TE Vwgh Erkenntnis 2001/12/13 99/11/0269

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Veröffentlicht am 13.12.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Mizner, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. R in S, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Bernd Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b/Ecke Andreas-Hofer-Straße, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 13. Jänner 1999, Zl. 209.306/1-VIII/B/12/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Suchtmittelgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 23. Februar 1998 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen eine von ihm als Bescheid qualifizierte Erledigung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 30. Jänner 1998.

Diese Erledigung führt als Betreff "Substitutionsbehandlungen" an und wird mit "Sehr geehrter Herr Doktor R(...) !" eingeleitet. Zunächst wird ein Verwaltungsgeschehen wiedergegeben. Der Beschwerdeführer sei mit Schreiben des Landeshauptmannes von Salzburg vom 6. Oktober 1997 ersucht worden, zu Verschreibungspraktiken im Rahmen der Substitutionsbehandlung bei verschiedenen Patienten Stellung zu nehmen. Im Rahmen einer Koordinationsbesprechung am 19. November 1997, an welcher der Vorstand der II. Psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik, die Leiterin der Drogenambulanz der Landesnervenklinik, der Drogenbeauftragte des Bundeslandes Salzburg und eine Vertreterin der Landessanitätsdirektion teilgenommen hätten, sei eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 23. Oktober 1997 "fachlich diskutiert" worden. Des Weiteren seien "neuerliche Diskrepanzen" zwischen den Verschreibungspraktiken des Beschwerdeführers und dem Stand der medizinischen Wissenschaft diskutiert worden.

Der Vorstand der II. Psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik habe zusammenfassend ausgeführt, anlässlich der Koordinationsbesprechung am 19. November 1997 seien Rezeptkopien vorgelegt worden, aus denen hervorgehe, dass Substitutionstherapien nicht in allen Fällen lege artis durchgeführt worden seien. In erster Linie habe dies Rezepte betroffen, die vom Beschwerdeführer ausgestellt worden seien. Unter Hinweis auf "das Konsenspapier" müsse betont werden, dass aus fachlicher Sicht "die vorgegebenen Regeln" strikte eingehalten werden sollten, dass nämlich 1. Methadon des erste Mittel der Wahl sein sollte, 2. die Verschreibung auf Dauersuchtrezept erfolgen sollte, 3. keine zusätzlichen Ersatzdrogen bzw. Benzodiazepine verordnet werden sollten, 4. laufende Harnkontrollen unbedingt durchgeführt werden müssten und 5. psychotherapeutische Begleitmaßnahmen unbedingt durchgeführt werden müssten. Als Ergebnis der Gesprächsrunde habe sich ergeben, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Methadon nicht als erstes Mittel der Wahl ansehe, mit großer Häufigkeit Ersatzdrogen auf Einzelrezepten verordne und Harnkontrollen nicht vornehme. In der genannten Besprechung seien namentlich genannte Fälle aufgezeigt worden, bei welchen die Substitutionstherapie in keinem Fall als lege artis durchgeführt betrachtet werden könne.

Das in Rede stehende Schreiben erwähnt in weiterer Folge insgesamt fünf derartige Einzelfälle. "In Zusammenschau dieser sich wiederholenden Probleme in der Verschreibungspraxis sowie auch in der Einhaltung der Substitutionsvorschriften durch den Beschwerdeführer" müsse seitens der Leitung der Drogenambulanz die Frage gestellt werden, inwieweit durch diese Vorgangsweise des Beschwerdeführers eine ordnungsgemäße Durchführung der Substitutionstherapie gewährleistet sei, bzw. müsse angeregt werden, der zuständigen Stelle der Ärztekammer Mitteilung zu machen, dies mit der Bitte, eventuell notwendige Schritte einzuleiten.

In weiterer Folge habe der Drogenkoordinator des Bundeslandes Salzburg ausgeführt, auch seiner Meinung nach entspreche in einigen Fällen die Substitutionstherapie durch den Beschwerdeführer nicht den im Konsenspapier festgesetzten Regeln und auch nicht der Regelung, die im "Substitutionserlass" des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales enthalten seien. Der Drogenkoordinator schließe sich daher inhaltlich der Stellungnahme des Vorstandes der II. Psychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik an und ersuche um die Einleitung der weiteren notwendigen Schritte.

Danach lautet das Schreiben wörtlich wie folgt:

"Auf Grund des oben dargelegten Sachverhaltes hat das Fachgremium einstimmig beschlossen, dass Ihnen die Qualifikation zur Durchführung der Indikationsstellung und Einstellung im Rahmen der Substitutionstherapie nicht zugesprochen werden kann. Die Landessanitätsdirektion wird Sie ab 1. 4. 1998 nicht mehr in der Liste jener berechtigten Ärzte für Allgemeinmedizin führen, die im Rahmen der Substitutionstherapie Indikationsstellungen und Einstellungen vornehmen können.

Eine Weiterbetreuung Ihrer Substitutionspatienten ist zwar möglich, die Einstellung auf das Substitutionsmittel, die Wahl der Dosis und der Einnahmemodus müssen von der Drogenambulanz der Landesnervenklinik festgelegt werden. Eine Änderung der Dosis oder des Substitutionsmittels dürfen von Ihnen nicht mehr vorgenommen werden.

Sie werden daher ersucht, sämtliche Patienten, die sich bei Ihnen in einer Substitutionsbehandlung befinden, ehestmöglich, aber spätestens bis 1. 4. 1998, an die Drogenambulanz der Nervenklinik zu überweisen. Die Wahl einer zweimonatigen Übergangsfrist wird eine reibungslose Vorgangsweise ermöglichen. Herr Primarius R(...) ist über den Sachverhalt informiert, und hat die entsprechende Kapazität in der Drogenambulanz zugesichert. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass keine Defizite in der Betreuung Ihrer Substitutionspatienten zu erwarten sind.

Der Amtsarzt des Gesundheitsamtes der Stadt Salzburg, Herr Dr. H(...), wird von der Landessanitätsdirektion aufgefordert, ab 1. 4. 1998 ausschließlich jene Dauersuchtgiftrezepte zu vidieren, die im Hinblick auf die Wahl des Substitutionsmittels, der Dosis und des Abgabemodus von der Drogenambulanz der Landesnervenklinik vorgegeben wurden. Desweiteren sind Art und Umfang der vorzunehmenden Harnkontrollen von der Drogenambulanz festzulegen."

Gezeichnet ist das Schreiben wie folgt:

"Hochachtungsvoll

Für den Landeshauptmann:

Hofrat Dr. U(...)

Landessanitätsdirektor"

In seiner Berufung führte der Beschwerdeführer aus, dieses Schreiben sei trotz seiner Formlosigkeit rechtlich als Bescheid anzusehen, es beeinträchtige ihn im Recht auf freie Berufsausübung, im Recht auf den gesetzlichen Richter, es stehe überdies im Widerspruch zum Ärztegesetz, zum Suchtmittelgesetz sowie zur Suchtgiftverordnung.

Nachdem die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit Note vom 10. November 1998 den Beschwerdeführer eingeladen hatte, zu ihrer vorläufigen Rechtsansicht, wonach das in Rede stehende Schreiben nicht als Bescheid anzusehen sei, Stellung zu nehmen, und der Beschwerdeführer, nunmehr anwaltlich vertreten, mit Schriftsatz vom 10. Dezember 1998 eine Äußerung abgegeben hatte, in der er im Wesentlichen sein Berufungsvorbringen wiederholte, wies die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit Bescheid vom 13. Jänner 1999 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück.

In der Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, das strittige Schreiben des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 13. Jänner 1998 sei nicht in der äußeren Form eines Bescheides ergangen. Es sei weder mit "Bescheid" überschrieben noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert. Allerdings sei nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für den Bescheidcharakter einer Erledigung nicht nur die äußere Form, sondern auch ihr Inhalt maßgebend. Danach sei eine formlose Erledigung dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regle, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestalte oder feststelle. Der Wille der Behörde, einen Bescheid zu erlassen, müsse deutlich objektiv erkennbar sein. Ob dies der Fall sei, könne sich auch daraus ergeben, ob die Behörde von Rechts wegen zur Erlassung eines Bescheides verpflichtet sei. Da nach der anzuwendenden Rechtslage überhaupt kein Bescheid zu erlassen gewesen sei, sei nicht anzunehmen, dass einem formlosen Schreiben Bescheidqualität innewohne. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werde unter einem Bescheid eine hoheitliche Willensäußerung eines Verwaltungsträgers verstanden, die entweder den Bestand oder Nichtbestand eines Rechts oder Rechtsverhältnisses feststelle oder ein Recht bzw. ein Rechtsverhältnis begründe, ändere oder aufhebe. Insbesondere sei in jedem Fall, in dem der Inhalt einer behördlichen Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter essenziell. Diese Auffassung vertrete der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur sei die im vorliegenden Fall bekämpfte Erledigung nicht als Bescheid zu werten. Sie sei nicht als Bescheid bezeichnet, enthalte auch keinen als Spruch eindeutig erkennbaren normativen rechtsgestaltenden oder rechtsfeststellenden Abspruch. Wesentlich sei, dass von der belangten Behörde nach der geltenden Rechtslage in der in Rede stehenden Angelegenheit gar kein Bescheid zu erlassen gewesen sei. Schon aus diesem Grund sei das in Rede stehende Schreiben des Amts der Salzburger Landesregierung nicht als Bescheid zu qualifizieren.

Die Durchführung der Substitutionsbehandlung sei als medizinische Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft durchzuführen. Dieser werde jeweils erlassmäßig vom Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales festgehalten (so genannter Substitutionserlass). Dem Amtsarzt der zuständigen Gesundheitsbehörde obliege es sicherzustellen, dass die Substitutionsbehandlung im Einzelfall erlasskonform und damit dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechend erfolge. Maßgeblich für die amtsärztliche Kompetenz sei § 22 Abs. 3 der Suchtgiftverordnung, wonach die Suchtgift-Dauerverschreibung vor Übergabe an die Apotheke dem zuständigen Amtsarzt zur Überprüfung und Fertigung vorzulegen sei. Bestünden medizinisch-fachliche Bedenken hinsichtlich der gewählten Behandlung (Indikationsstellung, Dosishöhe, Wahl des Substitutionsmittels und Abgabemodus), so habe der Amtsarzt letztlich die Fertigung der Dauer-Suchtgiftverschreibung zu verweigern. § 22 Abs. 3 der Suchtgiftverordnung diene ausschließlich dem öffentlichen Interesse an einer geordneten und dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Durchführung der Substitutionsbehandlung. Ein subjektives Recht des Arztes auf Fertigung der von ihm ausgestellten Suchtgift-Dauerverschreibung sei damit nicht verbunden. Bei der Erfassung der die Indikationsstellung bzw. die Einstellung auf das Substitutionsmittel durchführenden Ärzte durch die Sanitätsdirektion des Amtes der Salzburger Landesregierung auf einer Liste handle es sich um eine vom Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfohlene Servicefunktion, die einerseits dazu diene, einen Überblick insbesondere über die die Indikationsstellung bzw. Einstellung auf das Substitutionsmittel durchführenden Ärzte zu gewinnen. Andererseits könne sie auch als mit der Fertigung von Suchtgift-Dauerverschreibungen im Zusammenhang stehender interner Vermerk dienen, wonach die erfassten Ärzte hinsichtlich Indikationsstellung und Einstellung auf das Suchtmittel nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft verfahren. Soweit medizinisch-fachliche Bedenken hinsichtlich der Fertigung der von einem Arzt ausgestellten Suchtgift-Dauerverschreibungen bestünden, werde folglich auch ein entsprechender interner Vermerk vorerst außer Betracht bleiben. Mangels subjektiven Rechtsanspruches von Ärzten auf Fertigung von ihnen ausgestellter Suchtgiftdauerverschreibungen oder Erfassung durch die Landessanitätsbehörde könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem in Rede stehenden Schreiben um einen normativen Abspruch bzw. um die Feststellung, Begründung, Abänderung oder Aufhebung eines Rechtes oder eines Rechtsverhältnisses handle. Nach geltender Rechtslage bestehe auch keinerlei Verpflichtung bzw. Veranlassung zur Erlassung derartiger Bescheide, sodass von einem Willen der Behörde, einen Bescheid zu erlassen, nicht ausgegangen werden könne.

Ungeachtet der vom Amt der Salzburger Landesregierung getroffenen Wortwahl sei entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers von der belangten Behörde auf Grund der geltenden Rechtslage kein Bescheid zu erlassen gewesen, der in die Berufsberechtigung des Beschwerdeführers hätte eingreifen oder ihm die Berechtigung zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen hätte absprechen können. Selbstverständlich könne der Beschwerdeführer nach wie vor auch Suchtgift-Dauerverschreibungen ausstellen und könnten seine Patienten diese auch weiterhin gemäß § 22 Abs. 3 der Suchtgiftverordnung dem zuständigen Amtsarzt vorlegen. Dieser habe in der Folge zu prüfen und zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Fertigung der Dauerverschreibung vorlägen. Ungeachtet der Wortwahl handle es sich daher weder der äußeren Form noch dem Inhalt des Schreibens nach um einen normativen Abspruch über eine Verwaltungsangelegenheit, sondern eben um eine Mitteilung, wonach medizinisch-fachliche Bedenken bezüglich der Durchführung der Substitutionsbehandlung durch den Berufungswerber bestünden, auf Grund derer gegen eine Fertigung von Suchtgift-Dauerverschreibungen jedenfalls dann kein Einwand bestehe, wenn die Indikationsstellung oder Einstellung dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechend durch eine amtsbekannte Einrichtung zur Behandlung Suchtkranker vorgenommen werde. Keinesfalls könne zweifelsfrei von einer Bescheidqualität der Erledigung ausgegangen werden. Im Zweifelsfall sei jedoch die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter essenziell, sodass infolge Fehlens einer ausdrücklichen Bezeichnung der Bescheidcharakter der Erledigung zu verneinen sei. Eine Berufung gegen ein Schreiben, welches nicht Bescheid sei, sei unzulässig und gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 7. Juni 1999, Zl. B 433/99-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese über Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 11. August 1999, B 433/99-5, dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde stehe zweifelsfrei fest, dass das fragliche Schreiben einen Spruch enthalte, aus dem Rechtskraft erwachsen könne und durch den verfügt werde, dass die ärztlichen Befugnisse des Beschwerdeführers in erheblichen Maße inhaltlich verkürzt würden. Entgegen den einschlägigen Bestimmungen des Ärztegesetzes, des Suchtmittelgesetzes und der Suchtgiftverordnung werde dem Beschwerdeführer die fachliche Qualifikation zur Durchführung der Indikationsstellung und Einstellung im Rahmen der Substitutionstherapie abgesprochen. Zugleich werde die Streichung aus der Liste jener Ärzte für allgemeine Medizin verfügt, die berechtigt seien, im Rahmen der Substitutionstherapie Indikationsstellungen und Einstellungen bei Drogenabhängigen vorzunehmen. Der rechtsgestaltende Charakter des Spruches, durch den die umfassenden ärztlichen Befugnisse des Beschwerdeführers in unzulässiger Weise eingeschränkt würden, liege sohin offen auf der Hand. Erhärtet werde dies durch die "nunmehr" herrschende Praxis, wonach einerseits der Amtsarzt unter Hinweis auf das bezuggenommene Schreiben regelmäßig die Genehmigung der vom Beschwerdeführer ausgestellten Rezepte verweigere und andererseits die Drogenambulanz dessen Rezepte nicht vidiere, weil dem Beschwerdeführer ja die Qualifikation zur Durchführung der Substitutionstherapie abgesprochen worden sei. Der Beschwerdeführer sei sohin sowohl rechtlich als auch faktisch nicht mehr in der Lage, diesen Teil seiner medizinischen Tätigkeit durchzuführen. Für die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, wonach es sich bei dem fraglichen Schreiben lediglich um eine bloße Mitteilung handle, der keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zukomme, spreche angesichts der geschilderten Umstände kein vernünftiger Grund.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass es im Beschwerdefall nur darum geht, ob die belangte Behörde zu Recht die Auffassung vertreten hat, dem vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpften Schreiben des Landeshauptmannes von Salzburg komme Bescheidcharakter zu.

Die in Rede stehende Erledigung ist unstrittig weder als "Bescheid" ausdrücklich bezeichnet noch ist sie als solche gegliedert. Sie enthält keine Begründung und auch keine Rechtsmittelbelehrung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus einem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung ergeben (vgl. den hg. Beschluss vom 27. März 1996, Zl. 96/12/0041, m.w.N.).

Mangelt es - wie im vorliegenden Fall - an der für einen Bescheid vorgesehenen Form, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den - objektiv erkennbaren - Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen (vgl. auch hiezu den erwähnten hg. Beschluss vom 27. März 1996, m.w.N.). Bringt die sprachliche Gestaltung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, so liegt kein Bescheid vor (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Februar 1997, Zlen. 97/01/0128, 0129).

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass die in Rede stehende Erledigung in dem oben wörtlich wiedergegebenen Umfang mehrfach keine bloß deskriptiven oder narrativen Ausdrucksweisen verwendet, sondern Formulierungen gebraucht, die Anlass zur Annahme geben könnten, es handle sich zumindest bei Teilen der in Rede stehenden Erledigung um einen Bescheid.

Dies betrifft insbesondere die Formulierung, dem Beschwerdeführer könne die Qualifikation zur Durchführung der Indikationsstellung und Einstellung im Rahmen der Substitutionstherapie nicht zugesprochen werden, er werde ab 1. April 1998 nicht mehr in der Liste jener berechtigten Ärzte für Allgemeinmedizin geführt werden, die im Rahmen der Substitutionstherapie Indikationsstellungen und Einstellungen vornehmen können, sowie auch diejenige Formulierung, in der davon die Rede ist, eine Änderung der Dosis oder des Substitutionsmittels dürfe vom Beschwerdeführer nicht mehr vorgenommen werden.

Gegen diese Deutung spricht jedoch, dass sich der Landeshauptmann von Salzburg in der in Rede stehenden Erledigung erkennbar auf das auch im Verwaltungsakt erliegende "Konsenspapier" über Substitutionsbehandlungen im Bundesland Salzburg vom 28. April 1997 bezieht. In diesem Konsenspapier sind bei der Substitutionsbehandlung einzuhaltende "Punkte" angegeben. Diese betreffen den Abgabemodus, Präferenz von Methadon als Substitutionspräparat, Reaktionen bei bekannt gewordenen Rezeptfälschungen oder bei Abbruch der therapeutischen Beziehung zum behandelnden Arzt, einen Vorbehalt der Behandlung von Patienten, die jünger als 20 Jahre sind, in der Drogenambulanz an der Landesnervenklinik, die Einstellungsphase sowie die Einhaltung aller gesetzlich vorgeschriebenen Bestimmungen zur Substitutionstherapie und die Entwicklung eines Fort- und Weiterbildungsplanes. Die Bezugnahme in der in Rede stehenden Erledigung auf dieses Konsenspapier kann auch dahingehend verstanden werden, dass damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, der Beschwerdeführer habe aus der Sicht der Behörde die informell in diesem Papier vereinbarten Punkte nicht eingehalten.

Darüber hinaus fällt an der Erledigung auf, dass sie, abgesehen von einem "Erlass" (es handelt sich dabei um den Erlass "Orale Substitutionsbehandlung von Suchtkranken") der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen)) keinerlei Rechtsvorschriften auf gesetzlicher oder Verordnungsebene erwähnt. Das Fehlen einer als solchen erkennbaren Begründung der Erledigung schließt zwar für sich allein noch nicht den Bescheidcharakter derselben aus, es erschiene im vorliegenden Fall aber zumindest ungewöhnlich, dass, wollte man die erwähnten Formulierungen als normativ deuten, die Behörde in einer mehrseitigen, nicht als Reaktion auf einen Parteienantrag deutbaren Erledigung keinen Versuch gemacht hätte, ihre Anordnungen aus einschlägigen gesundheitsrechtlichen Vorschriften herzuleiten (vgl. in diesem Zusammenhang den hg. Beschluss vom 7. September 2000, Zl. 96/01/0643).

Nach dem bisher Gesagten ist der in Rede stehenden Erledigung nicht mit der gebotenen Unzweifelhaftigkeit zu entnehmen, dass der Landeshauptmann von Salzburg als Gesundheitsbehörde in für den Beschwerdeführer verbindlicher Weise Rechtsgestaltungen oder Verbote festgeschrieben hätte. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt der von ihm mit Berufung bekämpften Erledigung demnach keine Bescheidqualität zu.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die gegen die Erledigung erhobene Berufung des Beschwerdeführers mangels Bescheidqualität ersterer als unzulässig gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen hat.

Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. Dezember 2001

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Gesundheitswesen Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999110269.X00

Im RIS seit

22.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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