TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/28 2001/11/0397

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Veröffentlicht am 28.05.2002
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
SHG Wr 1973 §7a Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 58/14, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. Oktober 2001, Zl. MA 15-II-N 4/2001, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 10. Mai 2001 beantragte die (durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter vertretene) Beschwerdeführerin, eine pakistanische Staatsangehörige, Sozialhilfe (Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes) nach dem Wiener Sozialhilfegesetz. Sie wies u.a. darauf hin, dass ihr Asylantrag aus dem Jahre 1994 unerledigt sei.

Der Magistrat der Stadt Wien richtete daraufhin an den Vertreter der Beschwerdeführerin ein Schreiben folgenden Inhaltes:

"Sehr geehrter Herr Dr. B.!

Bezugnehmend auf den Antrag auf Zuerkennung von Sozialhilfe für Frau A., geb.: 15.01.1963 teilt das Sozialreferat für den

3. Bezirk mit, dass gemäß WSHG § 7a (4) bis zum Abschluss des Asylverfahrens kein Anspruch auf Sozialhilfe besteht.

Solange das Asylverfahren im Laufen ist obliegt die Obsorge für Frau A. dem Bund.

Wir bedauern Ihnen keine günstigere Antwort geben zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Für den Abteilungsleiter"

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück und führte begründend aus, das Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom 15. Mai 2001 könne nicht als Bescheid angesehen werden, weil der für die Bescheidqualität notwendige normative Gehalt nicht ohne jeden Zweifel gegeben sei. Da nach dem Inhalt der Erledigung Zweifel an deren Bescheidcharakter bestünden, sei die Bezeichnung als Bescheid von wesentlicher Bedeutung. Diese Bezeichnung fehle jedoch dem Schreiben vom 15. Mai 2001, weshalb es nicht als Bescheid zu qualifizieren sei. Die dagegen gerichtete Berufung sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass es im Beschwerdefall nur darum geht, ob die belangte Behörde zu Recht die Auffassung vertreten hat, dem von der Beschwerdeführerin mit Berufung bekämpften Schreiben des Magistrates der Stadt Wien komme kein Bescheidcharakter zu. Die Frage der Berechtigung des von der Beschwerdeführerin erhobenen Anspruches nach dem Wiener Sozialhilfegesetz ist für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ohne Bedeutung.

Nach § 58 Abs. 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

Nach § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

Die in Rede stehende Erledigung ist weder ausdrücklich als Bescheid bezeichnet, noch ist sie in Spruch und Begründung gegliedert. Sie enthält auch keine Rechtsmittelbelehrung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung ergeben.

Mangelt es - wie im vorliegenden Fall - an der für einen Bescheid vorgesehenen Form, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den - objektiv erkennbaren - Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Bringt die sprachliche Gestaltung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, so liegt kein Bescheid vor (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/11/0269, und den Beschluss vom 26. Februar 2002, Zlen. 2002/11/0010, 0011, jeweils mwN).

Das oben wiedergegebene Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom 15. Mai 2001 enthält nicht zweifelsfrei einen normativen Inhalt. Es stellt sich sprachlich vielmehr als bloße Mitteilung betreffend die aus § 7a Abs. 4 des Wiener Sozialhilfegesetzes sich ergebende Rechtslage dar. Nach dem oben Gesagten handelt es sich daher bei dieser Erledigung um keinen Bescheid, weshalb sich die Zurückweisung der dagegen erhobenen Berufung als nicht rechtswidrig erweist.

Das Beschwerdevorbringen, jeder Antragsteller habe das Recht auf Erledigung seines Antrages, ändert nichts an diesem Ergebnis. Das von der Beschwerdeführerin angesprochene Recht auf Entscheidung über ihren Antrag kann sie im Wege des § 73 Abs. 2 AVG durchsetzen.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Mai 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001110397.X00

Im RIS seit

14.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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