TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/24 2001/16/0604

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Veröffentlicht am 24.04.2002
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Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §72 Abs4;
AVG;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs5;
GdO OÖ 1990 §109 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der Gemeinde K, vertreten durch Dr. Thomas Watzenböck und Dr. Christa Watzenböck, Rechtsanwälte in Kremsmünster, Hauptstraße 21, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Oktober 2001, Zl. Gem-523449/4-2/001-Keh/Pü, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Getränkesteuerangelegenheit der mitbeteiligten Partei W K in S, vertreten durch Ganzert, Ganzert & Partner, Rechtsanwälte in Wels, Dr. Koss-Straße 1, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Gemeinderates der Beschwerdeführerin vom 15. Mai 2001 wurde über die Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 7. November 2000 abweislich entschieden. Der Berufungsbescheid wurde am 18. Mai 2001 im Wege einer Ersatzzustellung an die Gattin des Mitbeteiligten ausgefolgt, wobei der Rückschein von ihr mit "Th. K" unterfertigt wurde.

Dagegen gab der Mitbeteiligte eine mit 1. Juni 2001 datierte Vorstellung am 5. Juni 2001 zur Post, die am 6. Juni 2001 bei der Beschwerdeführerin einlangte.

Mit Note vom 25. Juni 2001 legte die Beschwerdeführerin die Vorstellung an die belangte Behörde mit dem Hinweis vor, sie sei verspätet.

Daraufhin forderte die belangte Behörde den Mitbeteiligten mit Note vom 3. Juli 2001 unter Hinweis darauf, dass die Vorstellung ausgehend vom Zustelldatum 18. Mai 2001 als verspätet erscheine, zur Stellungnahme binnen vier Wochen auf.

Der Mitbeteiligte äußerte sich dazu in einer mit 16. Juli datierten, bei der belangten Behörde am 20. Juli 2001 eingelangten Eingabe wie folgt:

"Parteiengehör zu Ihrem Schreiben vom 3. Juli 2001, betreffend Vorstellung - Getränkesteuerbescheid Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Da ich mich vom 18. Mai bis 25. Mai 2001 nachweislich in Moravce befand, wurde das Schriftstück von meiner Gattin übernommen und nicht geöffnet. Meine Gattin ist mit der Betriebsführung nicht betraut, daher wurde der Brief mir am 26. Mai 2001 übergeben. Ich habe dann umgehend die Abfassung und Einreichung der Vorstellung veranlasst.

Bei dem in der Berufung angeführten Zustelldatum, handelt es sich um das Datum laut Aussage meiner Gattin, wenn es sich tatsächlich um einen anderen Tag handeln soll, muss dies akzeptiert werden.

Meine Gattin stellte mir den Brief am 26. Mai zu, daher erfolgte die Einreichung der Vorstellung fristgerecht.

Sollte die Aufsichtsbehörde diesen Standpunkt nicht teilen, beantrage ich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Da ich durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis gehindert war, die Frist einzuhalten und mich kein Verschulden am Versäumnis der Frist trifft, bitte ich dies zu akzeptieren.

Als Beweis lege ich eine Kopie meiner Zimmerrechnung bei. Dass meine Gattin nicht mit der Betriebsführung betraut ist, sondern nur als Kellnerin tätig ist, geht aus dem beigelegten Lohnzettel hervor."

Mit Note vom 23. Juli 2001 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme auf, wobei sie ankündigte, auf Grund der Hotelrechnung für bescheinigt zu erachten, dass der Mitbeteiligte vom 18. bis 25. Mai 2001 ortsabwesend gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin sprach sich in ihrer Stellungnahme vom 4. September 2001 dagegen aus, wobei sie ins Treffen führte, der Mitbeteiligte könne ohne weiteres am 18. Mai 2001 erst nach der erfolgten Ersatzzustellung verreist sein. Die Vorstellung sei bezeichnenderweise mit 1. Juni 2001 datiert, also offenbar rechtzeitig verfasst, allerdings erst am 5. Juni 2001 und damit verspätet zur Post gegeben worden.

Diese Stellungnahme der Beschwerdeführerin wurde seitens der belangten Behörde wiederum dem Mitbeteiligten mit Note vom 19. September 2001 zur Kenntnis gebracht, worauf dieser mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2001 (Postaufgabe 10. Oktober 2001) eine Stellungnahme erstattete, in der er sein Vorbringen, den Brief erst nach seiner Rückkehr aus Slowenien am 26. Mai 2001 von seiner Gattin übergeben erhalten zu haben, wiederholte und abschließend folgenden Antrag formulierte:

"Es liegen aufgrund der gegebenen tatsächlichen Situation die Voraussetzungen vor, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Versäumung der Vorstellungsfrist zu bewilligen.

Gleichzeitig wird auch der Inhalt der Vorstellung vom 1. Juni 2001 zum Inhalt dieser Eingabe erhoben und aus ökonomischen Gründen nicht nochmals wiederholt.

Herr W K stellt daher den Antrag

ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellung der Frist zur Erhebung der Vorstellung zu bewilligen und über die von ihm erhobene Vorstellung zu entscheiden."

Daraufhin fällte die belangte Behörde folgenden Spruch:

"Dem Antrag vom 9. Oktober 2001 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Einbringung der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde K vom 15. Mai 2001 wird stattgegeben."

Die belangte Behörde billigte dabei in der Begründung ihrer Entscheidung dem Mitbeteiligten zu, dass für ihn die Zustellung erst durch Übergabe des Briefes seitens seiner Gattin erfolgt sei; sofern die "rechtswirksame Zustellung" aber schon am 18. Mai 2001 erfolgt wäre, sei der Gattin des Beschwerdeführers eine entschuldbare Fehlleistung zuzugestehen, weshalb die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung erfüllt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die (auf Grund eines Gemeinderatesbeschlusses vom 13. November 2001 erhobene) Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Gemeinde K wegen "unrichtiger Anwendung des § 71 AVG" und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich insoweit in ihren Rechten verletzt, als "zufolge der gewährten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein rechtskräftig erledigter Rückzahlungsantrag wieder aufleben könnte".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird. Die belangte Behörde verteidigt in ihrer Gegenschrift die bewilligte Wiedereinsetzung, wobei sie hervorhebt, das Vorbringen des Mitbeteiligten, den Bescheid erst von seiner Gattin erhalten zu haben, sei als glaubwürdig anzusehen. Der Mitbeteiligte macht in seiner Gegenschrift geltend, die Beschwerdeführerin sei durch den angefochtenen Bescheid gar nicht in ihren Rechten verletzt und verweist darauf, schon im Wege seiner Eingabe vom 16. Juli 2001 einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt zu haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Vorstellungsverfahren sind grundsätzlich die Vorschriften des AVG anzuwenden (vgl. Walter/Mayer Verwaltungsverfahren7 Rz 561). Auf das Verfahren vor den Gemeindeaufsichtsbehörden im Land Oberösterreich ist im Vorstellungsverfahren auch in Abgabenangelegenheiten das AVG anzuwenden (§ 109 Abs. 1 OÖ GAO; hg. Erkenntnis vom 19. September 2001, Zl. 2001/16/0439). Die Vorstellungsfrist beträgt zwei Wochen (Walter/Mayer a.a.O. Rz 555 mwN).

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG beträgt die Frist für einen Wiedereinsetzungsantrag zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses.

Gemäß § 72 Abs. 4 zweiter Satz AVG ist gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung kein Rechtsmittel zulässig.

Wer allerdings durch eine bewilligte Wiedereinsetzung in seinen Rechten verletzt wird (z.B. eine Gemeinde durch die von der Aufsichtsbehörde bewilligte Wiedereinsetzung), ist zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung berechtigt (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch5 unter E 6 zu § 72 AVG referierte hg. Judikatur). Die offenbar gegenteilige Ansicht des Mitbeteiligten wird nicht geteilt.

Kern des Vorbringens der Beschwerdeführerin ist der Hinweis darauf, dass der Mitbeteiligte bereits im Wege des Schreibens der belangten Behörde vom 3. Juli 2001 auf die Verspätung seiner Vorstellung hingewiesen worden sei.

Damit ist die Beschwerdeführerin im Recht. Da der Wiedereinsetzungsantrag des Mitbeteiligten vom 9. Oktober 2001 mit Rücksicht auf den Vorhalt der belangten Behörde vom 3. Juli 2001 und die Zwei-Wochen-Frist des § 71 Abs. 2 AVG evident verspätet war, durfte die belangte Behörde jedenfalls auf Grund dieses Antrages die Wiedereinsetzung nicht bewilligen. Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG), weil die Beschwerdeführerin (die aus dem vom Mitbeteiligten bekämpften Berufungsbescheid Rechte ableitet) dadurch, dass die Aufsichtsbehörde dem Mitbeteiligten auf Grund eines verspäteten Antrages die Wiedereinsetzung bewilligte, in ihren Rechten verletzt wurde.

Für das fortzusetzende Verfahren wird aus prozessökonomischen Gründen Folgendes bemerkt:

Alle Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens scheinen bisher übersehen zu haben, dass gemäß § 16 Abs. 1 ZustG eine Ersatzzustellung nur unter der Voraussetzung wirksam ist, dass sich der Empfänger (im Beschwerdefall der Mitbeteiligte) regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Das ist aber nach ständiger hg. Judikatur z.B. dann nicht der Fall, wenn sich der Empfänger auf Reisen befindet (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf a. a.O. 1246 E 4a zu § 16 ZustG referierte hg. Judikatur).

Gemäß § 7 ZustG gilt eine Zustellung, bei der Mängel unterlaufen, in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger) tatsächlich zugekommen ist.

Sollte sich bewahrheiten, dass der Mitbeteiligte schon vor der am 18. Mai 2000 erfolgten Ersatzzustellung verreist und damit die Ersatzzustellung unwirksam war, dann hat er nach seinem von der belangten Behörde für bescheinigt erachteten Vorbringen nach seiner Rückkehr an die Abgabestelle am 26. Mai 2001 das an seine Gattin ausgefolgte Schriftstück von dieser übergeben erhalten. An diesem Tag wäre dann eine Heilung des Zustellmangels gemäß § 7 ZustG eingetreten (vgl. dazu insb. die bei Hauer/Leukauf a. a.O. 1247 unter E 4d zu § 16 ZustG referierte hg. Judikatur). Ausgehend von einer am 26. Mai 2001 wirksam gewordenen Zustellung würde sich aber die am 5. Juni 2001 zur Post gegebene Vorstellung von vornherein als rechtzeitig und damit auch der - im Übrigen bei einer nicht zuständigen Behörde eingebrachte und bisher unerledigte - Wiedereinsetzungsantrag des Mitbeteiligten vom 16. Juli 2001 als überflüssig erweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. April 2002

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001160604.X00

Im RIS seit

22.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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