TE Vwgh Erkenntnis 2001/12/13 99/21/0160

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Veröffentlicht am 13.12.2001
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
25/01 Strafprozess;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

61997CJ0340 Ömer Nazli VORAB;
ARB1/80 Art14;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
B-VG Art65 Abs2 litc;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
StPO 1945 §507;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 24. September 1980 geborenen I, vertreten durch Dr. Michael Kaufmann, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 12. März 1999, Zl. Fr-4250a-231/98, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 12. März 1999, mit dem gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsbürger, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 37 Abs. 1 und § 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

Der Beschwerdeführer sei nach der Begründung dieses Bescheides mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 16. September 1996 wegen der §§ 15, 125, 127 und 129 Abs. 1 (richtig: Z. 1) StGB unter Vorbehalt der Strafe schuldig gesprochen worden, wobei die Probezeit mit drei Jahren festgesetzt und ein Bewährungshelfer bestellt worden sei. Weiters sei gegen den Beschwerdeführer das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 8. August 1997 wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB ergangen, mit welchem er unter Anwendung des § 5 JGG sowie des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt worden sei, wobei gemäß § 43a Abs. 3 StGB ein Teil der Freiheitsstrafe von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Er sei darin auch zur Bezahlung eines Teilschmerzengeldbetrages in der Höhe von S 5.000,--, sowie eines Teilschadenersatzes in der Höhe von S 10.000,-- an den Privatbeteiligten sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt worden. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 1997 sei seiner gegen das genannte Urteil erhobenen Berufung keine Folge gegeben worden.

Der Beschwerdeführer habe somit zweimal wegen Delikte, die gegen dasselbe Rechtsgut, nämlich fremdes Eigentum, gerichtet gewesen seien, rechtskräftig verurteilt werden müssen. Hinzu komme, dass die zweite Verurteilung zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe erfolgt sei. Es lägen damit die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG vor. Diese würden als bestimmte Tatsache iSd § 36 Abs. 1 FrG gelten und die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde sowie anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.

Dem Beschwerdeführer sei bereits (nachdem er wegen des Verdachtes strafbarer Handlungen angezeigt worden war) anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 11. Juli 1995 sowie mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 7. Mai 1996 die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für den Fall der neuerlichen Begehung strafbarer Handlungen angedroht worden. Dies habe ihn nicht von der Begehung weiterer Delikte abhalten können, sondern habe sogar die Schwere der von ihm gesetzten Straftaten zugenommen. Auf Grund seiner Unbelehrbarkeit müsse somit mit weiteren Delikten gerechnet werden. Durch die von ihm ausgehende tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch zulässig, wenn davon ausgegangen werde, dass er "assoziationsintegriert" sei. Es werde daher von der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch gemacht.

Hinsichtlich seines Vorbringens, dass er sich seit eineinhalb Jahren wohlverhalten habe und ihm sowohl das Gericht als auch die Bewährungshilfe eine positive Zukunftsprognose stelle, sei darauf hinzuweisen, dass das letzte gegen ihn geführte Verfahren erst mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 1997 "vollständig" beendet worden sei. Anschließend habe er sich vom 13. Oktober 1989 (richtig wohl: 1998) bis zum 17. Dezember 1998 in Haft befunden, aus der er auf Grund der Weihnachtsamnestie durch den Bundespräsidenten entlassen worden sei. Dass er sich somit während eines "behängenden" Gerichtsverfahrens bzw. während eines Strafaufschubes und der immer noch drohenden bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten wohlverhalten habe, könne noch nicht als ausreichendes Zeichen gewertet werden, dass er sich auch dann an die gesetzlichen Vorgaben halte, wenn ihm keine direkte Sanktion (Haftstrafe) drohe.

Der bloße Umstand, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot vielleicht früher hätte erlassen können, stehe nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der nunmehrigen Erlassung nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit dem 17. August 1989 in Österreich auf. Er lebe im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern sowie sechs Geschwistern. Er habe in Österreich die Pflichtschule absolviert, sei seit September 1996 einer Beschäftigung nachgegangen, wobei er seit Jänner 1999 neuerlich einer Beschäftigung nachgehe. Er verfüge über ein unbefristetes Visum und einen Befreiungsschein.

Auf Grund der Dauer des Aufenthaltes in Österreich sowie der familiären Bindungen stelle die Erlassung des Aufenthaltsverbotes jedenfalls einen gravierenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Dennoch sei gemäß § 37 Abs. 1 FrG der Entzug der Aufenthaltsberechtigung zulässig und zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Anderer dringend erforderlich. Die Dringlichkeit der Maßnahme ergebe sich aus der in den Straftaten zum Ausdruck kommenden Missachtung des Eigentums Anderer sowie aus dem Umstand, dass ihn weder Verurteilungen noch die mehrfache Androhung von Aufenthaltsverboten von der Begehung neuer Straftaten habe abhalten können. Dass er sich seit Abschluss seines letzten Gerichtsverfahrens im Dezember 1997 bis zu seinem Haftantritt im Oktober 1998, sohin lediglich über einen Zeitraum von zehn Monaten wohlverhalten habe, sei nicht ausreichend, um ihm bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine "positive Zukunftsprognose" ausstellen zu können. Somit müsse auch weiterhin mit gleichartigen Gesetzesverstößen gerechnet werden, sodass die fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten sei. Gerade auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer zunächst "nur" wegen Diebstahlsdelikten habe verurteilt werden müssen, jedoch in der Folge ein Raubdelikt begangen habe, zeige, dass er durch die bloße Androhung von Sanktionen - so sei er zunächst unter Vorbehalt der Strafe verurteilt bzw. ihm das Aufenthaltsverbot angedroht worden - nicht zu einem gesetzestreuen Verhalten veranlasst werden könne.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass das Raubdelikt relativiert zu sehen sei, da er nur eine untergeordnete Rolle gespielt habe, sei entgegenzuhalten, dass er schuldig gesprochen worden sei, einen anderen durch Versetzen eines Faustschlages gegen das Gesicht, wodurch dieser zu Boden gestürzt sei, am Körper verletzt zu haben, wobei die Tat einen Abbruch des dritten Zahnes rechts unten und des siebten Zahnes links oben sowie eine Kieferwinkelquetschung verbunden mit Schmerzen zur Folge gehabt habe. Dass an der Tat noch weitere Jugendliche beteiligt gewesen seien, und es sich lediglich um "ein Verhalten auf Grund von Jugenddynamik" gehandelt habe, könne nicht als entschuldigend gewertet werden, zumal er zum damaligen Zeitpunkt als 17-Jähriger durchaus in der Lage gewesen sein müsse, sein Verhalten zu kontrollieren und sich nicht zu Gewalttaten gegenüber Dritten hinreißen zu lassen. In diesem Urteil werde auch angeführt, dass der Beschwerdeführer bereits mehrfach zur Anzeige gelangt sei, vor allem wegen Diebstahls sowie Körperverletzungsdelikten, wobei diese Anzeigen jeweils nach den Bestimmungen des JGG zurückgelegt worden seien. Als mildernd habe das Gericht das "umfängliche" Geständnis, als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, die Begehung in Gemeinschaft sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen gewertet. Ausdrücklich angeführt werde, dass es der Schöffensenat als notwendig erachtet habe, einen Teil der Freiheitsstrafe unbedingt auszusprechen, um den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Das Oberlandesgericht Innsbruck habe ergänzend angeführt, dass es als notwendig angesehen werde, einen Teil der Freiheitsstrafe unbedingt auszusprechen, weil er bereits ein knappes halbes Jahr nach seiner ersten Verurteilung in einschlägiger Weise rückfällig geworden sei. Somit hätten es auch die Justizbehörden für erforderlich angesehen, das Verhalten des Beschwerdeführers nicht zu bagatellisieren, sondern ihm die Tragweite und Schwere vor Augen zu führen.

Die sich aus den den Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten ergebende steigende kriminelle Energie und Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers lasse ein hohes öffentliches Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestehen. So habe er weder die in Anwendung des JGG eingeräumten Bewährungschancen noch die ihm von der Fremdenpolizei eingeräumten Belehrungen genutzt, um sich rechtskonform zu verhalten, und es könne ihm nunmehr, nachdem er sich lediglich für einen Zeitraum von lediglich zehn Monaten wohlverhalten habe, kein positive Zukunftsprognose ausgestellt werden. Die positive Einschätzung der Bewährungshilfe könne nicht geteilt werden, zumal der Beschwerdeführer nach einer Betreuung von etwa sieben Monaten neuerlich und sogar gravierender straffällig geworden sei.

Der langjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, die Absolvierung eines Teiles der Schulpflicht, sein neuerliches Beschäftigungsverhältnis sowie die Familiengemeinschaft mit Eltern und Geschwistern ließen auf einen hohen Integrationsgrad schließen. Allerdings würde die aus der berücksichtigten Integration abzuleitende wesentliche soziale Komponente durch die wiederkehrenden Gesetzesverstöße sowie die Unbelehrbarkeit des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der gegenläufigen Interessen dränge das in hohem Maße bestehende öffentliche Interesse, den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu untersagen, dessen privates Interesse in den Hintergrund. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen weit schwerer als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass er mehrmals sowohl von Seiten des Gerichts (Anwendung des JGG mit Einstellung von Verfahren) als auch der Fremdenpolizeibehörden (Androhung des Aufenthaltsverbotes) gebotene Bewährungsmöglichkeiten nicht genutzt habe. Dies zeige, dass schärfere Maßnahmen ergriffen werden müssten, um die Interessen der Bevölkerung gegen den Beschwerdeführer durchzusetzen.

Der Erlassung des Aufenthaltsverbotes stünden auch nicht die Aufenthaltsverfestigungstatbestände der §§ 35 bzw. 38 FrG entgegen, da sich der Beschwerdeführer vor dem maßgeblichen Sachverhalt noch nicht über zehn Jahre in Österreich aufgehalten habe. Auf Grund der gerichtlichen Verurteilung sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedoch auch bei einem Aufenthalt von mehr als acht Jahren zulässig.

Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes sei darauf zu verweisen, dass sich diese nach der Zeit richte, nach der vermutlich die Voraussetzungen, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sein würden. Trotz der Unbelehrbarkeit des Beschwerdeführers werde auf Grund seiner Jugend und familiären Situation eine Dauer von fünf Jahren als ausreichend angesehen, um den angestrebten Verwaltungszweck, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie die Verhinderung weiterer Straftaten zu erreichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist im Grund des § 36 Abs. 1 FrG das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im Gesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0183, m.w.N.).

In der Beschwerde bleiben die im angefochtenen Bescheid angeführten rechtskräftigen Verurteilungen unbestritten. Die Ansicht der belangten Behörde, dass damit der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sowie auch jener des § 36 Abs. 1 FrG erfüllt sei, begegnet somit keinen Bedenken.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil dem Aufenthaltsverbot einerseits das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (gemeint Art. 14 des auf Grund dieses Abkommens ergangenen Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 - ARB Nr. 1/80) entgegenstehe, und es anderseits im Hinblick auf seinen langjährigen bisherigen Aufenthalt in Österreich und seine starke private und familiäre Verankerung im Bundesgebiet unzulässig sei.

Mit beiden Hinweisen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf seine - auch von der belangten Behörde eingeräumte - Stellung als ein gemäß Art. 6 oder 7 ARB Nr. 1/80 berechtigter türkischer Staatbürger davon abhängt, dass sein persönliches Verhalten auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung im Sinn des Art. 14 ARB Nr. 1/80 hindeutet, wobei eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 10. Februar 2000 in der Rechtssache C-340/97, Nazli, Slg. 2000, I- 0957, RandNr. 57 ff, und die hg. Erkenntnisse vom 13. März 2001, Zl. 2000/18/0105, und vom 30. Mai 2001, Zl. 99/21/0310, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Verurteilungen und die diesen zu Grunde liegenden Straftaten des Beschwerdeführers festgestellt. Sie hat die Ansicht vertreten, dass eine "Zukunftsprognose" für den Beschwerdeführer nicht positiv ausfallen könne, weil er sich trotz einer bereits erfolgten Verurteilung nicht davon habe abhalten lassen, neuerlich straffällig zu werden. Die Art und Schwere der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten ließen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz der Rechte Dritter dringend geboten erscheinen.

Damit hat die belangte Behörde eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass ihrer Meinung nach die Gefahr bestehe, der Beschwerdeführer werde weitere einschlägige Straftaten begehen. Darauf - und nicht auf die bloße Tatsache der bisherigen Verurteilungen - hat sie das Aufenthaltsverbot gestützt. Sie hat somit im Ergebnis die Ansicht vertreten, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen (nämlich die Begehung eines schweren Deliktes trotz bereits erfolgter Verurteilung) auf die konkrete Gefahr von weiteren derartigen schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeute.

Diese Ansicht kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Aus dem schweren Rückfall nach einer einschlägigen Verurteilung, nach welcher der Beschwerdeführer unbestritten bereits durch einen Bewährungshelfer betreut war, war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der Schluss auf die konkrete Gefahr gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer auch in Hinkunft derartige, öffentliche Interessen in hohem Maß beeinträchtigende Straftaten begehen werde.

Der seit der Begehung der letzten Straftat verstrichene Zeitraum war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu kurz, um daraus auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können, zumal - darauf weist die belangte Behörde zu Recht hin - der Beschwerdeführer in dieser Zeit auch seine Freiheitsstrafe verbüßt hat. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, aus der Tatsache, er sei auf Grund einer Weihnachtsamnestie vorzeitig aus der Strafhaft entlassen worden, lasse auf seine Persönlichkeitswandlung schließen, ist entgegen zu halten, dass die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den Erwägungen der für die Vollziehung des Gnadenrechts zuständigen Behörden zu beurteilen hatte. (Vgl. in diesem Zusammenhang die ständige hg. Rechtsprechung, wonach die Fremdenpolizeibehörde bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht an die die Strafbemessung und die bedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes gebunden ist, etwa das Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033.)

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers steht daher der ARB Nr. 1/80 dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen. Da sich dies - wie dargestellt - aus den Feststellungen der belangten Behörde ergibt, kommt der - im Übrigen nicht konkretisierten - Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe insoferne keine ausreichenden Feststellungen getroffen, keine Berechtigung zu.

Was die Frage der Verankerung im Inland anlangt, so hat die belangte Behörde bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG dem Beschwerdeführer die Dauer des inländischen Aufenthaltes sowie die Haushaltsgemeinschaft mit Eltern und sechs Geschwistern zugute gehalten. Weiters hat sie berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer in Österreich die Pflichtschule besucht hat und er ab September 1996 einer Beschäftigung nachging und auch nach der Haftentlassung im Jänner 1999 arbeite.

Dem steht jedoch die Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers gegenüber. Insbesondere auf Grund der Raubtat und der von ihm zu verantwortenden Körperverletzung, hinsichtlich derer nicht ersichtlich ist, inwiefern er dabei als bloßer Beitragstäter in untergeordneter Rolle aufgetreten wäre, und der dadurch bewirkten gewichtigen Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentums- und Gewaltkriminalität, stößt die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) dringend geboten war (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), auf keine Bedenken.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer entsprechend dem Urteil einen Teil des von ihm verursachten Schadens wieder gut gemacht hat, bewirkt keine relevante Verschiebung der Interessenlage zu Gunsten des Beschwerdeführers und kann daher zu keinem anderen Ergebnis der Interessenabwägung führen.

Der Tatbestand des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG war schon im Hinblick darauf, dass sich der Beschwerdeführer erst seit seinem neunten Lebensjahr in Österreich aufhält, ein Aufenthalt "von klein auf" aber einen solchen spätestens seit dem vierten Lebensjahr erfordert (vgl. den hg. Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 96/18/0150), nicht erfüllt.

Aus den dargestellten Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. Dezember 2001

Gerichtsentscheidung

EuGH 61997J0340 Ömer Nazli VORAB

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Diverses VwRallg9/5Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999210160.X00

Im RIS seit

15.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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