TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/18 2000/09/0162

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Veröffentlicht am 18.04.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §40;
HVG §21 Abs1;
HVG §21 Abs2;
HVG §89;
HVG RichtsatzV 1965 §2;
HVG RichtsatzV 1965 §3;
KOVG RichtsatzV 1965 Anl Abschn1 litc Z28;
KOVG RichtsatzV 1965 Anl Abschn1 litc Z31;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des S in M, vertreten durch Hofbauer & Hofbauer, Rechtsanwälte Partnerschaft, ständiger Substitut: RA Mag. Bernhard Wagner, in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen vom 25. Juli 2000, Zl. OB. 214-485.625-008, betreffend Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war am 4. März 1999 während der Ableistung seines Präsenzdienstes bei einer nächtlichen Alarmübung beim Hinablaufen auf einer Stiege mit dem rechten Arm am Stiegengeländer hängen geblieben und hatte sich die Schulter verrenkt. In der Folge wurde der Beschwerdeführer operiert und stellte am 6. Mai 1999 wegen Bewegungseinschränkungen seit dem Unfall und anhaltender Schmerzen den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG). Nach Einholung von Gutachten des Dr. Z, Facharzt für Orthopädie und des Dr. Y, Facharzt für Nervenkrankheiten, wurden mit Bescheid des Bundessozialamtes Wien Niederösterreich Burgenland vom 29. September 1999 gemäß §§ 1 und 2 HVG folgende Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers als Dienstbeschädigungen anerkannt:

     "Bezeichnung der Dienstbeschädigung:        Kausalanteil:

     ab 4.3.1999:

Schulterluxation rechts        1/1

     ab 15.3.1999:

1.        Schulterluxation rechts        1/1

2.        Operationsnarbe rechte Schulter        1/1

3.        Sensomotorisches Defizit des Nervus radialis rechts

  1/1

     ab 23.3.1999:

1.        Zustand nach Schulterluxation rechts        1/1

2.        Operationsnarbe rechte Schulter, reizlos        1/1

3.        Sensomotorisches Defizit des Nervus radialis rechts

  1/1

     ab 22.4.1999:

1.        Sensomotorisches Defizit des Nervus radialis bei leichter

        Schwäche und freier Beweglichkeit        1/1

2.        Operationsnarbe rechte Schulter, reizlos        1/1

3.        Zustand nach Schulterluxation rechts (Gebrauchsarm)

  1/1"

     Der Antrag auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente wurde

gemäß § 21 HVG abgewiesen und dies im Wesentlichen damit

begründet, dass sich nach dem ärztlichen Sachverständigengutachten

des Dr. Z, das als schlüssig befunden und in freier

Beweiswürdigung dem Bescheid zu Grunde gelegt worden sei, ergebe,

dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit (M.d.E.) ab dem

15. März 1999 100 v.H., ab dem 23. März 1999 80 v.H., ab dem

8. April 1999 30 v.H. und ab dem 22. April 1999 20 v.H. betrage.

Da die M.d.E. infolge der Dienstbeschädigung nicht über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung hinaus mehr als 25 v.H. betragen habe, und ab 22. April 1999 weniger als 25 v.H. betrage, bestehe kein Anspruch auf Beschädigtenrente.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, die er im Wesentlichen damit begründete, dass er durch die erlittene Verletzung eine hochgradige Bewegungsbehinderung des rechten Gebrauchsarmes, die nach den Richtsätzen der Verordnung BGBl. Nr. 150/1965 zu einer M.d.E. von 30 bis 50 v.H. führe, erlitten habe. Der Beschwerdeführer könne durch diese erhebliche Bewegungseinschränkung des rechten Armes seinen erlernten Beruf als Maurer nicht mehr ausüben, es könne kaum von einer mindergradigen Bewegungseinschränkung gesprochen werden. Auch werde außer Acht gelassen, dass es sich beim sensomotorischen Defizit des Nervus radialis nicht bloß um eine leichte Schwäche handle, sondern eher von einer mittelgradigen Beeinträchtigung zu sprechen sei. Darüber hinaus seien die aus der Dienstbeschädigung resultierenden psychischen Beeinträchtigungen nicht berücksichtigt worden. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer den Rest seines Lebens seinen Gebrauchsarm nur unter erheblichen Einschränkungen werde benützen können, und auch den von ihm erlernten Beruf eines Maurers nicht mehr ausüben könne, führe dazu, dass er schwerste seelische Probleme in Form von unmittelbarer aus diesem Vorfall resultierenden Depressionen habe, weshalb auch vom Bundesheer eine psychologische Betreuung angeordnet worden sei.

Die belangte Behörde veranlasste die Einholung von zwei weiteren Sachverständigengutachten, nämlich zum einen durch Dr. W, der in seinem nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 2. Februar 2000 zum Ergebnis gelangte, dass im Zeitraum vom 4. März 1999 bis zum 31. November 1999 ein "Sensomotorisches Defizit des N.radialis bei leichter Schwäche und freier Beweglichkeit, g.z. IV/i/468..........10 %" und ab 1. Dezember 1999 ein "Sensibles Defizit N.radialis rechts, IV/i/467..........0 %, Unterer Rahmensatz, da geringe Störung" vorliege.

Die Fachärztin für Orthopädie Dr. K hielt in ihrem orthopädischem Sachverständigengutachten vom 2. Februar 2000 als Beschwerden des Beschwerdeführers "Wetterfühligkeit, kann auf der rechten Seite nicht schlafen, kann nicht schwer heben" fest. Sie kam zu dem Ergebnis, dass für den Zeitraum vom 22. April bis zum 30. November 1999 für eine "geringe Bewegungseinschränkung nach operierter Schulterluxation rechts (Gebrauchsarm)" gemäß I/c/28 (der Verordnung BGBl. Nr. 150/1965) eine M.d.E. von 10 % einzuschätzen sei, "mittlerer RS, da nur mehr geringe funktionelle Einschränkung". Das "sensomotorische() Defizit des N. radialis rechts" wurde von der Sachverständigen für den Zeitraum vom 22. April bis zum 30. November 1999 gemäß IV/i/468 (der angeführten Verordnung) ebenfalls mit einer M.d.E. von 10 % eingeschätzt.

Für den Zeitraum vom 1. Dezember 1999 bis zum 1. Februar 2000 stufte die angeführte Sachverständige nur mehr die "geringe Bewegungseinschränkung nach operierter Schulterluxation rechts (Gebrauchsarm)" gemäß I/c/28 (der angeführten Verordnung) mit einer M.d.E. von 10 % ein ("mittlerer RS, da nur geringe funktionelle Einschränkung die lediglich die Rotation betrifft"). Als "Gesamt-DB" veranschlagte die Sachverständige für den Zeitraum vom 22. April bis zum 30. November 1999 "20 % da durch ungünstiges Zusammenwirken additive Wertung berechtigt ist", und für den Zeitraum vom 1. Dezember 1999 bis zum 1. Februar 2000 von 10 %. Die Sachverständige führte weiter aus, es bestehe "im Bereich der rechten Schulter keineswegs eine hochgradige Bewegungseinschränkung, es ist lediglich eine geringfügige Behinderung der Außendrehung feststellbar". "Gegenüber Juli 1999 ist es sowohl im neurologischem Bereich und auch die Funktion des Schultergelenks betreffend zu einer weiteren Besserung gekommen. Die Aussage von Herrn S, dass er den Rest seines Lebens seinen Gebrauchsarm nur unter erheblicher Einschränkung benutzen wird können, kann nach Feststellung des Funktionsausfalls nicht bestätigt werden. Eine DB aus den im Einspruch angeführten Depressionen konnte aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht festgestellt werden."

Diese Gutachten wurden dem - durch einen Rechtsanwalt vertretenen - Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelt; dieser gab die am 26. Juni 2000 bei der belangten Behörde eingelangte Erklärung ab, keine Stellungnahme abzugeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juli 2000 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG i.V.m.

§ 82 Abs. 1 HVG bestätigt.

Der angefochtene Bescheid wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen mit den Hinweisen auf die eingeholten Gutachten begründet und insbesondere folgende Einschätzung der M.d.E. vorgenommen:

     "22. April bis 30. November 1999

     1.)        geringe Bewegungseinschränkung nach operierter

Schulterluxation rechts (Gebrauchsarm)

        I/c/28        10 v.H.        1/1        10 v.H.

mittlerer Rahmensatz, da nur mehr geringe funktionelle Einschränkung.

     2.)        sensomotorisches Defizit des Nervus radialis rechts

        g. Z. IV/i/468        10 v.H.        1/1        10 v.H.

     3.)        Blande OP-Narbe rechte Schulter

        IX/c/702

        Tab. Z. 1 li.        0 v.H.        1/1        0 v.H.

     ab 1. Dezember 1999

     1.)        geringe Bewegungseinschränkung nach operierter

Schulterluxation rechts (Gebrauchsarm)

        I/c/28        10 v.H.        1/1        10 v.H.

mittlerer Rahmensatz, da nur geringe funktionelle Einschränkung

die lediglich die Rotation betrifft.

     2.)        sensibles Defizit des Nervus radialis rechts

        g. Z. IV/i/467        0 v.H.        1/1        0 v.H.

unterer Rahmensatz, da geringe Störung.

     3.)        Blande OP-Narbe rechte Schulter

        IX/c/702

        Tab. Z. 1 li.        0 v.H.        1/1        0 v.H."

Ab dem 22. April 1999 sei eine Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 20 v.H. festzusetzen, weil eine additive Wertung berechtigt sei. Ab 1. Dezember 1999 liege nur mehr eine M.d.E. von 10 v.H. vor. Die Gutachten seien als schlüssig erkannt worden und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Es bestehe kein Anspruch auf Beschädigtenrente, weil die M.d.E. infolge der Dienstbeschädigung nicht über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung hinaus "mehr als 25 v.H. betragen" habe und ab 22. April 1999 weniger als 25 v.H. betrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er davon hätte ausgehen können, dass im Zuge der für den 5. Juli 2000 angesetzten mündlichen Verhandlung eine genaue Erörterung der seiner Meinung nach nicht hinreichenden Gutachten erfolge würde. Demgegenüber sei jedoch die mündliche Verhandlung unter Ausschluss der Parteienöffentlichkeit abgeführt worden. Darüber hinaus sei der Entscheidung ein unvollständiger Akt zu Grunde gelegt worden, weil "das Endgutachten zur ärztlichen Meldung" dem Akt erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides angefügt worden sei. Das Gutachten der Dr. K enthalte lediglich einen versteckten Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer offensichtlich infolge der Verletzung seinen Gebrauchsarm nicht mehr einsetzen könne, weil er seit der Operation linkshändig arbeite bzw. offensichtlich schreibe. Es seien keinerlei Belastungsproben oder genaue Messungen der Beweglichkeit durchgeführt worden, das Gutachten sei nicht schlüssig. Im Zeitpunkt der Untersuchung sei eine Bewegungseinschränkung, Schmerzen sowie Rotationseinschränkung festgestellt worden, und die Fixation der Schulter sei mit drei "Mytek-Ankern" erforderlich gewesen. Dem Beschwerdeführer sei als Maurer die vollinhaltliche Ausführung seines Berufes nicht mehr möglich, zumal er Verputzarbeiten und gleichartige Tätigkeiten sowie das Heben von Gewichten (Ziegelblöcken etc.) nicht mehr schmerzfrei durchführen könne.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 Heeresversorgungsgesetz, BGBl. Nr. 27/1964, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 687/1991 - HVG, hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung (§ 2) hinaus um mindestens 25 vH vermindert ist; die Beschädigtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 vH. Unter Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des Abs. 1 ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen, die durch Verordnung des zuständigen Bundesministers im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landesverteidigung nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates durch Verordnung aufzustellen sind.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965 über die Richtsätze für die Einschätzung der M.d.E. nach den Vorschriften des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 151, sind bei der Einschätzung gemäß § 21 Abs. 1 HVG die Richtsätze der Anlage zur Verordnung des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, anzuwenden.

§ 2 der genannten Verordnung lautet:

"§ 2. (1) Bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit dürfen weder die festen Sätze noch die Rahmensätze unterschritten oder überschritten werden. Soweit in der Anlage nicht anderes bestimmt ist, hat sich die Festsetzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb eines Rahmensatzes nach der Schwere des Leidenszustandes zu richten, für den der Rahmensatz aufgestellt ist. Das Ergebnis einer Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen.

(2) Sofern für ein Leiden mehrere nach dessen Schwere abgestufte Richtsätze festgesetzt sind, kann die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit auch in einem Hundertsatze festgestellt werden, der zwischen diesen Stufen liegt. Diesfalls ist das Ergebnis der Einschätzung im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen."

In Abschnitt I lit. c der angeführten Anlage ist u.a. Folgendes vorgesehen:

             "MdE. in

        Hundertsätzen

             Gebrauchsarm        Gegenarm

     c)        Schultergürtel und obere Extremitäten:

     Schultergelenk:

     26.        Völlig versteift in günstiger

Stellung ................................................

40        30

     27.        Völlig versteift in ungünstiger

Stellung ................................................

50-60        40-50

     28.        Geringgradige Bewegungsbehinderung        0-20

   0-10

     29.        Höhergradige Bewegungsbehinderung        30-50

   20-40

     30.        Luxation nicht eingerenkt .....................

    50        40

     31.        Luxation operiert bei

funktionstüchtigem Arm .......................        20        20

     32.        Luxation habituell bei

objektivierbaren Veränderungen

infolge häufiger Luxationen ..................        40        30

     33.        Schlottergelenk

......................................        50        40"

Treffen mehrere Leiden zusammen, dann ist gemäß § 3 der Verordnung BGBl. Nr. 151/1965 bei der Einschätzung der M.d.E. zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste M.d.E. verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 2 HVG zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der M.d.E. rechtfertigt.

Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren der durch die Sachverständigen im Berufungsverfahren erfolgten Begutachtung zwar nicht entgegen getreten. Auch konnte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht darauf vertrauen, dass er seine Argumente bei einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde werde geltend machen können. Die zwingende Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nämlich weder nach dem HVG, noch nach dem AVG vorgesehen. Soweit im angefochtenen Bescheid von einer "am 5. Juli 2000 unter Ausschluss der Parteiöffentlichkeit durchgeführten Verhandlung gemäß § 89" HVG die Rede ist, handelt es sich dabei in Wahrheit bloß um eine Beratung der belangten Behörde und die Beschlussfassung dieser über den angefochtenen Bescheid.

Der angefochtene Bescheid leidet dennoch an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes:

Unbestritten wurde der Beschwerdeführer nämlich infolge einer in Ausübung seines Präsenzdienstes erlittenen Luxation seines Schultergelenks operiert. Abschnitt I lit. c Z. 31 der oben ausdrucksweise angeführten Richtsatzverordnung sieht für den Fall "Luxation operiert bei funktionstüchtigem Arm" sowohl für den Gebrauchsarm als auch für den Gegenarm den Richtsatz der M.d.E. von 20 v.H. vor, und zwar unabhängig davon, ob mit der operierten Luxation noch Beschwerden oder eine Bewegungsbehinderung verbunden sind. Die von der belangten Behörde befasste Gutachterin sowie - dieser folgend - die belangte Behörde selbst haben somit verkannt, dass im vorliegenden Fall gemäß § 2 i.V.m. Abschnitt I lit. c Z. 31 jedenfalls eine Einstufung der M.d.E. mit 20 v.H. zu erfolgen hatte. Weder die Gutachterin noch die belangte Behörde haben sich weiters in Folge Verkennung dieser Rechtslage damit auseinander gesetzt, ob davon ausgehend angesichts einer gemäß Abschnitt I lit. c Z. 28 zu erfolgenden Einstufung ("Geringgradige Bewegungsbehinderung" des Schultergelenks) und einer daraus resultierenden M.d.E. mit 10 v.H. im Grunde des § 3 erster und zweiter Satz der Verordnung BGBl. Nr. 151/1965 eine Einschätzung der gesamten Minderung der Erwerbsfähigkeit doch mit 25 v.H. oder darüber gerechtfertigt gewesen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, dass die Umsatzsteuer in den in der angeführten Verordnung enthaltenen Pauschbeträgen bereits enthalten ist und weiters darauf, dass der Beschwerdeführer von der Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG infolge des § 68 Abs. 2 HVG befreit war.

Wien, am 18. April 2002

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Unmittelbarkeitsprinzip Gegenüberstellungsanspruch Fragerecht der Parteien VwRallg10/1/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000090162.X00

Im RIS seit

24.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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