TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/8 2000/21/0030

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Veröffentlicht am 08.11.2001
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Index

20/02 Familienrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z3;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §39 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des am 26. Mai 1945 geborenen M in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 4. Februar 2000, Zl. Fr-4250a-11/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 und 6 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Dabei ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer, der Mitte 1991 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist war, habe am 18. Juli 1991 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. In der Folge seien ihm ein Befreiungsschein und eine "Aufenthaltsberechtigung" bis (zunächst) 19. August 1994 ausgestellt worden, die er unter Berufung auf diese Ehe beantragt habe. Mit rechtskräftigem Gerichtsurteil vom 6. Juni 1994 sei diese Ehe gemäß § 23 EheG für nichtig erklärt worden, weil sie ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und auch den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu verschaffen, ohne dass die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft geplant gewesen oder erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe sich kurz vor Eingehung dieser Ehe von seiner (jugoslawischen) Ehegattin scheiden lassen und bereits zwei Monate nach der erwähnten Eheschließung "bis dato" die Lebensgemeinschaft mit seiner geschiedenen Gattin wieder aufgenommen.

Der Beschwerdeführer sei von 1995 bis 1997 wegen nachfolgender Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden:

"X-6081-1995 §§ 102 Abs. 1 und 7 Abs. 1 KFG i.V.m. 4 Abs. 4 KDV vom 31.3.1995 zu ATS 800.-

X-25291-1995 § 11 Abs. 1 und 18 Abs. 1 lit. g Tierschutzgesetz vom 19.12.1995 zu ATS 1.500.-

X-8549-1997 §§ 5 Abs. 1 und 99 Abs. 1 lit. a StVO vom 28.4.1997 zu ATS 11.000.-

X-25012-1997 §§ 5 Abs. 2 und 99 Abs. 1 lit. b StVO vom 14.11.1997 zu ATS 14.000.-"

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch sei der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer (im gewollten Zusammenwirken mit seiner geschiedenen Ehegattin) in der Nacht vom 1. auf den 2. August 1996 dem V. M. Faustschläge und Fußtritte versetzt und mit einer Stuhllehne auf den Kopf geschlagen habe, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich den Bruch eines Handwurzelknochens an der rechten Hand, Schädelprellungen und eine blutende Wunde am Kopf zur Folge gehabt habe. Weiters habe er den

V. M. am 2. August 1996 durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Rückkehr in seine Wohnung genötigt, indem er gegenüber R. M. erklärt habe, dass er ihren Ehegatten V. M. umbringen werde, wenn er nochmals in die Wohnung komme.

Der Beschwerdeführer sei in Österreich "langjährig" einer Beschäftigung nachgegangen und beziehe aufgrund einer Krankheit nunmehr eine "Invalidenspension". Er lebe mit seiner "Ex-Gattin" seit 19. August 1991 zusammen. Seine aus dieser Beziehung stammenden, nunmehr erwachsenen und verheirateten Kinder lebten auch in Österreich. Er habe bis 28. Februar 1996 durchgehend über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Über den vor deren Ablauf gestellten Verlängerungsantrag sei noch keine Entscheidung ergangen.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, durch das Berufen auf die Scheinehe bei der Antragstellung beim Arbeitsamt und bei der Fremdenpolizeibehörde habe der Beschwerdeführer Täuschungshandlungen gegenüber österreichischen Behörden zur Erschleichung arbeitsmarkt- und aufenthaltsrechtlicher Bewilligungen begangen, wodurch mangels Leistung eines Vermögensvorteiles zwar nicht der Tatbestand nach § 36 Abs. 2 Z 9 FrG verwirklicht sei, jedoch seien die Voraussetzungen nach § 36 Abs. 2 Z 6 FrG erfüllt. Aufgrund der zwei rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretungen nach § 99 Abs. 1 StVO liege auch die bestimmte Tatsache im Sinne des § 36 Abs. 1 Z 2 FrG vor. Die "vorgenannten" Tatbestände gemäß § 36 Abs. 2 Z 2 und Z 6 FrG stellten bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 leg. cit. dar, welche die Annahme rechtfertigten, dass ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Verstärkt werde diese Annahme durch die erwähnte strafgerichtliche Verurteilung, die zur Beurteilung des Gesamtverhaltens herangezogen werden könne.

Die belangte Behörde nahm einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch das Aufenthaltsverbot an, erachtete diese Maßnahme jedoch im Hinblick auf das eminente Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und wegen der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden besonderen Gefahr zur Aufrechterhaltung "bzw." zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zur Verhinderung strafbarer Handlungen im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG für dringend geboten. Bei der näher begründeten Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 37 Abs. 2 FrG kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, das in hohem Maße bestehende öffentliche Interesse, den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu untersagen, dränge dessen private Interessen in den Hintergrund.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von zehn Jahren - so die belangte Behörde abschließend - erscheine notwendig, um den Beschwerdeführer insbesondere von weiteren Rechtsbrüchen abzuhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Nach der zitierten Bestimmung ist somit Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes die auf bestimmte Tatsachen gestützte Prognose, dass der Aufenthalt eines Fremden die in Z 1 oder die in Z 2 genannten öffentlichen Interessen gefährdet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 98/18/0272)

§ 36 Abs. 2 FrG lautet - soweit im Beschwerdefall maßgeblich -

wie folgt:

     "(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat

insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

     ..............

     2. mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß

§ 99 Abs. 1 oder 2 der Straßenverkehrsordnung 1960,

BGBl. Nr. 159,..............rechtskräftig bestraft worden ist.

     ..............

     6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren

Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen

Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines

Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die

Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 zu verschaffen;

     .............

9. eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat."

2.1. In der Beschwerde bleiben die zur Scheinehe, zu den Verwaltungsübertretungen und zu der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen und die rechtliche Schlussfolgerung, aufgrund der beiden Bestrafungen nach § 99 Abs. 1 StVO sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 2 FrG erfüllt, unbestritten. Der Beschwerdeführer verweist jedoch darauf, dass § 36 Abs. 2 Z 9 FrG nicht verwirklicht sei, wenn für die Scheinehe - wie hier - kein Vermögensvorteil geleistet wurde. Das habe die belangte Behörde zwar erkannt, doch hätte dieses Verhalten dann auch nicht bei der Beurteilung nach § 36 Abs. 1 FrG zu Lasten des Beschwerdeführers gewürdigt werden dürfen. Diesen Standpunkt vertrat der Beschwerdeführer auch hinsichtlich dem der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Verhalten.

2.2. Aus der einleitend wiedergegebenen Darstellung der Rechtslage ergibt sich, dass gemäß § 36 Abs. 2 Z 9 FrG als bestimmte Tatsache, welche die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grund des Abs. 1 dieser Bestimmung rechtfertigen kann, insbesondere zu gelten hat, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat. Die (bloße) Eingehung einer Ehe ohne Führung eines Familienlebens und Berufung auf diese Ehe zur Erlangung eines Aufenthaltstitels stellt gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 FrG (nur) einen Grund für die Ausweisung eines Fremden dar, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält. Die gegenüber der Ausweisung, die den Fremden zur Ausreise verpflichtet, ohne einer neuerlichen Einreise entgegenzustehen, einen gravierenderen Eingriff in die persönliche Sphäre darstellende Maßnahme des Aufenthaltsverbotes, das den Fremden für die Dauer der Gültigkeit von der Einreise in das Bundesgebiet ausschließt, ist im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Eheschließung somit nur vorgesehen, wenn der Fremde für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat. Der Gesetzgeber bewertet somit die von einem Fremden, der sich die rechtsmissbräuchliche Eheschließung "erkauft", ausgehende Gefährdung der öffentlichen Interessen höher als die Gefährdung dieser Interessen durch einen Fremden, der für die Eheschließung keinen Vermögensvorteil leistet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 2000/18/0026).

Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (unter anderem) deshalb gerechtfertigt sei, weil der Beschwerdeführer eine Ehe rechtsmissbräuchlich eingegangen sei, um sich fremdenrechtlich bedeutsame Vorteile zu verschaffen, was den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG erfülle. Es entspricht zwar der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1992, BGBl. Nr. 838, dass es sich bei diesem Rechtsmissbrauch seinem Gehalt nach um ein dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z 6 Fremdengesetz 1992 (nunmehr § 36 Abs. 2 Z 6 FrG) gleichzusetzendes Fehlverhalten handle (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/0970). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf die Bestimmung des § 36 Abs. 1 FrG übertragen werden. Durch § 36 Abs. 2 Z 9 FrG - das Fremdengesetz 1992 enthielt keinen entsprechenden Tatbestand - ist nämlich klargestellt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die rechtsmissbräuchliche Eheschließung nur unter den in dieser Norm festgelegten Voraussetzungen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen können soll (vgl. neuerlich das erwähnte Erkenntnis vom 3. August 2000). Daraus folgt aber, dass im Hinblick auf die speziellere Norm des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG die Unterstellung dieses Verhaltens unter den Tatbestand der Z 6 leg. cit. nicht in Betracht kommt. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

2.3. Entgegen der Ansicht in der Beschwerde war die belangte Behörde jedoch nicht gehindert, das fremdenrechtlich zu missbilligende Eingehen einer Scheinehe zur Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers einzubeziehen. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist im Grund des § 36 Abs. 1 FrG das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im Gesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl. 98/21/0502, und das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0183, mwN, uva). Ein Aufenthaltsverbot könnte ja selbst dann erlassen werden, wenn - anders als hier - keiner der in § 36 Abs. 2 FrG beispielsweise aufgezählten Tatbestände verwirklicht ist, wohl aber aufgrund bestimmter (in Abs. 2 leg. cit. nicht aufgezählter) Tatsachen die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Gefährlichkeitsprognose getroffen werden kann. Die in § 36 Abs. 2 FrG beispielsweise genannten Sachverhalte sind hiebei als Maßstab für die Schwere jener Tatsachen heranzuziehen, die bei der Verhängung eines bloß auf § 36 Abs. 1 FrG gegründeten Aufenthaltsverbotes vorliegen müssen (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0183, mwN, uva).

In Beachtung dieser Erwägungen durfte die belangte Behörde daher das gesamte fremdenrechtlich relevante Verhalten des Beschwerdeführers, also neben den erwähnten Verwaltungsübertretungen auch die der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegende Tat und die Handlungen in Bezug auf die Scheinehe in die Gefährdungsprognose einbeziehen, wobei allerdings auf die seit der Eheschließung (und nicht nur seit der Nichtigerklärung) vergangene Zeit Bedacht genommen hätte werden müssen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 99/18/0252, mwN).

2.4. Der ausführlich dargestellte Einwand in der Beschwerde, dass sich die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Nichtigerklärung einer Ehe nach § 23 EheG nach dem Zeitpunkt der Eheschließung des Beschwerdeführers geändert habe, und ihm deshalb das Eingehen einer damals nach der Judikatur noch nicht unter Nichtigkeitssanktion gestandenen Ehe nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, geht ins Leere. Für die fremdenrechtliche Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob die (zivilrechtlichen) Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung gegeben waren, sondern allein auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe missbräuchlich zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen (Aufenthaltsbewilligung, Befreiungsschein) eingegangen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/1333).

2.5. Die Auffassung der belangten Behörde, dass angesichts des gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführer die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - somit keinen Bedenken; und zwar vor allem deshalb, weil es sich bei der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit von großem Gewicht handelt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 98/18/0367, mwN) und der Beschwerdeführer trotz seiner ersten diesbezüglichen Bestrafung nach nur wenigen Monaten ein gleichartiges Delikt beging. Bis zur der Erlassung des angefochtenen Bescheides war auch noch kein so langer Zeitraum seit dem vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhalten vergangen, dass wegen des Wohlverhaltens in diesem Zeitraum eine günstige Zukunftsprognose erstellt hätte werden können.

3.1. Die Beschwerde führt gegen das vorliegende Aufenthaltsverbot (unter anderem) noch ins Treffen, es sei für einen zu langen Zeitraum erlassen worden. Der vorliegende Sachverhalt vermöge die Erlassung eines auf zehn Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den seit neun Jahren ununterbrochen in Österreich lebenden Beschwerdeführer nicht zu rechtfertigen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

3.2. § 39 FrG lautet:

"Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes

§ 39. (1) Das Aufenthaltsverbot kann in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 1 und 5 unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 9 für die Dauer von höchstens fünf Jahren, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(2) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, oder auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Als für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes maßgebliche Umstände gemäß § 39 Abs. 2 FrG ist außer dem konkret gesetzten Fehlverhalten und der daraus resultierenden Gefährdung öffentlicher Interessen auch auf die privaten und familiären Interessen im Sinne des § 37 FrG Bedacht zu nehmen (vgl das hg. Erkenntnis vom 30. November 2000, Zl. 98/18/0290, und zuletzt das bereits erwähnte Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 98/18/0367).

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer angesichts der festgestellten familiären Bindungen, der Dauer seines inländischen Aufenthaltes von fast neun Jahren (wobei sich aus den Feststellungen ergibt, dass dem Beschwerdeführer auch nach der Nichtigerklärung der Scheinehe noch eine weitere Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde) und seiner langjährigen Berufstätigkeit zutreffend eine Integration in Österreich zugebilligt, diese jedoch bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes in die Erwägungen nicht einbezogen. Die oben wiedergegebene Begründung wird sohin den dargestellten Anforderungen nicht gerecht. Da demnach nicht nachvollziehbar ist, warum die belangte Behörde meint, dass trotz der vorhandenen Integration mit einem Wegfall der Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vor Ablauf von zehn Jahren nicht gerechnet wreden könne und demzufolge nicht überprüfbar ist, warum sie das im vorliegenden Fall mögliche Höchstmaß der Befristung des Aufenthaltsverbotes ausgeschöpft hat, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund - ohne dass es einer Stellungnahme zu § 37 FrG bedarf - als inhaltlich rechtswidrig aufzuheben.

4. Es war damit entbehrlich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen. Zur Vollständigkeit sei dazu aber angemerkt, dass - entgegen dem Standpunkt des Beschwerdeführers - die belangte Behörde die Anwendbarkeit der Richtlinie 64/221/EWG auf den vorliegenden Fall zutreffend verneinte und dass als Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch keine "tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen müsse, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre". Die in der Beschwerde dazu zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist auf einen Fremden, der wie der Beschwerdeführer jugoslawischer Staatsangehöriger ist, nicht anzuwenden.

5. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid - bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes handelt es sich um einen vom übrigen Inhalt des bekämpften Bescheides nicht trennbaren Ausspruch (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 30. November 2000, Zl. 98/18/0290, mwN) - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000210030.X00

Im RIS seit

15.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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