TE Vfgh Erkenntnis 1999/6/7 B355/98

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Veröffentlicht am 07.06.1999
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
AsylG 1991 §2
FremdenG 1997 §57
FremdenG 1997 §75

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Feststellungsantrages betreffend ein Refoulement-Verbot hinsichtlich Mazedoniens; nur auf die Vergangenheit bezogene Feststellung der Asylbehörde betreffend die Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Ungarn aufgrund der alten Rechtslage kein Zurückweisungsgrund iSd FremdenG

Spruch

1. Dem Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe in Form der Gebührenbefreiung wird stattgegeben.

2. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit S 18.000,-- bestimmten Kosten dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Über Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vor dem Verfassungsgerichtshof vom 7. Juni 1994 stellte die Bundespolizeidirektion Salzburg mit Bescheid vom 10. August 1994 fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, daß der Beschwerdeführer in Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Mazedonien und in der Bundesrepublik Jugoslawien im Sinne des §37 Abs1 oder 2 Fremdengesetz 1992 bedroht sei.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde (nach Aufhebung ihres abweislichen Berufungsbescheides vom 24. August 1994, Zl. Fr-5749/94, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.6.1997, Zl. 95/21/0151) im zweiten Rechtsgang mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 8. Jänner 1998 mit der Maßgabe keine Folge gegeben, daß der Feststellungsantrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen wurde. Dies unter Berufung auf den zweiten Satz des §75 Abs1 Fremdengesetz, BGBl. I 75/1997, wonach eine Feststellung über das Vorliegen von Refoulementsverbotsgründen nicht zu erfolgen habe, "insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, daß für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht". Das Bundesasylamt habe mit Bescheid vom 5. Juli 1994 festgestellt, daß beim Beschwerdeführer "der Ausschließungsgrund gemäß §2 Abs2 Z. 3 AsylG 1991 vorliegt", da dieser über Bulgarien und Ungarn, also über Drittstaaten, in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei. Eine Verfolgung von Seiten dieser Staaten sei nicht behauptet worden; der Beschwerdeführer sei somit vor Verfolgung sicher gewesen. Die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres rechtskräftig abgewiesen worden. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, der zuvor zulässigerweise bei den Fremdenpolizeibehörden eingebracht worden sei, sei wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte, äußerst weitwendige und unübersichtliche Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine - kurze - Gegenschrift erstattet.

II.                                 Die Voraussetzungen für die

Gewährung der Verfahrenshilfe in Form der Gebührenbefreiung liegen vor; sie war deshalb zu gewähren.

III.        Der Verfassungsgerichtshof

hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

Der hier zu beurteilende Sachverhalt gleicht in allen wesentlichen Belangen jenem, der der zu B349/98 protokollierten Beschwerde zugrundegelegen ist. Mit Erkenntnis vom 24. Februar 1999 - eine Ausfertigung dieses Erkenntnisses ist der vorliegenden Erledigung angeschlossen - erkannte der Verfassungsgerichtshof, daß der damalige Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei.

Nichts anderes gilt auch hier: Die Beschwerde rügt im Ergebnis zu Recht, daß die belangte Behörde die Berufung nicht hätte zurückweisen dürfen, vielmehr verpflichtet gewesen wäre, in der Sache zu entscheiden. Indem der bekämpfte Bescheid dies verkannte, verletzt er den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der angefochtene Bescheid war deshalb auch hier aufzuheben.

IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag sind S 3.000,-- an Umsatzsteuer enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Fremdenrecht, Asylrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B355.1998

Dokumentnummer

JFT_10009393_98B00355_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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