TE UVS Steiermark 2006/11/14 47.10-15/2006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.11.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karin Clement über die Berufung der Frau Mag. I K, P 1-3, W, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. M T, S 11, W, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 02.08.2006, GZ.: A5-17826/06, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit §§ 28 und 35 Abs 1 Stmk. Sozialhilfegesetz (im Folgenden SHG) wird der Berufung  Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Text

G K befindet sich seit 31.05.2006 in der Seniorenresidenz H, G, B 80, in Betreuung und Pflege.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 19.07.2006, GZ.: A5-17826/2006-1, wurde Herrn G K Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Unterbringung im Seniorenheim H, G, B 80, ab 31.05.2006 gewährt und gleichzeitig ausgesprochen, dass die durch Ersatz- oder Betragsleistungen nicht gedeckten Kosten bis zu den lt. Verordnung der Stmk. Landesregierung festgesetzten Obergrenzen vom Sozialhilfeträger Graz übernommen werden. Zur teilweisen Deckung der Kosten der Unterbringung und Pflege wurde das Einkommen und das Pflegegeld des betreuten G K (80 Prozent der Pension samt Pflegegeldanteil der Stufe 4) von insgesamt ?

1.990,61 herangezogen. Die Betreuungskosten der Unterbringung und Verpflegung im Seniorenheim H belaufen sich auf durchschnittlich monatlich ? 2.240,19 zuzüglich der gesetzlichen Zuschläge im Sinne des Umsatzsteuergesetzes. Da G K bei weitem nicht in der Lage ist die Kosten für die Heimunterbringung selbst zu tragen, ergeben sich für den Sozialhilfeverband ab 31.05.2006 Restkosten von monatlich durchschnittlich ? 504,18. Gemäß § 28 SHG wurde gegen die unterhaltspflichtigen Angehörigen des G K, nämlich seinen Töchtern A M C, G E sowie Mag. I K (Berufungswerberin), Aufwandersatzverfahren eingeleitet. Die Gattin des Untergebrachten befindet sich ebenfalls in der H Stadtresidenz in Pflege und Betreuung. Mit Bescheid vom 02.08.2006 wurde Frau G E verpflichtet ? 118,00 monatlich an Aufwandersatz zu leisten und Frau A M C wurde bescheidmäßig zu einem Aufwandersatz von ? 242,00 monatlich ab 01.06.2006 verpflichtet. Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Bescheid wurde die Berufungswerberin, Frau Mag. I K, verpflichtet ab 01.06.2006 einen Aufwandersatz von monatlich ? 283,00 mindestens jedoch 44 Prozent der tatsächlich entstandenen Kosten (und für Mai 2006 aliqout ? 9,00) zu leisten. Gegen diesen Bescheid erhob die Berufungswerberin fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung, wobei sie neben anderen Einwendungen wie der unrichtigen Berechnung des Einkommens und der Infragestellung der Selbsterhaltungsfähigkeit des G K im Wesentlichen vorbrachte, dass ein Härtefall im Sinne des § 30 SHG vorliege. Die Ehe des G K sei geschieden worden, als die Berufungswerberin zwei Jahre alt gewesen sei. Anschließend habe G K nochmals geheiratet. Aus dieser zweiten Ehe stammen die Töchter A M C und G E. G K habe sich niemals und in keiner Weise um die Berufungswerberin, seine Tochter aus erster Ehe gekümmert. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein Vater-Tochter-Verhältnis bestanden. Er habe bis zum 18. Lebensjahr mehr oder weniger unter Druck Unterhalt bezahlt, allerdings die Universitätsausbildung der Berufungswerberin nicht mehr finanziert. Er habe daher seine Unterhaltspflicht verletzt. Überdies hätte der Hilfeempfänger seiner Tochter gegenüber seine Sorgepflichten nicht erfüllt. Er habe sich niemals und in keiner Weise um seine Tochter gekümmert. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark legt der gegenständlichen Entscheidung nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung unter Berücksichtigung der im Anlassfall maßgeblichen Bestimmungen des SHG folgende Erwägungen zu Grunde: Mag. I K wurde am 08.02.1948 als eheliche Tochter des G K sowie H K geboren. Am 14.12.1948 ließen sich die Eltern der Berufungswerberin scheiden und lebte die Berufungswerberin fortan mit ihrer Mutter H K in W. Der Vater lebte in weiterer Folge in G, wo er neuerlich heiratete und zwei Töchter, G und A M, der Ehe entstammen. Mit Beschluss vom 15.02.1957 wurde dem Rekurs des Kindesvaters G K gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes F vom 17.11.1956 auf Herabsetzung des Unterhaltsbetrages keine Folge gegeben. Aus der Begründung dieser Entscheidung ergibt sich zur Höhe des vom Erstrichter festgesetzten Prozentsatzes, dass sich die Sorgepflicht des Kindesvaters seit der letzten Unterhaltsfestsetzung beträchtlich erhöht habe, dass aber auch die Bedürfnisse der Minderjährigen, die im Zeitpunkt der letzten Unterhaltsfestsetzung 3 1/2 Jahre alt war und nunmehr 8 1/2 Jahre sei, nicht unerheblich gestiegen seien. G K leistete immer nur den gerichtlich festgesetzten Unterhaltsbetrag bis zum 18. Lebensjahr der Berufungswerberin. Als die Berufungswerberin zwei Jahre alt war, wurde gemeinsam mit H K S besucht. Ein weiterer Kontakt bestand in einem Briefwechsel 1966. G K antwortete der Berufungswerberin, nachdem ihm diese nach ihrer Matura geschrieben hatte, worin sie mitteilte, dass sie den Beruf einer Mittelschullehrerin ergreifen wolle. Aus dem Schreiben vom 26.09.1966 des G K an die Berufungswerberin ist folgender Satz herauszuheben Ich messe mir über Dich, da ich Dich ja nicht kenne, kein Urteil zu. Unterschrieben ist der Brief mit Dein zahlender Papa. Darüberhinausgehende Kontakte zwischen G K und der Berufungswerberin bestanden nicht. Beweiswürdigend ist hiebei festzuhalten, dass sich aus dem vorgelegten Brief aus dem Jahr 1966 ergibt, dass das Vorbringen der Berufungswerberin, dass ihr ihr Vater fremd sei und sie ihn nicht kenne, erhärtet wird, da in diesem Schreiben ausdrücklich G K ebenfalls festhält, dass er seine Tochter I K nicht kenne. H K bestätigte in ihrer Zeugenaussage diese Angaben ebenfalls und führte darüberhinaus aus, dass sie selbst den Kontakt zwischen der Tochter und dem Vater nicht unterbunden habe, sich G K nie nach dem Befinden seiner Tochter erkundigt habe, aber auch ihre Tochter I K den Kontakt zum Vater weder herzustellen versucht habe, noch aufrecht zu erhalten versucht habe. G K habe sich für seine Tochter nie interessiert und Unterhalt bis zur Matura bezahlt. Die Zeuginnen A M C und G E betonten zwar, dass der Vater noch während des Studiums der Berufungswerberin Alimente bezahlt habe, diese Feststellung konnten sie jedoch nicht auf Grund eigener Wahrnehmung treffen, sondern lediglich aus Gesprächen der Eltern entnehmen. Belege über Zahlungen haben die Töchter nicht gesehen. Es seien Briefe von der Berufungswerberin an den Vater bis 1973 geschickt worden, worin es um Unterhaltsforderungen gegangen sei. Danach sei keinerlei Post mehr von der Berufungswerberin gekommen. Die Zeugin A M C behauptete 15 bis 20 handgeschriebene Briefe der Berufungswerberin bzw. ihrer Mutter gefunden zu haben, welche aus der Zeit des Studiums bzw. kurz vor der Matura der Berufungswerberin stammten. Die Briefe hätte sie jedoch nach Heimeinweisung der Eltern weggeschmissen. Beweiswürdigend ist auf Grund dieser Angaben allenfalls festzustellen, dass die Berufungswerberin doch versuchte für ihr Studium Geld vom Vater zu bekommen, ob tatsächlich dann Überweisungen und Unterhaltsleistungen vom Vater noch während der Studienzeit der Berufungswerberin getätigt wurde, lassen sich aus diesen Aussagen nicht ableiten. Beide Zeuginnen bestätigten, dass es tatsächlich nie zu einem persönlichen Kontakt oder Familientreffen gekommen ist. Auch aus dem vorgelegten Brief des G K aus dem Jahr 1966 lässt sich kein Hinweis erkennen, dass eine Vorkorrespondenz stattgefunden hat, oder dass ein näherer Kontakt zwischen den beiden bestanden hat. In rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass gemäß § 28 SHG der Hilfeempfänger, seine nach bürgerlichem Recht zum Unterhalt verpflichteten Eltern, Kinder oder Ehegatten, seine Erben und Dritte sind verpflichtet, dem Sozialhilfeträger den Aufwand nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen: 1. der Hilfeempfänger aus seinen Einkünften und aus seinem Vermögen, soweit hiedurch das Ausmaß des Lebensbedarfes (§ 7) nicht unterschritten wird; 2. die Eltern, Kinder oder Ehegatten, soweit sie nach bürgerlichem Recht verpflichtet sind, für den Empfänger der Sozialhilfe Unterhaltsleistungen zu erbringen; Im bürgerlichen Recht sind die Unterhaltspflichten wie folgt geregelt: Gemäß § 143 Abs 1 ABGB schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Gemäß § 143 Abs 2 ABGB steht die Unterhaltspflicht der Kinder der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten. Gemäß § 143 Abs 3 ABGB mindert sich der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet. Gemäß § 30 Abs 1 SHG ist von der Festsetzung eines Aufwandersatzes gemäß § 28 SHG insoweit abzusehen, als die Heranziehung für den Ersatzpflichtigen oder seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen eine erhebliche Härte bedeuten oder den Zielen dieses Gesetzes widersprechen würde. Eine erhebliche Härte bedeutet nach Abs 2 insoferne die Heranziehung von Angehörigen, denen gegenüber der Hilfeempfänger seine Sorgepflichten nicht erfüllt hat. Wie bereits oben dargelegt, hat ein Elternteil Unterhaltsansprüche gegenüber einem Kind gemäß § 143 Abs 1 ABGB nur dann, wenn er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Dieser Tatbestand ist enger gefasst als die im § 30 Stmk. SHG vorgesehene Ausnahme, dass von einer Ersatzleistung abzusehen ist, wenn der Hilfeempfänger seine Sorgepflichten nicht erfüllt hat (vgl dazu Walter Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, Seite 527, mit weiteren Nachweisen, wonach die in einigen Sozialhilfegesetzen vorgesehene Ausnahme, dass eine Ersatzleistung wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem unterhaltspflichtigen Angehörigen sittlich nicht gerechtfertigt wäre). Im Sinne des § 30 SHG wird daher auch eine gröbliche Vernachlässigung der Pflege und Erziehung zu berücksichtigen sein, da in dieser Bestimmung eine Erweiterung des in § 143 Abs 1 ABGB zugrundeliegenden Gedankens zu verstehen sein wird. Da es im vorliegenden Fall nur um die Zumutbarkeit finanzieller Ersatzleistungen geht, die keine persönliche Zuwendung erfordern, musste der Gesetzeswortlaut auch insofern als es um die Pflege und Erziehung geht, so verstanden werden, dass damit eine anhaltende und allgemeine, typischerweise auf einer desinteressierten oder ablehnenden Einstellung gegenüber dem nunmehr Ersatzpflichtigen beruhende Vernachlässigung gemeint ist. Bei Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, sind jeweils die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wobei insbesondere auch die Dauer der Pflichtverletzung und die Gründe für diese Vernachlässigung abzuwägen sind (vgl VwGH 24.06.1997, 95/08/0223). Im vorliegenden Fall brach der Kontakt zwischen der Berufungswerberin und ihrem leiblichen Vater bereits wenige Monate nach ihrer Geburt auf Grund der Scheidung ihrer Eltern ab. Diese ersten Monate können auf den Anlassfall bezogen außer Betracht bleiben, da sich an diese Zeit ein Baby nicht erinnern kann und die Dauer dieser Zeitspanne in Relation zur gesamten relevanten Dauer von 56 Jahren vernachlässigbar ist. Tatsache ist, dass G K seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht unbestrittenermaßen bis zum 18. Lebensjahr der Berufungswerberin nachgekommen ist. Ob darüberhinaus Geldbeiträge zur Finanzierung des Studiums der Berufungswerberin durch G K geleistet wurde, konnte mit der notwendigen Sicherheit nicht festgestellt werden, ist aber im Hinblick auf die dargelegten Überlegungen zu § 30 Abs 2 SHG auch nicht entscheidungsrelevant, da das Beweisverfahren ergeben hat, dass ein sozialer Kontakt zwischen Vater und Tochter nicht bestanden hat, welcher auch nur annährend einem Verhältnis zwischen Vater und Tochter entspricht. Auch wenn tatsächlich die Berufungswerberin während ihres Studiums einige Briefe an ihren Vater geschrieben haben sollte und ihn allenfalls um Geld gebeten haben sollte, so kann, abgesehen von einem einzigen Treffen in Schönbrunn im Kleinkindalter und einem Brief aus dem Jahr 1966, keinerlei Interesse des G K an seiner Tochter manifestiert werden. Hier liegt wohl doch eine anhaltende, desinteressierte Einstellung des Vaters gegenüber seiner Tochter vor und zwar nahezu über die gesamte Lebenszeit der nunmehrigen Berufungswerberin. Dass der Kontakt von der Berufungswerberin selbst, oder als diese noch nicht entscheidungsfähig war von ihrer Mutter, vehement und zur Gänze von ihrer Seite unterbunden wurde, hat das Beweisverfahren ebenfalls nicht ergeben. Da der Vater selbst in seinem Schreiben aus dem Jahr 1966 wörtlich ausführt, dass er die Berufungswerberin nicht kenne, lässt sich dieser Umstand jedenfalls verifizieren. Aus dem Schreiben ergibt sich aber auch kein Hinweis, dass der Vater wünscht, diesen Umstand in Zukunft zu ändern. Die Glückwünsche für die Zukunft lassen im Gegenteil eher den Eindruck entstehen, als wäre dies eine abschließende Stellungnahme und eine Art Schlusspunkt. Es kann daher im Sinne von Walter Pfeil eine Aufwandersatzleistung der Berufungswerberin für einen ihr völlig fremden Menschen, auch wenn dieser 18 Jahre seiner Unterhaltsverpflichtung in Form von monatlichen Geldleistungen nachgekommen sein mag, als sittlich nicht gerechtfertigt angesehen werden, sodass im Zusammenschau der dargelegten Überlegungen spruchgemäß zu entscheiden war.

Schlagworte
Ersatzpflicht Ausnahme Härtefälle Sorgepflichten
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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