TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/14 2001/01/0525

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Veröffentlicht am 14.05.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10a idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §16 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §17 idF 1998/I/124;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des MK in G, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Oktober 2001, Zl. 2-11.K/306 - 96/12, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und den damit verbundenen Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin und die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder gemäß §§ 10 Abs. 1, 11, 16, 17 und 18 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) iVm § 39 leg. cit. ab. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, sei erstmals am 10. September 1990 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt und erfülle die allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe jedoch festgestellt werden müssen, dass seine Ehegattin "nur Bruchstücke der deutschen Sprache spricht", weshalb der Einbürgerung § 11 leg. cit. entgegen stehe. Auf Grund der mangelnden Deutschkenntnisse der Ehegattin des Beschwerdeführers müsse davon ausgegangen werden, dass im Familienbereich nicht in der geringsten Weise Deutsch gesprochen werde, womit "die Antragsteller" bewiesen, dass sie vorerst an einer Integration kein Interesse hätten; die Integration sei daher "als mangelhaft" zu werten, eine persönliche Integration "der Familie" sei in Ermangelung der Möglichkeit, mit der Ehegattin Deutsch zu sprechen, nicht zu erkennen bzw. liege eine Integration überhaupt nicht vor. Da § 11 StbG auf die "Integration des Fremden" abstelle, habe dem Verleihungsantrag nicht Folge gegeben werden können. Davon ausgehend seien auch die Anträge auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 18 StbG abzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde geht davon aus, dass der Beschwerdeführer die Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 StbG erfülle und dass auch § 10a leg. cit. der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht entgegen stehe. Sie vertritt jedoch - zusammengefasst - die Ansicht, dass die in § 11 StbG genannte Ermessensdeterminante "Ausmaß der Integration" eine Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer nicht erlaube.

Dass die belangte Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung die Frage der Integration in den Mittelpunkt stellte, entspricht den Intentionen der - (ua.) § 11 StbG neu fassenden - Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124 (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 1283 BlgNR 20. GP 9). Wenn sie allerdings zu der Auffassung gelangte, diese Integration sei im vorliegenden Fall "als mangelhaft zu werten" bzw. es liege eine "Integration überhaupt nicht vor", so kann ihr im Ergebnis nicht zugestimmt werden. Dabei braucht nicht geklärt zu werden, ob/in welchem Umfang der Umstand, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers - wie von der belangten Behörde festgestellt - die deutsche Sprache nur bruchstückhaft beherrscht, die persönliche Integration des Beschwerdeführers beeinträchtigt. Jedenfalls kann ihm im Rahmen der von der belangten Behörde zu treffenden Ermessensentscheidung nicht schlechthin angelastet werden, dass im Familienverband nicht Deutsch gesprochen wird (so der bekämpfte Bescheid) oder dass er es unterlassen habe, dafür Sorge zu tragen, dass auch im Familienverband ausreichende Deutschkenntnisse vorliegen (so die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift; abgesehen davon, dass dann konsequenterweise auch auf die Deutschkenntnisse der 1987 geborenen Tochter einzugehen gewesen wäre, unterstellt diese Argumentation offenbar ohne Weiteres eine familiäre "Anordnungsbefugnis" des Beschwerdeführers). Im Übrigen übergeht der bekämpfte Bescheid das schon im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer über einen bis 2005 gültigen Befreiungsschein und über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge. Er vernachlässigt weiter, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehegattin und seinen beiden minderjährigen Kindern in Österreich lebt, dass seine Tochter hier die Schule besucht (vgl. die in den Verwaltungsakten erliegende Schulbesuchsbestätigung) und dass der Sohn 1998 in Graz geboren wurde. Eine Bedachtnahme auf diese Gesichtspunkte hätte ergeben, dass auf den Beschwerdeführer damit (gegebenenfalls) Umstände zutreffen, die nach den schon erwähnten Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 (zu § 10 Abs. 5 Z 3; aaO 8) Indizien für eine nachhaltige Verankerung im Inland darstellen (zum "Integrationsmerkmal" der Geburt eines Kindes in Österreich vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0015). Er erreicht daher allenfalls ein Integrationsausmaß, welches ihn zumindest bereits in die Nähe eines Staatsbürgerschaftswerbers rückt, der - unter dem Gesichtspunkt "Integration" - einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund iS des § 10 Abs. 4 Z 1 StbG verwirklicht. Von da her kann es aber nicht im Sinn des Gesetzes sein, ihm gestützt auf "mangelnde Integration" die Einbürgerung zu verweigern.

Die Abweisung der Erstreckungsanträge hat die belangte Behörde allein auf § 18 StbG gegründet. Dieser Begründung ist im Hinblick auf das Ergebnis der oben angestellten Erwägungen der Boden entzogen. Ungeachtet dessen ist ergänzend anzumerken, dass entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht auch die Erstreckung der Verleihung unter dem Vorbehalt des § 10a StbG steht, sodass also auch bei Erstreckungswerbern entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache, unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des jeweiligen Erstreckungswerbers, erforderlich sind (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2000, Zl. 99/01/0272). Bezüglich der Ehegattin des Beschwerdeführers gelangte die belangte Behörde - in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise - zu der Schlussfolgerung, dass sie die deutsche Sprache nur in Bruchstücken beherrsche. Ungeachtet dessen lässt sich im vorliegenden Fall nicht definitiv beantworten, ob ihrer Einbürgerung § 10a StbG entgegen steht. Wie im hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0018, unter Bezugnahme auf die Systematik des Gesetzes und die Gesetzesmaterialien dargelegt wurde, kann es im Rahmen dieser Bestimmung nämlich nur um das Mindestmaß an Sprachbeherrschung gehen, das - je nach den konkreten Lebensumständen des Betroffenen - erforderlich ist, um ein dauerhaftes "Miteinander" mit den anderen Staatsbürgern im Alltagsleben zu ermöglichen. Die Erläuterungen (aaO 9) weisen ausdrücklich darauf hin, dass sich die (erforderlichen) Deutschkenntnisse eines leitenden Angestellten in der Regel von jenen einer Fremden unterscheiden werden, die - wie hier offenkundig die Ehegattin des Beschwerdeführers - im Familienverband lebt und den Haushalt führt. Geht man zudem davon aus, dass der Gesetzgeber nach wie vor den von der belangten Behörde selbst angesprochenen staatsbürgerschaftsrechtlichen Grundsatz der Familieneinheit - wenn auch in zunehmend untergeordneter Bedeutung; vgl. dazu Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II (1990) 126 - kennt, so ist nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei der gebotenen umfassenden Beurteilung der Lebensumstände der Ehegattin des Beschwerdeführers auch bezüglich ihrer Person zu einer für sie günstigen - von Ermessenserwägungen unabhängigen - Entscheidung gelangen müsste. Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 14. Mai 2002

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001010525.X00

Im RIS seit

01.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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