TE UVS Wien 2005/10/04 ANL/08/2554/2005

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Veröffentlicht am 04.10.2005
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Spruch

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den

2. Bezirk, hat mit Spruchpunkt II) des Bescheides vom 9. Februar 2005, Zl. MBA 2 - 1970/04 BA, den Antrag der E-GmbH auf Abänderung des Auflagenpunktes 58 des Bescheides der Magistratsabteilung 63 vom 23. August 1991, Zl.: MA 63 ? Ba 1229/1/91, dahingehend, dass für die Betriebsanlage im Standort Wien, H-kai, das Überprüfungsintervall für die elektrische Anlage von 2 auf 3 Jahren erweitert werde, gemäß § 79c GewO 1994 abgewiesen.

Aufgrund der dagegen rechtzeitig von der E-GmbH eingebrachten Berufung wird der angefochtene Spruchpunkt II) des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 ? AVG dahingehend abgeändert, als der Antrag auf Abänderung des Auflagenpunktes 58 des Bescheides der Magistratsabteilung 63 vom 23. August 1991, Zl.: MA 63 ? Ba 1229/1/91, zurückgewiesen wird.

Text

Mit dem im Spruch zitierten Bescheid hat die Erstbehörde über Antrag der E-GmbH vom 20. September 2004 mit Spruchpunkt I) zwei Auflagen des Bescheides der Magistratsabteilung 63 vom 23. August 1991, Zl.: MA 63 ? Ba 1229/1/91, gemäß § 79c GewO 1994 abgeändert, hingegen den Antrag auf Abänderung des Auflagenpunktes 58 des zitierten Bescheides mit Spruchpunkt II) abgewiesen.

Gegen diesen Spruchpunkt II) hat die Berufungswerberin rechtzeitig ein Rechtsmittel erhoben und dazu ausgeführt, dass nach den nunmehr geltenden Bestimmungen der VbF die elektrische Anlage nicht mehr - so wie im Bescheid der Magistratsabteilung 63 vorgeschrieben - alle zwei Jahre, sondern lediglich alle drei Jahre überprüft werden müsse.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Auflagenpunkt 58 des Bescheides der Magistratsabteilung 63, Zl.:

MA 63 ? BA 1229/1/91, lautet wie folgt:

?Die elektrische Anlage ist gemäß § 12 ÖVE-E5 Teil 1/1981 durch einen befugten Fachmann vor Inbetriebnahme und sodann mindestens alle zwei Jahre überprüfen zu lassen. Über diese Überprüfungen sind Überprüfungsbefunde auf verrechenbarer Drucksorte VD 390 oder in inhaltlich gleichartiger Form erstellen zu lassen und fortlaufend geordnet in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch die Überwachungsorgane durch die Behörden bereitzuhalten."

Am 1. Jänner 1995 trat die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten, BGBl. Nr. 240/1991 (im Folgenden VbF genannt), in Kraft. Die gegenständliche Anlage, eine Tankstelle, unterliegt dieser Verordnung.

Gemäß § 79c GewO 1994 sind die nach § 77, § 79 oder § 79b vorgeschriebenen Auflagen auf Antrag mit Bescheid aufzuheben oder abzuändern, wenn und soweit die Voraussetzungen für ihre Vorschreibung nicht mehr vorliegen.

Gemäß § 15 Abs 1 Z 3 VbF betragen die Fristen für die wiederkehrenden Prüfungen drei Jahre für alle nicht unter Z 4 leg cit (Erdungs- und Blitzschutzanlagen) fallenden elektrischen Anlagen und elektrischen Betriebsmittel.

Gemäß § 15 Abs 3 VbF hat die Behörde in Einzelfällen kürzere Fristen für die wiederkehrenden Prüfungen festzusetzen, wenn wegen der besonderen Eigenschaften der gelagerten brennbaren Flüssigkeiten gemäß § 6 oder aufgrund des Ergebnisses der letzten Prüfung (§ 18 Z 3) eine Verkürzung der Frist notwendig ist. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 124 Abs 3 Z 2 Punkt 2.1 VbF ist in den Fällen, in denen gewerbliche Betriebsanlagen nach dem Genehmigungsbescheid oder nach den sonst für sie geltenden gewerberechtlichen Vorschriften vor Inkrafttreten dieser Verordnung wiederkehrend zu prüfen waren, die erste nach Inkrafttreten der Verordnung durchzuführende wiederkehrende Überprüfung innerhalb der bisher einzuhaltenden Frist für die wiederkehrenden Prüfungen vorzunehmen. Die Fristen für die weiteren wiederkehrenden Prüfungen bestimmen sich nach § 15 Abs 1 und 3 VbF.

Im gegenständlichen Berufungsverfahren ist nun fraglich, ob die später in der VbF kundgemachte Vorschrift des § 15 Abs 1 iVm § 124 Abs 3 Z 2 Punkt 2.1 VbF der früher aufgrund des Bescheides der Magistratsabteilung 63 vom 23. August 1991, Zl.: MA 63 ? BA 1229/1/91, in Kraft getretenen Bestimmung des Auflagenpunktes 58 derogiert hat und ob dieser Auflagenpunkt demnach überhaupt noch Teil des Rechtsbestandes ist.

Im österreichischen Rechtssystem hat der Grundsatz ?lex posterior derogat legi priori" positivrechtliche Geltung. Demnach würden die zitierten, später in Kraft getretenen Bestimmungen der VbF den früher in Kraft getretenen Auflagenpunkt 58 des zitierten Bescheides quasi aus dem Rechtsbestand verdrängen.

Es ist jedoch zu bedenken, dass der zitierte Rechtsgrundsatz auf das Verhältnis einer späteren generellen (lex posterior generalis) zu

einer früheren speziellen Norm (lex prior specialis) nicht ohne weiteres angewendet werden kann. In einem solchen Fall können nämlich die beiden Normen auch so gedeutet werden, dass die ältere spezielle Norm als Ausnahme von der jüngeren generellen Norm betrachtet wird, sodass ihre Derogation durch die spätere generelle Norm gerade nicht anzunehmen ist (vgl. VwGH vom 28. April 2005, Zl.: 2002/11/0157, und VfSlg. 12.184).

Die Regel ?lex posterior derogat legi priori" gilt jedoch jedenfalls dann, wenn die ältere und die jüngere Regelung denselben Gegenstand betreffen und denselben Geltungsbereich haben, ungeachtet, welche Norm nun die generelle und welche die spezielle ist (VfSlg. 12.184). Gerade dieser Fall liegt hier vor:

Sowohl der Auflagenpunkt 58 des zitierten Bescheides der Magistratsabteilung 63 als auch die Bestimmungen des § 15 Abs 1 Z 3 iVm § 124 Abs 3 Z 2 Punkt 2.1 VbF betreffen denselben Gegenstand, nämlich eine Tankstelle, und haben denselben Geltungsbereich, zumal sowohl der Auflagenpunkt als auch die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten dem Gewerbewesen zuzuordnen sind, in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden und demselben Schutzzweck (Schutz der Nachbarn, Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmer und Umwelt) dienen. Aus der Textierung der Übergangsbestimmung des § 124 Abs 3 Z 2 Punkt 2.1 VbF ergibt sich ausdrücklich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass Anlagen existieren, für welche andere, nämlich kürzere oder längere als jene durch die Verordnung (§ 15 Abs 1 VbF) normierten Überprüfungsfristen für elektrische Anlagen durch Betriebsanlagenbescheide oder sonstige gewerberechtliche Vorschriften vorgeschrieben waren. Aus § 15 Abs 1 Z 3 VbF ergibt sich nun ein dreijähriges Prüfungsintervall für die elektrischen Anlagen und die elektrischen Betriebsmitteln; eine kürzere Frist ist nur im Rahmen des § 15 Abs 3 VbF und ? nur bei Vorliegen der darin genannten Vorraussetzungen ? vorzuschreiben.

Dies bedeutet für das gegenständliche Verfahren, dass der Bestimmung des Auflagenpunktes 58 des Bescheides der Magistratsabteilung 63 vom 23. August 1991, Zl.: MA 63 - BA 1229/1/91, durch die Bestimmungen des § 124 Abs 3 Z 2 iVm § 15 Abs 1 VbF derorgiert worden ist und die Bestimmung des zitierten Auflagenpunktes nicht mehr dem Rechtsbestand angehört. Die elektrischen Betriebsmittel der gegenständlichen Betriebsanlage sind daher in einem Dreijahresintervall zu überprüfen; erst wenn sich aufgrund der besonderen Eigenschaften der gelagerten brennbaren Flüssigkeiten gemäß § 6 oder aufgrund des Ergebnisses der letzten Prüfung § 18 Z 3 eine Verkürzung dieser Frist als notwendig erweist, hat die Erstbehörde eine solche kürzere Frist nunmehr gemäß § 15 Abs 3 VbF (iVm § 79 GewO 1994) vorzuschreiben.

Da die Bestimmung des Auflagenpunktes 58 des zitierten Bescheides gar nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hat, weil sie durch die später in Kraft getretenen Bestimmungen des § 124 Abs 3 Z 2 iVm § 15 Abs 1 Z 3 VbF verdrängt worden ist, musste noch konnte sie über Antrag der Konsenswerberin mit Bescheid aufgehoben oder abgeändert werden; ergo existierte im Zeitpunkt der Antragsstellung, nämlich am 20. September 2004, kein rechtliches Interesse der Betreiberin an einer diesbezüglichen Aufhebung bzw. Abänderung, weshalb dieser Antrag spruchgemäß zurückzuweisen war.

Zur Abänderung des erstinstanzlichen Spruches war der erkennende Senat gemäß § 66 Abs 4 AVG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet.

Gemäß § 67d Abs 1 AVG entfiel eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung, da eine solche von Amts wegen nicht durchzuführen war und überdies die E-GmbH mit Telefaxeingabe vom 5. September 2005 auf die Durchführung einer solchen verzichtete.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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