TE UVS Wien 2006/06/27 FRG/51/865/2006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2006
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Pichler über die Berufung des Herrn Muammer D., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 1.8.2005, Zl. III-650249/FrB/05, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs 1 Fremdengesetz 1997 entschieden:

Der Berufung wird insofern stattgegeben als der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bundespolizeidirektion Wien zurückverwiesen wird.

Text

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufungswerber unter Berufung auf § 34 Abs 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997), BGBl. I Nr. 75/1997 ausgewiesen.

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, der Berufungswerber sei erstmals 1990 nach Österreich eingereist und habe am 8.4.1991 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Nachdem sich herausgestellt habe, dass es sich um eine Scheinehe gehandelt habe, sei diese Ehe mit Urteil des BG 15 vom 8.9.1992 rechtskräftig für nichtig erklärt worden. In der Folge sei am 5.6.1994 über ihn ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, sowohl die Berufung als auch eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof seien abgewiesen worden, worauf er ausgereist sei. Nachdem er im Jahr 2000 mit einem Touristenvisum zurückgekehrt sei, sei ein Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels mit rechtskräftigem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien abgewiesen worden. Nach der neuerlichen Abweisung eines Erstantrages durch die zuständige Magistratsabteilung 20 des Magistrates der Stadt Wien, habe er am 11.2.2003 einen Erstantrag unter Berufung auf § 49 Abs 1 FrG 1997 gestellt, da er seit dem 22.1.2003 mit der österreichischen Staatsangehörigen Silvia L. verheiratet sei. Erhebungen hätten aber ergeben, dass er mit seiner Ehegattin nicht zusammen lebe.

Bei einer Befragung der Ehegattin habe sich herausgestellt, dass sie zum damaligen Zeitpunkt schwanger war und seien daher keine Hinweise auf eine Scheinehe festgestellt worden und ein Aufenthaltstitel erteilt worden.

Am 28.10.2004 habe er einen Verlängerungsantrag gestellt, wobei jedoch noch immer kein gemeinsamer Haushalt mit seiner Ehegattin vorgelegen sei. Es sei dann festgestellt worden, dass er nicht der Vater des Kindes seiner Ehegattin sei und sei aufgrund von Erhebungen festgestellt worden, dass es sich bei der Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen Silvia L. um eine Scheinehe handelt. Dazu wird auf das Ergebnis ihrer Einvernahme und der Ehegattin verwiesen. Die Ehe sei aus Sicht der Erstbehörde nur geschlossen worden, um einen Aufenthaltstitel zu erwirken und hätte er sich auf die Ehe berufen, um eine Niederlassungsbewilligung zu erhalten, obwohl er kein Eheleben führe. Er habe sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen einen Aufenthaltstitel erschlichen und mit derselben Begründung versucht, einen neuerlichen Aufenthaltstitel zu erhalten. Es lägen daher die Voraussetzungen des § 34 Abs 1 Z 2 und 3 FrG 1997 vor. Ein weiterer Aufenthalt stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, da er nicht bereit sei, die bestehenden fremdenrechtlichen Vorschriften einzuhalten und durch Scheinhandlungen versuche, den gewünschten Erfolg zu erzielen. Familiäre Verbindungen bestünden nicht und hätte er die Möglichkeit zur Beschäftigung durch das Eingehen einer Scheinehe erworben.

In einer frist- und formgerecht erhobenen Berufung gegen diesen Bescheid brachte der anwaltlich vertretene Berufungswerber vor, er sei seit 20.5.2005 ?von Rita D.? (bei dieser Person handelt es sich um die österreichische Staatsangehörige, mit der dem Akteninhalt zufolge der Berufungswerber im Jahr 1990 eine Ehe geschlossen hat, die bereits im Jahr 1992 durch das zuständige Gericht für nichtig erklärt wurde) geschieden.

Er lebe nunmehr seit mittlerweile drei Jahren in Österreich, sei am Arbeitsmarkt integriert und habe viele nahe Verwandte in Österreich mit denen er ein im Sinne des Art 8 EMRK relevantes Familienleben führe. Dies seien insbesondere zwei seiner Onkel und deren Familie.

Zudem lebe er mit einer näher genannten österreichischen Staatsangehörigen in Lebensgemeinschaft.

Da der Berufungswerber in Österreich integriert sei und mit seiner Familie und mit seiner Lebensgefährtin ein durch Art 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben führe, sei eine Ausweisung gegen ihn unzulässig.

Des weiteren bringt der Berufungswerber vor, dass sich der Staat in die Gründe einer Eheschließung nicht einmischen dürfe und kein öffentliches Interesse daran bestehe, zu verhindern, dass eine Ehe geschlossen werde, um einer Person eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien als Berufungsbehörde hat erwogen:

Im hier zu beurteilenden Fall hat der Berufungswerber mit Eingabe vom 28.10.2004 die Verlängerung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen beantragt. Dieses Verfahren wurde dann durch den nunmehr angefochtenen Bescheid mit der auf § 34 Abs 1 FrG 1997 gestützten Ausweisung beendet.

Diese, mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getretene Bestimmung lautet wie folgt:

?§ 34 (1) Fremde, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre oder

2. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht oder

3. der Aufenthaltstitel einem Fremden erteilt wurde, weil er sich auf

eine Ehe berufen hat, obwohl er ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK nicht geführt hat.?

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs 1 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 157/2005 hat über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zu entscheiden.

Von dieser Bestimmung sind bei gemeinschaftsrechtskonformer Interpretation, die auch mit dem Willen des Verfassungsgesetzgebers übereinstimmt (vgl. dazu ausführlich Fremdenrecht Kommentar Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil Seite 257ff) auch türkische Staatsangehörige erfasst, denen die Rechtsstellung nach Artikel 6 oder Artikel 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei zukommt. Aus Sicht des erkennenden Mitgliedes des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien besteht im Falle türkischer Staatsangehöriger die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate bereits dann, wenn diese in Österreich unselbstständig erwerbstätig sind und ein Aufenthaltstitel sowie die allenfalls erforderlichen Bewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegen oder es sich um einen legal nach Österreich zugezogenen Familienangehörigen eines solchen Arbeitnehmers handelt. Die Zuständigkeit iS des § 9 Abs 1 Z 1 FPG 2005 besteht daher für den Personenkreis, der grundsätzlich unter den Regelungskreis des Artikels 6 oder 7 des Assoziationsratsbeschluss 1/80 fällt, unabhängig davon, welche der in Artikel 6 genannten Rechte der türkische Arbeitnehmer aufgrund seiner Beschäftigungsdauer bereits erworben hat. Auch in Fällen, in denen sich im fremdenrechtlichen Verfahren herausstellt, dass ein türkischer Arbeitnehmer nur deshalb Zugang zum regulären Arbeitsmarkt gefunden hat, weil er durch unrichtige Angaben die zuständigen Behörden getäuscht hat oder eine Scheinehe zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eingegangen ist und daher eine ?ordnungsgemäße Beschäftigung? im Sinne der Bestimmungen des Artikel 6 des Assoziationsratsbeschlusses nicht vorliegt, fällt die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nicht nachträglich weg.

Gemäß § 125 Abs 1 FPG 2005 sind unter anderem Verfahren zur Erlassung eines Ausweisung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes am 1.1.2006 anhängig waren, nach den Bestimmungen dieses Gesetzes weiterzuführen.

Über das am 1.1.2006 anhängige, den Berufungswerber betreffende Ausweisungsverfahren ist daher nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 zu entscheiden. Gemäß § 54 Abs 1 FPG 2005 können Fremde, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre oder der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht. Im hier zu beurteilenden Fall wurde die bekämpfte Ausweisung unter Berufung auf § 34 Abs 1 FrG 1997 in Erledigung des Antrages auf Verlängerung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit einer Österreicherin erlassen. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war jedoch die Ehe des Berufungswerbers mit der österreichischen Staatsangehörigen Silvia L. bereits geschieden und lagen unabhängig von der Frage des Vorliegens von Versagungsgründen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu dem vom Berufungswerber angegebenen Zweck der Familiengemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen nicht mehr vor. Soweit dieser Antrag dennoch aufrechterhalten wird, ist darüber nach den Bestimmungen des am 1.1.2006 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich BGBl. I Nr. 100/2005 ? NAG zu entscheiden.

§ 30 Abs 1 NAG normiert - ebenso wie  bereits § 8 Abs 4 FrG 1997 - dass sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK nicht führen, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstitel nicht auf die Ehe berufen dürfen. Wenn eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 Abs 1 NAG vorliegt, darf gemäß § 11 Abs 1 NAG ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden.

Gemäß § 60 Abs 1 FPG 2005 kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Gemäß § 60 Abs 2 FPG 2005 hat als bestimmte Tatsache im Sinne des vorzitierten Abs 1 unter anderem zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art 8 EMRK nie geführt hat.

Gemäß § 66 Abs 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde

zurückverweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung an der Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Im hier zu beurteilenden Fall wurde die von der Erstbehörde im Einklang mit den ihr vorliegenden Ermittlungsergebnissen als Scheinehe gewertete Ehe bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides mit seit 27.5.2005 rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt geschieden, worauf im Verfahren jedoch nicht Bezug genommen wurde. Im Hinblick auf die Übergangsbestimmungen des § 125 FPG 2005 sowie des § 81 Abs 1 NAG wird zu überprüfen sein, inwieweit die im FPG 2005 genannten Voraussetzungen für eine Ausweisung des Berufungswerbers oder aber angesichts des von der Erstbehörde im angefochtenen Bescheid angenommenen Sachverhaltes die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 60 Abs 2 Z 9 FPG 2005 vorliegen. Dabei wird auch darauf Bedacht zu nehmen sein, ob die unselbstständige Erwerbstätigkeit des Berufungswerbers als ?ordnungsgemäße Beschäftigung? im Sinne des Artikel 6 des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 anzusehen ist und in wie weit dem Berufungswerber aus diesem Regelungssystem allenfalls zwischenzeitlich Rechte erwachsen sind.

Da zur Klärung dieses Fragenkomplexes jedenfalls weitere Ermittlungen und schon zur Wahrung des Parteiengehörs für den Berufungswerber eine weitere Verhandlung erforderlich ist, liegen die Voraussetzungen des § 66 Abs 2 AVG vor, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten