte, da dies "eine übliche Vorgangsweise" (siehe Zeugenaussage RI T) sei. Desgleichen war es nicht von Relevanz, ob der Beschwerdeführer bereits bei seiner Einreise auf das defekte Abblendlicht aufmerksam gemacht worden war bzw. er davon Kenntnis erlangte, umso mehr der Beschwerdeführer die hiefür vorgesehene Strafe bezahlen wollte. III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes: 1. Die Beschwerde über die Nichtausfolgung des Personalausweises durch Beamte der Grenzkontrollstelle S am 11.10.2002 wurde am 27.11.2002 (Datum des Poststempels 22.11.2002) beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eingebracht, wodurch die Rechtzeitigkeit der Beschwerde gemäß § 67c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die von dem Organ der belangten Behörde vorgenommene Handlung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark durchgeführt wurde. 2. Somit war vorerst auf die Frage einzugehen, ob die Einbehaltung des vorerst im Rahmen der Grenzkontrolle freiwillig übergebenen Personalausweises eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt. Diese Frage ist zu bejahen, da eine behördliche Untätigkeit, wenn sie in engem, inneren Zusammenhang mit vorangegangener behördlicher Tätigkeit steht, ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt (Verweigerung der Rückgabe eines freiwillig übergebenen Zulassungsscheines, VfSlg. 6101/1969; Verweigerung der Ausfolgung einer freiwillig übergebenen verbotenen Waffe, VfSlg. 8131/1977; VwGH 28.04.1992, 91/11/0153; VwGH 17.06.1992, 91/02/0052 und 0058). Unzweifelhaft steht somit fest, dass dem Beschwerdeführer der Personalausweis aufgrund der Nichtbezahlung der Strafe - in concreto wegen des defekten Abblendlichtes - nicht ausgehändigt wurde. Diese Vorgangsweise entbehrt jeglicher gesetzlicher Grundlage, wobei noch dazu zu bemerken ist, dass der Beschwerdeführer die von ihm bezahlte Strafe für das defekte Abblendlicht bezahlen wollte, und nicht für die bestrittene Anstandsverletzung. Wenn das Organ mit einer Organstrafverfügung im Sinne des § 50 VStG in beiden Fällen (Übertretung des KFG und die Anstandsverletzung des § 1 erster Fall LGBl. Nr. 158/75) vorgehen wollte, so lag es keinesfalls im Ermessen des Organes festzulegen, für welche Verwaltungsübertretung der entgegengenommene Geldbetrag verwendet wird. Vielmehr ist hier der Wille des Bestraften ausschlaggebend, da durch eine derartige willkürliche Vorgangsweise des Beamten - die Anstandsverletzung wurde bestritten - dem Beschwerdeführer ein Rechtszug verweigert wurde. Der Zeuge RI T gab selbst an, dass er davon ausging, dass der Beschwerdeführer mit den ? 21,00 die Verwaltungsübertretung wegen des defekten Abblendlichtes begleichen wollte und er mit der Strafe wegen der Anstandsverletzung nicht einverstanden war (siehe Zeugenaussage). Alleine die Begründung, dass das Organmandat wegen des fehlenden Kennzeichens des Fahrzeuges nicht ausgestellt wurde - der Beschwerdeführer wurde auch nicht nach dem Kennzeichen des Fahrzeuges gefragt - stellt jedenfalls keinen Grund für eine derartige Vorgangsweise dar. Die Einbehaltung des Personalausweises trotz Aufforderung zur Herausgabe ist auch nicht durch eine vorläufige Sicherheitsleistung im Sinne des § 37a VStG gedeckt. Ein Personalausweis kann keinesfalls als vorläufige Sicherheit zurückbehalten werden, da sich bereits aus dem Sinn des Gesetzes ergibt, dass die Sicherheitsleistung zur Verwertung herangezogen werden muss und somit der daraus erfließende Betrag für die Geldstrafe und Kosten des Strafverfahrens sowie Verwahrungs- und Verwertungskosten heranzuziehen ist. Ob im Sinne des § 37a VStG, also mit der Einhebung einer vorläufige Sicherheitsleistung in concreto vorgegangen werden konnte, war hier nicht näher zu beurteilen, da die Absicht des Beamten ohnedies nicht darauf gerichtet war, sondern die Einbehaltung des Personalausweises als Repressalie für die Bezahlung der Geldstrafe angesehen wurde. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, von den Zeugen als "Wichser" und "Ficker" beschimpft worden zu sein, so wird hierauf nicht näher eingegangen, da dies nicht - wie oben ausgeführt - als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren gewesen wäre und somit auch kein Eingriff in Artikel 3 MRK darstellt. Eine Richtliniebeschwerde im Sinne des § 89 Sicherheitspolizeigesetz wurde nicht erhoben. Die Zurückbehaltung des Personalausweises des Beschwerdeführers durch Organe der Grenzkontrollstelle S am 11.10.2002 war daher rechtswidrig und war die Vorgangsweise der Beamten als schikanös zu werten. Dies deshalb, da es dem Beschwerdeführer zugemutet wurde, zwei Mal die Grenzkontrollstelle S aufzusuchen, ohne dass er seinen Personalausweis wiedererlangte und er trotz Bezahlung der Strafe - die Organstrafverfügung wurde ihm für ein anderes Delikt ausgefolgt - keinen Erfolg hatte. Der Beschwerdeführer hat den Personalausweis bis dato noch nicht zurückerhalten. 3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf den § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 499/2001, wonach dem Beschwerdeführer ein Betrag in der Höhe von ? 1.378,00 zuzusprechen ist. Dem Beschwerdeführer gebührt ? 610,00 an Schriftsatzaufwand, ? 755,00 als Verhandlungsaufwand und ? 13,00 an Stempelgebührenersatz (? 13,00 für den Beschwerdeschriftsatz). Eine Kostenteilung der Rechtsträger wurde deshalb vorgenommen, da das Einschreiten sich sowohl auf eine Verwaltungsübertretung nach dem Kraftfahrgesetz, als auch nach dem Steiermärkischen Polizeistrafgesetz (§ 1 erster Fall, LGBl. Nr. 158/75) gründete.

Schlagworte
Grenzkontrolle Personalausweis Herausgabe Zurückbehaltung Organstrafverfügung Einzahlung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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