TE UVS Tirol 2003/07/22 2003/18/068-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alois Huber über die Berufung der Frau H. O., Zams, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 10.02.2003, Zl SI-442-2002, wie folgt:

Punkt I. (Punkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses):

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren zu Punkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Punkt II. (Punkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses):

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird mit der Maßgabe bestätigt, dass das Wort ?ausreichenden? auf ?ausreichend? berichtigt wird und die Wortfolge ?bzw mit einem Maulkorb versehen? zu entfallen hat. Überdies wird der Beschuldigten eine Verwaltungsübertretung nach § 6 Abs 6 in Verbindung mit § 1 der Verordnung der Gemeinde Zams vom 21.09.2000 zu Zl 101-1/2000, zur Last gelegt und wird die Strafe nach § 8 Abs 1 lit d des Tiroler Landespolizeigesetzes verhängt.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat die Beschuldigte zu Punkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, somit Euro 10,00, zu bezahlen.

Text

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

?Tatzeit: 23.10.2002 gegen 18.00 Uhr

Tatort: 6511 Zams, Wirtschaftsweg im Hinterfeld

1. Sie haben es unterlassen, Ihr Tier derart zu beaufsichtigen, oder zu verwahren, sodass dadurch Dritte über das zumutbare Maß belästigt wurden.

2. Sie haben entgegen der Verordnung der Gemeinde Zams, GZI 101-1/2000 vom 16.11.2000, Ihren Hund außerhalb von Gebäuden oder von ausreichenden eingefriedeten Grundstücken nicht an der Leine geführt, sodass es diesem möglich war, einen anderen Hund anzufallen und diesen zu verletzen.?

Der Beschuldigten wurde zu Punkt 1 eine Verwaltungsübertretung nach § 6 Abs 1 des Landespolizeigesetzes und zu Punkt 2 eine Übertretung nach § 6/6 des Landespolizeigesetzes in Verbindung mit obgenannter Gemeindeverordnung zur Last gelegt. Über die Beschuldigte wurde jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 50,00, im Uneinbringlichkeitsfalle jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden, verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht berufen. In dieser Berufung führte die Beschuldigte aus, dass sie nochmals festhalten möchte, dass der Hund ?Enzo? angeleint gewesen sei. Jedoch durch die schlechte Witterung und des damit verbundenen Anlegens eines Regenschutzes, habe sie den Hund ableinen müssen. Sie sei sodann 1 bis 2 Minuten stehen geblieben und sei der Hund zu dieser Zeit ?bei Fuß? (das heiße ca 20 cm neben ihrem Bein) gestanden. Der Hund sei also nicht frei herumgelaufen. Überdies verwundere es die Beschuldigte, dass man einem Menschen mehr Glauben schenke, der nachweislich viermal die Unwahrheit gesagt habe. Dabei führte sie wie folgt an:

1. Unwahrheit des Hrn. S.

Er gibt an, dass sein Hund 5 Monate alt gewesen und eine Welpe sei. (als eingefleischter Jäger und Hundefreund sollte er schon wissen, dass sein Hund 6 Monate alt war und somit keine Welpe mehr ist/ siehe Beweismittel v. 05.02.2003);

2. Unwahrheit des Hrn. S.:

Er gibt an, dass seinem Hund die hintere Pfote abgebissen!?! Wurde. (lt. Rechnung seines Tierarztes war es aber eine Fraktur, also ein Bruch. / siehe Beweismittel v. 05.02.2003); Bleibende Schäden dürfte sein Hund wohl keine haben, sonst hätte er mich am 04.02.2003 um ca

8.35 Uhr unangeleint von hinten anspringen können; (ob ich das zur Anzeige bringen werde, wird noch überlegt);

3. Unwahrheit des Hrn. S.:

Er gibt an, dass mein Hund aus einer Entfernung v. mind. 150 oder 200 Meter auf seinen losgegangen sei und er seine angebliche Leine nicht mehr einziehen konnte. (mit der Statur eines Hrn. S. (ca 190 cm groß und hat gut 95 kg) war er nicht im stande einen Hund von ca 25 kg einzuziehen, der aus einer Entfernung von mindestens 150 ? 200 Meter auf ihn zu kommt??- ein Widerspruch in sich!

4. Unwahrheit des Hrn. S.:

Er gibt an, dass sein Hund angeblich angeleint war. (warum ruft er seinem Hund dann beim Namen, pfeift und versucht so einen Hund zurückzuholen?);?

 

Weiters sei festzuhalten, dass der Hund von Herrn S. auf sie zugelaufen sei. Im Übrigen liege es in der Natur, dass Jungtiere neugieriger seien und auf alles zulaufen würden, was sich bewege. Das erlebe die Beschuldigte jeden Tag beim Spaziergang und würde dies auch jeder Tierarzt bestätigen können. Nebenbei so noch erwähnt, dass die Tierarztkosten nicht zwischenzeitlich sondern sofort von der Familie der Beschuldigten bezahlt worden seien. Herr S. sei nämlich am 25.10.2002 in der Firma der Beschuldigten gewesen und habe gesagt, dass man mit den Hunden etwas mitmache, es aber schon wieder werden würde und ob die Beschuldigte nicht so lieb wäre, die Arztkosten zu übernehmen, wobei man dann die Sache vergessen könne. Sodann sei der Schaden auch bezahlt worden. Im Übrigen frage sich die Beschuldigte schon, ob nicht der Hund von Herrn S. sie belästigt habe. Sein Hund sei nicht angeleint gewesen und sei auf sie zugekommen. Sie werde nur bestraft, weil ihr Hund stärker als jener des Herrn S. gewesen sei. Herr S. habe seinen Hund nicht angeleint und gehe straffrei aus. Den Hund 1 bis 2 Minuten abzuleinen, sei doch wirklich keine schwere Verletzung der Leinenpflicht. Der Hund der Beschuldigten sei ein ausgebildeter Wach- und Schutzhund, der stets ihre Person gegen jeden großen und kleinen Angriff verteidigen werde.

Dieser Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Gemäß § 6 Abs 1 des Tiroler Landespolizeigesetzes sind Tiere so zu beaufsichtigen oder so zu verwahren, dass durch sie Dritte nicht gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden. Gemäß § 6 Abs 6 des Tiroler Landespolizeigesetzes kann die Gemeinde, soweit dies zur Vermeidung von Gefahren für Menschen oder Sachen erforderlich ist, allgemein oder im Einzelfall anordnen, dass Hunde außerhalb von Gebäuden und von ausreichend eingefriedeten Grundstücken an der Leine geführt werden und (oder) mit einem Maulkorb versehen sein müssen.

Die Gemeinde Zams hat aufgrund dieser Bestimmung durch § 1 der Verordnung vom 21.09.2000, Zl 101-1/2000 einen Leinenzwang für Hunde außerhalb von Gebäuden und von ausreichend eingefriedeten Grundstücken erlassen.

Die Beschuldigte hat selbst eingeräumt, dass sie für 1 bis 2 Minuten den Hund aufgrund des Umstandes, dass sie sich wegen der Witterung ihre Oberbekleidung richten hätte müssen, von der Leine gelassen hat. Somit hat die Beschuldigte den Leinenzwang für diese Zeit nicht eingehalten, wobei es zweifellos nicht notwendig gewesen wäre, dass aufgrund des ?Richtens der Oberbekleidung? der Hund für 1 bis 2 Minuten abgeleint worden ist. Das ?Richten? der Oberbekleidung wäre zweifellos in einer kürzerer Zeit zu bewältigen gewesen oder aber wäre ein Ableinen aufgrund dieses Umstandes überhaupt nicht erforderlich gewesen. Somit hat die Beschuldigte schon aufgrund ihrer eigenen Aussage tatbestandsmäßig gehandelt, sodass den von der Beschuldigten behaupteten Unregelmäßigkeiten in der Aussage des H. S., dessen Hund durch die Konfrontation mit dem von der Beschuldigten geführten Hund, eine Verletzung erlitt, nicht relevant gewesen ist.

Somit hat die Beschuldigte zu Punkt 2 in objektiver und subjektiver Weise tatbestandsmäßig gehandelt.

Mildernd war die bisherige Unbescholtenheit der Beschuldigten. Aufgrund des Schuld- und Unrechtsgehaltes der Tat ist die über die Beschuldigte verhängte Geldstrafe auch mit den von ihr angegebenen Einkommensverhältnissen, nämlich monatliches Nettoeinkommen von Euro 560,00 zu vereinbaren. Im gegenständlichen Fall besteht eine Strafandrohung mit Geldstrafen bis zur Höhe von Euro 360,00. Zum Schuldvorwurf zu Punkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist anzuführen, dass § 22 Abs 1 VStG vorsieht, dass dann, wenn jemand durch verschiedene selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat untere mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt, die Strafen nebeneinander zu verhängen sind.

Im gegenständlichen Fall liegt eine scheinbare Idealkonkurrenz vor, das heißt, dass der Täter zwar nur eine deliktische Handlung begangen hat, die jedoch Merkmale mehrerer Deliktstypen aufweist, wobei aber mit der Unterstellung unter einen Deliktstyp der Unrechtsgehalt voll erfasst wird. Fälle einer solchen scheinbaren Idealkonkurrenz stellen die Konsumation, Spezialität und Subsidiarität dar.

Im gegenständliche Fall liegt nach Auffassung der Berufungsbehörde eine Spezialität vor, zumal § 6 Abs 6 des Tiroler Landespolizeigesetzes in Verbindung mit § 1 der Verordnung der Gemeinde Zams vom 21.09.2000, Zl 101-1/2000, womit ein Leinenzwang für Hunde außerhalb von Gebäuden und von ausreichend eingefriedeten Grundstücken erlassen worden ist, gegenüber § 6 Abs 1 des Tiroler Landespolizeigesetzes die speziellere Norm darstellt, wobei jedoch Sinn und Zweck jeweils ist, dass Tiere so beaufsichtigt und verwahrt werden müssen, dass damit eine Gefahr für Menschen und Sachen unterbunden wird. Somit geht das speziellere Delikt des § 6 Abs 6 des Tiroler Landespolizeigesetzes in Verbindung mit § 1 der genannten Verordnung der allgemeineren Bestimmung des § 6 Abs 1 des Tiroler Landespolizeigesetzes vor. Eindeutig in diese Richtung geht auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 07.10.1998 zu Zl G 51/97, G 26/98, worin ausgesprochen worden ist, dass dem verfassungsrechtlichen Verbot der Doppelbestrafung insbesondere im Hinblick auf Art 4 des 7. Zusatzprotokolles zur EMRK im Wege verfassungskonformer Auslegung der einzelnen Straftatbestände (ohne ausdrückliche Subsidiaritätsklausel) entsprochen werden muss. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
scheinbare, Idealkonkurrenz, Spezialität, Leinenzwang, Hunde
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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