TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 99/21/0200

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2002
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FrG 1997 §114 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs7;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36;
FSG 1997;
KFG 1967;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des am 6. Februar 1961 geborenen M, vertreten durch Dr. Heinz Klocker, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Moosmahdstraße 4/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 21. Mai 1999, Zl. Fr-4250a-52/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 12. April 1996 war gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Die dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde war gemäß § 114 Abs. 7 i. V.m. Abs. 4 und § 115 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, im Hinblick auf das Außerkrafttreten dieses Bescheides gemäß § 114 Abs. 4 FrG mit dem hg. Beschluss vom 5. August 1998, Zl. 96/21/0462, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt worden; damit war auch der Bescheid der Behörde erster Instanz außer Kraft getreten.

Mit dem daraufhin im Instanzenzug ergangenen, mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 21. Mai 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 2, 37 und 39 FrG neuerlich ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer habe mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 22. April 1992 wie folgt verurteilt werden müssen: Er habe am 30. April 1991 in L dadurch, dass er als Lenker eines Pkw direkt auf den vor einer Hausmauer stehenden S.S. zugefahren sei, dem Genannten eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt und damit das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB begangen und sei hiefür nach dieser Gesetzesstelle in Anwendung des § 43a Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall zu 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, welche nach § 43 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, verurteilt worden. Der einzelne Tagessatz sei mit S 90,-- bestimmt und die Geldstrafe nicht bedingt nachgesehen worden. Bei der Strafbemessung seien der bis dahin ordentliche Lebenswandel mildernd, hingegen das Imstichlassen des Verletzten nach der Tat sowie die zweifache Qualifizierung der Körperverletzung iSd § 84 Abs. 1 StGB erschwerend gewesen. In Anbetracht der besonderen Gefährlichkeit der gegenständlichen Tathandlung, zu der er sich aus relativ geringfügigem Anlass entschlossen habe, sei es dem Gericht aus spezialpräventiven Gründen notwendig erschienen, einen Teil der Strafe unbedingt auszusprechen.

Weiters sei der Beschwerdeführer am 4. Jänner 1995 vom Gendarmerieposten Langen bei Bregenz bei der Bezirksanwaltschaft Bregenz zur Anzeige gebracht worden, da er seine hochschwangere Freundin K.J. mit den Worten "das Kind kommt nicht lebendig zur Welt - du hast kein Recht, unser gemeinsames Kind auf die Welt zu bringen - du wirst mich ein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen" in Angst und Unruhe versetzt habe. Darüber hinaus sei er wegen Sachbeschädigung sowie Hausfriedensbruches angezeigt worden. Das diesbezügliche Verfahren sei am 17. März 1995 eingestellt worden, da hinsichtlich des Strafverfahrens wegen gefährlicher Drohung der Ankläger von der Anklage zurückgetreten sei.

Im Jahr 1998 habe er über Antrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch festgenommen und in eine Justizanstalt eingeliefert werden müssen, weil er einen Arbeitskollegen gefährlich bedroht habe, diesbezüglich sei ein Strafverfahren noch anhängig.

Ferner sei der Beschwerdeführer wegen 21 Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden. Bei diesen handle es sich zweimal um Geschwindigkeitsverstöße, zweimal um das Lenken eines Fahrzeugs in alkoholisiertem Zustand, eine Vorrangverletzung und die unterlassene Meldung eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden. Bei diesem letztgenannten Vorfall habe er ein Verhalten gesetzt, das geeignet gewesen sei, Ärgernis zu erregen und werde ein derartiger Verstoß daher als eine schwer wiegende Verwaltungsübertretung gewertet.

Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, dass er zum Zeitpunkt der zweiten Bestrafung wegen alkoholisierten Fahrens tatsächlich nicht alkoholisiert gewesen sei, ändere sich insofern nichts an der Bestrafung, als die belangte Behörde an das Vorliegen einer rechtskräftigen Verwaltungsübertretung gebunden sei. Wenn er vorbringe, dass die Bestrafung zu Unrecht erfolgt sei, so hätte er dies im betreffenden Verwaltungsverfahren bekämpfen bzw. nachweisen müssen.

Der Beschwerdeführer bringe weiters vor, dass sein strafbares Verhalten, welches die Grundlage für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in dem vorangegangenen Aufenthaltsverbotsverfahren gewesen sei, nicht als Grundlage für das gegenständliche Aufenthaltsverbot herangezogen werden könne, weil dieses bereits dem ersten gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotsbescheid zu Grunde gelegt und das dagegen beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren eingestellt worden sei. Dem sei entgegenzuhalten, dass die Einstellung durch den Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung erfolgt sei, dass mit 1. Jänner 1998 das neue Fremdengesetz 1997 in Kraft getreten sei, welches nunmehr im Hinblick auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bereits in § 36 Abs. 1 FrG einen Ermessensspielraum vorsehe. Da diese Ermessensausübung im ersten Aufenthaltsverbotsverfahren mangels rechtlicher Erfordernis nicht vorgenommen worden sei, sei die Beschwerde für gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch nicht in der Sache selbst entschieden und somit auch nicht festgestellt, dass die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Tatbestände nicht im Rahmen eines neuerlichen Aufenthaltsverbotsverfahrens geprüft werden dürften. Vielmehr habe die Einstellung des Verfahrens bewirkt, dass das Aufenthaltsverbotsverfahren in das Stadium vor der Bescheiderlassung durch die Behörde erster Instanz zurückgetreten sei und somit die erstinstanzliche Behörde neuerlich zu entscheiden gehabt habe, ob die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot, nunmehr gemessen an den Erfordernissen des neuen Fremdengesetzes 1997, vorliegen würden.

Auf Grund der schwer wiegenden mehrfachen Verwaltungsübertretungen lägen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG vor. Hiebei handle es sich um Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigten, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Bei Betrachtung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers werde diese Annahme noch verstärkt. Auch wenn es sich bei vielen der Verwaltungsübertretungen um solche geringfügiger Natur handle, bringe ihre große Anzahl zum Ausdruck, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Dabei habe ihn nicht einmal die Erlassung des ersten rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes von der Begehung neuerlicher Verwaltungsübertretungen abhalten können.

In weiterer Folge sei zu überprüfen gewesen, ob das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreife. Er halte sich seit 1989 in Österreich auf und sei hier, abgesehen von drei Monaten, durchgehend berufstätig gewesen. Das Lokal, in welchem er tätig gewesen sei, sei derzeit geschlossen, dass er nunmehr einer anderen Beschäftigung nachgehe, bringe er nicht vor. Es befänden sich sowohl seine Ehegattin mit den gemeinsamen drei ehelichen Kindern, als auch seine Freundin mit ihrem gemeinsamen unehelichen Kind in Österreich. Auf Grund des langen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seiner familiären Situation stelle die fremdenpolizeiliche Maßnahme einen gravierenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar.

Ein derartiger Eingriff sei jedoch zulässig, wenn die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei. So sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bereits einmal wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung verurteilt habe werden müssen. Aus dem erwähnten Urteil des Landesgerichts Feldkirch ergebe sich, als Ursache für eine Gewalttätigkeit des Beschwerdeführers habe im Jahr 1991 bereits ausgereicht, dass ihn ein Bekannter während eines Streits am Arm gefasst habe. Er habe ihn mit dem Pkw angefahren, und als er versucht habe, vor dem Fahrzeug davonzulaufen, habe der Beschwerdeführer seine Fahrt in dessen Richtung fortgesetzt und es sei schließlich auch zur Kollision gekommen. Nach dieser Kollision habe er den Retourgang eingelegt und sei vom Tatort geflüchtet, ohne sich weiter um den Verletzten zu kümmern. Das Gericht habe daraus geschlossen, dass der Beschwerdeführer bewusst auf den Bekannten zugefahren und es ihm darauf angekommen sei, diesem eine schwere Körperverletzung zuzufügen. Wegen der Ausweichversuche des Bekannten sei dieser nur am Fuß schwer verletzt worden. Dieses Verhalten zeige, dass der Beschwerdeführer schon auf Grund geringer Anlassfälle eine weit überzogene Reaktion setze. Die Annahme dieser Neigung des Beschwerdeführers werde auch durch die gegen ihn gerichtete Anzeige wegen gefährlicher Drohung, Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung bestätigt. Auch hier sei der Auslöser des diesbezüglichen Verhaltens ein Streit gewesen. Er habe dabei seine hochschwangere Freundin in Angst und Unruhe versetzt und in weiterer Folge das Auto, welches er ihr geliehen hätte, und die Außenscheibe ihrer Eingangstüre beschädigt. Er habe anlässlich seiner Vernehmung ferner zugegeben, anschließend mit einem Zweitschlüssel die Wohnung betreten zu haben. Die in der Wohnung aufgetretenen Beschädigungen habe er bestritten.

Auch wenn dieses Verfahren in der Folge eingestellt worden sei, weil die Betroffene ihre Ermächtigung zur Verfolgung zurückgezogen habe und das Verfahren wegen der Sachbeschädigung wegen "Schadloshaltung" eingestellt worden sei, könne dieser Vorfall bei der Beurteilung der Verhaltensweisen des Beschwerdeführers, zumindest soweit er dieses vor der Gendarmerie selbst zugegeben habe, herangezogen werden. Dieses Verhalten zeige wiederum, dass er zu exzessiven Reaktionen neige und dabei weder vor Sachbeschädigungen, noch vor Angriffen auf Personen zurückschrecke. Selbst wenn in diesem Falle kein körperlicher Angriff auf seine Freundin erfolgt sei, sei trotzdem erschwerend zu berücksichtigen, dass sich diese immerhin bereits im achten Monat einer Schwangerschaft befand. Bei weiterer Berücksichtigung seiner 21 Verwaltungsübertretungen lasse sich somit ein Bild von seinen Verhaltensweisen erstellen, welches keine positive Zukunftsprognose erwarten lasse. Auch wenn seine Freundin in einem Schreiben an die Behörde erster Instanz den Beschwerdeführer und sein Verhalten zu verteidigen versuche, sei diesbezüglich zu berücksichtigen, dass Opfer von Ermächtigungsdelikten sehr oft ihre Ermächtigung zur Verfolgung einer nahe stehenden Person zurückzögen. Ihre Angaben seien jedoch nicht geeignet, wirklich den Schluss zuzulassen, dass sich der Beschwerdeführer in Zukunft anders verhalten werde. Dies auch im Hinblick darauf, dass, wie bereits erwähnt, nicht einmal die Erlassung eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes ihn von neuerlichen Verwaltungsübertretungen und Drohungen gegenüber dritten Personen (Einlieferung in die Justizvollzugsanstalt über Antrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch am 18. Februar 1998 wegen gefährlicher Drohung gegen einen Arbeitskollegen) - ein Strafverfahren sei noch anhängig - abhalten habe können. Es sei daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten, um die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, die Verhinderung strafbarer Handlungen und den Schutz der Gesundheit Anderer zu gewährleisten.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer eine Frau und drei eheliche Kinder, sowie eine Freundin und ein uneheliches Kind in Österreich habe. Wie eng die Beziehung zu diesen Personen tatsächlich sei, könne von der belangten Behörde nicht gesagt werden, da er weder "in der aufgeforderten Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft", noch in seiner Berufung auf seine familiäre Situation näher eingehe. Hinsichtlich der Bewertung der familiären Situation komme es jedoch nicht bloß auf den Verwandtschaftsgrad an, sondern auf die tatsächliche Situation. Auch wenn man von einer gewissen Beziehung zu diesen Personen ausgehe, überwiege das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit Anderer. Aus dem bereits vorhin dargelegten Verhaltensmuster des Beschwerdeführers müsse darauf geschlossen werden, dass dieser bei ähnlichen Situationen, in welchen er erregt werde, weit überzogene Gegenreaktionen setze. Die bereits im ersten Aufenthaltsverbot geltend gemachte "negative Zukunftsprognose" habe der Beschwerdeführer durch vier neue Verwaltungsübertretungen zudem bestätigt, wobei die letzte sogar erst im Jahre 1998 gesetzt worden sei. Wenn jedoch ein Fremder sogar zu einem Zeitpunkt Verwaltungsübertretungen begehe, zu dem gegen ihn ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe und das diesbezügliche Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sei, er somit mit der Außerlandesschaffung rechnen müsse, so könne jedenfalls keine "positive Zukunftsprognose" gestellt werden, sondern müsse er erst über einen längeren Zeitraum beweisen, sich an die österreichischen Gesetze halten zu wollen. Da somit auch weiterhin mit Verstößen gegen die Rechtsordnung gerechnet werden müsse, sei davon auszugehen, dass er auch in Zukunft die Ruhe und Ordnung sowie die Gesundheit Anderer gefährde. Es überwiege somit das öffentliche Interesse an der fremdenpolizeilichen Maßnahme den Eingriff in sein Privat- und Familienleben.

Auf Grund des bereits geschilderten aggressiven Verhaltens des Beschwerdeführers sowie seiner zahlreichen Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung sei die Verhängung des Aufenthaltsverbotes in der Dauer von zehn Jahren erforderlich, um den Verwaltungszweck, nämlich die Hintanhaltung weiterer derartiger Verstöße und die Verhinderung einer Gefährdung der Gesundheit Anderer, zu erreichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte unter Abfassung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, der Schutz der Gesundheit und der Moral und der Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte, vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind - demonstrativ - Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im Gesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0183, m.w.N.).

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil das Beschwerdeverfahren gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid vom 12. April 1996 mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. August 1998, Zl. 96/21/0462, für gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt worden sei. Im nunmehr angefochtenen Bescheid erhebe die belangte Behörde gegen ihn dieselben Vorwürfe, welche jedoch wegen der Einstellung des ersten Verfahrens konsumiert seien und nicht für ein neuerliches Aufenthaltsverbot herangezogen werden könnten.

Damit zeigt der Beschwerdeführer aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach § 114 Abs. 4 FrG darf gemäß dieser Bestimmung außer Kraft getretenen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten des FrG 1997 getroffen werden sollen, zwar keine nachteilige Wirkung zukommen. Danach darf also einem Fremden, über den ein später gemäß § 114 Abs. 4 FrG außer Kraft getretenes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, nicht vorgeworfen werden, dieses nicht beachtet zu haben. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers steht diese Bestimmung aber der neuerlichen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus den bereits bei Erlassung des früheren Aufenthaltsverbotes berücksichtigten Gründen, die diese Maßnahme zwar nicht "offensichtlich", aber letztlich doch auch nach dem FrG 1997 getragen hätten, nicht entgegen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0287).

Der Beschwerdeführer hält weiters - bezüglich der vier ihm "neu" vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen - den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (gemeint wohl: Z. 2) FrG für nicht erfüllt. Das Nichtmitführen des Führerscheines und des Zulassungsscheines und die Unterschreitung der Mindestprofiltiefe bei einem Kfz seien als Kavaliersdelikte zu betrachten und würden nicht die geforderte Qualität der genannten Bestimmung erfüllen. Die Bestrafung wegen Lenkens eines Fahrzeugs in alkoholisiertem Zustand sei zu Stande gekommen, weil es ihm auf Grund eines starken Bronchialinfektes, verbunden mit Hustenreiz und Husten, nicht möglich gewesen sei, seine Atemluft auf Alkohol untersuchen zu lassen. Er hätte sich ins Krankenhaus begeben, um eine Blutabnahme durchführen zu lassen, welche keine Alkoholisierung über 0,8 Promille ergeben habe. Ein lungenfachärztliches Gutachten habe jedoch ergeben, dass der Alkomattest möglich gewesen wäre und sei er wegen Verweigerung desselben verurteilt worden. Eine Alkoholisierung habe nicht nachgewiesen werden können.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu entgegnen, dass - wie bereits dargestellt - die belangte Behörde nicht auf die Berücksichtigung der vier "neuen" Verwaltungsübertretungen beschränkt war, sondern auch jene in ihre Beurteilung mit einbeziehen durfte, die bereits dem ersten Aufenthaltsverbotsbescheid zu Grunde gelegen waren. Im Übrigen bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass er zweimal wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden ist, weshalb es keinen Einwänden begegnet, wenn die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG als gegeben angesehen hat.

Die Bestrafungen wegen Nichtmitführens des Führer- bzw. Zulassungsscheines und Unterschreitung der Mindestprofiltiefe fallen zwar für sich alleine nicht unter § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG, doch durfte sie die belangte Behörde zur Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers miteinbeziehen. Ebensolches gilt vor allem für das den mehrfach gegen den Beschwerdeführer erstatteten Anzeigen zu Grunde liegende Fehlverhalten wegen gefährlicher Drohung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs (1995) sowie wegen der gegen einen Arbeitskollegen gerichteten gefährlichen Drohung im Jahr 1998 (vgl. insoferne die hg Erkenntnisse vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/21/0068, und vom 12. Jänner 2000, Zl. 99/21/0357), das der Beschwerdeführer ebenso wenig bestritten hat wie seine von der belangten Behörde festgestellte Charakterneigung, in Situationen, in denen er erregt werde, weit überzogene Gegenreaktionen zu setzen. Wenn man zudem bedenkt, dass die letzten Bestrafungen des Beschwerdeführers erst aus den Jahren 1997 und 1998 stammen, so ist die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG angeführte Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtsirrig zu betrachten.

Schließlich bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid im Grunde des § 37 FrG. Er halte sich seit 1989 in Österreich auf, habe hier Ehegattin, Freundin und insgesamt vier Kinder. Bis auf eine kurze Zeitspanne sei er auch immer berufstätig gewesen. Dennoch ist die Erlassung der fremdenpolizeilichen Maßnahme angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und dem Schutz der Gesundheit Anderer (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, Zl. 99/21/0345) dringend geboten iSd § 37 Abs. 1 FrG. Auch kommt den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, welche von der belangten Behörde - zutreffend - als hoch bewertet wurden, kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten gefährdeten Allgemeininteresse. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren, obwohl hiezu aufgefordert, allerdings keine näheren Angaben zu seiner familiären Situation gemacht und auch nicht vorgebracht, nach Schließung des Lokals seiner Lebensgefährtin zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides einer Beschäftigung nachzugehen. Insgesamt kann daher auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, dass eines seiner Kinder auf Grund einer Krankheit finanziell aufwändige Operationen benötige, ist ihm zu entgegnen, dass es sich dabei um eine nach § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt. Es ist daher von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegenüber den Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familie an seinem Verbleib im Inland und damit von der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 37 Abs. 2 FrG auszugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. April 2002

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999210200.X00

Im RIS seit

01.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten