TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/12 2001/18/0128

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Veröffentlicht am 12.03.2002
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §104 Abs1 idF 2000/I/034;
FrG 1997 §104 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z5 idF 2000/I/134;
FrG 1997 §36 Abs2 Z5;
FrG 1997 §48 Abs1;
MRK Art7;
VStG §1 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des a, geboren 1971, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. April 2001, Zl. SD 935/00, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. April 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei seit 9. Juni 1999 mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Nachdem ein gegen ihn im Jahr 1998 erlassenes Aufenthaltsverbot behoben worden sei, sei ihm eine von 1. Oktober 1999 bis 30. September 2000 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden.

Mit Urteil des Schöffengerichts beim Amtsgericht Passau vom 9. Mai 2000 sei der Beschwerdeführer wegen des gemeinschaftlichen, gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in drei tatmehrheitlichen Fällen schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer mit dem Pkw seiner Gattin am 25. Dezember 1999 und am 26. Dezember 1999 jeweils vier rumänische Staatsangehörige von Österreich nach Deutschland verbracht habe, wobei er pro Schleusungsfahrt S 5.500,-- (EUR 399,70) erhalten habe. Am 27. Dezember 1999 habe der Beschwerdeführer den genannten Pkw an fünf rumänische Staatsangehörige verkauft, wofür er zusätzlich zum Schleusungslohn von S 5.500,-- den Kaufpreis von S 1.500,-- bekommen habe. Mit diesem Pkw seien die fünf rumänischen Staatsangehörigen nach Deutschland gelangt, wo sie festgenommen worden seien.

Ob dieses Urteil den Erfordernissen des § 73 StGB entspreche, könne dahinstehen. Das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten erfülle nämlich zweifelsfrei den in § 36 Abs. 2 Z. 5 FrG normierten Tatbestand, auf welchen als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden könne. Außer Zweifel stehe, dass die wiederholte Schlepperei um des eigenen Vorteils willen die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Ausmaß gefährde. Die Voraussetzung zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 48 Abs. 1 FrG sei daher gegeben.

Auf Grund der seit etwas weniger als zwei Jahren bestehenden Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und dem berechtigten inländischen Aufenthalt auf Grund einer Niederlassungsbewilligung sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten. Wer sich wie der Beschwerdeführer gerade zwei Monate rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen habe und bereits damit beginne, der gewerbsmäßigen Schlepperei nachzugehen, bringe nachhaltig seine Negierung maßgeblicher Rechtsvorschriften zum Ausdruck. An der Bekämpfung des Schlepperunwesens bestehe ein besonders großes öffentliches Interesse. Die gewerbsmäßige Schlepperei stelle angesichts der damit verbundenen Ausnutzung der Not der Geschleppten, der fast zwangsläufigen Folgekriminalität und der besonderen Nähe zur organisierten Kriminalität eine besonders schwer wiegende Gefährdung öffentlicher Interessen dar. Vorliegend komme hinzu, dass gegen den Beschwerdeführer bereits vor seiner nunmehrigen Eheschließung eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem zur Einreiseverweigerung nach Deutschland bestanden habe. Erst durch die Eheschließung habe der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt legalisieren können. Bereits wenige Wochen später sei er straffällig geworden. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten.

Das Berufungsvorbringen könne daran nichts ändern. Der seit Begehung der Straftat verstrichene Zeitraum sei jedenfalls zu kurz, um eine positive Verhaltensprognose abgeben zu können. Die geltend gemachten familiären Bindungen hätten den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten, die festgestellten Straftaten zu begehen. Erwähnt sei, dass der Schwiegervater des Beschwerdeführers vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Schlepperei nach § 105 Abs. 2 FrG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Die soziale Komponente dieser Integration werde durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers in ihrem Gewicht gemindert. Unter Berücksichtigung seiner familiären und beruflichen Bindungen sei das dem Beschwerdeführer zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet dennoch als nicht gering zu bezeichnen. Das im Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegründete öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wöge jedoch deutlich schwerer.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer ist unstrittig mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Für ihn gelten daher gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 FrG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn ist gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz FrG nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die Bestimmungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 2001/18/0029, mwN).

2.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die festgestellten, dem - bei den Akten erliegenden - Urteil des Schöffengerichts beim Amtsgericht Passau vom 9. Mai 2000 zu Grunde liegenden Taten begangen zu haben. Demnach hat er am 25. und 26. Dezember 1999 jeweils vier rumänische Staatsangehörige - die über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Deutschland verfügten - von Österreich nach Deutschland verbracht, wobei er pro Fahrt etwa EUR 400,-- erhalten hat. Am 27. Dezember 1999 hat er einen Pkw an fünf rumänische Staatsangehörige zur illegalen Einreise nach Deutschland verkauft, wofür er - zusätzlich zum Kaufpreis für den Pkw - wieder etwa EUR 400,-- erhalten hat.

Nach dem Beschwerdevorbringen bedeutet die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführer den seiner Frau gehörigen Pkw verkauft habe, einen "inneren Widerspruch". Dem ist - abgesehen davon, dass es sich hiebei nicht um einen für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes wesentlichen Punkt handelt - zu entgegnen, dass etwa auch der Vertreter des Eigentümers eine Sache - in einem untechnischen Sinn - "verkauft".

2.2. Gemäß § 36 Abs. 2 FrG idF BGBl. I Nr. 134/2000 hat als - die Erlassung eines Aufenthaltsverbots rechtfertigende - bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 5) Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat.

"Schlepperei" wird in § 104 Abs. 1 FrG idF des insoweit am 1. Juli 2000 in Kraft getretenen BGBl. I Nr. 34/2000 wie folgt definiert:

"Wer die rechtswidrige Einreise eines Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für ihn oder einen anderen geschieht (Schlepperei), ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

Da der Beschwerdeführer die rechtswidrige Einreise von Fremden nach Deutschland, somit in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, gegen den keineswegs nur geringfügigen Vermögensvorteil von etwa EUR 400,-- je Fahrt gefördert hat, ist seine Tat als Schlepperei im Sinn dieser Bestimmung zu qualifizieren.

Die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe den - wie dargestellt als Orientierungsmaßstab heranzuziehenden - Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 5 FrG verwirklicht, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2.3. § 104 Abs. 1 FrG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 34/2000 definierte Schlepperei als "Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden, gleichgültig ob sie vor oder nach dem Grenzübertritt oder während des Aufenthaltes des Fremden im Bundesgebiet gewährt wird". Da die belangte Behörde nicht festgestellt hat, ob durch den Grenzübertritt der vom Beschwerdeführer geschleppten Personen neben deutschen Einreisebestimmungen auch österreichische Ausreisebestimmungen verletzt wurden, könnte auf Grund des festgestellten Sachverhaltes nicht beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer Schlepperei im Sinn dieser - im Zeitpunkt der Tatbegehung in Kraft stehenden - Bestimmung begangen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 98/18/0357).

Anlässlich der Änderung des § 104 FrG durch die genannte Novelle wurde keine Übergangsregelung erlassen. Die belangte Behörde hatte daher im erst nach dem 1. Juli 2000 erlassenen angefochtenen Bescheid die Frage, ob der Beschwerdeführer Schlepperei begangen hat, bereits nach § 104 Abs. 1 FrG idF BGBl. I Nr. 34/2000 zu beurteilen. Gegen dieses Ergebnis bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil das in Art. 7 EMRK normierte Rückwirkungsverbot nur für Strafen gilt (vgl. etwa Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts8 (1996), Rz 494) und es sich bei einem Aufenthaltsverbot nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativ-rechtliche Maßnahme handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0358).

2.4. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG setze eine Verurteilung durch ein inländisches Gericht voraus, kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil die belangte Behörde die Verwirklichung dieses - als Orientierungsmaßstab heranzuziehenden - Tatbestandes nicht angenommen hat. Auch die "bisherige Dauer der Ehe" hat die belangte Behörde nicht "als Grund für die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbot" herangezogen.

3. Da der Beschwerdeführer bereits kurze Zeit nach der Aufhebung eines früher erlassenen Aufenthaltsverbots und der anschließenden Legalisierung seines Aufenthalts insgesamt 13 Personen entgeltlich geschleppt hat, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass er durch sein Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und daher die in § 48 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsangehörigen, seine rechtmäßige Niederlassung seit 1. Oktober 1999 und seine "beruflichen Bindungen" berücksichtigt. Zu Recht hat sie auf die Minderung der sozialen Komponente der Integration durch die Schleppertätigkeit des Beschwerdeführers hingewiesen.

Den dennoch nicht unbeachtlichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus der entgeltlichen Schlepperei von insgesamt 13 Personen resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Im Hinblick auf das besonders große öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 2000/18/0072) ist die Ansicht der belangten Behörde, die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens)) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), frei von Rechtsirrtum.

5. Mit seinen Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe die Akten des Amtsgerichtes Passau und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien nicht beigeschafft und seine Ehegattin nicht zeugenschaftlich vernommen, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, relevante Verfahrensmängel aufzuzeigen, bringt er doch nicht vor, zu welchen konkreten, für ihn günstigen, Feststellungen die belangte Behörde bei Aufnahme dieser Beweise gekommen wäre.

6. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 12. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001180128.X00

Im RIS seit

10.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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