TE UVS Wien 2004/05/12 03/P/34/9475/2003

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Veröffentlicht am 12.05.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr. Osinger in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 21.4.2004 auf Grund der Berufung von Herrn Mag. Klaus K, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Liesing, vom 16.10.2003, Zl. S 161258-LI/02, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1a StVO 1960, entschieden wie folgt:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung, die nur noch Spruchpunkt 1) betrifft, insoferne Folge gegeben, als die Geldstrafe von 872 Euro auf 450 Euro sowie die im Falle der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe von

10 Tage auf 5 Tage herabgesetzt wird.

Dementsprechend wird der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag gemäß § 64 Abs 2 VStG von 87,20 Euro auf 45 Euro herabgesetzt. Im Übrigen wird das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass als Strafsanktionsnorm § 99 Abs 1a StVO 1960 anzuführen ist.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Der Berufungswerber ist mit dem erstbehördlichen Straferkenntnis vom 16.10.2003, S 161258/LI/02 wegen Übertretung des § 99 Abs 1a StVO 1960 (Spruchpunkt 1.) sowie des § 38 Abs 5 StVO 1960 (Spruchpunkt 2.) bestraft worden.

Der Spruch des Straferkenntnisses lautet wie folgt:

?Sie haben am 22.9.2002

Das Fahrrad Shimano 2000, grün lackiert gelenkt und

1.) um 01.30 h in Wien, B-Str. in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (0,60 mg/l Atemluftalkoholgehalt) und

2.) um 01.29 h in Wien, B-Str. ? Kreuzung E-Str. das Rotlicht der für Ihre Fahrtrichtung maßgeblichen Verkehrsampel nicht beachtet, indem Sie trotzdem in die Kreuzung einfuhren.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.)

§ 5/1 StVO i.V.m. § 99 Abs 1 lit 1a StVO

2.)

§ 38/5 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

1.)

872,-

2.)

40,-

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

1.)

10 Tage

2.)

21 Stunden

gemäß

1.)

§ 99/1 lit 1a StVO

2.)

§ 99/3 lit a StVO

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) und gemäß § 5a Abs 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) zu zahlen:

1.)

87,20

2.)

4,-

als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe [je einem Tag Freiheitsstrafe werden gleich 15,00 ? angerechnet],

als Ersatz der Barauslagen für

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen)

beträgt daher 1.003,20"

In der Berufung ist die Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Strafmilderung) beantragt worden. Beim alkoholisierten Lenken eines Fahrrades sei das Risiko der Gefährdung beziehungsweise Verletzung anderer Straßenverkehrsteilnehmer geringer als beim Lenken eines Kraftfahrzeuges. Er sei damals mit vorschriftsmäßig beleuchtetem Fahrrad gefahren. Es habe so gut wie gar kein Verkehr geherrscht. Er sei sicher, linientreu und mit moderater Geschwindigkeit gefahren. Der Unrechtsgehalt der Tat sei daher jedenfalls gering. Die Milderungsgründe würden bei Weitem überwiegen. Er sei unbescholten. Erschwerungsgründe gäbe es nicht. Das Fahren mit einem vorschriftsmäßig ausgerüsteten und beleuchteten Fahrzeug stelle nach den Umständen der Tat ebenfalls einen Milderungsgrund dar. Mildernd komme ihm auch zu Gute, dass es bei der Tat zu keinem Schaden gekommen sei. Mildernd hätte auch der seit dem Vorfall am 22.9.2002 verstrichene Zeitraum sowie die lange Verfahrensdauer gewertet werden müssen.

In der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 21.4.2004 ist die Berufung gegen Spruchpunkt 1.) auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkt und die Berufung gegen Spruchpunkt 2.) zurückgezogen worden.

Auf Grund der Berufungseinschränkung ist der Schuldspruch zu Spruchpunkt 1.) bereits in Rechtskraft erwachsen und war lediglich über die Strafhöhe abzusprechen. Spruchpunkt 2.) ist auf Grund der Zurückziehung der Berufung mit 21.4.2004 zur Gänze in Rechtskraft erwachsen und war daher nicht mehr Gegenstand der Entscheidung.

Nach Schluss der Verhandlung ist in Anwendung des § 20 VStG der aus dem Spruch ersichtliche Bescheid mündlich verkündet worden.

Dafür waren folgende Gründe maßgebend:

Weder der verfahrenseinleitenden Anzeige noch der erstbehördlichen Zeugeneinvernahme des Anzeigelegers Revierinspektor Hubert O ist zu entnehmen, dass der Berufungswerber eine unsichere Fahrweise an den Tag gelegt hätte. Bei seiner Zeugenaussage vom 26.2.2003 hat Revierinspektor Hubert O vielmehr ausgesagt, der Grund für die Anhaltung des Berufungswerbers sei ?nur" das Überfahren der Kreuzung bei Rotlicht gewesen. Auch der Zeugenaussage seines Kollegen Revierinspektor M vom 19.3.2003 ist kein Hinweis auf eine besonders unsichere Fahrweise des Berufungswerbers zu entnehmen. Das Protokoll zur Atemalkoholuntersuchung vermerkt, der Berufungswerber habe einen sicheren Gang und ein ?normales" Benehmen an den Tag gelegt. Die Angaben des Berufungswerbers, er sei damals weder torkelnd noch rasant, sondern im Gegenteil ?sicher, linientreu und mit moderater Geschwindigkeit" gefahren, sind somit unwiderlegt. Als Grund für das Nichtbeachten des Rotlichtes hat er den geringen Fahrzeugverkehr angegeben, was im Hinblick auf den Tatzeitpunkt (1.30 Uhr) nicht unwahrscheinlich ist.

Somit liegt zwar kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der Berufungswerber bei seiner Fahrt bis zur Anhaltung im Kreuzungsbereich Wien, B-Straße/E-Straße eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dargestellt hätte, was aber nichts daran ändert, dass auf ihn die gesetzliche Vermutung zutraf, wonach er sich in einem durch Alkohol ?beeinträchtigten" Zustand befand. Der Berufungswerber hat jedoch auf die besonderen Umstände des Falles hingewiesen, nämlich dass er kein Kfz, sondern bloß ein Fahrzeug (Fahrrad) gelenkt habe, das entsprechend ausgerüstet und von ihm unauffällig gelenkt worden sei. Er hat weiters ins Treffen geführt, dass bei ihm als besonders mildernd zu berücksichtigen wären seine Unbescholtenheit, das Fehlen eines Schadenseintrittes, sein Wohlverhalten sowie die lange Verfahrensdauer.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 99 Abs 1a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 872 Euro bis 4.360 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest von 10

Tagen bis 6 Wochen zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der

Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendliche ist.

Der am 26.11.1973 geborene Berufungswerber war im Tatzeitpunkt 22.9.2002 kein Jugendlicher mehr. Ein Unterschreiten der Mindeststrafhöhe (872 Euro) bis zur Hälfte (436 Euro) war daher nur dann möglich, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwogen.

Für die Gebrauchnahme der außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG kommt es nicht bloß auf das Vorliegen von Milderungsgründen, sondern vielmehr allein darauf an, dass solche Gründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen, und zwar nicht der Zahl, sondern dem Gewicht nach (VwGH vom 23.5.1991, 91/19/0037). Der alleinige Milderungsgrund der Unbescholtenheit bedeutet jedoch selbst bei Fehlen von Erschwerungsgründen noch kein ?Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe" im Sinn des § 20 VStG (etwa VwGH vom 30.4.2003, 2001/03/0214).

Zu den angeführten typisierten (besonderen) Milderungsgründen im Sinne des § 19 Abs 2 VStG iVm § 34 StGB:

Da es sich beim Delikt des § 99 Abs 1a StVO 1960 um kein Erfolgsdelikt handelt, kann der Nichteintritt eines Schadens schon nach dem Zweck der Strafdrohung nicht als Milderungsgrund in Betracht kommen (zu letzterem etwa VwGH vom 16.12.1998, 98/03/0222).

Für den Milderungsgrund des § 31 Abs 1 Z 18 StGB, wonach einen Milderungsgrund insbesondere darstellt, wenn der Täter die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat, reicht ein Zeitraum von ungefähr zwei Jahren nicht aus (etwa VwGH vom 7.4.1995, 95/02/0072). Hier wurde die Tat am 22.9.2002 begangen und sind seither somit bloß 1,5 Jahre vergangen. Auch dieser Umstand kommt somit nicht als Milderungsgrund zum Tragen.

Gemäß § 34 Abs 2 StGB ist ein Milderungsgrund auch, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat.

Im vorliegenden Fall ist bis zur Erlassung des Straferkenntnisses am 29.10.2003 ein Zeitraum von kaum mehr als ein Jahr vergangen. Dieser Zeitraum ist im Hinblick auf die Einvernahme zweier Zeugen (des Meldungslegers und seines Kollegen) bei einem (zulässigerweise) schriftlich geführten Verfahren und entsprechend langen Zeiträumen zur Stellungnahme (zum Tatvorwurfs bzw. zu den aufgenommenen Beweisen) noch nicht als übermäßig lang anzusehen. Der Zeitraum vom Einlangen der Berufung beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien

(10.12.2003) bis zur Verkündung des Berufungsbescheides (21.4.2004) ist ebenfalls noch nicht als übermäßig lang zu betrachten. Der Umstand hat daher bei der Strafbemessung zur Gänze außer Betracht zu bleiben.

Im Ergebnis kommt dem Berufungswerber daher nur die von der Erstbehörde richtig angeführte Unbescholtenheit als besonderer Milderungsgrund zu Gute. Erschwerungsgründe haben sich nicht ergeben.

Zu den einem Milderungsgrund gleichkommenden Umständen:

Aus dem Vorliegen bloß eines (ausdrücklichen) Milderungsgrundes und dem Fehlen von Erschwerungsgründen ist nicht in jedem Fall zu schließen, dass die Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Strafmilderung) zu unterbleiben hat, sondern es ist auf die sonstigen Umstände des Falles Bedacht zu nehmen, ob diese insgesamt betrachtet einem ?besonderen Milderungsgrund" gleichkommen.

In seinem Erkenntnis vom 20.1.1993, 92/02/0280 hat der VwGH etwa im Zusammenhang mit einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 1 StVO 1960 bereits festgestellt, dass bei völliger Unbescholtenheit des Täters, geringer Überschreitung des in Rede stehenden Grenzwertes sowie dem Fehlen von nachteiligen Folgen, wobei der Beschwerdeführer bei einer Verkehrskontrolle angehalten wurde und in keinem Verkehrsunfall verwickelt gewesen ist, die Nichtanwendung des § 20 VStG die betreffende Regelung praktisch gegenstandlos machen würde.

Sämtliche der in diesem Erkenntnis angeführten Umstände treffen auch auf den vorliegenden Fall zu, wobei zwar eine stärkere Alkoholisierung, jedoch hinsichtlich des Schwellenwerts nicht nur eine bloß ?geringe" Überschreitung, sondern ein AAK-Wert vorlag, der gerade dem Grenzwert (0,6 mg/l) entspricht. Zusätzlich ist beim Berufungswerber zu berücksichtigen, dass er ?bloß" ein Fahrrad gelenkt hat, das ? ohne die möglichen Unfallfolgen zu bagatellisieren ? einem Kraftfahrzeug im Hinblick auf das Gefährdungspotential nicht gleichkommt.

Für den Lenker eines Fahrrades, der bei einer Verkehrskontrolle angehalten wurde und in keinen Verkehrsunfall verwickelt gewesen ist, besteht auch beim Delikt des § 99 Abs 1a StVO 1960 ein Anspruch auf die Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Strafmilderung) bei völliger Unbescholtenheit, Erreichen oder nur geringer Überschreitung des in Rede stehenden Grenzwertes und dem Fehlen von nachteiligen Folgen, soweit Erschwerungsgründe fehlen.

Der Berufungswerber hatte somit einen Anspruch auf die Anwendung des § 20 VStG.

Der zu berücksichtigende Strafrahmen reichte daher von 436 Euro bis 2.180 Euro. Über den Berufungswerber ist eine Strafe von kaum mehr als der nun anwendenden Mindeststrafe (436 Euro) verhängt worden. Diese Strafe erscheint schon im Hinblick auf Zwecke der Generalprävention jedenfalls notwendig. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers sind durchschnittlich. Eine weitere Strafherabsetzung war daher nicht möglich. Ein Absehen von der Strafe kam in Hinblick auf das weder vom Unrechts- noch vom Schuldgehalt her erheblich hinter dem normtypischen zurückbleibende Verhalten des Berufungswerbers nicht in Betracht.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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