TE UVS Steiermark 2003/11/17 42.14-10/2003

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.11.2003
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn P R, vertreten durch Dr. S & Mag. S, Rechtsanwälte in g, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 24.07.2003, GZ.: VA/F- 1206/02-03, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird die Berufung abgewiesen.

Rechtsgrundlagen: § 35 Abs 1 Führerscheingesetz 1997, idgF, BGBl. I Nr. 81/2002 (im Folgenden FSG), § 24 Abs 1 Z 1 iVm § 25 Abs 2 FSG, § 32 Abs 1 FSG, § 64 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG).

Text

Mit dem bekämpften Bescheid entzog die Bundespolizeidirektion Graz dem Berufungswerber die Lenkberechtigung der Klasse B im Anschluss an einen bestehenden Entzug - Entziehung der Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit bis 08.09.2003 - mangels gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass dem Berufungswerber vor Wiederlangung der gesundheitlichen Eignung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf und dass ihm das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung verboten ist. Gemäß § 64 Abs 2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.

Die belangte Behörde gründete die von ihr gesetzten Maßnahmen auf das gemäß § 24 Abs 4 FSG eingeholte amtsärztliche Gutachten vom 02.07.2003, welches sich auf eine verkehrspsychologische Stellungnahme vom 23.05.2003 stütze. Die Amtsärztin habe den Berufungswerber für nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B befunden, weil beim Untersuchten zahlreiche Verkehrsübertretungen (20 Mal Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Führerschein) sowie eine Alkofahrt mit Unfall und Alkotestverweigerung vorliege. Es bestünde eine verminderte Konzentrationsleistung und eine mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung. Eine Nachuntersuchung sei in einem Jahr möglich. Die aufschiebende Wirkung der Berufung sei zum Schutze der übrigen Verkehrsteilnehmer im Interesse des öffentlichen Wohles auszuschließen gewesen. In seiner fristgerecht erhobenen Berufung bekämpfte Herr P R den Entziehungsbescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid in keiner Weise ausreichend begründet. Insbesondere wäre zu begründen gewesen, warum die erkennende Behörde Verkehrsübertretungen aus den 90-er Jahren für den Entzug der Lenkberechtigung heranziehe und dem Berufungswerber neuerlich das Grunddelikt vorwerfe, welches ohnehin zum Entzug der Lenkberechtigung für 8 Monate geführt habe. Der alleinige Verweis auf die amtsärztliche Untersuchung sei als Bescheidbegründung nicht ausreichend. Ausdrücklich angefochten werde auch die Vorgangsweise nach § 64 Abs 2 AVG. Es bestünde kein Grund, der Berufung die aufschiebende Wirkung zu versagen. Im Hinblick darauf, dass der Berufungswerber als selbstständiger Immobilienmakler beruflich vom Gebrauch eines Kraftfahrzeuges abhängig sei, sei eine Interessensabwägung jedenfalls zu seinen Gunsten vorzunehmen, da im Großen und Ganzen bei der Erteilung der Lenkberechtigung nicht von einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgegangen werden könne. Der Berufungswerber beantragte den angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz ersatzlos zu beheben und dem Berufungswerber die Lenkberechtigung zu erteilen, jedenfalls aber der Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Aktenlage ergibt folgendes Bild: Im Jahre 1987 beantragte der Berufungswerber die Erteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, E, F und G. Nach zweimaligen Nichtbestehen der Fahrprüfung wurde der Antrag nicht weiterverfolgt. Im April 1990 stellte der Berufungswerber einen neuerlichen Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Gruppen A und B. Der Berufungswerber wies zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vielzahl von Verwaltungsvorstrafen (aus den Jahren 1987, 88, 89 und 1990) auf, darunter auch drei Übertretungen nach § 64 Abs 1 KFG. Noch vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens wurde der Berufungswerber am 12.05.1990 wiederum beim Lenken eines PKWs betreten und mit dem Straferkenntnis vom 12.11.1990 - neben weiteren Übertretungen - hiefür bestraft. Trotz positivem ärztlichem Gutachten vom 03.04.1990 und fehlender gerichtlicher Vorstrafen wurde dem Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Gruppen A und B mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 08.01.1991 mangels Verkehrszuverlässigkeit keine Folge gegeben. Die erforderliche Verkehrszuverlässigkeit könne - so die Behörde - erst angenommen werden, wenn der Berufungswerber sich noch mindestens bis 03.04.1991 keiner weiteren strafbaren Handlung mehr schuldig mache. Am 25.02.1991 entwendete der Berufungswerber ein Motorrad ohne Kennzeichentafel und beging im Zuge einer von Polizeibeamten beobachteten Fahrt mehrere Verwaltungsübertretungen. Mit dem Straferkenntnis vom 06.03.1991 wurde der Berufungswerber neuerlich wegen Lenken eines Fahrzeuges ohne Lenkberechtigung bestraft. Es folgten weitere Übertretungen der gleichen Art. Am 17.11.1992 stellte der Berufungswerber zum dritten Mal einen Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Klassen AL und B. Das ärztliche Gutachten vom 01.12.1992 bescheinigt ihm eine gesundheitliche Eignung zum Lenken der Kraftfahrzeuggruppen A und B. Im Strafregisterauszug der Bundespolizeidirektion Wien vom 18.11.1992 schienen nunmehr auch gerichtliche Vorstrafen auf. Am 09.02.1993 wurde der Berufungswerber neuerlich beim Lenken ohne Lenkberechtigung betreten. Bei der anschließenden Flucht kam der Berufungswerber von der Fahrbahn ab und prallte gegen ein Straßenverkehrszeichen. Im Zuge seiner Vernehmung er an, er werde auch weiterhin mit dem PKW fahren, ob er einen Führerschein kriege oder nicht. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 20.04.1993 wies die Bundespolizeidirektion Graz den Antrag des Berufungswerbers auf Erteilung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit ab. Die geforderte Verkehrszuverlässigkeit werde von der Behörde erst angenommen, wenn er sich bis mindestens 17.04.1994 wohl verhalte und sich keiner weiteren strafbaren Handlung mehr schuldig mache. Am 21.04.1993 führte eine Amtshandlung im Zusammenhang mit einer Beanstandung wegen Lenkens ohne Lenkberechtigung zu einen Widerstand gegen die Staatsgewalt; der Berufungswerber wurde hiefür strafgerichtlich verurteilt. Er setzte sein der Bestimmung des § 64 Abs 1 KFG zuwiderlaufendes Verhalten fort (Tatzeiten: 17.5.1993, 27.5.1993, 24.8.1993, 27.6.1994). Der Berufungswerber ließ sich in K nieder. Im Jahre 1996 wurde ihm von der Bezirkshauptmannschaft W die Lenkberechtigung für die Klasse B erteilt. Bereits 1997 erfolgten zwei Führerscheinentzüge wegen Geschwindigkeitsübertretungen und die erste Nachschulung. 1999 war der Berufungswerber an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in Zusammenhang mit einem Spurwechsel auf der Autobahn beteiligt; die zweite Nachschulung war erforderlich. Seit April 2001 ist der Berufungswerber wieder in G polizeilich gemeldet und wohnhaft.

Am 08.05.2001 wurde der Berufungswerber in der V in G im Zusammenhang mit einem Parkdelikt zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle aufgefordert. Es entwickelte sich zwischen den Beamten und ihm ein Streitgespräch, welches eine Atemluftuntersuchung (negativer Test) und - wegen seines auffällig aggressiven Verhaltens - eine Vorführung zur Amtsärztin zur Folge hatte. Von der Amtsärztin darauf angesprochen, warum die vorangegangene Amtshandlung so problematisch verlaufen sei, gab der Berufungswerber an, er habe gar nichts getan. "Als der Inspektor gesehen habe, dass er vorbestraft sei, habe er ihn wie ein Arschloch behandelt. Sie wisse ja, als Vorbestrafter sei man immer das Arschloch." Der Berufungswerber wurde als fahrtauglich eingestuft. In der Anzeige vom 30.5.2001 wegen Anstandsverletzung, aggressivem Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht, Übertretungen nach §§ 24 und 8 StVO sowie Nichtmitführen eines Verbandkastens und Nichtvorweisen eines Pannendreieckes wurde die Überprüfung der Verkehrszuverlässigkeit des Angezeigten angeregt. Die Bundespolizeidirektion Graz forderte den Berufungswerber mit Bescheid vom 25.09.2001 auf, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen und der Behörde innerhalb von 4 Monaten ein vom Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG vorzulegen; dies bei sonstigem Entzug der Lenkberechtigung. Am 09.01.2002 unterzog sich der Berufungswerber der ersten verkehrspsychologischen Untersuchung, deren Ergebnis in der Stellungnahme vom 11.01.2002, verfasst von Mag. Dr. I U vom Psychologischen Zentrum L-K-L, wie folgt zusammengefasst ist:

In den kraftfahrspezifischen Leistungsbereichen der Aufmerksamkeit, Beobachtungs- und der Konzentrationsfähigkeit erbrachte P R bei einer

durchschnittlichen Arbeitsmenge eine normgerechte Leistungsgüte. Beim tachistoskopischen Verkehrsauffassungstest zeigten sich schwach durchschnittliche Werte. Bei der Überprüfung seines Reaktionsverhaltens, der Reaktionssicherheit, der reaktiven Belastbarkeit sowie der Auffassungsgeschwindigkeit wurden durchschnittliche Werte erhoben. Normgerechte sensomotorische Leistungen. Die Werte bei der Erhebung der kognitiv intellektuellen Grundfunktionen inkl. Merkfähigkeit liegen im schwachen Durchschnittsbereich. Zur Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist ausgeführt: "Die Ergebnisse des 16-PF zeigen eine Persönlichkeitsstruktur mit hoher Widerstandsfähigkeit und hoher Selbstkontrolle, aber auch mit hoher Begeisterungsfähigkeit. Beim Fragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren können die Werte wegen der äußerst geringen Offenheit bei der Beantwortung der Fragen nicht interpretiert werden. Einstellungen in Verbindung mit verkehrsauffälligem Verhalten und Einstellungen, die häufig mit einer psychischen Alkoholdisposition im Zusammenhang stehen, sind aus verkehrspsychologisch günstiger Sicht durchschnittlich ausgewiesen. Es zeigt sich ein der Norm entsprechendes Trinkverhalten. Die psychometrisch erfasste physische, finanzielle und soziale Risikobereitschaft liegt im Durchschnittsbereich. Aufgrund der normgerechten kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit ist derzeit keine besondere Einschränkung der Führerscheingruppe B notwendig. Im Zusammenhang mit der "Vorgeschichte" und der geringen Offenheit im Testverfahren und der hohen Begeisterungsfähigkeit ist aus verkehrspsychologischer Sicht eine derzeit eingeschränkte Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zu erwarten. Es wird zur Stabilisierung der Persönlichkeit eine längere zeitliche Befristung vorgeschlagen (bis 3 Jahre). Gesamtbeurteilung: Mit längerer Befristung ist P R derzeit zum Lenken von KFZ der FS-Gruppe B geeignet." Das amtsärztliche Gutachten vom 25.01.2002 übernahm diese Einschätzung und kam zum Schluss, der Berufungswerber sei zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Gruppe B befristet geeignet. Eine Nachuntersuchung durch den Amtsarzt sei in drei Jahren erforderlich. Dies deshalb, weil eine Verlaufskontrolle aufgrund des bisherigen auffälligen Verhaltens im Straßenverkehr wegen Rückfallgefahr erforderlich sei. Mit dem Bescheid vom 18.02.2002 schränkte die Bundespolizeidirektion Graz die Gültigkeit der Lenkberechtigung für die Klasse B zeitlich auf die Dauer von 3 Jahren, das ist bis zum 25.01.2005 ein. Dagegen erhob der Berufungswerber Berufung, im Wesentlichen mit der Begründung, die in der verkehrspsychologischen Stellungnahme und im ärztlichen Gutachten angeführten Umstände seien zum Teil längst erledigte Angelegenheiten, die bereits vor Erteilung der Lenkberechtigung gelegen seien. Auch der Unfall aus dem Jahre 1999 und die damit verbundene Nachschulung könne eine solche Befristung nicht begründen, da er sich ja durch die Nachschulung erheblich gebessert habe. Welche Mängel nun tatsächlich die Befristung des Führerscheines rechtfertigen, seinen aus diesen Unterlagen nicht zu entnehmen. Eine Verlaufskontrolle wegen Rückfallsgefahr komme nur dem psychologischen Zentrum zugute (entgeltliche Untersuchung), wäre für ihn aber fehl am Platz. Bei Auffälligkeit im Straßenverkehr komme es - ob die Lenkberechtigung befristet oder unbefristet erteilt worden sei - ohnehin zu einer Überprüfung seiner Verkehrszuverlässigkeit auf den Anlassfall hin. Mit dem Bescheid vom 02.10.2002 wies der Landeshauptmann die Berufung ab. Am 05.12.2002 verursachte der Berufungswerber in Graz, K, als Lenker eines Porsche Carrera 911 einen Verkehrsunfall mit Sachschaden in vermutlich durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand. Er entfernte sich vor dem Eintreffen der Polizei von der Unfallstelle und bestritt in der Folge unter dem Vorwand, eine andere Person habe den Unfall verursacht, seine Lenkereigenschaft. Letztendlich verweigerte der Berufungswerber eine Atemluftuntersuchung. Aufgrund dieses Vorfalles entzog die Bundespolizeidirektion Graz mit Bescheid vom 19.12.2002 dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B für einen Zeitraum von 8 Monaten. Weiters sprach die Behörde ein Lenkverbot aus und ordnete als begleitende Maßnahme eine Nachschulung, eine amtsärztliche Untersuchung und ein verkehrspsychologisches Gutachten an. Der Berufungswerber war aufgefordert, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten bis zum Ende der Entzugszeit beizubringen. Mit Urteil vom 6.2.2003 wurde der Berufungswerber zum zweiten Mal - Anlass war die Amtshandlung vom 5.12.2002 - in Zusammenhang mit dem Lenken eines Fahrzeuges wegen des (versuchten) Widerstandes gegen die Staatsgewalt bestraft. Die zweite verkehrspsychologische Untersuchung des Berufungswerbers am 23.05.2003 beim gleichen Institut führte diesmal zum Ergebnis, dass der Berufungswerber derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der FS-Klasse B nicht geeignet sei. Eine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit könne aufgrund der unterdurchschnittlichen Konzentration derzeit nur im eingeschränkten Bereich angenommen werden. Aus der Analyse der "Vorgeschichte" würden sich wesentliche Gefährdungsmomente ergeben. Es habe auch keine kritische Auseinandersetzung mit der auffälligen Vorgeschichte festgestellt werden können. Testmäßig habe sich eine Alkoholdisposition ergeben, die mit den diesbezüglichen Angaben des Untersuchten in Widerspruch stünde. Unter Einbezug der Persönlichkeitsstruktur des Untersuchten (hohe Selbstsicherheit, Selbstvertrauen, Pflichtbewusstsein, Selbstbehauptung, emotionale Störbarkeit, Tendenz zur Unbefangenheit und Spontanität), der überdurchschnittlichen Risikobereitschaft und der überdurchschnittlichen Verkehrsauffälligkeit, die sich mit den explorativ erhobenen Verkehrsdelikten decke, sei bei P R derzeit eine nicht ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung gegeben. In der Stellungnahme der Verkehrspsychologin ist auch erwähnt, dass die Unterfertigte den Berufungswerber beobachtet habe, wie dieser mit einem roten Mazda von der Untersuchungsstelle weggefahren sei. Auf diesen Umstand angesprochen, habe der Berufungswerber gemeint, "Ich muss es so machen. Ich bin nicht gefahren. Ich sage nichts dazu. Wenn ich jetzt etwas sage, bekomme ich den Führerschein nicht mehr." Das amtsärztliche Gutachten vom 02.07.2003 übernahm im Ergebnis die Aussagen der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle und attestierte dem Berufungswerber eine Nichteignung zum Lenken von KFZ. Eine Nachuntersuchung könne in einem Jahr erfolgen. Auf dieser Basis erließ die Bundespolizeidirektion Graz den nunmehr bekämpften Bescheid vom 24.07.2003. Im Auftrag des Unabhängigen Verwaltungssenats erstattete die Amtsärztin des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung Dr. B P ein weiteres Gutachten zur Frage, ob der Berufungswerber zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B bzw. zum Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist oder nicht. In ihrem Gutachten vom 29. 9 2003 erachtet die Sachverständige den Berufungswerber dafür als "bedingt geeignet". Es lägen keine eignungsausschließenden körperlichen Leiden vor. Im ausführlichen explorativen Gespräch habe sich ansatzweise Problemeinsicht gezeigt. Von einer kritischen Auseinandersetzung mit den Vergehen in der Vergangenheit könne aufgrund der Angaben des Berufungswerbers nicht ausgegangen werden. Dies decke sich mit den testpsychometisch erfassten Ergebnissen der verkehrspsychologischen Untersuchung im Mai 2003. Derzeit könne nur aufgrund der ausreichenden Motivationslage eine Eignung angenommen werden. Die Stabilisierung der Persönlichkeit sollte jedoch im Rahmen einer Nachuntersuchung in zwei Jahren überprüft werden, zumal in der Vergangenheit eine außergewöhnlich hohe Anzahl von Auffälligkeiten im Straßenverkehr vorliege, die auf ein geringes Normbewusstsein schließen lassen und eine Rückfallgefahr zum derzeitigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden könne. Am 5. November 2003 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine mündliche Verhandlung unter Beteiligung des Berufungswerbers, seines Rechtsvertreters und der medizinischen Amtssachverständigen Dr. B P statt. Der Berufungswerber wurde aus der Haft vorgeführt; er verbüßt derzeit (wegen gefährlicher Drohung) eine dreimonatige Strafhaft, die in fünf Wochen endet. Angesprochen auf seine Verwaltungsübertretungen und Gerichtsdelikte in jüngerer Zeit rechtfertigte sich der Berufungswerber mit Zeitdruck und Stress (Geschwindigkeitsüberschreitungen), mit Einflussnahme dritter Personen (Verkehrsunfall in der K) und mit "Dummheiten" von ihm (zweiter Widerstand gegen die Staatsgewalt); er wisse nicht mehr, was da war. Er arbeite daran, keine Fehler dieser Art mehr zu begehen. Den Vorhalt, dass er laut Stellungnahme der Verkehrspsychologin vom 23.5.2003 von ihr gesehen worden sei, wie er mit einem roten Mazda ohne Lenkberechtigung gefahren sei, bestritt der Berufungswerber. Dies sei nicht so gewesen. Er sei nur im Fahrzeug gesessen und würden auch andere (zeitliche) Angaben der Verkehrspsychologin nicht stimmen. Er möchte seinen Führerschein wieder haben. Er wolle nach der Haft gemeinsam mit einem Freund, mit dem er schon einmal einen Würstelstand betrieben habe, eine Autoputzfirma aufbauen.  Dieser Freund sei unbescholten und könne ihn unterstützen. Er wisse, dass es so nicht weitergehen könne, es stehe das Besuchsrecht der Tochter auf dem Spiel und auch die Ausübung seines Berufes als Immobilienmakler, wo er den Führerschein brauche. Er versuche seine alte Umgebung zu meiden, die sich negativ auf ihn ausgewirkt habe. Die amtsärztliche Sachverständige wiederholte ihre Ausführungen im Gutachten. Der Berufungswerber habe sich ihr gegenüber bei dem explorativen Gespräch im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung im Großen und Ganzen so präsentiert, wie in der mündlichen Verhandlung. Die ansatzweise Problemeinsicht habe sie beim Berufungswerber darin erkannt, dass er doch eingesehen habe, dass sein Verhalten nicht richtig gewesen sei. Herr R habe ihr auch glaubhaft den Eindruck vermittelt, einen Schlussstrich ziehen zu wollen, dass er seit der Geburt seiner Tochter seine Einstellung geändert habe und dass er sich in das Normalleben integrieren möchte. Die Sachverständige glaubt, dass der Berufungswerber derzeit eine ausreichende Motivationslage besitze, um diese Ziele verfolgen zu können. Eine Überprüfung seiner Bemühungen in Form einer Nachuntersuchung sei allerdings erforderlich. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen: Gemäß § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Gleiches sieht sinngemäß die Bestimmung des § 32 Abs 1 FSG über die Verhängung eines Lenkverbotes von Motorfahrrädern, vierrädriges Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen vor. Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung nur noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen (§ 24 Abs 4 FSG). Nach § 25 Abs 2 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen. Im Fall des Berufungswerbers liegen nunmehr zwei amtsärztliche Gutachten vor, die im Hinblick auf die Fragestellung - gesundheitliche Eignung des Berufungswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen - zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Während sich das Gutachten der Chefärztin Dr. B vom 02.07.2003 schwerpunktmäßig auf die Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung des Berufungswerbers vom 23.05.2003 stützt, welche sich offenbar auch mit dem klinischen Gesamteindruck des Berufungswerbers bei der ärztlichen Untersuchung deckten (aufbrausend, inkooperativ, aggressiv, renitent, schlägt Tür) und die zum Ergebnis führen, dass der Berufungswerber wegen mangelnder Konzentrationsleistung und mangelnder Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zum Lenken von Fahrzeugen gesundheitlich nicht geeignet ist, misst die amtsärztliche Sachverständige Dr. B P in ihrem Gutachten vom 29.09.2003 der "Vorgeschichte" des Berufungswerbers wie auch der verkehrspsychologischen Untersuchung kein entscheidendes Gewicht zu. Sie gründet ihr positives Gutachten (gesundheitlich bedingt geeignet) im Kern auf das mit dem Berufungswerber geführte explorative Gespräch und seiner aus ihrer Sicht derzeit bestehenden ausreichenden Motivationslage. Nach den §§ 17 und 18 FSG-GV ist es nun aber gerade der verkehrspsychologischen Untersuchung zugewiesen, nach auffälligen Verkehrsverstößen von Lenkern den Verdacht auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder den Verdacht auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung mit entsprechenden Verfahren zu überprüfen. Für die Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbstkontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft zu untersuchen. Es gilt auch zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion  im Straßenverkehr besteht und ob der Bezug des zu Untersuchenden zum Autofahren kritisch von der Norm abweicht. Dafür ist ein verkehrsbezogener Persönlichkeitstest und ein ausführliches Explorationsgespräch mit einem Verkehrspsychologen vorgesehen. Vergleicht man die beiden verkehrspsychologischen Stellungnahmen vom 11.01.2002 und 23.05.2003, so ist festzustellen, dass bereits bei der ersten verkehrspsychologischen Untersuchung dem Berufungswerber eine eingeschränkte Bereitschaft zur Verkehrsanpassung prognostiziert worden ist, die letztendlich zur Befristung der Lenkberechtigung auf drei Jahre geführt hat. Dass diese Prognose nicht zu Unrecht gestellt worden ist, hat der Vorfall vom 5.12.2002 deutlich gezeigt, der die zweite - zwingend vorgeschriebene - verkehrspsychologischen Untersuchung nach sich zog. Während der Berufungswerber bei der ersten Untersuchung in den kraftfahrspezifischen Leistungsbereichen und bei den Parametern für die Verkehrsanpassung im Prinzip noch durchschnittliche Ergebnisse erbrachte, zeigten sich bei der zweiten Untersuchung in diesem Bereich bereits Defizite. Vor allem aber erbrachten die testpsychologischen Verfahren zur Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung in einigen Punkten (Einstellung in Verbindung mit verkehrsauffälligem Verhalten, Werte für exitative Alkoholwirkung, Risikobereitschaft) überdurchschnittliche hohe Werte, die eine Entsprechung finden in den Ergebnissen des Persönlichkeitsfaktorentestes und dem tatsächlichen Verhalten des Berufungswerbers im Straßenverkehr. Herr R P hat erst mit 28 Jahren den Führerschein für die Klasse B erworben, unter anderem deshalb, weil er zuvor der Behörde nicht als verkehrszuverlässig erschien (Vielzahl von Vorstrafen wegen Lenken ohne Führerschein). Nach Erhalt der Lenkberechtigung im Jahre 1996 fiel der Berufungswerber immer wieder innerhalb von relativ kurzen Zeitabständen mit Geschwindigkeitsüberschreitungen und Verkehrsunfällen mit Sachschäden auf. Die Führerscheinentzüge wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit und die Nachschulungen haben nicht dazu führen können, den Berufungswerber zu veranlassen, sein Verhalten im Straßenverkehr zu ändern. Gleiches gilt sinngemäß für die zeitliche Einschränkung der Lenkberechtigung auf drei Jahre (Zeitablauf 25.01.2005), die für den Berufungswerber doch ein deutliches Signal gewesen sein muss, sich in Hinkunft - bei sonstigem Verlust der Lenkberechtigung - verkehrskonform zu verhalten. Nicht zuletzt hat der Vorfall vom 05.12.2002 mit dem Porsche gezeigt, dass der Berufungswerber dazu neigt, unüberlegte, riskante Fahrmanöver zu setzen, die andere Verkehrsteilnehmer schädigen. Aus Anlass von Beanstandungen im Straßenverkehr resultierten auch zwei gerichtliche Verurteilungen wegen (versuchten) Widerstandes gegen die Staatsgewalt. In diesem Sinne ist das amtsärztlichen Gutachten Dr. B, welches diese Umstände im Ergebnis in die Gesamtbewertung aufnimmt, schlüssig und nachvollziehbar. Der Einwand des Berufungswerbers, es würden "alte Sachen" zweifach verwertet, zeigt von einem eingeschränkten Verstehen, worum es im Falle der (psychischen) gesundheitlichen Eignung geht, die mehr einschließt, als die an Einzeltatbeständen zu messende Verkehrszuverlässigkeit. Es geht hier nicht um "Bestrafung", sondern um vorbeugende Gefahrenabwehr im Sinne der Verkehrssicherheit. Bei der (zweiten) verkehrspsychologischen Untersuchung kam hervor - und dies sind neue Fakten - dass die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit in einigen Bereichen zurückgegangen ist und dass der Berufungswerber eine mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zeigt. Seine tatsächlichen Auffälligkeiten im Straßenverkehr - und hier ist eine Zusammenschau aller Ereignisse herzustellen - unterstreichen nur die Richtigkeit der Testergebnisse. Das Gutachten Dr. P war in seiner Reduziertheit auf das explorative Gespräch nicht beweisbildend. Dies u.a. auch deshalb, weil der Berufungswerber in seinen - von der Amtsärztin bewerteten - Angaben Beteuerungen einfliesen ließ, die faktisch nicht stimmen. So zB seine Angabe, er habe seit der Geburt seiner Tochter, die mittlerweile sieben Jahre alt ist, seine Einstellung geändert. Gerade in den letzten Jahren haben sich die Vorfälle ereignet, die Anlass für die behördlichen Maßnahmen gewesen sind. Damit soll aber dem Berufungswerber der in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gekommene Besserungswille nicht in Abrede gestellt werden. Der Berufungswerber wird ihn allerdings erst unter Beweis zu stellen haben. Gemäß § 64 Abs 2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung musste die Behörde anhand des schlüssigen amtsärztlichen Gutachtens davon ausgehen, dass der Berufungswerber bei der Teilnahme am Straßenverkehr eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer darstellt. Die Vorgangsweise der Behörde im Sinne des § 64 Abs 2 AVG war damit Rechtens. Es war daher der Berufung kein Erfolg beschieden und spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Lenkberechtigung Entziehung Verkehrsanpassung Gutachten
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten