TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/22 2000/06/0064

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Veröffentlicht am 22.11.2001
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Index

L82000 Bauordnung;
L82005 Bauordnung Salzburg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z6;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12 Abs1;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12 Abs4;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §14 Abs1 lita;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/06/0065

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerden 1. des Dr. E S in Z, vertreten durch Lirk - Ramsauer - Perner & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, Rochusgasse 4 (Beschwerde Zl. 2000/06/0064), und 2. des A M und 3. der M M, beide in Z, vertreten durch Pallauf, Pullmann, Meißnitzer & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, Petersbrunnstraße 9 (Beschwerde Zl. 2000/06/0065), gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 16. März 2000, Zl. 1/02-37.292/8-2000, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien in beiden Beschwerdeverfahren: 1. Stadtgemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Restitutionsfonds der Freien Gewerkschaften in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef W. Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, Sterneckstraße 55), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Dr. E S Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Land Salzburg hat weiters den Beschwerdeführern A M und M M zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren dieser Beschwerdeführer wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem am 12. März 1999 bei der Behörde eingebrachten Antrag vom 4. März 1999 kam die zweitmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) um Erklärung eines Grundstückes im Gebiet der erstmitbeteiligten Gemeinde zum Bauplatz ein. Mit dem ebenfalls am 12. März 1999 eingebrachten Gesuch vom 2. März 1999 kam die Bauwerberin um baubehördliche Bewilligung zum Abbruch eines auf diesem Grundstück bestehenden Bestandobjektes, weiters um Bewilligung zur Errichtung eines Neubaues (Büro- und Wohnhauses mit Tiefgarage) auf diesem Grundstück ein. Das zu bebauende Grundstück ist ein "Eckgrundstück" und grenzt demgemäß mit der nördlichen Seite an die M-Straße, mit der westlichen Seite an die E-Straße. Der Erstbeschwerdeführer (Beschwerde Zl. 2000/06/0064) ist Eigentümer eines Grundstückes, das dem Bauplatz gegenüber an der M-Straße gelegen ist. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführer (kurz: Nachbarn M. - Beschwerde Zl. 2000/06/0065) sind Eigentümer benachbarter, östlich des Bauplatzes gelegener Grundstücke.

In der Bauverhandlung vom 21. April 1999 erhoben (unter anderem) die Beschwerdeführer Einwendungen gegen das Vorhaben.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 24. August 1999 wurde im Spruchabschnitt I. das zu bebauende Grundstück zum Bauplatz erklärt, unter anderem unter Festsetzung (höhenmäßig gestaffelter) Baufluchtlinien zur E-Straße einerseits und zur M-Straße andererseits (diesbezüglich verläuft die Baufluchtlinie 3 in einem Abstand von 1,745 m zu einem näher bezeichneten Grundstück - das ist die M-Straße).

Mit Spruchsabschnitt II. wurde der Bauwerberin die angestrebte baubehördliche Bewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt, die Einwendungen unter anderem der Beschwerdeführer wurden teils als unbegründet abgewiesen und teils als unzulässig zurückgewiesen.

Dagegen beriefen die Beschwerdeführer.

Mit Berufungsbescheid vom 9. Dezember 1999 wurde den Berufungen Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid "aufgehoben" und das Baugesuch "wegen Rechtswidrigkeit bzw. wegen Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte" der Beschwerdeführer abgewiesen.

Dagegen erhob die Bauwerberin Vorstellung.

Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren und führte unter Beiziehung der Bauwerberin (ihres Vertreters) einen Augenschein mit einem Amtssachverständigen durch. Der beigezogene Amtssachverständige erstattete Befund und Gutachten zu den von den Beschwerdeführern angeschnittenen Fragen der (ihrer Auffassung nach) gesetzwidrigen Festlegung der Baufluchtlinien, der Einhaltung der Abstandsvorschriften, der Belichtung und Besonnung des Grundstückes des Erstbeschwerdeführers und der Lärm- und Geruchsbelästigung durch die geplante Tiefgarage. Festzuhalten ist, dass der Aktenlage zufolge die Beschwerdeführer dem Augenschein nicht beigezogen worden waren und ihnen auch zu Befund und Gutachten kein Parteiengehör gewährt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung der Bauwerberin Folge gegeben, den Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurückverwiesen.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und des Vorstellungsvorbringens heißt es begründend insbesondere, die Berufungsbehörde habe ihre Entscheidung auf Versagung der Baubewilligung auf § 9 Abs. 1 Z. 4 und 6 des Baupolizeigesetzes (BauPolG) gestützt. Bei der Prüfung der Frage, ob die Versagung der Baubewilligung wegen Verletzung baurechtlicher Vorschriften gemäß dieser Gesetzesstellen durch die Berufungsbehörde zu Recht erfolgt sei, sei zunächst davon auszugehen, dass sich die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Falle eines Rechtsmittels einer Partei mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auch auf die Anrainer nach den baurechtlichen Vorschriften zutreffe, auf jene Fragen zu beschränken habe, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als ein subjektiv-öffentliches Recht bestehe. Daraus folge, dass die Berufungsbehörde nicht berechtigt sei, das Bauvorhaben auf seine Übereinstimmung mit sämtlichen baurechtlichen Regelungen von Amts wegen zu prüfen, sondern nur im Umfang der von den Nachbarn rechtzeitig geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechte. Diese Einschränkung der Prüfungsbefugnis gelte auch für die Vorstellungsbehörde, die sich im aufsichtsbehördlichen Verfahren auf jene Fragen zu beschränken habe, welche ein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn beträfen und welche rechtzeitig geltend gemacht worden seien.

Der Erstbeschwerdeführer wende ein, dass die Baufluchtlinie nicht gesetzeskonform festgelegt worden sei. Hiezu sei auszuführen, dass gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Nachbarn nicht nur ein subjektivöffentliches Recht auf die Einhaltung der Baufluchtlinie, sondern auch auf deren gesetzmäßige Festlegung zukomme.

Zu dieser Frage habe der hochbautechnische Amtssachverständige der belangten Behörde im Rahmen von ergänzenden Ermittlungen Feststellungen getroffen (es folgt die Wiedergabe eines Teiles des Gutachtens des Amtssachverständigen). Daraus ergebe sich, dass die Festlegung der Baufluchtlinien im Rahmen des Bauplatzerklärungsverfahrens gesetzeskonform erfolgt und der Erstbeschwerdeführer hiedurch in keinen subjektivöffentlichen Nachbarrechten verletzt worden sei.

Was die von ihm ebenfalls gerügte Verletzung von Abstandsvorschriften anlange, sei festzuhalten, dass seine Liegenschaft nördlich der M-Straße gegenüber dem geplanten Bauvorhaben liege. Zwischen dem Bauplatz und seiner Liegenschaft verlaufe die öffentliche Verkehrsfläche M-Straße, die in diesem Bereich zwischen 9,5 m und 9,0 m breit sei. Gemäß § 25 Abs. 3 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG) müsste der gesetzliche Mindestabstand des geplanten Objektes gegenüber der Grenze der Liegenschaft in diesem Bereich 8,51 m betragen (wird näher dargelegt). Der Abstand gemäß dem Projekt betrage aber 10,5 m, gemessen im Bereich der vorspringenden Wandscheibe (des geplanten Objektes). Damit werde jedenfalls der gesetzliche Mindestabstand eingehalten, sodass der Erstbeschwerdeführer auch diesbezüglich in keinen subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt werde.

Zur Frage der von ihm ebenfalls geltend gemachten Beeinträchtigung der Belichtung und Besonnung seiner Grundstücke sei darauf hinzuweisen, dass ihm im Bauverfahren zwar ein subjektiv-öffentlicher Rechtsanspruch auf Einhaltung der Abstandsbestimmungen auch im Hinblick auf eine ausreichende Belichtung und Besonnung zukomme, darüber hinaus komme dem Nachbarn aber kein subjektiv-öffentliches Recht auf Beibehaltung unveränderter Sonneneinstrahlung bzw. unveränderter Lichtverhältnisse zu (Hinweis auf hg. Judikatur).

Den Einwendungen der Nachbarn M. sei entgegenzuhalten, dass das Projekt die erforderlichen Mindestabstände zu ihren Grundstücken einhalte (wird näher ausgeführt). Zu den von ihnen weiter geltend gemachten Verletzungen subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte durch eine unzumutbare Geruchs- und Lärmbelästigung durch die geplante Tiefgarage sei auszuführen, dass gemäß dem Projekt im ersten Untergeschoss sieben Einstellplätze für Angestellte, nicht jedoch für Besucher des (geplanten) Schulungsbetriebes und der geplanten Veranstaltungen vorgesehen seien, weshalb keine Fahrbewegungen stattfinden würden, wie sie in Art und Umfang durch einen Schulungs- und Veranstaltungsbetrieb zu erwarten seien. Die Fahrbewegungen zur Tiefgarage sollten entlang der Bauplatzgrenze im Osten bzw. entlang der Grundstücke der Nachbarn M. erfolgen. Von der M-Straße aus gesehen, falle das Gelände Richtung Süden ab, was hinsichtlich der zu erwartenden Lärmentwicklung bedeute, dass die Abfahrt selbst "durch die Baukonstruktion von Nachbargrundstücken" abgeschirmt werde. Der Abstand zwischen dem geplanten Objekt und dem bestehenden Gebäude auf dem Grundstück der Nachbarn M betrage 8 m. Daraus könne geschlossen werden, dass eine ausreichende Belüftung zwischen den Baukörpern im städtischen Gefüge dieses Bereiches der Gemeinde in ortsüblicher Weise gegeben sei. Die verputzte Fassade des projektierten Gebäudes sowie die versenkte Ausführung der Tiefgaragenausfahrt ließen daher nach Auffassung der belangten Behörde keine Rückschlüsse auf außergewöhnliche oder übermäßige Reflektionen zu. Durch die Schaffung von lediglich 7 Kfz-Abstellplätzen und die daraus resultierenden Fahrbewegungen seien daher keine Lärm- und Geruchsbelästigungen zu erwarten, die geeignet wären, die Nachbarn über Gebühr zu beeinträchtigen; keinesfalls sei eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder gar eine Gefährdung dieser Nachbarn zu erwarten. Im Übrigen hätten diese auch nicht konkret dargetan, welche über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Belästigung oder welche Gefährdung für sie aus der Realisierung der fraglichen Tiefgarage entstehen könnte.

Kein Mitspracherecht komme den Nachbarn hinsichtlich der Vorschriften über die Verpflichtung zur Schaffung von Abstellplätzen und Garagen zu, hinsichtlich einer gesetzwidrig festgesetzten Geschossflächenzahl und Baudichte, hinsichtlich der Beibehaltung der Eigenart der Umgebung und des Siedlungscharakters, sowie auch hinsichtlich der Wahrung des Orts- und Landschaftsbildes, und auch nicht hinsichtlich einer Änderung der Verkehrsverhältnisse auf den öffentlichen Verkehrsflächen (Hinweis auf hg. Judikatur).

Vorliegendenfalls habe die Berufungsbehörde ihre Entscheidung, die Baubewilligung zu versagen, auf die gesetzwidrige Festlegung der Baufluchtlinien, das Fehlen der erforderlichen Abstellplätze sowie die gesetzwidrige Festlegung der Geschossflächenzahl und die dadurch ihrer Auffassung nach bedingte Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte gestützt.

Die belangte Behörde stimme der Auffassung der Berufungsbehörde grundsätzlich zu, dass es sich bei der Frage der Einhaltung und der gesetzmäßigen Festlegung der Baufluchtlinie um ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht handle. Dieses Nachbarrecht sei jedoch auf Grund der Aktenlage und der durch die belangte Behörde durchgeführten ergänzenden Ermittlungen nicht verletzt worden. Da auf Grund des - auch von der belangten Behörde ergänzten - Ermittlungsverfahrens festzustellen sei, dass auch sonstige subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, die die Beschwerdeführer rechtzeitig geltend gemacht hätten, nicht verletzt worden seien, sei die Berufungsbehörde nicht berechtigt gewesen, die beantragte Baubewilligung zu versagen, wodurch die Bauwerberin in ihrem Rechtsanspruch auf Erteilung der Baubewilligung verletzt worden sei.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerdeverfahren wegen des sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, uva.). Das hat auch für den Nachbarn zu gelten, der seine Parteistellung gemäß § 42 AVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 beibehalten hat.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 6 des Salzburger Baupolizeigesetzes 1997, LGBl. Nr. 40 (BauPolG), welches im Beschwerdefall in der Fassung LGBL. Nr. 96/1999 anzuwenden ist, ist die Baubewilligung zu versagen, wenn durch die baulichen Maßnahmen ein subjektivöffentliches Recht einer Partei verletzt wird. Solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und Lage der Bauten im Bauplatz. Soweit jedoch Bestimmungen des Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 75/1976, in Betracht kommen, ist das Mitspracherecht der Nachbarn auf die im § 62 Bautechnikgesetz taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechte beschränkt (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1997, Zl. 96/06/0051, uam.).

Gemäß § 25 Abs. 3 1. Satz des Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG), LGBl. Nr. 69/1968 in der Fassung LGBl. Nr. 4/1999, gilt für den Abstand der Bauten von der Grundgrenze gegen die Verkehrsfläche die Baufluchtlinie oder die Baulinie; im Übrigen enthält dieser Abs. 3 auch Bestimmungen hinsichtlich der Mindestabstände zu anderen Bauplatzgrenzen.

§ 31 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1998 (ROG 1968), LGBl. Nr. 44 (Wiederverlautbarung) in der Fassung der Kundmachung LGBl. Nr. 108/1999, enthält nähere Bestimmungen unter anderem zu Baufluchtlinien und Baulinien. Diese Bestimmungen lauten auszugsweise:

"(1) Die Baufluchtlinie ist jene Linie, die durch oberirdische Bauten gegen die Verkehrsfläche hin nicht überschritten werden darf.

(2) Die Baulinie ist jene Linie, an die ein oberirdischer Bau gegen die Verkehrsfläche herangebaut werden muss.

(3) Baugrenzlinien sind Linien gegenüber anderen Flächen als Verkehrsflächen, die durch oberirdische Bauten nicht überschritten werden dürfen.

(4) Die Baufluchtlinie oder die Baulinie ist unter Bedachtnahme auf die besonderen örtlichen Erfordernisse festzulegen; dabei sind insbesondere das gegebene oder beabsichtigte Orts- und Straßenbild und eine mögliche Verminderung der gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Verkehrs zu berücksichtigen. Ihr Abstand soll von der Achse der Verkehrsfläche nach Tunlichkeit wenigstens zwei Drittel der für das oberste Gesimse oder die oberste Dachtraufe festgelegten Höchsthöhe jener Bauten betragen, für die die Baufluchtlinien oder Baulinien gelten.

(5) ...

(6) Für verschiedene Geschoßebenen können Baufluchtlinien, Baulinien und Baugrenzlinien gestaffelt festgelegt werden.

(7) ..."

Dem Nachbarn kommt im Verfahren über die Bauplatzerklärung keine Parteistellung zu, es steht ihm jedoch frei, in dieser Hinsicht seine Nachbarrechte mit Einwendungen im Baubewilligungsverfahren geltend zu machen (siehe dazu die in Hauer, Salzburger Baurecht3, zu § 12 BGG wiedergegebene hg. Judikatur).

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, kommt den Nachbarn nicht nur ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Einhaltung der Baufluchtlinie, sondern auch auf deren gesetzmäßige Festlegung zu (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 10. April 1986, Zl. 84/06/0081, BauSlg. Nr. 654, und vom 22. Jänner 1998, Zl. 97/06/0261). Daran ist weiterhin festzuhalten. Zutreffend hat die belangte Behörde daher auch erkannt, dass dem Erstbeschwerdeführer hinsichtlich der Festsetzung der Baufluchtlinie zur M-Straße ein Mitspracherecht zukommt. Da für den Abstand der Bauten von der Grundgrenze gegen die Verkehrsfläche die Baufluchtlinie oder die Baulinie gilt, kommt es diesbezüglich nicht darauf an, ob zu seinem Grundstück der Mindestabstand eingehalten wird, der sich aus § 25 Abs. 3 BGG ergäbe. § 31 Abs. 4 ROG 1998 nennt Kriterien, die bei der Festlegung (hier) der Baufluchtlinie zu berücksichtigen sind und normiert den Abstand, den (hier) die Baufluchtlinie von der Achse der Verkehrsfläche "nach Tunlichkeit" einhalten soll. Im Beschwerdefall oblag es daher den Baubehörden, zunächst diesen "Soll-Abstand" zu ermitteln, sodann zu prüfen, ob die vorgesehene Baufluchtlinie diesem "Soll-Abstand" entspricht oder nicht, und bei Abweichungen die Untunlichkeit der Einhaltung dieses "Soll-Abstandes" zu begründen.

Es fällt auf, dass die Behörden des Verwaltungsverfahrens diesen "Soll-Abstand" und daher allfällige Abweichungen des Verlaufes der festgesetzten Baufluchtlinie von diesem "Soll-Abstand" nicht konkret festgestellt haben (nach der Aktenlage kann dies auch nicht als unstrittig angesehen werden). Des Weiteren ist der Aktenlage nicht zu entnehmen, dass bei der Festsetzung dieser Baufluchtlinie und bei der Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Festsetzung auf das im § 31 Abs. 4 ROG 1998 ausdrücklich genannte Kriterium der möglichen Verminderung der gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Verkehrs Bedacht genommen worden wäre (Es heißt zwar auf S 30 der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nach Wiedergabe des § 31 Abs. 4 ROG, es sei auf die darin genannten Kriterien Bedacht genommen worden, diese kursorische Begründung ist aber hinsichtlich des Kriteriums der "gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Verkehrs" nicht nachvollziehbar). Das Ermittlungsverfahren, das die belangte Behörde zur Prüfung der Frage geführt hat, ob die Baufluchtlinie gesetzmäßig festgesetzt wurde, ist daher mangelhaft geblieben, ebenso mangelhaft ist daher der angefochtene Bescheid (was sinngemäß gleichermaßen für das Verfahren in erster Instanz gilt; die Berufungsbehörde, hatte ja, ausgehend von ihrer Rechtsauffassung, keinen Anlass zu einer Verfahrensergänzung gesehen). Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich, weil ein günstigeres Ergebnis für den Erstbeschwerdeführer nicht von vornherein auszuschließen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre. Ergänzend ist allerdings Folgendes zu bemerken:

Gemäß § 14 Abs. 1 BGG ist die Bauplatzerklärung zu versagen, wenn die Grundfläche vom Standpunkt des öffentlichen Interesses für die Bebauung ungeeignet erscheint. Dies ist gemäß lit. a dieses Absatzes unter anderem dann der Fall, wenn für die Grundflächen kein Bebauungsplan der Grundstufe und soweit erforderlich auch der Aufbaustufe besteht. Das Fehlen eines Bebauungsplanes stellt (unter anderem) dann keinen Versagungsgrund dar, wenn es sich um die Verbauung von Baulücken handelt. Auf diesen Fall haben sich die Behörden des Verwaltungsverfahrens bezogen, wogegen sich der Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin wenden. Sie sind damit nicht im Recht, weil aus dem genannten Verbot des § 14 Abs. 1 lit. a BGG und der darin normierten, zuvor wiedergegebenen Ausnahme dem Nachbarn kein Mitspracherecht erwächst. Beim Kriterium der mangelnden Eignung für die Bebauung handelt es sich um ein ausschließlich im öffentlichen Interesse gelegenes Kriterium. Es werden dann im Abs. 1 die Fälle genannt, wann dies der Fall ist (vgl. im Übrigen auch das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 97/06/0202, zu den ähnlichen Bestimmungen des § 115 Abs. 1 und 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994).

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren der Nachbarn M. war abzuweisen, weil die mit der Beschwerde vorgelegten Beilagen nicht gesondert zu vergebühren waren (§ 24 Abs. 3 VwGG).

Wien, am 22. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000060064.X00

Im RIS seit

22.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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