TE Vwgh Beschluss 2002/2/28 2000/16/0853

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Veröffentlicht am 28.02.2002
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Index

E1E;
E3R E02202000;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
35/02 Zollgesetz;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
31992R2913 ZK 1992 Art202;
31992R2913 ZK 1992 Art203;
31992R2913 ZK 1992 Art204;
31992R2913 ZK 1992 Art205;
31992R2913 ZK 1992 Art210;
31992R2913 ZK 1992 Art211;
31992R2913 ZK 1992 Art220;
31992R2913 ZK 1992 Art229;
31992R2913 ZK 1992 Art232;
31992R2913 ZK 1992 Art241;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
VwGG §38a;
ZollRDG 1994 §108 Abs1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2002/0001 * EuGH-Zahl: C-91/02 * Ausgesetzte Beschwerde gemäß §38 AVG iVm §62 VwGG:2001/16/0034 E 19. Dezember 2002 2001/16/0035 E 19. Dezember 2002 2000/16/0010 E 19. März 2003 * EuGH-Entscheidung:EuGH 62002CJ0091 16. Oktober 2003 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2003/16/0479 E 25. März 2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, in der Beschwerdesache der H GmbH in L, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II der Region Wien) vom 2. November 2000, Zl. ZRV/5-W2/00, betreffend Vorschreibung einer Abgabenerhöhung in einer Zollangelegenheit, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß Artikel 234 EG wird dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 des österreichischen Zollrechts-Durchführungsgesetzes, die im Fall des Entstehens einer Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205 oder 210 oder 211 Zollkodex oder im Fall der Nacherhebung gemäß

Artikel 220 Zollkodex zu entrichten ist und die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Artikel 220 Zollkodex zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld an Säumniszinsen angefallen wäre, den gemeinschaftsrechtlichen Zollbestimmungen entgegen?

Begründung

Das Hauptzollamt Linz nahm auf Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 17. Dezember 1998 eine nachträgliche buchmäßige Erfassung des Zolls gemäß Artikel 220 Abs. 1 Zollkodex (ZK) in Höhe von S 30.694,-- vor und setzte als Folge der Entstehung der Zollschuld gemäß § 108 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) eine Abgabenerhöhung von S 2.157,-- fest.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Rechtsbehelf zweiter Stufe gegen die Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Linz ab und ergänzte den Spruch des Bescheides des Hauptzollamtes Linz durch Anführung der Bemessungsgrundlage von S 228.668,-- (S 30.694,-- an Zoll und S 197.974,-- an Einfuhrumsatzsteuer), des Zinssatzes von 5,66 % p.a. und der Säumniszeiträume 15. November 1998 bis 14. Dezember 1998 und 15. Dezember 1998 bis 14. Jänner 1999.

Die Beschwerdeführerin bekämpft in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die Vorschreibung der Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG mit dem Argument der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit dieser nationalen Bestimmung.

Entsteht - außer den Fällen des Abs. 2 des § 108 ZollR-DG - eine Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205 oder 210 oder 211 ZK oder ist die Zollschuld gemäß Artikel 220 ZK nachzuerheben, dann ist nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Artikel 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld, an Säumniszinsen angefallen wäre.

Der Zollkodex regelt im Fall der Gewährung von Zahlungserleichterungen nach Artikel 229 ZK die Erhebung von Kreditzinsen und im Fall der Zwangsvollstreckung nach

Artikel 232 ZK die Erhebung von Säumniszinsen sowie im Erstattungsfall nach Artikel 241 ZK eine Zinszahlung.

Der Zollkodex regelt jedoch keine Säumnisfolgen, wie etwa Säumniszinsen oder ähnliche Nebenansprüche, für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld (z.B. Annahme der Anmeldung oder auch vorschriftswidriges Verbringen von eingangsabgabepflichtigen Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft) und der (nachträglichen) buchmäßigen Erfassung der Zollschuld.

Aus dem Fehlen einer solchen Bestimmung könnte geschlossen werden, dass es dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleibt, solche Säumnisfolgen, wie nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG, zu normieren. Dafür spricht, dass durch die Säumnisfolgen ein Ausgleich für den entstandenen Zinsverlust vorgenommen wird und Zollschuldner, die mitunter erst Jahre später (zum Beispiel im Fall der nachträglichen buchmäßigen Erfassung) zur Zahlung der Zollschuld herangezogen werden, nicht gegenüber anderen Zollschuldnern, die den Zoll unverzüglich zu zahlen haben, bevorzugt sein sollen. Für die Zulässigkeit der Erhebung solcher steuerlicher Nebenleistungen argumentiert Alexander in Witte, Zollkodex Kommentar2, Rz 9 zu Artikel 232.

Andererseits enthält der Zollkodex jedoch spezielle Regelungen über die Erhebung von Kredit- und Säumniszinsen sowie über Zinszahlungen. Daraus könnte geschlossen werden, dass nur in solchen, nicht aber auch in anderen Fällen Zinszahlungen zu erfolgen haben und die Erhebung von Nebenleistungen, wie die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG, nach nationalem Recht nicht zulässig wäre, weil die Erhebung von Kredit- oder Säumniszinsen ab Entstehen der Zollschuld im Vergleich zur Erhebung von Kredit- und Säumniszinsen nach den Artikeln 229 und 232 ZK jedenfalls gleich gewichtig ist, so dass gerade auch für diesen Bereich eine Regelung durch Gemeinschaftsrecht zu erwarten gewesen wäre. Solche positiv rechtlichen Bestimmungen fehlen jedoch in den Zollbestimmungen. Die Schließung dieser Lücke im ZK durch nationales Recht kann überdies zu unterschiedlichen nationalen Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten führen und könnten solche Abgaben diskriminierenden Charakter haben (vgl. Henke und Huchatz in ZfZ, 1996, 232).

Aus den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen des Zollkodex ist die Lösung der dargelegten Rechtsfrage für den Verwaltungsgerichtshof nicht derart offenkundig, dass für einen Zweifel im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (vgl. Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 ff) kein Raum bliebe. Die oben genannte Frage wird daher an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß

Artikel 234 EG vorgelegt.

Wien, am 28. Februar 2002

Gerichtsentscheidung

EuGH 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000160853.X00

Im RIS seit

17.04.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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