TE Vfgh Beschluss 2007/12/7 G18/07

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Veröffentlicht am 07.12.2007
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Index

96 Straßenbau
96/02 Sonstiges

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Bundesstraßen-MautG 2002 §6, §9 Abs2 Z2
ZPO §245, §408

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags eines Inhabers eines Wohnmobilsauf Aufhebung von Bestimmungen des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002betreffend die fahrleistungsabhängige Maut für mehrspurigeKraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von über3,5 Tonnen bzw den Mauttarif für dreiachsige Fahrzeuge wegenzumutbaren Umwegs über ein gerichtliches Verfahren zur Rückforderungder als ungerechtfertigt angesehenen Mauttarife

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit seinem auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter die Aufhebung des §6 erster Satz sowie des §9 Abs2 Z2 des Bundesgesetzes über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 - BStMG), BGBl. I 109 idF BGBl. I 26/2006.

2.1. Zur Antragslegitimation wird insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Der Antragsteller ist seit 02. Jänner 2004 Zulassungsbesitzer des dreiachsigen Personenkraftwagens M1 (Wohnmobil) Marke Fiat, Handelsbezeichnung Flair 6700 i TA, Type Ducato 244 2,8 JTD (...). Dieses Fahrzeug ist versicherungstechnisch als PKW eingestuft.

... Das Eigengewicht des genannten Fahrzeuges beträgt

4.150 kg, sein höchstes zulässiges Gesamtgewicht beträgt 5.000 kg. Die höchste zulässige Achslast beträgt 2.000 kg für die erste Achse und je 1.500 kg für die zweite und dritte Achse (...).

...

Das genannte Fahrzeug unterliegt gemäß §6 erster Satz BStMG der fahrleistungsabhängigen Maut. Die fahrleistungsabhängige Maut beträgt für dreiachsige Fahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5t gemäß §9 Abs2 Z2 BStMG iVm §1 Mauttarifverordnung, BGBl. II Nr. 406/2002, EUR 0,182 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, somit EUR 0,2184 brutto, pro gefahrenem Kilometer.

Das Fahrzeug wurde durch den Antragsteller, in Entsprechung der sich aus §8 Abs1 BStMG ergebenden Verpflichtung, zwecks Ermöglichung der Einhebung der fahrleistungsabhängigen Maut, mit der GO-Box ... ausgestattet (...). Der Antragsteller bezahlte im Jahre 2004 EUR 943,20, im Jahre 2005 EUR 632,82 und im Jahre 2006 EUR 471,46 an fahrleistungsabhängiger Maut an die ASFINAG (...).

...

Antragsberechtigt ist ein Rechtsträger, an oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (Normadressat). Die angefochtenen Gesetzesstellen richten sich nicht an alle Straßenverkehrsteilnehmer, sondern an eine durch die angefochtene Bestimmung des §6 erster Satz BStMG genau abgegrenzte Gruppe von Verkehrsteilnehmern, nämlich die Lenker und Zulassungsbesitzer von mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5t beträgt. Deren Rechtsposition wird durch die angefochtenen Gesetzesstellen ausschließlich gestaltet. Genau zu dieser Gruppe der Verkehrsteilnehmer zählt der Antragsteller.

...

Die Differenzierung der Mauttarife nach Anzahl der Achsen ist in §9 Abs2 BStMG geregelt. §9 Abs2 Z2 BStMG normiert die Berechnungsweise des Mauttarifs für Kraftfahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit drei Achsen, worunter das auf den Antragsteller zugelassene Wohnmobil zu subsumieren ist (...).

...

Der Antragsteller ist somit Normadressat der angefochtenen Gesetzesstellen. Die angefochtenen Gesetzesstellen sind keine bloßen Preisregelungsbestimmungen, sie greifen in die Rechtssphäre, und nicht bloß in die wirtschaftlichen Interessen, des Antragstellers ein.

Der Antragsteller erachtet sich auch nicht durch die in §1 der Mauttarifverordnung, BGBl. II Nr. 406/2002, enthaltene Preisregelung beschwert, sondern durch den Umstand, dass die angefochtenen Gesetzesstellen Wohnmobile mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5t und Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5t hinsichtlich der Bemautung gleich stellen.

...

Die angefochtenen Normen wurden für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam.

Die angefochtenen Normen greifen nach objektivem Maßstab in die Rechtssphäre des Betroffenen nachteilig ein und verletzen diese.

Der Eingriff ist, legt man den gebotenen objektiven Maßstab an, ein für den Antragsteller nachteiliger: Durch die angefochtenen Bestimmungen werden Wohnmobile mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5t der fahrleistungsabhängigen Maut unterworfen, wodurch der Antragsteller die technischen Voraussetzungen zur Abbuchung der Maut vor Benützung einer Mautstrecke schaffen muss (Installierung der 'GO-Box', zum Preis von EUR 5,-) und anstatt EUR 72,60 für die Einjahres-Vignette, bei einer Fahrleistung von durchschnittlich 5.000 Autobahn-Kilometern pro Jahr mit einem dreiachsigen Wohnmobil EUR 1.092,- bezahlen muss. Zudem unterliegt der Antragsteller einem komplizierten Abrechnungssystem

(...).

...

Dieser Eingriff ist nach Art und Ausmaß durch die angefochtenen Gesetzesstellen selbst eindeutig bestimmt und beeinträchtigt die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell. Dies weil die Behörden durch die angefochtenen Gesetzesstellen nicht ermächtigt werden, rechtskonkretisierende Akte zu setzen und weil die angefochtenen Normen für den Antragsteller mit 01. Juli 2006 (§6 BStMG in der geltenden Fassung) bzw 23. Februar 2006 (§9 Abs2 Z2 BStMG in der geltenden Fassung) bzw in ihrer ursprünglichen, für den Antragsteller ebenso nachteiligen, Fassung gemäß BGBl. I 109/2002 bereits mit 01. Jänner 2003 wirksam wurden (§33 Abs1 BStMG idF BGBl. I 109/2002).

...

Dem Antragsteller steht außer dem gegenständlichen Individualantrag kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des verfassungswidrigen Eingriffs in seine Rechtsposition zur Verfügung.

...

Die Möglichkeit, vorerst den Tarif der fahrleistungsabhängigen Maut zu bezahlen und sodann in einem zivilrechtlichen Verfahren den Differenzbetrag zur zeitabhängigen Maut mittels Leistungsklage zurückzufordern, stellt keine zumutbare Alternative zum gegenständlichen Antrag dar, weil sich der Antragsteller nicht durch die Höhe des Mauttarifes, sondern durch die in den angefochtenen Gesetzesstellen fehlende Differenzierung zwischen Wohnmobilen und Fahrzeugen des gewerblichen Güterkraftverkehrs beschwert erachtet.

...

Wer Verfahrenshandlungen setzt, obwohl er weiß, dass dadurch ein Vertragspartner vermögensmäßige Nachteile erleiden kann, haftet schadenersatzrechtlich, wenn er bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass sein im Prozess vertretener Standpunkt aussichtslos ist.

Somit ist im gegenständlichen Fall nicht nur von bloßer Aussichtslosigkeit der Beschreitung des Zivilrechtsweges auszugehen, sondern besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Beschreitung des Zivilrechtsweges die Verhängung einer Mutwillensstrafe oder eines Entschädigungsbetrages gemäß §408 Abs3 ZPO gegen den Antragsteller sowie Schadenersatzpflicht gegenüber der ASFINAG zur Folge hat.

Dem Antragsteller ist keinesfalls zumutbar, entgegen §245 Abs1 ZPO einen bedingten Zahlungsbefehl zu erwirken bzw entgegen §408 Abs1 ZPO mutwillig Prozess zu führen und dadurch gegenüber der ASFINAG schadenersatzpflichtig zu werden.

...

Darüber hinaus bestünde aufgrund der erheblichen Höhe der fahrleistungsabhängigen Maut - der österreichische Tarif von 13 Cent ohne Umsatzsteuer gemäß §1 Mauttarifverordnung ist der weltweit höchste - eine schwer wiegende, unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung des Antragstellers durch die Vorleistung.

...

Eine durch die ASFINAG gemäß den Kriterien des §11 UStG ausgestellte Rechnung ist kein Kostenbescheid. Mangels Behördeneigenschaft der ASFINAG, diese ist rechtlich bloß als beliehenes Unternehmen zu qualifizieren, kommt die Erlangung eines Feststellungsbescheids nicht in Betracht. Überhaupt ist die bescheidmäßige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig. Eine solche fehlt im BStMG.

Die Erlangung einer Ausnahmegenehmigung ist für den Antragsteller mangels Vorliegen der entsprechenden Tatbestände nach §5 BStMG nicht möglich. Zudem sieht §5 BStMG nur die Möglichkeit einer allgemeinen Ausnahme von der Mautpflicht, nicht jedoch die Möglichkeit einer bloßen Ausnahme von der fahrleistungsabhängigen Maut (der Antragsteller würde sich durch die Verpflichtung zur Entrichtung der zeitabhängigen Maut für Wohnmobile mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5t nicht beschwert erachten) vor.

Somit fehlt es an der gesetzlichen Voraussetzung, in einem Verfahren zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach §5 BStMG einen Bescheid zu erlangen, welcher im Wege der Beschwerde die Einleitung eines Normprüfungsverfahrens ermöglichen würde.

...

Für den Antragsteller besteht aus all diesen Gründen auch keine (zumutbare) Möglichkeit der Bescheiderlangung. Seine Antragslegitimation ist daher gegeben."

2.2. In der Sache behauptet der Antragsteller - mit näherer Begründung - die Unsachlichkeit der Gleichstellung von Wohnmobilen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t und anderen (gewerblich verwendeten) mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 t beträgt, hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung der fahrleistungsabhängigen Maut.

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle den vorliegenden Antrag zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen des BStMG nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von 18 Monaten bestimmen.

II. 1. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 - BStMG), BGBl. I 109 in der vom Individualantrag bezeichneten Fassung BGBl. I 26/2006, lauten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"1. Teil

Mautpflicht auf Bundesstraßen

Mautstrecken

§1. (1) Für die Benützung der Bundesstraßen mit Kraftfahrzeugen ist Maut zu entrichten.

(2) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung Bundesstraßen oder Bundesstraßenstrecken, die den Anforderungen der Artikel 2 lita und 7 Abs2 lita der Richtlinie 1999/62/EG, ABl. Nr. L 187 vom 20. Juli 1999, S 42, nicht entsprechen, von der Mautpflicht auszunehmen, sofern nicht eine Ausnahme gemäß Artikel 7 Abs2 litb dieser Richtlinie zum Tragen kommt.

(3) Mautpflichtige Bundesstraßen (Mautstrecken) sind deutlich und rechtzeitig als solche zu kennzeichnen.

Arten der Mauteinhebung

§2. Die Maut ist entweder für zurückgelegte Fahrstrecken (fahrleistungsabhängige Maut) oder für bestimmte Zeiträume (zeitabhängige Maut) zu entrichten.

Mautgläubiger

§3. Mautgläubiger ist der Bund oder, soweit ihr von diesem das Recht der Fruchtnießung eingeräumt wurde, die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft.

Mautschuldner

§4. Mautschuldner sind der Kraftfahrzeuglenker und der Zulassungsbesitzer. Mehrere Mautschuldner haften zur ungeteilten Hand.

2. Teil

Fahrleistungsabhängige Maut

Mautpflicht

§6. Die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, unterliegt der fahrleistungsabhängigen Maut. Mehrspurige Kraftfahrzeuge, die noch nie zum Verkehr zugelassen waren und ein Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen führen, unterliegen der fahrleistungsabhängigen Maut, sofern ihr Eigengewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt.

Mautentrichtung

§7. (1) Die Maut ist durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft hat zur Mautabwicklung eine in Artikel 2 der Richtlinie 2004/52/EG genannte Technik zu nutzen.

(2) Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft kann andere Formen der Mautentrichtung zulassen und für Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut einen angemessenen Kostenersatz fordern, der mit dem Diskriminierungsverbot des Artikels 7 Abs4 der Richtlinie 1999/62/EG vereinbar ist.

(3) Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft hat nach Maßgabe der Artikel 3 und 4 sowie des Anhanges der Richtlinie 2004/52/EG den europäischen elektronischen Mautdienst anzubieten.

(4) Die näheren Bestimmungen über Geräte, deren Zulassung und Einsatz, über Abbuchung, Verrechnung und andere Formen der Mautentrichtung sowie über den europäischen elektronischen Mautdienst sind in der Mautordnung zu treffen.

(5) Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft hat dafür Sorge zu tragen, dass die Kraftfahrzeuglenker ihre Fahrzeuge vor der Benützung von Mautstrecken mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut ausstatten können.

Pflichten der Fahrzeuglenker

§8. (1) Soweit Lenker nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, haben sie vor der Benützung von Mautstrecken ihr Fahrzeug mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten.

(2) Sie haben sich bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden.

(3) Die näheren Bestimmungen über die Überprüfung der Geräte und die Pflichten im Fall von Funktionsstörungen sind in der Mautordnung zu treffen.

Mauttarife

§9. (1) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie setzt im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen den Grundkilometertarif für Kraftfahrzeuge mit zwei Achsen für die fahrleistungsabhängige Maut durch Verordnung fest. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft hat entsprechende Vorschläge zu erstellen.

(2) Die Mauttarife sind nach der Anzahl der Achsen der Kraftfahrzeuge und der von diesen gezogenen Anhänger unabhängig vom höchsten zulässigen Gesamtgewicht des Anhängers nach folgendem Verhältnis zu differenzieren:

1. Kraftfahrzeuge mit zwei Achsen: 100 vH;

2.

Kraftfahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit drei Achsen: 140 vH;

3.

Kraftfahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit vier und mehr Achsen: 210 vH.

(3) Achsen sind unabhängig vom Radstand alle Aufhängungen von Rädern, die im Wesentlichen symmetrisch zur Längsmittelebene des Fahrzeuges liegen. Stützachsen gelten nicht als Achsen. Achsen von Anhängern, die von Omnibussen gezogen werden, sind bei der Ermittlung der Achsenzahl nicht zu berücksichtigen.

(4) Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft legt in der Mautordnung die Mautabschnitte und die Mautabschnittstarife fest. Der Berechnung der Mautabschnittstarife sind der Grundkilometertarif, die in Abs2 angeführten Verhältniszahlen und die auf den Hauptfahrbahnen des Mautabschnitts zurückzulegenden Wegstrecken zu Grunde zu legen. Die Beträge sind kaufmännisch auf volle zehn Cent zu runden, wobei der Mindesttarif unabhängig von der Länge des Mautabschnittes jedenfalls zehn Cent zu betragen hat.

(5) Die Mauttarife können im Interesse der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, des Schutzes der Nachbarn und der Umweltverträglichkeit nach dem Zeitpunkt der Straßenbenützung differenziert werden. Auch Differenzierungen für einzelne Mautabschnitte oder Fahrzeugkategorien sind zulässig.

(6) Für Mautabschnitte, die in §10 Abs2 genannt sind oder deren Herstellung, Erweiterung und bauliche und betriebliche Erhaltung überdurchschnittliche Kosten verursachen, kann der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung höhere Mautabschnittstarife festsetzen.

(7) Die Mauttarife haben den Bestimmungen des Artikels 7 Abs9 und 10 der Richtlinie 1999/62/EG zu entsprechen.

3. Teil

Zeitabhängige Maut

Mautpflicht

§10. (1) Die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, unterliegt der zeitabhängigen Maut.

(2) Von der Pflicht zur Entrichtung der zeitabhängigen Maut sind ausgenommen:

1.

A 9 Pyhrn Autobahn in den Abschnitten zwischen der Anschlussstelle Spital/Pyhrn und der Anschlussstelle Ardning und zwischen der Anschlussstelle St. Michael und Anschlussstelle Übelbach,

2.

A 10 Tauern Autobahn im Abschnitt zwischen der Anschlussstelle Flachau und der Anschlussstelle Rennweg,

3.

A 11 Karawanken Autobahn im Abschnitt zwischen der Anschlussstelle St. Jakob im Rosental und der Staatsgrenze im Karawankentunnel,

              4.              A 13 Brenner Autobahn,

5.

S 16 Arlberg Schnellstraße im Abschnitt zwischen der Anschlussstelle St. Anton und der Anschlussstelle Langen.

(3) Mehrspurige Fahrzeuge, die noch nie zum Verkehr zugelassen waren und ein Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen führen, unterliegen der zeitabhängigen Maut, sofern ihr Eigengewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt. Kraftfahrzeuge mit drei Rädern gelten als mehrspurige Kraftfahrzeuge.

(4) Für Anhänger, die von mehrspurigen Kraftfahrzeugen gezogen werden, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, und für Beiwagen einspuriger Kraftfahrzeuge ist keine zeitabhängige Maut zu entrichten.

6. Teil

Strafbestimmungen

Mautprellerei

§20. (1) Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach §10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, begehen eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 € bis zu 4000 € zu bestrafen.

(2) Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach §6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, begehen eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 € bis zu 4000 € zu bestrafen.

(3) Taten gemäß Abs1 und 2 werden straflos, wenn der Mautschuldner fristgerecht die in der Mautordnung festgesetzte Ersatzmaut zahlt.

Haftung für Geldstrafen und Verfahrenskosten

§23. (1) Zulassungsbesitzer haften für die über die Lenker ihres Fahrzeugs wegen Übertretung des §20 Abs2 verhängten Geldstrafen und für die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand, wenn sie dem Lenker das Fahrzeug selbst oder über Dritte überlassen haben.

(2) Zulassungsbesitzer haben im Strafverfahren gegen den Lenker keine Parteistellung; ein gegen den Lenker ergangener Strafbescheid hat für sie keine bindende Wirkung."

2. §1 der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über die Festsetzung der Tarife der fahrleistungsabhängigen Maut für mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt (Mauttarifverordnung), BGBl. II 406/2002 idF BGBl. II 140/2007, lautet wie folgt:

"§1. Der Grundkilometertarif für Kraftfahrzeuge mit zwei Achsen beträgt 15,5 Cent ohne Umsatzsteuer."

III. Der Antrag ist nicht zulässig.

1.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

Der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf ist dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. dazu etwa VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).

1.2. Ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit genereller Normen ist grundsätzlich dann gegeben, wenn vom Antragsteller ein gerichtliches Verfahren anhängig gemacht werden kann, das ihm Gelegenheit bietet, die von ihm gehegten Bedenken gegen die angewendeten Rechtsvorschriften vorzubringen und anzuregen, dass beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsantrag gestellt wird.

2.1. Ein solcher zumutbarer Weg steht dem Antragsteller offen:

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Beschluss VfSlg. 17.676/2005 dargelegt hat, wäre es dem Antragsteller nämlich durchaus zumutbar, - vorerst - die von ihm als ungerechtfertigt angesehenen Mauttarife zu entrichten und sodann in einem zivilrechtlichen Verfahren jene Beträge zurückzufordern, die sich aus der Differenz zwischen den gemäß §9 Abs2 Z2 BStMG iVm §1 der Mauttarifverordnung festgesetzten Mauttarifen und den unter Anwendung der Bestimmungen über die zeitabhängige Maut gemäß §§10 ff. BStMG iVm der Vignettenpreisverordnung ermittelten Tarifen ergeben würden. Ebenso könnte die Klage des Antragstellers aber auf die Rückforderung der gesamten bereits entrichteten Mauttarife abzielen. Im Zuge eines solchen Verfahrens könnte der Antragsteller die Anfechtung der von ihm - aufgrund der mangelnden Differenzierung zwischen Wohnmobilen und Fahrzeugen des gewerblichen Güterkraftverkehrs - als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen des BStMG durch ein (zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenes) Gericht anregen.

Dem Vorbringen des Antragstellers, wonach er mit dem Einbringen einer Mahnklage die Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß §245 ZPO riskieren würde, ist entgegenzuhalten, dass dies nur dann in Betracht käme, wenn die Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls über eine Forderung durch unrichtige oder unvollständige Angaben in der Klage erschlichen würde. Ebenso wenig vermag der Einwand des Antragstellers zu überzeugen, dass er gemäß §408 ZPO wegen mutwilliger Prozessführung zur Leistung eines Entschädigungsbetrages verurteilt werden könnte (vgl. etwa Rohregger, Art140 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 194 [2003]).

2.2. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass eine solche (Vor-)Leistung eine derartige Belastung mit sich bringen würde, dass sie den Antragsteller schwerwiegend wirtschaftlich beeinträchtigen würde, zumal er selbst ausführt, dass er die fahrleistungsabhängige Maut (iHv je € 943,20, € 632,82 und € 471,46) in den Jahren 2004 bis 2006 ordnungsgemäß entrichtet hat.

Der Antrag war daher schon deshalb zurückzuweisen.

3. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die angefochtenen Bestimmungen - mangels Einbeziehung des in §1 der Mauttarifverordnung festgesetzten Grundkilometertarifs zur Berechnung der gemäß §9 Abs2 BStMG differenzierten Mauttarife - überhaupt einen unmittelbaren Eingriff in die Rechte des Antragstellers bewirken.

An dieser Beurteilung vermag im Übrigen auch die am 13. November 2007 kundgemachte Novelle BGBl. I 82/2007 nichts zu ändern.

4. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenverwaltung, Mautstraße, Zivilprozeß,Mahnverfahren, Mutwillensstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:G18.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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