TE UVS Tirol 2007/10/29 2007/19/1774-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Barbara Glieber über die Berufung der Frau E. M., E., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. J. P., XY-Platz 6, M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 22.06.2007, Zahl VK-8403-2007, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24 und 51ff. Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat die Berufungswerberin einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind Euro 64,00, zu bezahlen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten

Folgendes zur Last gelegt:

 

?Tatzeit: 18.02.2007 um 17.14 Uhr

Tatort: Gries am Brenner, auf der A 13, bei km 24,390 in Fahrtrichtung Innsbruck

Fahrzeug: Lastkraftwagen, XY

 

Sie haben als Zulassungsbesitzerin des KFZ mit dem Kennzeichen XY, trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 03.05.2007, Zl VK-8403-2007, nicht binnen zwei Wochen der Behörde Auskunft darüber erteilt, wer dieses Fahrzeug am 18.02.2007 um 17.14 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann.?

 

Die Beschuldigte habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 103 Abs 2 und § 134 Abs 1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Beschuldigte eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 320,00 verhängt und wurde sie zu einem Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verpflichtet.

 

In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führte die rechtsfreundlich vertretene Berufungswerberin Folgendes aus:

?Im Straferkenntnis vom 22.06.2007 verhängt die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck über mich mit dem Vorwurf eine Geldstrafe von Euro 320,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 84 Stunden), dass ich als Zulassungsbesitzerin des genannten Kfz trotz schriftlicher Aufforderung vom 03.05.2007 der Behörde nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber erteilt habe, wer dieses Fahrzeug am 18.02.2007 um

17.14 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann, weswegen ich eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs 2 iVm § 134 Abs 1 KFG begangen hätte.

Gegen diesen Strafbescheid erhebe ich

Berufung

an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol.

Im Einspruch vom 20.06.2007 habe ich dargelegt, aus welchem Grund ich die mir von der Bezirkshauptmannschaft abverlangte Lenkerauskunft nicht erteilt habe. Einerseits war ich zum Zeitpunkt der erstbehördlichen Lenkeranfrage Beschuldigte im Sinne des VStG, zumal über mich in der Strafverfügung vom 20.03.2007 wegen der in Rede stehenden Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 320,00 verhängt wurde, wozu ich am 16.04. eine Rechtfertigung abgegeben habe; als Beschuldigte, musste ich iSd § 33 Abs 2 VStG die an mich im Lenkerauskunftsersuchen vom 03.05.2007 gestellte Frage schon aus diesem Grund nicht beantworten, andererseits ergibt sich aus den Art 6 und 8 EMRK iVm § 49 Abs 1 Z 1 AVG und § 38 VStG klar, dass niemand verpflichtet werden kann, einen nahen Familienangehörigen einem Strafverfahren auszuliefern; solche Aussageverweigerungsgründe sehen bekanntermaßen auch andere Verfahrensgesetze vor, so etwa § 321 ZPO und § 52 StPO. Dass es sich bei einem Verwaltungsstrafverfahren um eine strafrechtliche Anklage (criminal charge) iSd Art 6 EMRK handelt, ist in der Rechsprechung unumstritten (vgl dazu etwa EGMR vom 20.12.2001 im Fall B. gegen Österreich, Beschwerde-Nr 32381/96), es gelten im Verfahren nach dem VStG dieselben Maßstäbe wie in einem kriminalstrafrechtlichen Verfahren nach der StPO.

Dass mein Verhalten unter derartigen Umständen iSd § 6 VStG gerechtfertigt ist. habe ich bereits in meinem Einspruch vom 20.06. ausgeführt, in der siebten Zeile auf Seite 3 dieses Schriftsatzes muss es ?gewahrt? anstatt von ?gewahr? heißen. Dass die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nach Art 6 Abs 1 und Abs 2 sowie nach Art 8 Abs 1 EMRK vom letzten Satz des § 103 Abs 2 KFG nicht verdrängt wurden, ergibt sich aus den Verfassungsbestimmungen der Art 1, 17 und 18 EMRK deutlich. Diese verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte sind im Vergleich zum staatlichen Strafanspruch höherwertig; diese Wertung kommt in den genannten verfahrensrechtlichen Bestimmungen aber auch in § 33 Abs 2 VStG zum Ausdruck.

Der UVS Vorarlberg führt in seiner Berufungsentscheidung vom 10.6.2005, Zl 1-774/04, welche im Internet nur mit einem Rechtssatz veröffentlicht ist, wie folgt aus: Der gegenständliche Fall unterscheidet sich wesentlich von jenen Fällen, die den Urteilen des EGMR in den Rechtsachen Weh gegen Osterreich vom 8.4.2004 sowie Rieg gegen Osterreich vom 24.3.2005 zugrunde gelegen sind. Im hier gegenständlichen Fall wurde nämlich zuerst ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten wegen der Geschwindigkeitsübertretung eingeleitet und erfolgte die Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG erst, nachdem der Beschuldigte im Einspruch gegen die Strafverfügung vorgebracht hatte, er könne den Lenker des Fahrzeuges zum maßgebenden Zeitpunkt nicht nennen. Weiters wurde das gegen den Beschuldigten eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen der Geschwindigkeitsübertretung auch nicht eingestellt, sodass dieses weiterhin anhängig war. Im gegenständlichen Fall ist somit davon auszugehen dass eine Bestrafung wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beantwortung der Lenkeranfrage nach § 103 Abs 2 KFG gegen das Recht nach Artikel 6 Abs 1 EMRK zu schweigen und sich nicht selbst zu bezichtigen, verstoßen würde. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 103 Abs 2 KFG führt daher zum Ergebnis, dass das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen ist.

Diese Entscheidung ist auch im vorliegenden Fall die richtige. Im Erkenntnis vom 07.1 1.2006, UVS 30.11-105/2006-44, weist der UVS für die Steiermark die Berufung des J. L. gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 19.09.2006 betreffend eine Bestrafung wegen Verweigerung der Lenkerauskunft nach § 103 Abs 2 iVm § 134 Abs 1 KFG mit der Begründung ab, dass im Sinne der Judikate des EGMR vom 08.04.2004 und 03.05.2005 in den Fällen W. und F.-M. gegen Osterreich auch im gegenständlichen Verfahren nicht ersichtlich ist, inwieweit ein Verstoß gegen das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung bzw ein Verstoß gegen ein faires Verfahren iSd Art 6 EMRK vorliegen sollte.

Auf Seite 5 dieses Erkenntnisses führt der UVS für die Steiermark wie folgt aus:

?Anders wäre der Sachverhalt zu beurteilen, wenn die Behörde zunächst eine Strafverfügung wegen der Geschwindigkeitsübertretung gegen den Zulassungsbesitzer erlassen hätte und erst aufgrund des Einspruchs eine Lenkeranfrage an den Zulassungsbesitzer gerichtet hätte. Ist nämlich gegen einen Beschuldigten ein Strafverfahren wegen einer Geschwindigkeitsübertretung anhängig und erfolgt die Lenkeranfrage gemäß 103 Abs 2 KFG erst, nachdem er im Einspruchsvorbringen darauf hingewiesen hatte, er könne den Fahrzeuglenker zum maßgeblichen Zeitraum nicht nennen, so verstößt die Bestrafung wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beantwortung der Lenkeranfrage gegen das Recht nach Art 6 Abs 1 EMRK, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen (vgl UVS Vorarlberg vom 10.062005, UVS-1-774-2004). Ein derartiger Fall liegt aber nicht vor, weil ein Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsübertretung im Zeitpunkt der Lenkeranfrage eben nicht anhängig war.?

Auch dieses Erkenntnis zeigt, dass die über mich verhängte Bestrafung nicht der (Verfassungs-) Rechtslage entspricht. Die über mich verhängte Bestrafung verletzt die im Nachstehenden detailliert angeführten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte und stellt einen Verstoß gegen die dargestellten Rechtsgrundsätze dar.?

Verletzung im Gleichheitsrecht nach Art 7 Abs 1 B-VG und Art 2 StGG:

Dem Zulassungsbesitzer kommt kein inhaltlich einem Zeugnisverweigerungsrecht entsprechendes Entschlagungsrecht zugute, was gleichheitswidrig ist (VfSlg 9950). 10.394 und 10.505).

Verstoß gegen das Rechtsstaats- und demokratische Prinzip:

Im Erkenntnis vom 11.10.2001, G 12/00 ua, hat der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsbestimmung des § 126a des Bundesvergabegesetztes in der damals gegolten er Fassung als verfassungswidrig aufgehoben.

Unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg 15.215 stellt der VfGH fest. dass die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Normenkontrolle als zentrales Element des rechtsstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung anzusehen ist. Aus diesem Grund widerspricht die Verfassungsbestimmung des letzten Satzes des 103 Abs 2 KFG dem Baugesetz (qualifizierten Verfassungsrecht) des rechtsstaatlichen Prinzips, weil damit nicht nur die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Beschuldigten suspendiert und diesbezüglich auch der verfassungsgerichtlichen Kontrolle entzogen werden, weil der (einfache) Verfassungsgesetzgeber mit der Erhebung des letzten Satzes de § 103 Abs 2 KFG in Verfassungsrang ein zu den Normen, welche verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte einräumen. gleichwertige Norm geschaffen hat, deren Inhalt der Verfassungsgerichtshof somit nicht mehr an diesen Rechten messen kann.

Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes spricht im Zusammenhang mit Art 18 B-VG vom Rechtsstaatsprinzip, aus dem insbesondere auch das Erfordernis eines Rechtsschutzsystems abzuleiten ist (vgl VfSlg 11.196 und 13.003).

Im Fall einer Gesamtänderung der Bundesverfassung ist die Durchfürhrung einer Volksabstimmung nach Art 44 Abs 3 B-VG obligatorisch. Ob ein solcher Fall vorliegt, hat unter der nachprüfenden Kontrolle des VfGH gemäß Art 140 B-VG der Nationalrat zu bestimmen; eine Gesamtänderung liegt vor, wenn eine Änderung der verfassungsrechtlichen Grundordnung erfolgt (vgl VfSl(1. 2455 und auch das in der BRD im Grundgesetz verankerte Intabulationsverbot). Im Zusammenhang mit den Feststellungen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 10.091 ist im gegebenen Zusammenhang festzuhalten, dass der Gesetzgeber durch die Erhebung des letzten Satzes des § 103 Abs 2 KFG mit der 10. Novelle im Jahr 1986 in Verfassungsrang ganz bewusst auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 9950 und 10.394, reagiert und es klar darauf angelegt hat, es dem Verfassungsgerichtshof in der Zukunft unmöglich zu machen. die vom Zulassungsbesitzer verpflichtend und unter sonstiger Strafsanktion abzugebende Lenkerauskunft nochmals auf ihre Verfassungsgemäßheit hin zu überprüfen; dies, wie VfSlg 11.829 zeigt, mit Erfolg. Damit liegt auf der Hand, dass es der Gesetzgeber mit diesem ?Schachzug? dem VfGH unmöglich gemacht hat, diese Bestimmung auf ihre Verfassungsgemäßheit hin zu überprüfen; der Gesetzgeber schaltet somit mit einer derartigen Verfassungsbestimmung die Überprüfungsbefugnis und somit eine wesentliche Funktion des Verfassungsgerichtshofes als Höchstgericht aus, was baugesetzwidrig ist. Einer solchen gesetzgeberischen Vorgangsweise hat der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 10.091 eine klare Absage erteilt.

Das in der BRD geltende Intabulationsverbot findet seine. Berechtigung unter anderem in der Hintanhaltung eines solchen gesetzgeberischen Vorgehens.

Damit geht aber auch die noch auszuführende Verletzung des Art 13 EMRK einher. weil der Betroffene (Beschuldigte) eine ?wirksame? Beschwerde nicht (mehr) einlegen kann.

Zu diesem Ergebnis kommt man auch, wenn man die Verfassungsbestimmung des Art 17 EMRK berücksichtigt, wonach der Staat keine Tätigkeit ausüben oder eine Handlung begehen darf, die auf die Abschaffung der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten als in der Konvention vorgesehen, hinzielt (vgl dazu auch Art 54 der Grundrechte, Charta der EU).

Verstoß gegen den Anklagegrundsatz nach Art 90 Abs 2 B-VG:

Nach dieser Verfassungsbestimmung gilt im Strafverfahren der Anklageprozess, wozu auch das Verwaltungsstrafverfahren zählt (VfSlg. 9950 ua sowie EGMR vom 20.12.2001 im Fall E. B. gegen Österreich).

Aus Art 90 Abs 2 B-VG leitet der Verfassungsgerichtshof ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes. subjektives Recht ab, welches darin besteht. dass niemand unter Strafsanktion verhalten werden darf, sich im Strafverfahren oder in einem Stadium vor Einleitung eines solchen selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen (materielles Anklageprinzip; VfSlg 9950, 11.829, 11.923. 12.454.

14.988 und VfGH vom 26.06.2000, B 460/00).

In VfSlg 14.987 stellt der VfGH klar, dass aus dem Anklageprinzip in seiner materiellen Bedeutung, das sowohl an die Gesetzgebung als auch die Vollziehung gerichtete Verbot abgeleitet wird, den Rechtsunterworfenen auch schon im Stadium vor Einleitung eines gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens durch Androhung oder Anwendung rechtlicher Sanktionen dazu zu verhalten, Beweise gegen sich selbst zu liefern.

Nach § 33 Abs 2 VStG kann der Beschuldigte zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden, eine Mutwillensstrafe darf gegen ihn nicht verhängt werden (Abs 3 leg cit). Verwaltungsübertretungen sind mit Ausnahme des Falles des § 56 von Amts wegen zu verfolgen (§ 25 Abs 1 VStG).

Der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit ergibt sich aus § 37 AVG und wird in § 25 Abs 2 VStG besonders hervorgehoben (VwGH Vom 05.10.1976, Zl 1306/76 sowie vom 16.10.2001, 2001/09/0071).

Der Anklagegrundsatz ist auch in der StPO lückenlos verwirklicht. Nach § 2 Abs 1 tritt die gerichtliche Verfolgung der strafbaren Handlung nur auf Antrag eines Anklägers ein. Das Urteil des Strafgerichtes darf über die Anklage nicht hinausgehen. Verweigert der Beschuldigte die Aussage. so darf er zu dieser nicht gezwungen werden (§§ 203 und 245 Abs 2 StPO); sagt der Beschuldigte wahrheitswidrig aus, so kann er dafür strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden, dies selbst dann nicht wenn er die belastenden Aussagen eines Zeugen oder Sachverständigen als unrichtig bezeichnet; vgl auch § 202 leg cit. Es gibt keinen Wahrheits- und Aussagezwang (EvB1 1966/438), die Verweigerung von Angaben ist das Recht des Beschuldigten, sie unterliegt der richterlichen Würdigung nach § 258 Abs 2 StPO (SSt 56/92).

Zu den Rechten des Angeklagten gehört auch das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu beschuldigen (nemo tenetur), welches im deutschen Recht in § 136 Abs 1 StPO positiviert ist und in der Menschenwürde nach Art 1 Abs 1 des Grundgesetzes wurzelt. Dieser Grundsatz ist zwar in Art 6 EMRK nicht ausdrücklich erwähnt, wird vom EGMR aber zum Kernbereich eines fairen Verfahrens gerechnet, wobei dieser stets auf den engen Zusammenhang mit der Unschuldsvemutung gemäß Art 6 Abs 2 EMRK hinweist. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde, den Beschuldigten zu überführen, ohne hiefür auf Beweismittel zurückzugreifen, die durch Zwangs- oder Druckmittel ohne den Willen des Beschuldigten erlangt wurden. Diese Garantie ist nicht nur auf Aussagen beschränkt, sondern umfasst auch den Zwang zur Herausgabe von Beweismitteln (vgl C. G., Europäische Menschenrechtskonvention, S. 385 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

Verstoß gegen ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 EMRK:

Der Grundsatz eines fairen Verfahrens (?in billiger Weise?) verlangt unter anderem, dass der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann (VfS)g 10.291). Ein Beschuldigter darf insbesondere nicht gezwungen werden, Beweise gegen sich selbst zu liefern (VfSlg. 12.454 sowie EGMR vom 25.02.1993 im Fall F. gegen Frankreich, vom 17.12.1996 im Fall S. gegen das Vereinigte Königreich, vorn 03.05.2001 im Fall 1.B. gegen die Schweiz, vom 04.10.2005 im Fall W. S. gegen das Vereinigte Königreich sowie vom 25.10.2005 in den Fällen G. O. und I. R. F. v UK).

Im Urteil vom 04.10.2005 im Fall S. gegen das Vereinigte Königreich hat der EGMR besonders hervorgehoben, dass das Argument der englischen Regierung nicht akzeptiert wird, die Komplexität von Betrugshandlungen im Bereich von Wirtschaftsgesellschaften und das vitale öffentliche Interesse an der Ermittlung solcher Betrügereien und die Bestrafung der dafür Verantwortlichen könnte eine signifikante Abweichung von den Grundsätzen eines fairen Verfahrens, wie sie im vorliegenden Fall geschehen ist, rechtfertigen. So wie die Kommission ist der EGMR der Auffassung, dass die allgemeinen Erfordernisse der Fairness, wie sie in Art 6 enthalten sind, einschließlich des Rechtes, sich nicht selbst beschuldigen zu müssen, auf Strafverfahren aller Typen strafbarer Handlungen ohne Unterscheidung von den einfachsten bis hin zu den am meisten komplexen Anwendung finden. Das öffentliche Interesse kann nicht ins Treffen geführt werden, um die Verwertung von Aussagen, die zwangsweise erlangt wurden, zur Belastung des Angeklagten zu rechtfertigen.

Wenn der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 11.829 den Standpunkt vertritt, diese Verfassungsbestimmung sei ?in seiner innstaatlichen Maßstabsfunktion? anzuwenden, so steht dem die Verfassungsbestimmung des Art 1, 15 und 17 EMRK entgegen und ist in diesem Zusammenhang auf die obigen Ausführungen zum Rechtsstaatsprinzip hinzuweisen, ebenso auf die Erkenntnisse des UVS des Landes Oberösterreich vom 18.10.2005, VwSen-160878 und vom 05.012006, VwSen-161052 ua (vgl. auch COJZ 2006, 935 .ff).

Die von der Erstbehörde unter Strafandrohung ausgesprochene Verpflichtung, den Lenker meines Fahrzeuges wahrheitsgemäß bekanntzugeben, stellt unter diesen Umständen einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren dar.

Im Gegensatz zu der sich aus den Zulässigkeitsentscheidungen des EGMR vorn 25.10.2005 in den Fällen O. und F. ergebenden englischen Rechtslage (§172 StVO) sieht § 134 Abs 1 KFG für die Verweigerung der Lenkerauskunft eine äußerst drakonische Strafe bis zu Euro 5.000,00 vor, das Grunddelikt (Geschwindigkeitsüberschreitung) nach § 99 Abs 2c Z 9 StVO aber nur eine solche von Euro 2.180,00. Damit unterstreicht der Gesetzgeber sein Bemühen mit intensivem Druck und Zwang den Zulassungsbesitzer zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Lenkerauskunft zu bewegen, was den Verstoß gegen das faire Verfahren als besonders gravierend erkennen lässt. Der Grundsatz eines fairen Verfahrens verlangt unter anderem, dass Strafen zu den Straftaten verhältnismäßig sein müssen, was in Art 49 Abs 3 der Grundrechte-Charta der EU unter Anlehnung an Art 6 EMRK besonders zum Ausdruck kommt.

In Parallelfällen hat der Verfassungsgerichtshof in einer Reihe von Ablehnungsbeschlüssen, vgl etwa jenem vom 11.03.2005, B 210/05. betreffend die Bescheidbeschwerde gegen das Erkenntnis des UVS des Landes Oberösterreich vom 26.01.2005. VwSen-160124; neben dem Erkenntnis VfSlg 11.829, auch das Urteil des EG\1R vom 08.04.2004 im Fall W. gegen Österreich zitiert.

Jener Sachverhalt, welcher dieser Entscheidung des EGMR zugrunde lag, unterscheidet sich vom gegenständlichen aber in seinen wesentlichsten Aspekten. Darin ruft der EGMR in Erinnerung, dass das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten, voraussetzt, dass die Behörden beim Versuch, den Beschuldigten zu überführen, nicht auf Beweise zurückgreifen, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Verdächtigen erlangt wurden.

Der dortige Beschwerdeführer hat die ihm abverlangte Lenkerauskunft nicht verweigert, sondern sich damit entlastet, dass er der Behörde eine dritte Person als Lenker bekannt gab. Dieser wurde nur deshalb nach § 103 Abs 2 KFG bestraft. weil seine Informationen wegen der fehlenden Adresse des Lenkers unzureichend waren. Weder im innerstaatlichen Verfahren noch vor deal EGMR hat dieser jemals behauptet, das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsübertretung selbst gelenkt zu haben In diesem Fall bestand nur ein schwacher und hypothetischer Zusammenhang zwischen der Verpflichtung des Beschwerdeführers, den Lenker seines Fahrzeuges preiszugeben und einer möglichen Strafverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung gegen ihn. Ohne ausreichend konkreter Verbindung zu diesem Verfahren wirft die Anwendung von Zwang (Verhängung einer Geldstrafe) zur Erlangung von Informationen kein Problem bezüglich des Rechtes zu schweigen bzw sich nicht selbst zu bezichtigen, auf, weswegen der EGMR im dortigen Fall (mit 4: 3 Stimmen) keine Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK erblickte.

Der gegenständliche Fall ist völlig anders gelagert. Ich habe ich mich nicht etwa durch Bekanntgabe einer dritten Person als Lenker meines Kfz entlastet.

Ich hatte keine andere Möglichkeit als die mir abverlangte Lenkerauskunft zu verweigern, um nicht einen nahen Familienangehörigen iSd § 72 StGB dem Strafverfahren auszusetzen. Es liegt also im Sinne des § 49 Abs 1 Z 1 AVG und § 38 VStG ein Rechtfertigungsgrund für mein Verhalten vor. Dieses ist unter diesen Umständen nicht strafbar (vgl VfSlg 11.866).

Es würde wohl jedem rechtsstaatlich denkenden Menschen untragbar erscheinen, wenn etwa das StGB eine Norm enthielte, welche unter Strafe stellt, dass der Beschuldigte bzw Angeklagte verpflichtet ist, seine Tätereigenschaft einzugestehen oder seinen Ehegatten bzw seine Kinder als Täter zu bezeichnen, ansonsten er mit einer Strafe zu belegen ist, die er bekommen hätte, wäre er der Täterschaft betreffend des in Rede stehenden Strafdeliktes überführt worden oder, umgelegt auf die Strafdrohung des 134 Abs 1 KFG, eine Strafbestimmung zur Anwendung kommt, welche strenger ist als jene zur Straftat gehörige.

Da auch das Verwaltungsstrafverfahren eine strafrechtliche Anklage (criminal charge) iSd Art 6 EMRK ist, ist hier eine Differenzierung nicht zulässig

Im heutigen Urteil der Großen Kammer in den Fällen O. und F. gegen das Vereinigte Königreich stellt der EGMR mit 15: 2 Stimmen keine Verletzung des fairen Verfahrens nach Art 6 Abs 1 EMRK fest und prüft die (diesbezüglich nicht ausgeführte) Beschwerden nach Art 6 Abs 2 EMRK nicht.

Jene Sachverhalte, welche diesem Urteil zugrunde lagen, unterscheiden sich vom gegenständlichen Fall in den wesentlichsten Aspekten ebenso wie, wie oben ausgeführt, vom Fall Weh gegen Österreich, Urteil des Gerichtshofes vom 08.04.2004. Gegenständlich war zum Zeitpunkt, als ich von der Bezirkshauptmannschaft zur Lenkerauskunft unter Strafdrohung aufgefordert wurde, das Verwaltungsstrafverfahren gegen mich wegen Geschwindigkeitsüberschreitung anhängig, ich war somit bereits Beschuldigter iSd VStG.

Mit Zustellung der Strafverfügung vom 20.03.2007, in welchem über mich eine Geldstrafe von Euro 320,00 wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung vom 18.02.2007 um 17.14 Uhr in der Gemeinde Gries am Brenner auf der Brennerautobahn verhängt wurde, war ich Beschuldigte betreffend dieses (Grund)deliktes und normiert § 33 Abs 2 VStG klar, dass ein Beschuldigter zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden darf.

Der EGMR betont in den zitierten Urteilen im Besonderen den Umstand, dass gegen die Beschwerdeführer W. und F. weder zum Zeitpunkt des behördlichen Lenkerauskunftsersuchens noch danach ein Strafverfahren wegen des Grunddeliktes geführt wurde.

Dazu kommt, dass die Polizei nach § 172 der englischen StVO nur unter ganz bestimmten Umständen und betreffend taxativ aufgezählte (Verwaltungs)straftaten den Zulassungsbesitzer zur Lenkerbekanntgabe verpflichten darf und dass gesetzlich normiert ist, dass es unzulässig ist, eine Bestrafung wegen des dem Lenkerauskunftsersuchen zugrunde liegenden Delikts neben der Bestrafung wegen Verweigerung der Lenkerauskunft auszusprechen. Dazu kommt, dass die Strafdrohung in England wegen Verweigerung der Lenkerauskunft lediglich bis GBP 1000 reicht und eine solche Bestrafung auch nur dann ausgesprochen werden darf, wenn sich der Zulassungsbesitzer bereits auf Level 3 der standardisierten Skala befindet und die wegen dieses Delikts ausgesprochene Bestrafung nicht höher sein darf als jene, welche wegen des dem Auskunftsersuchen zugrunde liegenden Delikts verhängt worden wäre. Dies ist in Osterreich völlig anders, die Behörde darf weder zeitlich (88/03/0099 vom 18.01.1989) noch auf gewisse Delikte eingeschränkt, den Zulassungsbesitzer stets zur Lenkerauskunft auffordern; dies selbst nach Erlassung eines Strafbescheides wegen des Grunddeliktes (91/03/0349 vom 1.01.1992).

Im Band 2 ?Menschenrechte konkret? des österreichischen Institutes für Menschenrechte wird auf den Seiten 78 ff auf die hier in Rede stehende Problematik der EMRK-Konformität bzw Widrigkeit eingegangen.

Danach lassen die bisher ergangenen Urteile des EGMR nicht den Schluss zu, dass eine Bestrafung wegen Verweigerung der Lenkerauskunft in jedem Fall mit Art 6 EMRK zu vereinbaren ist, zumal für den Gerichtshof entscheidend war, dass gegen den Zulassungsbesitzer zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Lenkerauskunft kein Strafverfahren geführt wurde. Es sei danach anzunehmen, dass der Gerichtshof in solchen Konstellationen (wie der vorliegenden) anders entscheiden würde.

Nach § 64 Abs 2 VStG ist der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens für das Verfahren erster Instanz, mit 10 Prozent der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 Prozent der verhängten Strafe zu bemessen.

Diese Bestimmung stellt einen Verstoß gegen das faire Verfahren dar, zumal in Strafverfahren das Verschlimmerungsverbot gilt. Wird eine Berufung gegen einen erstinstanzlichen Strafbescheid abgewiesen, bedeutet dies für den Beschuldigten, dass er in Summe 30 Prozent der Strafe als Verfahrenskosten zu bezahlen hat. was bereits strafrechtlichen Charakter aufweist und den Beschuldigten wesentlich belastet. Bei sehr geringen Strafen ist ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 30 Prozent in absoluten Zahlen sicherlich kein hoher Betrag, bei der gegenständlich verhängten Strafe sind 30 Prozent aber mit Euro 96,00 schon ein empfindlicher Betrag, welcher geeignet ist, den Beschuldigten davon abzuhalten, ein Rechtsmittel einzubringen, um seine Rechte zu wahren.

Da auch die. Gewährung der Verfahrenshilfe nicht von der Leistung dieser Verfahrenskostenbeiträge befreien kann; würde ein Beschuldigter, welcher sich zwar im Recht wähnt, von der Einbringung des Rechtsmittels abgehalten werden, weil er diese nicht bezahlen kann. Die Rechtsprechung des EGMR betreffend die Möglichkeit der Beantragung der Verfahrenshilfe kann hier somit nicht angewendet werden.

Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Art 6 Abs 2 EMRK:

Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Diesen ?gesetzlichen Nachweis der Schuld? hat die Verwaltungsstrafbehörde im abgeführten Verfahren nicht erbracht. Wegen einer Verwaltungsübertretung darf eine Strafe nur aufgrund eines nach diesem Bundesgesetz durchgeführten Verfahrens verhängt werden (§ 23 VStG).

Verwaltungsübertretungen sind von Amts wegen zu verfolgen, die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Beweise zu berücksichtigen wie die belastenden (Grundsätze der Gesetzmäßigkeit, Legalitätsprinzip, der Amtswegigkeit (Offizialmaxime) sowie der materiellen Wahrheit (vgl § 25 Abs 2 VSt(j).

Nach Lehre und Rechsprechung gilt im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz das Inquisitionsprinzip (Vereinigung der Anklage- und Entscheidungsfunktion im selben Organ).

Eine Verletzung der Unschuldsvermutung liegt im vorliegenden Fall deshalb vor, weil der gesetzliche Nachweis der Schuld, meiner Täterschaft. nicht geführt worden ist, zumal im Sinne des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 der österreichischen Bundesverfassung die Behörde die Beweislast für das Begehen einer Verwaltungsübertretung und somit auch für die Lenkereigenschaft trifft. Diese Beweislastregel hat die Bezirkshauptmannschaft als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz dadurch missachtet. dass sie mich unter Strafsanktion verpflichtet hat, wahrheitsgemäß den damaligen Lenker meines Pkw, also einen nahen Familienangehörigen, bekannt zu geben.

Wäre eine derartige Strafnorm wie sie § 134 Abs 1 KFG für die Verweigerung der Lenkerauskunft vorsieht, verfassungs- bzw EMRK-konform, wäre der Gesetzgeber aufgerufen, eine Bestimmung in das Strafgesetzbuch aufzunehmen, welche vorsieht. dass der Beschuldigte bzw Angeklagte mit einer Strafe zu belegen ist, wenn sich dieser weigert, ein Geständnis abzulegen oder seine Familienangehörigen als Täter zu bezeichnen, ist doch der Unrechtsgehalt der StGB-Delikte in aller Regel bedeuten(höher als im Verwaltungsstrafrecht.

Dass eine derartige Strafnorm in einem Rechtsstaat untragbar wäre, dürfte unbestritten sein.

Da nach der EGMR- und VfGH-Judikatur auch das Verwaltungsstrafverfahren eine strafrechtliche Anklage (criminal charge) iSd Art 6 EMRK ist, verbietet sich hier eine differenzierende Betrachtung zwischen Kriminal- und Verwaltungsstrafrecht (vgl dazu die Ausführungen des EGMR in den Fällen Funke gegen Frankreich und Saunders gegen das Vereinigte Königreich sowie im Urteil vom 04.10.200.5 im Fall W. S. gegen das Vereinigte Königreich. Die Beschwerdeführer F. L. O. haben diese Rechtsverletzung zwar releviert, aber nicht begründet. Es liegt somit ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Art 6 Abs 2 EMRK vor.

Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art 8 Abs 1 EMRK:

Nach dieser Verfassungsbestimmung hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens.

Der Begriff ?Privatleben? ist besonders unscharf, der EGMR hält ihn für eine erschöpfende Definition nicht zugänglich (vgl EGMR vom 25.03.1993, OJZ 1993 707 im Fall C. R. gegen das Vereinigte Königreich).

Einen Einriff in dieses Recht sehe ich darin, dass ich durch § 103 Abs 2 KFG und das erstbehördliche Lenkerauskunftsersuchen verpflichtet werde, ein Familienmitglied als Lenker zu bezeichnen und somit dem Verwaltungsstrafverfahren auszusetzen. Der Begriff ?Familienleben? wird von der Judikatur weit verstanden und schließt auch das Recht ein, einen Familienangehörigen nicht einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen zu müssen; wie sich dies auch aus § 49 AVG und § 38 VStG ergibt.

Nach § 49 Abs 1 Z 1 AVG, diese Bestimmung ist im Sinne des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden, darf ein Zeuge die Aussage über Fragen verweigern, deren Beantwortung dem Zeugen, seinem Ehegatten, seinem Verwandten oder Verschwägerten in auf- oder absteigender Linie, seinem Geschwisterkind oder einer Person, die mit ihm noch näher verwandt oder im gleichen Grad verschwägert ist, ferner seinen Wahl- oder Pflegeeltern, Wahl- oder Pflegekindern, seinem Vormund oder Pflegebefohlenen einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil oder die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung zuziehen oder zur Schaden gereichen würde.

Nach § 38 VStG geht das Zeugnisentschlagungsrecht weiter, die dort genannten Personen sind von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses auch dann befreit. wenn die im § 49 Abs 1 Z 1 AVG vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Gerade die Pflicht des Zulassungsbesitzers zur Bekanntgabe des Lenkers seines Fahrzeuges betrifft in den allermeisten Fällen entweder den Zulassungsbesitzer selbst oder dessen Familienangehörige.

Dasselbe Entschlagungsrecht sieht die österreichische StPO in § 152 vor.

Danach sind von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses Personen befreit, die sich durch ihre Aussage der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würden oder die im Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren Gefahr liefen, sich selbst zu belasten auch wenn sie bereits verurteilt worden sind.

Weiters Personen, die im Verfahren gegen einen Angehörigen (§ 72 StGB) aussagen sollen und deren Aussage die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung eines angehörigen mit sich brächte, wobei die durch eine Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehöriger aufrecht bleibt, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht.

Entschlagungsrechte eines Zeugen müssen auch für den in einem Strafverfahren Beschuldigen gelten, eine andere Gesetzauslegung wäre unsachlich und somit gleichheitswidrig.

Da ich im abgeführten Verfahren unter Strafandrohung verpflichtet wurde, wahrheitsgemäß den Lenker meines Fahrzeuges bekannt zu geben, hätte ich einen nahen Familienangehörigen dem Strafverfahren aussetzen müssen, was von mir nicht verlangt werden kann, womit ein unzulässiger Eingriff in mein Privatleben vorliegt und somit eine Verletzung des Art 8 Abs 1 EMRK, zumal dieser Eingriff zwar gesetzlich vorgesehen ist aber keine Maßnahme darstellt, die im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung bzw zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig ist (vgl die bereits zitierte EGMR-Judikatur)

Die Richtigkeit meiner Rechtsansicht belegt auch das Urteil des EGMR vorm 28.4.2005 im Fall J. B. gegen Deutschland, BeschwNr 41.604/98, worin auch auf das Urteil des EGMR im Fall F. gegen Frankreich vom 25.2.1.993 Bezug genommen wird. O. und F. haben diese Rechtsverletzung aus nicht bekannten Gründen nicht releviert. Dem Urteil vom 28.04.2005 lag eine Hausdurchsuchung betreffend Aufklärung eines Verkehrsdelikts (Geschwindigkeitsüberschreitung) zugrunde.

Es war iSd Art 8 Abs 2 EMRK zu prüfen, ob der Eingriff gerechtfertigt, also gesetzlich vorgesehen war, ein legitimes Ziel verfolgte und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war, um dieses Ziel zu erreichen.

Die aufgrund der Anordnung des AG Bad Urach erfolgte Durchsuchung der Geschäftsräume und der Wohnung war gesetzlich vorgesehen, durch die Bestimmungen des § 103 Abs 1 dStPO iVm § 46 OWiG, § 24 StVA; und § 3 und 49 StVO gedeckt und verfolgte auch ein legitimes Ziel (Verhütung von Straftaten und Schutz des Lebens und der körperlichen Integrität anderer Verkehrsteilnehmer) Dieser Eingriff in die Privatsphäre war aber in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig, weil dieser Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen nicht verhältnismäßig war, es ging ?nur? um eine Ordnungswidrigkeit. Da der EGMR eine Verletzung des Art 8 EMRK festgestellt hat, hat er die weiters relevierte Konventionsverletzung nach Art 6 EMRK nicht mehr geprüft. Abgestellt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine einer Ordnungswidrigkeit nach deutschem Recht vergleichbare Übertretung in Form einer Verwaltungsübertretung nach dem VStG vorliegt. Der hier relevierte Verstoß gegen Art 6 EMRK wiegt nicht weniger schwer als ein solcher nach Art 8 EMRK, davon abgesehen, dass ich in der über mich verhängten Strafe auch eine Verletzung dieser (in Österreich im Gegensatz zur BRD in Verfassungsrang stehenden) Bestimmung erblicke.

Verletzung im Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art 13 EMRK:

Nach dieser Verfassungsbestimmung hat dann, wenn die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten verletzt wurden, der Verletzte das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben. Im gegenständlichen Strafverfahren wurde ich unter Strafandrohung verpflichtet wahrheitsgemäß bekannt zu geben, wer zum angefragten Zeitpunkt das auf meinen Namen zugelassene Fahrzeug gelenkt hat. Der Gesetzgeber hat im Sinne VfSlg 11.829 mit der 10. KFG-Novelle die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes auf die einzige Frage reduziert, ob die in Rede stehende Bestimmung zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung führt. welche nach Art 44 Abs 3 B-VG einer Volksabstimmung zu unterziehen ist.

Im Gegensatz zur Rechtslage vor der 10. KFG-Novelle ist eine derartige Bescheidbeschwerde nun somit kein wirksames Rechtsmittel iSd Art 13 EMRK mehr.

Damit habe ich keine Möglichkeit, mich wirksam gegen diese Konventionsverletzungen zur Wehr zu setzen, weswegen eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf eine wirksame Beschwerde nach Art 13 EMRK vorliegt.

Verstoß gegen Art 14 EMRK:

Nach dieser Konventionsbestimmung (Verbot der Benachteiligung) ist der Genuss der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten.

Einen Verstoß gegen diese Konventionsbestimmung leite ich daraus ab, dass die gesetzlichen estimmungen im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren zwar die Zeugen iSd Art 6 EMRK davor schützen, sich selbst belasten zu müssen, nicht aber den Beschuldigten; diese Differenzierung ist unsachlich und somit diskriminierend.

Die Aussage darf von einem Zeugen nach 49 Abs 1 Z 1 AVG (diese Bestimmung ist iSd § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) über Fragen verweigert werden, deren Beantwortung dem Zeugen, einem Ehegatten und anderen im Gesetz genannten nahen Familienangehörigen einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil oder die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung zu ziehen oder zur Schaden gereichen würde. Derartige Zeugnisentschlagungsrechte sehen auch an Verfahrensgesetze (StPO, ZPO, ua) vor.

Nach § 38 VStG sind die Verwandten und Verschwägerten des Beschuldigten in auf- und absteigender Linie sowie die dort genannten anderen Familienangehörigen von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses auch dann befreit, wenn die in § 49 Abs 1 Z 1 AVG vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorliegen. Dies bedeutet, dass die in § 38 VStG genannten Personen die Zeugenaussage in einem Verwaltungsstrafverfahren gegen einen Beschuldigten selbst dann verweigern können, wenn sich diese nicht der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzen oder ihnen die Aussage zur Schaden gereichen oder einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil mit sich bringen würde. Genau mit diesen Argumenten hat der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen aus dem Jahr 1984 und 1985, VfSlg 9950, 10.394 und

10.505 die damals auf einfachgesetzlicher Stufe gestandene Bestimmung, des § 103 Abs 2 KFG insoweit aufgehoben, als diese den Zulassungsbesitzer zur Abgabe der Lenkerauskunft auch dann verpflichtet hat, wenn er sich damit selbst oder einen nahen Familienangehörigen belasten müsste.

Die im zweiten Satz des (damaligen) § 103 Abs 2 KFG unter Strafsanktion des § 134 enthaltene Regelung der Auskunftspflicht bewirkt gegebenenfalls materiell auch einen Zwang zur Selbstbeschuldigung im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung; weiters kommt dem Zulassungsbesitzer kein inhaltlich einem Zeugnisverweigerungsrecht entsprechendes Entschlagungsrecht zugute, was unsachlich uns somit gleichheitswidrig und iSd Art 14 EMRK diskriminierend ist.

Verstoß gegen Art 17 EMRK und Art 9 Abs 1 B-VG:

Keine Bestimmung dieser Konvention darf dahin ausgelegt werden, dass sie unter anderem für einen Staat das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in der Konvention vorgesehen, hinzielt. Mit Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 59/1964 wurde die MRK und ihr erstes ZP in Verfassungsrang erhoben, die EMKR steht in Österreich seit 03.09.1958 in Geltung.

Die Hohen Vertragsschließenden Teile sichern allen ihrer Jurisdiktion unterstehender Personen die in Abschnitt 1. dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu (Art 1 EMRK). Seit dem genannten Zeitpunkt war es Österreich als Mitgliedsstaat des Europarates und Unterzeichner der EMRK nach dessen Art 17 untersagt, Maßnahmen zu ergreifen. welche auf die Abschaffung der Konventionsrechte und -freiheiten oder auf deren Einschränkung abzielen.

Mit der Schaffung des letzten Satzes des § 103 Abs 2 KFG (als Verfassungsbestimmung) mit der 10. KFG-Novelle im Jahr 1986 nach welcher Rechte auf Auskunftsverweigerung gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen. zurücktreten, hat Österreich gegen die ebenfalls auf Verfassungsstufe stehenden Verpflichtungen nach Art 1 und 17 EMRK verstoßen und damit die Anwendbarkeit der EMRK eliminiert, zumindest aber den Anwendungsumfang der Art 6; 8 (und 14) EMRK unzulässigerweise eingeschränkt, sodass dieser nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 11.829 ?nur mehr in seiner innerstaatlicher Maßstabsfunktion? gilt.

Dieser gesetzgeberische Schritt wurde einzig und allein deshalb gesetzt, um einer Norm Bestand zu verschaffen, welche der VfGH bereits zweimal aufgehoben hat (VfSlg 9950 und 10.394), was den Verfassungsbestimmungen der Art 1 und 17 EMRK und Art 9 B-VG widerspricht (vgl auch Vf51g 10.091 zur Vereitelungsabsicht des Gesetzgebers).

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass zu den durch Art 9 B-VG rezipierten Regeln vor allem der Grundsatz der Vertragstreue zählt (98/17/0 333-vom 18.09.1999 im Zusammenhang mit der Lenkerauskunftspflicht, Selbstbezichtigung). Innerstaatliche Vorschriften sind daher so auszulegen, dass sie mit den zwischenstaatlichen Verpflichtungen Österreichs nicht im Widerspruch geraten (94/16/082 vom 24.11.1994).

Es liegt demnach auch ein Verstoß gegen Art 9 Abs 1 B-VG und Art 17

EMRK vor.

Verstoß gegen Art 18 EMRK:

Nach dieser Verfassungsbestimmung dürfen die nach der vorliegenden Konvention gestatteten Einschränkungen dieser Rechte und Freiheiten nicht für andere Zwecke als die vorgesehenen angewendet werden (Begrenzung der Rechtseinschränkungen).

Die im zitierten Gesetz normierte Auskunftspflicht des Zulassungsbesitzers hat im gegenständlichen Fall dazu geführt, dass ich zur Bekanntgabe des Lenkers meines Fahrzeuges gezwungen wurde, obwohl gegen mich zum Zeitpunkt der behördlichen Lenkeranfrage das Strafverfahren wegen des Grunddeliktes bereits anhängig war. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens ist nach Art 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Abs 2 EMRK). Der gegenständlich stattgefundene Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens war zwar gesetzlich vorgesehen, ist aber in einer demokratischen Gesellschaft zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele nicht notwendig (vgl Urteil des EGMR vom 28.04.2005 im Fall Buck gegen die BRD).

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art 5 StGG und Art 1 des 1. 7P zur EMRK:

Primäre Strafzumessungsgründe sind nach § 19 Abs 1 VStG das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren ist nach Abs 2 leg cit auch das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen, die Einkommens-. Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Das zuletzt genannte Strafzumessumgskriterium der persönlichen Verhältnisse kommt in der Praxis, um es offen auszusprechen, so gut wie nicht zum Zug.

Im Gegensatz zum gerichtlichen Strafprozess kennt das VStG das Tagessatzsystem nicht.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngsten Judikatur etwa zur Bestimmung des § 100 Abs 5 StVO betreffend die Anwendbarkeit der 20 und 21 VStG dem Vergleich zwischen Verwaltungsstrafrecht und gerichtlichem Strafrecht maßgebliche Bedeutung zugemessen, zumal das Verwaltungsstrafrecht im Vergleich in unsachlicher Weise strengere Maßstäbe anlegt wie das gerichtliche Strafrecht (G 216/96 vom 09.10.1997, G 211/98 vorn 15.03.2000).

Das Tagessatzsystem des § 19 StGB ist eine tragende Säule einer gerechten Strafrechtspflege. Dieses leistet Gewähr, dass Geldstrafen jeden Rechtsbrecher mit annähernd der selben Härte treffen. Die in der Geldstrafe alter Prägung gelegene ?Opferungleichheit? wird durch das im skandinavischen Rechtskreis seit langem bestehende System der Tagessätze vermindert. Danach wird im Urteil als erster Schritt eine tatschuldangemessene bestimmte Anzahl von Tagessätzen ausgesprochen. Im selben Urteil wird dann als zweiter Schritt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz bemessen.

Geldstrafen sollen nicht konfiskatorisch wirken (vgl Foregger Fabrizy, StGB S. 94 ff).

Meines Erachtens ist das Tagessatzsystem für eine gerechte Strafrechtspflege unverzichtbar und in einem modernen Rechtstaat unabdingbar.

Die Nichtanwendung des Tagessatzsystems bewirkt auch eine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK, wonach die Strafe zur Straftat in einem angemessenen Verhältnis stehen muss (vgl auch Art 49 der EU-Grundrechtscharta).

Ein Blick in die BRD zeigt, dass es selbstverständlich ist, dass nicht nur im Kriminalstrafrecht, sondern auch im Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten das Tagessatzsystem gilt, das Bußgeldverfahren ist mit dem österreichischen Verwaltungsstrafverfahren vergleichbar.

Einen Spitzenverdiener trifft die hier ausgesprochene Geldstrafe so gut wie nicht. Denjenigen, welcher etwa Notstandshilfe bezieht oder ein geringes Einkommen samt Sorgepflichten hat, trifft diese hart, diese ?Opferungleichheit? ist ungerecht und eines modernen Rechtsstaats unwürdig.

Wenn eine Verwaltungsübertretung über das Verschulden nicht anderes bestimmt. genügt nach § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (welches bei einem Ungehorsamsdelikt wie gegenständlich darin ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Übertretung der Eintritt eines Schadens oder eine Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung einer Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft). Was die Auslegung eines Gesetzes anbelangt, ist mangelndes Verschulden naturgemäß schwer nachweisbar, man wird vom Normunterworfenen verlangen müssen, sich bei der zuständigen Behörde betreffend Rechte und Pflichten zu erkundigen; hätte ich dies gegenständlich gemacht, hätte mir die Bezirkshauptmannschaft naturgemäß, wie sich dies auch aus dem Hinweis des Lenkerauskunftsersuchens vom 03.05.2007 ergibt, mitgeteilt, dass ich verpflichtet bin, die Lenkerauskunft zu erteilen, ansonsten ich mich strafbar mache; die von der Erstbehörde angenommene Verschuldensform des Vorsatzes liegt jedoch keineswegs vor, dem Strafbescheid vom 22.06.2007 fehlt diesbezüglich auch jede Begründung (§ 58 Abs 2 und § 60 AVG). Selbst wenn man nicht vom Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes iSd § 6 VStG (vgl etwa VfSlg 11.866) ausgeht, weil ich ein höherwertiges Rechtsgut (meine relevierten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte und die dargelegten Grundprinzipien) gegenüber dem einfachgesetzlich normierten Strafanspruch des Staates gerettet habe, so unterliege ich einem Rechtsirrtum iSd § 9 StGB, welcher im Sinne der Belehrung im Lenkerauskunftsersuchen zwar vorzuwerfen ist, meine Gesetzesauslegung ist aber vertretbar und wird durch die auf S 3 zitierten UVS-Erkenntnisse gestützt. Danach darf in einem anhängigen Strafverfahren keine Lenkerauskunft verlangt werden bzw ist deren Verweigerung nicht strafbar; auf die Richtigkeit dieser Rechtsansicht der UVS habe und durfte ich mich verlassen, weswegen ein Verschulden iSd § 5 VStG nicht vorliegt. Ich war im erstinstanzlichen Verfahren und bin es heute noch, der Meinung, dass ich unter den hier gegebenen Umständen zur Lenkerauskunft nicht verpflichtet bin, was ich, sollte der UVS in Tirol die diesbezügliche Rechtsansicht des UVS Vorarlberg und des UVS Steiermark nicht teilen, vermutlich erst mit einem außerordentlichen Rechtsmittel nachweisen können werde.

Ich habe mich mit den einschlägigen Vorschriften, wie die Einspruchsbegründung und das gegenständliche Rechtsmittel beweist, eingehend auseinandergesetzt und bin ich immer noch der Ansicht, nicht schuldig zu sein; liege ich wider Erwarten mit meiner Rechtsansicht nicht richtig, ist mir Fahrlässigkeit zur Last zu legen, der mir angelastete Vorsatz wird entschieden zurückgewiesen und würde ein derartiger Vorwurf auch vor dem Verwaltungsgerichtshof unter den gegebenen Umständen nicht halten. In Anbetracht meiner absoluten Unbescholtenheit sowie der fahrlässigen Tatbegehung ist die über mich verhängte Geldstrafe von Euro 320,00 überzogen. Aus den genannten Gründen stelle ich höflich den Aantrag,

der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol möge meiner Berufung nach mündlicher Verhandlung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 22.06.2007 aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.?

 

Nach Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol wurde von der Berufungswerberin auf deren Durchführung verzichtet.

 

Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:

A) Sachverhalt:

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt.

 

Sachverhaltsfeststellungen:

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 03.05.2007, Zahl VK-8403-2007 wurde an Frau E. M., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. J. P., XY-Platz 6, M., eine Anfrage folgenden Inhaltes gerichtet:

?Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe

Sehr geehrte Frau M.!

Sie werden gemäß

(X) § 103 Abs 2 KFG

( ) § 103a Abs 1 Z 3 KFG iVm § 103 Abs 2 KFG

( ) § 4 Abs 2 Tiroler Parkabgabegesetz 2006

(X) als (Verantwortlicher) Zulassungsbesitzer

( ) als eine zur Vertretung nach außen berufene Person gem § 9 VStG

( ) als vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachter

Auskunftspflichtige(r)

( ) als namhaft gemachter Mieter

des Lastkraftwagen mit den Kennzeichen XY aufgefordert, der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens die Auskunft zu erteilen, wer Ihr Fahrzeug (Lastkraftwagen) am 18.02.2007 um 17.14 Uhr in Gries am Brenner, auf der A 13, bei km 24.390 in Fahrtrichtung Innsbruck

(X) gelenkt hat

( ) zuletzt vor dem oben genannten Zeitpunkt dort abgestellt hat.

Hinweis:

Sie machen sich im Sinne obiger Bestimmung strafbar, wenn Sie die verlangte Auskunft nicht, unrichtig oder nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Schreibens geben.?

 

Grund für die betreffende Anfrage war eine mittels geeichter Radarbox festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung. Demnach wurde das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen XY am 18.02.2007 um 17.14 Uhr auf der A 13 Brennerautobahn bei Strkm 24.390 im Gemeindegebiet Gries am Brenner in Fahrtrichtung Innsbruck gelenkt, wobei der Fahrzeuglenker/die Fahrzeuglenkerin die für diesen Bereich zulässige Geschwindigkeit von 100 km/h um 51 km/h (nach Abzug der Messtoleranz) überschritten hat.

Diese Lenkeranfrage ist dem rechtsfreundlichen Vertreter von Frau M. als Zulassungsbesitzerin  am 07.05.2007 zugestellt worden, jedoch unbeantwortet geblieben.

Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich in unzweifelhafter Weise aus dem

erstinstanzlichen Akt.

 

B) Rechtsgrundlagen:

Im gegenständlichen Fall sind folgende gesetzlichen Bestimmungen von Relevanz:

1. Kraftfahrgesetz 1967, BGBl Nr 267, in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes BGBl I Nr 57/2006:

Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder

Anhängers

§ 103

?.

(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer, im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung, zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

?.

Strafbestimmungen

§ 134

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl Nr 518/1975 in der Fassung BGBl Nr 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000,00 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe Arrest bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Arreststrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

....

2. Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 117/2002:

Schuld

§ 5

(1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Strafbemessung

§ 19

(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

C) Rechtliche Beurteilung:

Zum Schuldspruch:

Die Frage, inwieweit durch eine Bestrafung nach § 103 Abs 2 KFG 1967 eine Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts oder die Verletzung in einer sonstigen rechtlichen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verwirklicht werde, war bereits mehrfach Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen. In diesen Verfahren wurde häufig auch ein Verstoß gegen Art 6 EMRK moniert. Diesbezüglich führte bereits der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.05.2000, Zl 2000/02/0115, Folgendes aus:

?Nach Art 6 Abs 2 des EU-Vertrages achtet die Union die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Gewähr leistet sind und wie sie sich aus dem gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Gemäß Art 220 des EG-Vertrages (kurz: EG) sichert der Gerichtshof die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrags. Wie bei Lenz, EG-Vertrag, Kommentar, 2. Auflage, RZ 32 zu Art 220 EG, S 1626, ausgeführt wird, wird der Ansatz von der Entwicklung gemeinschaftseigener Grundrechte über die Anerkennung allgemeiner Grundsätze im Vertrag über die Europäische Union (kurz: EUV) ausdrücklich aufgenommen (Art 6 II EUV, ex-Art F), ?ohne dabei allerdings einen über den durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs hinausgehenden Grundrechtsschutz zu begründen.?

Unter RZ 35 dieses Kommentars wird zu Art 220 EG (S 1627) angemerkt, dass an die Gemeinschaftsgrundrechte neben den Gemeinschaftsorganen auch die Mitgliedsstaaten, ?soweit diese das Gemeinschaftsrecht durchführen?, dh insbesondere bei der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen oder beim Verwaltungsvollzug von Verordnungen (mwN betreffend die Judikatur des EuGH), gebunden sind. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-299/95 (F. K. gegen Republik Österreich) ua ausgesprochen, dass der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren dann, wenn eine nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben hat, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung der Gerichtshof sichert und die sich insbesondere aus der Konvention ergeben. Dagegen besitzt er diese Zuständigkeit nicht hinsichtlich einer Regelung, die nicht in den Bereich des Gemeinschaftsrechts fällt (vgl RNr 15 dieses Urteils). Es ist daher aus Art 6 Abs 2 EUV entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht ableitbar, dass die Rezeption der MRK in das Gemeinschaftsrecht durch den EUV bewirkt hätte, dass es zu einer generellen Verdrängung entgegenstehender nationaler Vorschriften (also über den Bereich der Vollziehung von Gemeinschaftsrecht hinaus) gekommen wäre. Die behauptete

Rechtsverlet

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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