TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/28 2002/11/0157

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Veröffentlicht am 28.04.2005
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Index

L94059 Ärztekammer Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 1999 Abschn8 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 1999 idF Wr Arzt 1/2001 Art1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Dr. M in W, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann, Dr. Eduard Klingsbigl, Dr. Robert Lirsch und Mag. Florian Masser, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 27/II, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3) vom 25. Juni 2002, Zl. B 38/02, betreffend Zusatzleistung bei der Altersversorgung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 1. Februar 2002 beantragte der im Jahr 1932 geborene Beschwerdeführer die Zuerkennung der Altersversorgung ab 1. Februar 2002.

Mit Bescheid vom 1. März 2002 erkannte der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien dem Beschwerdeführer auf Grund seines Antrags vom 1. Februar 2002 die Altersversorgung gemäß §§ 13 ff der Satzung des Wohlfahrtsfonds ab 1. Februar 2002 in Höhe von EUR 1.568,30 zu. Dieser Betrag setze sich zusammen aus einer Grund- /Ergänzungsleistung in Höhe von EUR 1.152,80 und einer Zusatzleistung in Höhe von EUR 415,50.

In seiner dagegen gerichteten Beschwerde vom 8. März 2002 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei "Jahrgang 1932" und habe bereits am 1. Februar 2000 sein 68. Lebensjahr vollendet. Aus den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen sei ihm eine Kürzung der Zusatzleistung von 0,64 Prozent auf 0,62 Prozent nicht erklärbar.

Diese Beschwerde wurde vom Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mit Bescheid vom 25. Juni 2002 abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid bestätigt. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerde richte sich ausschließlich gegen die Höhe der im bekämpften Bescheid zuerkannten Zusatzleistung. Der Beschwerdeführer sei offenkundig der Auffassung, dass die Höhe der Zusatzleistung 0,64 v.H. des Kontostandes auf dem Zusatzleistungskonto betragen müsse und nicht 0,62 v.H. Er übersehe hierbei die bereits mit 1. Jänner 2001 in Kraft getretene Änderung des § 17 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds, aus der sich die Höhe der Zusatzleistung mit 0,62 v.H. der Bemessungsgrundlage eindeutig ergebe. Die Beschwerde sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die von der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien am 14. Dezember 1999 beschlossene, mit Wirkung vom 1. Jänner 1999 in Kraft tretende Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, kundgemacht in "WIENER ARZT 7/8a2000" im Juli 2000, lautete (auszugsweise):

"4. ABSCHNITT

Leistungen des Wohlfahrtsfonds

Arten und rechtlicher Charakter der Leistungen

§ 12.

(1) Aus den Mitteln des Wohlfahrtsfonds sind im einzelnen folgende Leistungen zu gewähren:

a) Altersversorgung,

...

A. Pflichtleistungen

Altersversorgung

§ 13.

(1) Die Altersversorgung setzt sich zusammen aus der

a)

Grundleistung,

b)

Ergänzungsleistung,

c)

Zusatzleistung,

d)

erweiterten Zusatzleistung.

...

Zusatzleistung

§ 17.

...

(3) Die Zusatzleistung beträgt pro Monat 0,55 v.H. der Bemessungsgrundlage. Wird die Zusatzleistung erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen, so beträgt diese bei Inanspruchnahme nach dem vollendeten 66. Lebensjahr 0,58 v.H., nach dem vollendeten 67. Lebensjahr 0,61 v.H. und nach dem vollendeten 68. Lebensjahr 0,64 v.H. der Bemessungsgrundlage.

...

8. ABSCHNITT

...

Übergangsbestimmungen

Die §§ 13 bis 17b treten mit 31. Dezember 1993 außer Kraft.

(1) Für Fondsmitglieder, die vor dem 1. Jänner 1940 geboren sind, bleiben die Bestimmungen der §§ 13 bis 17b der Satzung in der am 31. Dezember 1993 in Geltung gestandenen Fassung unter Berücksichtigung des Beschlusses der Vollversammlung vom 29. November 1994 weiterhin in Kraft.

..."

1.2. Die von der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien ebenfalls in der Sitzung vom 14. Dezember 1999 beschlossenen Änderungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds (im Folgenden: Änderungsbeschluss), kundgemacht in der Beilage zum WIENER ARZT 1/2001, lauteten (auszugsweise):

"ARTIKEL I.

...

4. § 17 Abs. 3 2. Satz hat zu lauten wie folgt:

'Ab dem Jahr 2001 beträgt die Zusatzleistung pro Monat 0,54 v.H., ab dem Jahr 2002 pro Monat 0,53 v.H., ab dem Jahr 2003 pro Monat 0,52 v.H., ab dem Jahr 2004 pro Monat 0,51 v.H. und ab dem Jahr 2005 pro Monat 0,50 v.H. der Bemessungsgrundlage. Wird die Zusatzleistung erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen, so wird sie für jedes nach dem 65. Lebensjahr vollendete Lebensjahr bis zum vollendeten 68. Lebensjahr um 0,03 v.H. der Bemessungsgrundlage pro Monat erhöht.'

...

ARTIKEL II.

Art. I.1. bis 3. sowie 5. bis 13. treten mit 01.01.2000 in Kraft. Art. I.4. tritt mit 01.01.2001 in Kraft."

2. Im Beschwerdefall geht es ausschließlich um die Frage, ob die belangte Behörde für die Berechnung der Höhe der Zusatzleistung zu Recht § 17 Abs. 3 der Satzung idF. des Art. I.

Z. 4 des Änderungsbeschlusses vom 14. Dezember 1999 herangezogen hat.

Auszugehen ist zunächst davon, dass der im Jahr 1932 geborene Beschwerdeführer dem in Abs. 1 der Übergangsbestimmungen der Satzung umschriebenen Personenkreis der vor dem Jahr 1940 Geborenen angehört. Der Beschwerdeführer konnte sich demnach jedenfalls ab dem (rückwirkenden) Inkrafttreten der Satzung am 1. Jänner 1999 auf den ihn begünstigenden Abs. 1 der Übergangsbestimmungen, die bereits im Jahr 2000 kundgemacht worden waren, berufen.

Festzuhalten ist weiters, dass der ebenso wie die Satzung am 14. Dezember 1999 beschlossene, anders als sie aber erst im Jahr 2001 kundgemachte Änderungsbeschluss, dessen Art. I Z. 4 (ebenfalls rückwirkend) mit 1. Jänner 2001 in Kraft trat, weder eine formelle Änderung oder Aufhebung des Abs. 1 der Übergangsbestimmung enthält noch selbst eine gegenüber dieser Übergangsbestimmung geänderte Übergangsbestimmung darstellt.

§ 17 Abs. 3 idF. des Art. I Z. 4 des Änderungsbeschlusses erfasst nach seinem Wortlaut, obwohl jeweils auf das Lebensalter im Zeitpunkt des Pensionsantritts bezogen, implizit auch alle jene Personen, die von dem oben dargestellten Abs. 1 der Übergangsbestimmungen - durch Umschreibung von Geburtsjahrgängen abschließend - erfasst werden. Da umgekehrt jedoch nicht sämtliche von § 17 Abs. 3 idF. des Art. I Z. 4 des Änderungsbeschlusses erfassten Personen auch von Abs. 1 der Übergangsbestimmungen erfasst werden, ist letztere Bestimmung gegenüber § 17 Abs. 3 idF. des Art. I des Änderungsbeschlusses als speziellere Vorschrift (lex specialis) anzusehen.

Zu klären ist demnach, ob im Beschwerdefall die später kundgemachte Vorschrift (§ 17 Abs. 3 idF. des Art. I Z. 4 des Änderungsbeschlusses) der früher kundgemachten Bestimmung (Abs. 1 der Übergangsbestimmungen) derogiert hat.

Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, dass ihre Deutung möglich ist. Für ihre Deutung spricht der Grundsatz "lex posterior derogat legi priori". Es ist jedoch zu bedenken, dass diese Regel auf das Verhältnis einer späteren generellen (lex posterior generalis) zu einer früheren speziellen Norm (lex specialis) nicht ohne weiteres angewendet werden kann. In einem solchen Fall können nämlich die beiden Normen auch so gedeutet werden, dass die ältere spezielle Norm als Ausnahme von der jüngeren generellen Norm betrachtet wird, sodass ihre Derogation durch die spätere generelle Norm gerade nicht anzunehmen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1989, VfSlg. Nr. 12.184).

Ein solcher Fall liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes hier auch vor. Es lässt sich kein Hinweis dafür finden, dass durch die Formulierung in § 17 Abs. 3 idF. des Art. I Z.4 des Änderungsbeschlusses der nur auf Geburtsjahrgänge vor 1940 bezogene Abs. 1 der Übergangsbestimmungen verändert werden sollte. Da die Vollversammlung beide Vorschriften, sowohl die Stammfassung der Satzung als auch den Änderungsbeschluss, am selben Tag beschlossen hat, wäre es, hätte Abs. 1 der Übergangsbestimmungen nur bis zum Ende des Jahres 2000 gelten sollen, zu erwarten gewesen, das Ende des zeitlichen Geltungsbereichs des Abs. 1 der Übergangsbestimmungen ausdrücklich bereits in die Stammfassung der Satzung aufzunehmen und dadurch eine Harmonisierung mit der Inkrafttretensbestimmung des Änderungsbeschlusses hinsichtlich dessen Art. I Z. 4 herbeizuführen. Diesen Überlegungen kann auch nicht, wie es die belangte Behörde in der Gegenschrift versucht, entgegengehalten werden, es könne dem Verordnungsgeber nicht unterstellt werden, Regelungen ohne jeden Geltungsbereich zu beschließen. Die vom Verwaltungsgerichtshof für erforderlich gehaltene Auslegung, wonach Abs. 1 der Übergangsbestimmungen durch den Änderungsbeschluss nicht derogiert wurde, hat Auswirkungen nur für die Geburtsjahrgänge vor 1940, nimmt daher dem nicht auf Geburtsjahrgänge abstellenden Art. I Z. 4 des Änderungsbeschlusses keineswegs jeglichen Anwendungsbereich.

Da die belangte Behörde ihren Bescheid somit zu Unrecht auf § 17 Abs. 3 idF. des Art. I Z. 4 des Änderungsbeschlusses gestützt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren auf Ersatz von Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz für Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.

Wien, am 28. April 2005

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002110157.X00

Im RIS seit

07.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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