TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/25 2001/05/1218

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Veröffentlicht am 25.04.2002
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42;
AVG §82 Abs7;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §78 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn, vertreten durch Mag. Herwig Kraemmer, Rechtsanwalt in Wien III, Ungargasse 59-61, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. September 2001, Zl. RU1-V-00108/01, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Parteien: Hans Felix und Rosemarie Felix in Strasshof, vertreten durch Dr. Georg Karasek, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 331,09 und den Mitbeteiligten zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.

Begründung

Die Erst- und Zweitmitbeteiligten sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 28/120, KG Straßerfeld. Dieses Grundstück grenzt seitlich an das Grundstück Nr. 28/117, KG Straßerfeld, an. Mit Bescheid des Gemeinderates der Beschwerdeführerin vom 29. Juni 2000 wurde der damaligen Eigentümerin des zuletzt genannten Grundstückes, Josefa Jambor, ein Abbruchauftrag erteilt, weil das Gebäude einer nachträglichen baubehördlichen Bewilligung nicht zugänglich sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Josefa Jambor blieb ebenso erfolglos wie ihre gegen den aufsichtsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat mit dem hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2001/05/0072, die Beschwerde abgewiesen.

Neben diesem baupolizeilichen Verfahren war bei der Baubehörde erster Instanz auf Grund des Ansuchens der Josefa Jambor vom 17. November 1998 ein Baubewilligungsverfahren anhängig. Dieses Baugesuch hatte die Errichtung eines Nebengebäudes sowie verschiedener Zubauten und Umbauten am Gebäude auf dem Grundstück der Josefa Jambor zum Gegenstand.

Mit Ladung vom 7. Jänner 1999 wurde für den 21. Jänner 1999 eine Bauverhandlung ausgeschrieben. Die Ladung hatte folgenden Wortlaut:

"LADUNG

Der im Verteiler genannte Bauwerber hat am 17.11.1998 um baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Geräteraumes, an die linke Grundgrenze angebaut, sowie Zubauten (Vorbau, Windfang) und Umbauten am Gebäude (Rückseite), auf dem Bauplatz in 2231 Strasshof an der Nordbahn, Sillerstraße 136, Grundstück Nr. 28/117 (EZ 3182, KG Straßerfeld) angesucht.

Gemäß § 21 NÖ Bauordnung 1996 wird über dieses Ansuchen die mündliche Verhandlung für

Donnerstag, den 21.01.1999, um 13.00 Uhr an Ort und Stelle anberaumt.

Sie sind zu dieser Verhandlung als Anrainer geladen.

Die auf das Bauvorhaben bezughabenden Pläne und sonstigen Unterlagen liegen zur Einsichtnahme während der Amtsstunden (siehe oben) im Gemeindeamt der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn auf.

Bitte beachten Sie!

-

Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor der Verhandlung beim Gemeindeamt oder während der Verhandlung vorgebracht werden, finden keine Berücksichtigung und die Beteiligten werden als dem Vorhaben zustimmend angesehen.

-

Vertreter der Beteiligten haben sich bei der Verhandlung mit einer Vollmacht auszuweisen und müssen zur Abgabe bindender Erklärungen ermächtigt sein, da etwaige Vorbehalte, nachträgliche Erklärungen und Genehmigungen die weitere Amtshandlung in keinem Fall aufhalten würden.

-

Bei Nichterscheinen wird das Einverständnis mit den getroffenen behördlichen Anordnungen angenommen.

Der Bürgermeister:

(es folgt die Unterschrift)

Mag.Dr.Rolf A. Neidhart"

Es folgen die Namen und Anschriften der Bauwerberin und der Anrainer, unter diesen die Mitbeteiligten.

In der Verhandlung vom 21. Jänner 1999 erhoben die Mitbeteiligten folgende Einwendungen:

"Dr. Boyer erhebt sowohl für Frau Rosemarie als auch für Herrn Hans Felix Einwendungen gegen die Baubewilligung des Zubaues links hinten und auch gegen die Ausführung des Baues Keller und Erdgeschosses und auch gegen die Errichtung eines Dachgeschosses mit einer Traufenhöhe von 5,5 m und einer Firsthöhe von 7,88 m, weil dadurch der Seitenabstand (Bauwich) zur Grundgrenze - Felix nicht eingehalten ist. Überdies ist das errichtete Gebäude zu hoch. Es ist sowohl der Bauwich laut bewilligtem Bauplan 1981 unterschritten als auch der erforderliche Bauwich auf Grund der vor Ort festgestellten Gebäudehöhe".

Die Bauwerberinnen zogen einen Teil des Baugesuchs zurück (wörtlich aus der Niederschrift über die Verhandlung):

"Betreffend des Neubaus, Geräteraum im Seitenabstand zum Anrainergrundstück Felix, erklären Frau Komarek und Frau Zeilinger, in Vertretung von Frau Jambor, daß das Bauansuchen für den gegenständlichen Standort des Gebäudes zurückgezogen wird. Es wird überlegt, auf dem Grundstück einen neuen Standort - unter Berücksichtigung der Vorgaben der NÖ BO 1996 und der geltenden NÖ BTV zu überlegen."

In der Folge erteilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde mit Bescheid vom 29. Februar 2000 die nachträgliche baubehördliche Bewilligung für den Vorbau im Vorgarten und für den Terrassenbereich an der hinteren rechten Gebäudeecke. Über die weiteren Teile des Baugesuchs wurde nicht entschieden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Erst- und Zweitmitbeteiligten Berufung an den Gemeinderat. Dieser hat mit Bescheid vom 27. November 2000 die Berufung mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass die Genannten in dem gegenständlichen Baubewilligungsverfahren die Parteistellung dadurch verloren hätten, dass sie nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 21. Jänner 1999 Einwendungen gegen das verfahrensgegenständliche Vorhaben erhoben hätten. Die Einwendungen hätten sich ausnahmslos auf das Hauptgebäude und den Geräteraum bezogen, nicht aber auf die bewilligte Terrasse und den Vorbau.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Mitbeteiligten hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. September 2001 den Bescheid des Gemeinderates behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde zurückverwiesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setze die Baubewilligung für einen Zubau - bzw. für eine Änderung eines Bauwerkes - eine Baubewilligung für den Bestand voraus. Im gegenständlichen Fall erfolge der Zubau zu einem Gebäude, für das ein rechtskräftiger Abbruchbescheid vorliege. Eine nachträgliche Baubewilligung könne wegen Widerspruchs zum Bebauungsplan nicht erteilt werden. Die Rechtsmittelwerber seien zumindest in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren (Verfahren vor dem gesetzlichen Richter) verletzt worden. Deshalb sei der Vorstellung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden, wobei es sich erübrige, auf das Vorbringen näher einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Mitbeteiligten seien nicht Parteien im Verwaltungsverfahren, auf Grund ihrer Vorstellung hätte die belangte Behörde nicht den Bescheid des Gemeinderates aufheben dürfen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligten Parteien die Abweisung der Beschwerde bzw. die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird vorgetragen, am 17. September 2001 sei bei der Beschwerdeführerin ein von der belangten Behörde abgesandtes Paket eingelangt, das den gegenständlichen Bauakt enthalten habe. Der Sendung sei eine vorgedruckte Postkarte angeschlossen gewesen, diese sei für die Bestätigung der Übernahme einer Sendung oder eines Geldbetrages vorgesehen. Der Kanzleibedienstete der Beschwerdeführerin F.B. habe auf dieser Karte die Worte "Die Sendung" angekreuzt, das Datum 17.9.2001 eingesetzt, die Karte unterfertigt und an die belangte Behörde retourniert. Der Akt sei sodann dem Bauamt vorgelegt worden, wo er abgelegt worden sei. Den angefochtenen Bescheid habe die erwähnte Sendung nicht enthalten. Einen solchen hätte der Kanzleibedienstete F.B. auf Grund interner Anweisungen der Leiterin des Bauamtes B.R. vorlegen müssen. Diese hätte daraufhin die Protokollierung des Bescheides veranlassen müssen. Eine solche sei nicht erfolgt. Erst im November 2001 habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin anlässlich einer mündlichen Streitverhandlung in einem Amtshaftungsprozess, der auf Grund der Klage der Erst- und Zweitmitbeteiligten beim Landesgericht Korneuburg anhängig sei, Kenntnis davon erlangt, dass der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei schon mehrere Wochen zuvor der Bescheid zugekommen sei. Er habe sich daraufhin mit dem zuständigen Bearbeiter beim Amt der NÖ Landesregierung in Verbindung gesetzt, der ihm mit Telefax vom 20. November 2001 den angefochtenen Bescheid übermittelte.

Sowohl die belangte Behörde als auch die Mitbeteiligten bestritten die Rechtzeitigkeit der Beschwerde, der Vizebürgermeister habe schon im September 2001 einer Zeitung gegenüber erklärt (Zeitungsausschnitt wurde beigelegt), dass das weitere Vorgehen in der Sache nunmehr Angelegenheit der Bezirkshauptmannschaft sei, er habe daher vom aufhebenden Bescheid Kenntnis haben müssen.

Angesichts des Umstandes, dass im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gebäude mehrere Verfahren parallel laufen (Abbruchauftrag betreffend das Wohnhaus, Amtshaftungsverfahren und Baubewilligungsverfahren, Einschaltungen von Volksanwaltschaft und diverser Landespolitiker) und des Umstandes, dass zum Teil schon mit Zweit- und Drittablichtungsakten gearbeitet werden muss, hält der Verwaltungsgerichtshof das Vorbringen der Beschwerdeführerin, in der am 17. September 2001 übermittelten Sendung der belangten Behörde sei der Bescheid nicht enthalten gewesen, ebenso für glaubhaft, wie den behaupteten Umstand, dass der Akt im Bauamt abgelegt wurde, ohne dass aufgefallen sei, dass der Bescheid fehlte.

Der Verwaltungsgerichtshof geht daher von der Rechtzeitigkeit der Beschwerde aus.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Erst- und Zweitmitbeteiligten mangels rechtzeitiger Erhebung Einwendungen gegen das mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde bewilligte Bauvorhaben in diesem Verfahren die Parteistellung nicht erlangt bzw. verloren haben. Es kommt also auf die Abgabe einer Prozesserklärung in einer bestimmten Lage des Baubewilligungsverfahrens an. Auf Grund der auf das Bauvorhaben anzuwendenden NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, waren zunächst die darauf bezugnehmenden Regelungen über die Parteistellung der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren gemäß § 6 leg. cit. maßgeblich.

Am 1. Jänner 1999 ist die Verwaltungsverfahrens-Novelle 1998 in Kraft getreten, die für anhängige Verfahren keine Übergangsbestimmungen enthält. Gemäß § 82 Abs. 7 AVG in der Fassung dieser Novelle traten alle in Vorschriften des Bundes und der Länder enthaltenen Bestimmungen, die u.a. von § 42 AVG 1998 abweichen, mit Ablauf des 31. Dezember 1998 außer Kraft. Dies gilt jedoch nicht, wenn diese Bestimmungen nach dem 30. Juni 1998 kundgemacht worden sind. Die NÖ BO ist in ihrer Stammfassung am 1. Jänner 1997 in Kraft getreten (§ 78 Abs. 1 BO), danach gab es bis zur Erlassung des Berufungsbescheides keine hier interessierende Kundmachung durch den NÖ Landesgesetzgeber.

Die Mitbeteiligten haben, da zufolge der Ladung Zu- und Umbauten am Gebäude Gegenstand des Verfahrens waren, im Sinne des § 6 Abs. 2 Z. 3 NÖ BO grundsätzlich zulässige Einwendungen dahingehend erhoben, dass der Seitenabstand und die Gebäudehöhe nicht eingehalten werde. Da in der Verhandlung am 21. Jänner 1999 hinsichtlich des beantragten Zu- und Umbaues keine Zurückziehung seitens der Bauwerber erfolgte, war die Einwendung betreffend Höhe und Abstand im Sinne des § 6 Abs. 2 Z. 3 NÖ BO auch sachverhaltsbezogen zulässig. Aus diesem Grund haben die Mitbeteiligten die Parteistellung gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. Bei dieser Rechtslage hätte der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde die Berufung der Mitbeteiligten gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht mangels Parteistellung als unzulässig zurückweisen dürfen.

Im Ergebnis ist daher die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass den Mitbeteiligten im Berufungsverfahren Parteistellung zukam und sie durch die Zurückweisung ihrer Berufung in ihrem Recht auf eine Sachentscheidung verletzt wurden.

Die belangte Behörde hat das Vorliegen der Parteistellung der Mitbeteiligten als gegeben angenommen, ohne darzulegen, weshalb sie zu dieser Auffassung gelangt. Dies stellt einen Begründungsmangel dar. Dieser wäre aber nur dann wesentlich, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheidergebnis gelangt wäre. Da dies, wie oben dargelegt, nicht der Fall ist, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren der Mitbeteiligten war abzuweisen, weil gemäß § 49 Abs. 6 VwGG dann, wenn mehrere Mitbeteiligte

vorhanden sind, diese hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes als eine Partei anzusehen sind.

Wien, am 25. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001051218.X00

Im RIS seit

08.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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