TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/21 2001/08/0086

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2001
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §35;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der

P Treuhand GmbH in P, vertreten durch Hule & Heinke, Rechtsanwälte KEG in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 19. April 2001, Zl. 127.471/2-7/01, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien:

1. Maria N in W, 2. Wiener Gebietskrankenkasse vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30;

3. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65,

5. Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien, 1010 Wien, Weihburggasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von S 565,-- und der Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass die erstmitbeteiligte Partei aufgrund ihrer Tätigkeit als Inkassantin für die beschwerdeführende Partei in der Zeit vom 1. September 1991 bis 31. März 1992 der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions)Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

Nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und einer Wiedergabe der von ihr angewendeten Rechtsvorschriften stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest (Unterstreichungen im Original):

"Die P. Treuhand Gesellschaft m.b.H. (die Beschwerdeführerin) führt seit 1978 in Wien die Hausverwaltung für diverse Hauseigentümer durch. Im Zuge dieser Tätigkeit ist sie auch für die Instandsetzungsarbeiten an diesen Häusern verantwortlich und Generalunternehmer.

Am 18.5.1989 wurde zwischen der besagten Gesellschaft, deren Firmenname damals noch P. Wirtschaftstreuhand-Gesellschaft m.b.H. lautete, und Frau Maria N.(der erstmitbeteiligten Partei), die zu dieser Zeit noch P. hieß, ein schriftlicher Vertrag über die Führung der Herberge Wien 3, W.straße 16, welche von der P. Treuhand GmbH errichtet worden war, abgeschlossen. Dieser Vertrag hatte auszugsweise folgenden Inhalt:

(v)Frau Maria P. führt die Herberge als selbständiger Kaufmann und ohne besondere Weisungsbefugnisse, sowie ohne eine Vereinbarung über eine fixe Arbeitszeit.

Frau P. ist verpflichtet, halbmonatlich die Einnahmen und eventuellen Ausgaben der Herberge abzurechnen und der P. Wirtschaftstreuhand hierüber Rechenschaft zu legen.

Sie hat das Recht, kleine Anschaffungen, die im Zusammenhang mit der Reinhaltung der Räume und dem Ersatz von Verbrauchsgütern, wie Glühlampen usw., stehen, selbständig auf Kosten der P. Wirtschaftstreuhand durchzuführen. Anschaffungen, die den Betrag von S 1.000,-- übersteigen, sind vorher von der P.

Wirtschaftstreuhand genehmigen zu lassen.

Kautionen soll Frau P. an und für sich von den einzelnen Gästen bzw. Mietern kassieren. Diese kassiert sie jedoch im eigenen Namen und hat diese Kautionen mit der P.

Wirtschaftstreuhand nicht zu verrechnen <..............>

Soweit Frau P. Hilfskräfte zur Führung dieser Herberge benötigt, wird sie diese in eigenem Namen und für eigene Rechnung einstellen. Diese Hilfskräfte sind keine Angestellten der P. Wirtschaftstreuhand.

Die Führung der gesamten Buchhaltung über diese Herberge, die Finanzierung und die Steuerverrechnung hat die P.

Wirtschaftstreuhand allein durchzuführen.

Diese Vereinbarung wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Jeder Vertragspartner ist verpflichtet, eine dreimonatige Kündigungsfrist zur Auflösung dieses Vertragsverhältnisses einzuhalten. (v)

Die von Frau N. in der fraglichen Zeit vom 1.9.1991 bis 31.3.1992 ausgeübte Tätigkeit gestaltete sich folgendermaßen:

Frau Maria N. hatte die Liegenschaft in 1030 Wien, W.straße 16, zu beaufsichtigen, die Wohnungen zu vermieten, Reparaturarbeiten zu beaufsichtigen sowie Inkassotätigkeiten vorzunehmen und die Schlüssel zu verwalten.

Ihr Arbeitsort war an der Adresse 1030 Wien, W.straße 16, wo sie auch ihren ordentlichen Wohnsitz hatte. Die Arbeitszeit richtete sich nach den Erfordernissen und war nicht fix vereinbart. Frau N. war den Weisungen der P. Treuhand GmbH unterworfen, konnte jedoch die Ausführungen ihrer Arbeiten selbst gestalten. Bei der Auftragsvergabe diverser Reparaturarbeiten im Hause musste sie immer Rücksprache halten, da die Firmen von der P. Treuhand GmbH bezahlt wurden. Frau N. war keinesfalls berechtigt, auf eigene Rechnung Hilfskräfte einzustellen, was sie auch niemals tat.

Der Inhalt der Tätigkeit bestimmte sich aus dem Vertrag, danach richtet sich auch die Arbeitszeit.

Durch die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Hausverwalter war eine Kontrolle ihrer Tätigkeiten gegeben. Während ihrer Abwesenheit (durch Urlaub oder Erkrankung) konnte sie sich von einer Person ihres Vertrauens, meistens ihr Gatte, vertreten lassen. Da dies nicht allzu oft vorkam, musste sie die P. Treuhand GmbH davon nicht verständigen. Alle Belege und Rechnungen lauteten auf P. Treuhand GmbH."

Nach Erwägungen zur Beweiswürdigung beurteilte die belangte Behörde den von ihr festgestellten Sachverhalt rechtlich wie folgt:

"Unbestritten ist, dass Frau Maria N. für die P. Treuhand GmbH im gegenständlichen Zeitraum tätig geworden ist und ein Entgelt für ihre Tätigkeit bezogen hat.

Bestritten wird, dass Frau Maria N. zur P. Treuhand GmbH in einem echten Dienstverhältnis, das durch persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gekennzeichnet ist, gestanden ist.

Bestritten wird daher weiters, dass Frau Maria N. der Voll- (Kranken-,Unfall-, Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlag.

Nur bei Vorliegen sämtlicher im § 4 Abs. 2 ASVG geforderten Merkmale, nämlich persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit sowie Entgeltlichkeit, wird ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet.

Im gegenständlichen Verfahren ist die Frage zu klären, ob zwischen Frau Maria N. und der P. Treuhand GmbH ein echter Dienstvertrag oder allenfalls ein Werkvertrag abgeschlossen worden ist:

Für die Beurteilung der Frage, ob ein auf einem Vertrag beruhendes Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht, ist allerdings nicht primär der Vertrag (die Vereinbarung) maßgebend, auf Grund dessen die Beschäftigung ausgeübt wird, vielmehr sind die 'wahren Verhältnisse' entscheidend, das heisst, ob bei der tatsächlichen (und nicht bloß vereinbarten) Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen (vgl. u.a. das VwGH-Erkenntnis vom 31.1.1995, Zl. 92/08/0213).

Die vertragliche Gestaltung der Beschäftigung ist zwar in diese Beurteilung miteinzubeziehen, weil sie die von den Parteien des Beschäftigungsverhältnisses in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt, die wiederum bei der Deutung von Einzelmerkmalen der Beschäftigung relevant sein können; entscheidend bleibt aber doch, wie die in Aussicht genommene Beschäftigung konkret ausgeübt wird, also, ob bei der tatsächlichen (und nicht bloß vereinbarten) Beschäftigung die genannten Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen (vgl. VwGH-Erkenntnis Zl. 88/08/0269 vom 11.12.1990, sowie in jüngster Zeit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.2.2001, Zl. 96/08/0028-11).

Auf Grund des im Sozialversicherungsrecht herrschenden Grundsatzes des Vorranges des Faktischen vor dem Vereinbarten ist somit das vertraglich Vereinbarte unbeachtlich, wenn die konkrete Ausübung der Beschäftigung ein ganz anderes Bild des Beschäftigungsverhältnisses zeigt. Das Vereinbarte kann allerdings im obigen Sinne zur Interpretation der von den Parteien beabsichtigten, gewollten Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses herangezogen werden.

Insbesondere die Tatsache, dass die Vereinbarung auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, zeigt, dass von den Parteien kein Werkvertrag gewollt war, da ein Werkvertrag mit der Beendigung des Werkes endet: Ebenso spricht die Regelung von Kündigungsmodalitäten gegen das Wesen eines Werkvertrages. Frau N. hatte sich der P. Treuhand GmbH gegenüber zur Führung der besagten Herberge verpflichtet, worin kein ihr geschuldeter Erfolg, sondern ein Dauerschuldverhältnis zu sehen ist, bei dem die dienstvertraglichen Elemente jedenfalls überwiegen .... Aus dem Vertrag geht auch hervor, dass Frau N. über die auf Kosten der P. Treuhand GmbH getätigten Anschaffungen Buch zu führen hatte und überdies verpflichtet war, Anschaffungen ab einem Betrag von S 1.000,-- genehmigen zu lassen. Auch dieses Vertragselement spricht dagegen, dass Frau N. selbständig erwerbstätig war.

Nach Ansicht der Berufungsbehörde weist sowohl die Interpretation der oben genannten Teile des vorliegenden Vertrages als auch die Aussage von Frau Maria N., aus der hervorgeht, dass die tatsächlichen Verhältnisse größtenteils anders waren, als dies im Vertrag geregelt wurde, darauf hin, dass von den Parteien kein Werkvertrag, sondern ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen wurde. Es liegt vielmehr gemäß § 539a ASVG ein Versuch vor, durch ein Scheingeschäft die Versicherungspflicht nach dem ASVG zu vermeiden. Nach der zitierten Bestimmung ist dies aber unzulässig und daher ist im Folgenden nicht näher auf den Vertrag einzugehen, sondern auf Grund der wahren Verhältnisse zu überprüfen, ob in einer Gesamtbetrachtung beim vorliegenden Beschäftigungsverhältnis die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit ein Beschäftigungsverhältnis gemäß 4 Abs. 2 ASVG vorliegt.

Die Beantwortung der Frage, ob bei einer Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung (z.B. in einem Werk- oder freien Dienstverhältnis) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzliche) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände, wie z. B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 31.1.1995, Zl. 92/08/0213, mit weiteren Judikaturhinweisen, sowie in jüngster Zeit das VwGH-Erkenntnis vom 21.2.2001, Zl. 96/08/0028-11).

Für ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG genügt schon das Überwiegen der Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit. Die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit müssen nicht alle gemeinsam vorliegen und können auch in unterschiedlich starker Ausprägung auftreten. Das Fehlen eines an sich unterscheidungskräftigen Merkmales persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit lässt daher noch keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass die zu beurteilende Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht unterliegt; es kommt vielmehr darauf an, ob unter Berücksichtigung aller im Einzelfall gegebenen Umstände die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet ist.

Im konkreten Fall war Frau Maria N. zur Bereitstellung ihrer Arbeitskraft verpflichtet. Sie war den Weisungen der P. Treuhand GmbH unterworfen. Beispielsweise durfte sie keine eigenmächtigen Entscheidungen bei Auftragsvergaben diverser Reparaturarbeiten an Firmen treffen, sondern musste sich in diesen Fällen immer an ihren Dienstgeber wenden, der letztlich auch die Rechnungen dieser beauftragten Firmen bezahlt hat.

Die Tatsache allein, dass Frau N. die Ausführungen ihrer Arbeiten selbst gestalten konnte, deutet noch nicht auf ihre persönliche Unabhängigkeit hin. So unterliegen Dienstnehmer, bei denen infolge ihrer Kenntnisse, Erfahrungen oder Fähigkeiten Weisungen nicht notwendig sind, doch der 'stillen Autorität' ihres Dienstgebers (vgl. in jüngster Zeit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.2.2001, Zl. 96/08/0028-11, und die dort angeführte Judikatur). Durch die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Verwalter der Liegenschaft wurde ihre Tätigkeit kontrolliert. Ihr Arbeitsort war immer an der Adresse 1030 Wien, W.straße 16.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen einschlägigen Erkenntnissen wiederholt dargelegt hat, kommt dem isolierten Moment der Einflussnahme des Beschäftigten auf seine Arbeitszeit keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die für die persönliche Abhängigkeit charakteristische weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung, mag sie auch - wie bei Teilzeitbeschäftigten - nur einen geringen Teil der einer Person an sich zur Verfügung stehenden Zeit in Anspruch nehmen, kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vielmehr auch dann vorliegen, wenn der Beschäftigte auf Grund einer Vereinbarung oder der Betriebsübung oder der Art einer Beschäftigung zum Teil Beginn und Dauer der täglichen Arbeitszeit weithin selbst bestimmen kann; ob dem Beschäftigten eine solche Berechtigung aus betrieblichen Gründen oder aus Gründen, die allein in seiner Sphäre liegen, eingeräumt wird, ist hiebei irrelevant (zu vergleichen insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.9.1981, Zl. 08/3886/80-13, und die dort angeführte Judikatur).

Die Arbeitszeit von Frau N. war zwar nicht fix vereinbart, doch richtete sie sich nach den jeweiligen Erfordernissen der Beschäftigung.

Frau Maria N. hatte die Arbeit persönlich zu erbringen.

Zur Frage der Vertretungsberechtigung ist zu betonen, dass die bloße Befugnis, sich im Falle der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, z.B. im Falle einer Krankheit oder eines Urlaubes (VwGH vom 03.07.1990, Zl. 88/08/0293, 24.03.1992, Zl. 91/08/0117, 12.05.1992, Zl. 91/08/0026, 19.05.1992, Zl. 87/08/0271) oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht (VwGH vom 16.04.1991, Zl. 90/08/0117, 24.03.1992, Zl. 91/08/0117) vertreten zu lassen, keine die persönliche Abhängigkeit ausschließende Berechtigung darstellt, ebensowenig die bloße wechselseitige Vertretungsmöglichkeit mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (VwGH vom 03.07.1990, Zl. 88/08/0293, 22.01.1991, Zl. 89/08/0289, 19.05.1992, Zl. 87/08/0271).

Von einer generellen Vertretungsbefugnis kann demgemäß - so wie im Arbeitsvertragsrecht (vgl. Krejci in Rummel 2, RZ 38 zu § 1151) - nur dann gesprochen werden, wenn der Beschäftigte berechtigt ist, jederzeit (wenn auch 'nach Rücksprache' oder - unter bestimmten eingeschränkten Umständen - sogar nach Zustimmung des Empfängers der Arbeitsleistung: vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 29.09.1986, Zl. 82/08/0208, und vom 02.07.1991, Zl. 86/08/0155) und nach Gutdünken (d.h. ohne bestimmten Grund) irgendeinen geeigneten Vertreter der von ihm übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen (VwGH vom 14.03.1962, Zl. 656/59, 18.10.1974, Zl. 469/74, Slg. Nr. 8680/A, 22.10.1996, Zl. 94/08/0118).

Von einer generellen Vertretungsbefugnis der Frau N. durch beliebige Personen ihres Vertrauens kann in diesem Fall aber nicht gesprochen werden, da sie sich nur während ihrer Abwesenheit durch Unfall oder Erkrankung von ihrem Gatten vertreten ließ. Weiters war sie nicht berechtigt, auf eigene Rechnung Hilfskräfte einzustellen.

Zusammenfassend kommt das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen zu dem Ergebnis, dass nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigungen die Bestimmungsfreiheit der Frau Maria N. weitgehend ausgeschaltet und nicht nur beschränkt war und die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber jenen der persönlichen Unabhängigkeit überwogen haben.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Es kann somit zwar wirtschaftliche Abhängigkeit bei persönlicher Unabhängigkeit bestehen, nicht aber persönliche Abhängigkeit ohne wirtschaftliche Abhängigkeit im genannten Sinn (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 31.1.1995, Zl. 92/08/0213, mit weiteren Judikaturhinweisen, sowie in jüngster Zeit das VwGH-Erkenntnis vom 21.2.2001, Zl. 96/08/0028- 11).

Es ist daher auf die Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht gesondert einzugehen.

Das Vorbringen der Berufungswerberin, dass sie als kleines Unternehmen mit Sitz in P. aus ökonomischen Gründen gar keinen anderen als einen Werkvertrag abschließen habe können, ist sozialversicherungsrechtlich nicht von Relevanz.

Der Ausführung der Berufungswerberin, dass sie nach der Rechtsauffassung der Österreichischen Finanzverwaltung überhaupt kein Arbeitgeber sei, ist entgegenzuhalten, dass diese Argumentation im konkreten Fall ins Leere geht, da sie nach der bereits oben zitierten Bestimmung des § 35 Abs. 1 erster Satz ASVG im Sozialversicherungsrecht jedenfalls als Dienstgeber anzusehen ist.

In seinem Erkenntnis vom 17.12.1991, ZI. 90/08/0222, hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass für die Bestimmung des sozialversicherungsrechtlichen Dienstgebers in Abgrenzung von sonstigen Personen, die am Betriebsergebnis interessiert oder beteiligt oder in die Beziehungen zum Dienstnehmer eingebunden sind, zunächst wesentlich ist, wer (nach rechtlichen und nicht nur tatsächlichen Gesichtspunkten) aus den im Betrieb getätigten Geschäften, zu denen auch die Beschäftigung von Personen gehört, unmittelbar berechtigt oder verpflichtet wird, wen also demnach das Risiko des Betriebes im gesamten unmittelbar trifft. Nicht entscheidend für die Dienstgebereigenschaft einer solchen (aus der Betriebsführung unmittelbar berechtigten und verpflichteten) Person ist es, ob sie den Betrieb selbst oder durch dritte Personen (Organe, Bevollmächtigte, Beauftragte, Familienangehörige, Dienstnehmer usw.) führt, wenn ihr nur (auch) im Falle der Betriebs-führung durch dritte Personen (weiterhin) zumindest die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung zusteht.

An der Dienstgebereigenschaft einer Person ändert sich aber auch dadurch nichts, dass im Falle einer mit ihrem Wissen und Willen erfolgenden Betriebsführung durch einen Dritten dieser Dritte bei den einzelnen betrieblichen Geschäften (so auch bei der Indienstnahme und Beschäftigung einer Person im Betrieb und für den Betrieb, einschließlich der Weisungserteilung und der tatsächlichen Entgeltzahlung, als 'Mittelsperson') nach außen hin im eigenen Namen auftritt, wenn nur den Dienstgeber das Risiko des Betriebes im gesamten trifft und ihm zumindest die rechtliche Einflussmöglichkeit auf die tatsächliche Betriebsführung im Ganzen zusteht. Darauf, ob eine derartige Indienstnahme und Beschäftigung einer Person für den Betrieb durch den den Betrieb tatsächlich Führenden 'ohne Wissen oder sogar gegen den Willen des Dienstgebers erfolgt' kommt es bei Zutreffen der vorgenannten Voraus-setzungen nicht an. Dabei genügt (neben der Risikotragung für den Betrieb) die rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme (durch Weisung, Kontrolle usw.) auf die tatsächliche Betriebsführung einschließlich der Beschäftigung einer Person durch den Dritten. Ob und inwiefern der Dienstgeber diese rechtliche Möglichkeit auch tatsächlich wahrnimmt, ist unmaßgeblich. Andernfalls könnte der, auf dessen Rechnung im genannten Sinn ein Betrieb geführt wird, dadurch, dass er sich - aus welchen Gründen immer - um die faktische Betriebsführung nicht kümmert, seine Dienstgebereigenschaft im Bezug auf eine oder mehrere in seinem Betrieb im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigte Person ausschließen, obwohl ihm die echte unternehmerische Nutznießung zukommt, die für den weiten Dienstgeberbegriff des § 35 ASVG bestimmend ist.

Im Sinne des Sozialversicherungsrechtes muss der Dienstgeber Rechtspersönlichkeit besitzen. Da die im Firmenbuch eingetragene P. Treuhand GmbH als juristische Person Rechtspersönlichkeit besitzt, kann sie zweifellos als sozialversicherungsrechtlicher Dienstgeber angesehen werden. Laut Sachverhalt wurde im gegenständlichen Fall die Herberge, welche als gewinnorientierter Wirtschaftskörper einen Betrieb darstellt, ausschließlich auf Gefahr und Rechnung der P. Treuhand GmbH geführt, da Frau N. nur im Namen und im Auftrag der P. Treuhand GmbH arbeitete und somit auch alle Belege und Rechnungen auf diese Firma lauteten. Folglich hatte die P. Treuhand GmbH, und nicht etwa Frau Maria N., das unternehmerische Risiko zu tragen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift - die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides meint die beschwerdeführende Partei, dass "im Hinblick auf den vorliegenden Vertrag" näher dargestellte Umstände des Beschäftigungsverhältnisses der Erstmitbeteiligten "aktenkundig" seien, etwa dass sie an keine bestimmte Arbeitszeit und an keine Weisungen hinsichtlich des Arbeitsablaufes gebunden gewesen sei, dass sie sich bei ihrer Tätigkeit habe vertreten lassen können, die Bezahlung auf reiner Provisionsbasis erfolgt sei und kein Spesenersatz gegeben gewesen sei, dass sie das Unternehmerrisiko getragen habe, aufgrund ihrer Tätigkeit zur Einkommen- und Umsatzsteuer veranlagt worden sei, keine Eingliederung in die Organisation der beschwerdeführenden Partei vorgelegen sowie kein Kranken- und Urlaubsgeld bezahlt worden sei. "Aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung" habe die belangte Behörde näher bezeichnete Feststellungen zu Unrecht getroffen. "Bei rechtsrichtiger Beurteilung" hätte die belangte Behörde "jedoch feststellen müssen", dass weder im Vertrag noch sonst eine persönliche Leistungserbringung der Erstmitbeteiligten für die Führung der Herbergen gefordert worden, geschweige denn erforderlich gewesen sei. Die belangte Behörde habe es "in Verkennung der rechtlichen Situation ... unterlassen", jenen Werkvertrag beizuschaffen, mit welchem nach Beendigung des Werkvertrages der Erstmitbeteiligten zwischen der beschwerdeführenden Partei und dem Ehegatten der Erstmitbeteiligten die Weiterführung der Herbergen "auf den Mann übertragen" worden sei. "Auf Grund eines rechtlich richtig festgestellten Sachverhaltes" hätte die belangte Behörde zur Auffassung gelangen müssen, dass im vorliegenden Fall die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht überwogen" hätten.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wiederholt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit anderen Worten ihr bereits unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes vorgetragenes Beschwerdevorbringen.

Soweit die beschwerdeführende Partei den Feststellungen der belangten Behörde davon abweichende Behauptungen darüber, was "aktenkundig" sei, entgegensetzt, ohne jedoch im Einzelnen den beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde entgegenzutreten und mit näherer Begründung deren Unschlüssigkeit darzutun, kommt weder eine begründete Verfahrens- noch eine solche Rechtsrüge zur Darstellung.

Vor allem scheitert die vorliegende Beschwerde aber daran, dass sie sich zentral auf den zwischen der Beschwerdeführerin und der erstmitbeteiligten Partei abgeschlossenen Vertrag stützt, ohne jedoch mit einem Wort den Feststellungen der belangten Behörde entgegenzutreten, wonach es sich dabei um ein Scheingeschäft gehandelt habe, um die Versicherungspflicht nach dem ASVG zu vermeiden. Davon ausgehend, erweisen sich aber die zwischen der beschwerdeführenden Partei und der Erstmitbeteiligten getroffenen schriftlichen Vereinbarungen als für die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Beschwerdefalles unerheblich.

Soweit die beschwerdeführende Partei meint, die belangte Behörde hätte die vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihr und dem Ehegatten der Erstmitbeteiligten untersuchen müssen, legt sie selbst nicht dar, was aus dieser Vereinbarung (die für einen anderen Zeitraum geschlossen wurde) für das Beschäftigungsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der erstmitbeteiligten Partei hätte gewonnen werden können.

Da das Beschwerdevorbringen aus den erwähnten Gründen nicht geeignet ist, die Tatsachengrundlagen der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde zu erschüttern und der Verwaltungsgerichtshof die - oben wiedergegebene - Begründung der belangten Behörde - der in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten wird - für rechtlich zutreffend erachtet, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001080086.X00

Im RIS seit

02.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten