TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/18 2000/01/0363

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Veröffentlicht am 18.04.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
StbG 1985 §10a idF 1998/I/124;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des E K N in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Juli 2000, Zl. 2-11.N/170- 99/9, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. Juli 2000 wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Ghanas, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10a und 11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) iVm § 39 leg. cit. ab.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 2. Dezember 1991 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt und seit 17. Jänner 1998 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Mit Eingabe vom 22. Juli 1999 habe er um Verleihung der Staatsbürgerschaft angesucht, worauf er gemäß § 11a StbG einen Rechtsanspruch habe. Trotz dieses Rechtsanspruches müssten die allgemeinen Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 StbG erfüllt sein. Weiters seien nach § 10a StbG unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache Voraussetzung jeglicher Verleihung.

Wie anlässlich mehrerer persönlicher Vorsprachen des Beschwerdeführers festgestellt worden sei, seien seine Deutschkenntnisse äußerst mangelhaft, obwohl er sich bereits seit Dezember 1991 in Österreich aufhalte. Auch die Bundespolizeidirektion Graz habe in ihrer Stellungnahme mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache nur mäßig beherrschte. Zur Wahrung des Parteiengehörs sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. März 2000 Gelegenheit geboten worden, zum vorliegenden Sachverhalt eine Stellungnahme abzugeben. In der Stellungnahme vom 12. April 2000 werde im Wesentlichen ausgeführt, dass er der deutschen Sprache ausreichend mächtig und eine Verständigung mit ihm einwandfrei möglich wäre. Auch hätte er im Jahre 1993 einen Deutschkurs besucht.

Hiezu werde Folgendes festgestellt: Es sei mehrmals bei Vorsprachen des Beschwerdeführers festgestellt worden, dass er trotz des über achtjährigen ununterbrochenen Inlandswohnsitzes nur über äußerst mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. Er habe eine äußerst schlechte Aussprache und habe teilweise in englischer Sprache geantwortet. Es sei auch nicht ausschlaggebend, ob ein Deutschkurs absolviert worden sei, sondern ob die Deutschkenntnisse tatsächlich ausreichend seien.

Da die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers noch mangelhaft seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Beschwerdeführer das Verleihungserfordernis des § 10a StbG erfüllt. Zur Auslegung dieser Bestimmung sei zunächst gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0018, verwiesen.

Die belangte Behörde gelangte auf Grund mehrmaliger Vorsprachen des Beschwerdeführers zur Feststellung, dass er nur über äußerst mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. Er habe eine äußerst schlechte Aussprache und antworte teilweise in englischer Sprache. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, dass er keinesfalls mehrmals bei der belangten Behörde vorgesprochen habe und sieht in der Begründung des angefochtenen Bescheides eine bloße Formalbegründung, die den Erfordernissen der §§ 58 und 60 AVG nicht gerecht werden könne, zumal dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen sei, von welchen konkreten Feststellungen die Behörde ausgehe, um zur abschlägigen Entscheidung zu gelangen. Damit zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Abgesehen davon, dass im angefochtenen Bescheid - entgegen § 60 AVG - die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere die von der belangten Behörde zu Grunde gelegten mehrmaligen Vorsprachen des Beschwerdeführers und seine dabei abgegebenen Äußerungen, auf die die belangte Behörde ihre Beurteilung gründete, nicht nachvollziehbar dargestellt sind, ist den vorgelegten Verwaltungsakten lediglich ein "Vermerk" vom 20. März 2000 betreffend "Überprüfung der Deutschkenntnisse" des Beschwerdeführers zu entnehmen, in dem Fragen und Antworten (offenbar des Beschwerdeführers) zu persönlichen Verhältnissen (offensichtlich des Beschwerdeführers) festgehalten sind. Im Übrigen ist den vorgelegten Verwaltungsakten kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer weitere Male persönlich bei der belangten Behörde vorgesprochen hätte. Betreffend seine strittigen Deutschkenntnisse führt die Bundespolizeidirektion Graz in ihrem Erhebungsbericht vom 27. September 1999 weiters aus, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache "nur mäßig" beherrsche.

Damit entzieht sich jedoch der angefochtene Bescheid einer nachprüfenden Kontrolle, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde letztlich zum Schluss gelangte, der Beschwerdeführer verfüge nur über äußerst mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache, zumal die belangte Behörde einerseits den erwähnten "Vermerk" vom 20. März 2000 im angefochtenen Bescheid nicht wiedergibt und andererseits auch nicht darlegt, inwiefern sie den Erhebungsbericht der Bundespolizeidirektion Graz in ihre Feststellungen einfließen ließ. An diesem Mangel vermag auch die in der Gegenschrift nachgetragene Wiedergabe und der darin aufgenommene Hinweis auf weitere Vorsprachen des Beschwerdeführers am 22. Juli und am 7. September 1999 nichts zu ändern, weil die Nachholung einer Begründung nicht die der Behörde obliegende Verpflichtung ersetzt, der Partei Gehör zu gewähren und den Bescheid zu begründen (vgl. die in Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 607 wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die in diesem Zusammenhang erwähnte Vorgangsweise, die Prüfung der Deutschkenntnisse so unauffällig vorzunehmen, dass es der Beschwerdeführer gar nicht merkt, entspricht jedenfalls insoweit, als ihm im Vorhalt vom 27. März 2000 die konkrete Grundlage für das negative Kalkül nicht offen gelegt wurde, nicht dem Gesetz.

Die belangte Behörde hätte sich nicht mit der bloßen Feststellung äußerst mangelhafter Kenntnisse der deutschen Sprache des Beschwerdeführers begnügen dürfen, sondern im angefochtenen Bescheid die Grundlagen ihrer diesbezüglichen Feststellung (insbesondere auch durch Wiedergabe des Inhaltes der Vorsprachen am 22. Juli und 7. September 1999) nachvollziehbar darlegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0277) und die festgestellten Deutschkenntnisse dahingehend in Relation zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers setzen müssen, ob ihm innerhalb seines sozialen Umfeldes eine Verständigung in deutscher Sprache möglich ist. Indem die belangte Behörde dies unterlassen hat, entbehrt ihr Bescheid einer nachvollziehbaren Begründung, weshalb er mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet ist und daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001; die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 18. April 2002

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid" Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere Rechtsgebiete Besondere Rechtsgebiete Diverses Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000010363.X00

Im RIS seit

08.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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