TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/5 2002/08/0078

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2002
beobachten
merken

Index

E1E;
E3R E05204020;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

11957E048 EWGV Art48;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV;
61999CJ0277 Kaske VORAB;
AlVG 1977 §14 Abs5 Z1;
AlVG 1977 §14 Abs5 Z2 idF 1992/416;
VwRallg;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 96/08/0226 B 24. Jänner 2001 * EuGH-Entscheidung: EuGH 61999CJ0277 5. Februar 2002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der U in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. Juni 1996, Zl. 12/1218/1996, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 14 Abs. 5 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist nach der Aktenlage (insbesondere nach ihren eigenen Angaben im Antragsformular auf Arbeitslosengeld) deutsche Staatsbürgerin. Sie stellte am 29. Dezember 1995 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Sie gab dabei u. a. an, vom 1. Oktober 1988 bis 31. Dezember 1995 bei der K. GmbH in Deutschland beschäftigt gewesen zu sein. Sie habe mit ihrem Ehegatten (einem österreichischen Staatsbürger) in Deutschland gelebt. Ende Dezember 1995 sei sie gemeinsam mit ihrem Gatten nach Österreich gezogen.

Mit Bescheid vom 29. Jänner 1996 gab die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice dem Antrag der Beschwerdeführerin unter Berufung auf die §§ 7 Abs. 1 Z. 2 und 14 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) keine Folge. Nach der Begründung fehlten der Beschwerdeführerin noch 364 Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte dabei im Wesentlichen vor, zwecks Familienzusammenführung von Deutschland nach Österreich übersiedelt zu sein. Der Ehegatte habe von Geburt an (1950) bis 27. Dezember 1966 seinen Wohnsitz in Österreich gehabt. Seit 2. Jänner 1985 sei sein Zweitwohnsitz (und der der Beschwerdeführerin) in Österreich gewesen. Die Beschwerdeführerin habe innerhalb von drei Monaten ab Beendigung ihrer Auslandsbeschäftigung den Anspruch auf Arbeitslosengeld in Österreich geltend gemacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach der Begründung sei der Antrag der Beschwerdeführerin vom 29. Dezember 1985 mangels Erfüllung der Anwartschaft abgewiesen worden, da ihr noch 364 Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung fehlten. Da die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten Ende Dezember 1995 nach Österreich gezogen sei, fehle es am Zweck der Familienzusammenführung. Die Beschwerdeführerin selbst habe vor ihrer letzten Beschäftigung im Ausland auch nicht 15 Jahre ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt. Ihrer Berufung habe daher keine Folge gegeben werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Mit Beschluss vom 24. Jänner 2001 hat der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1999, Zl. 97/08/0003, gemäß Art. 234 EG mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegten Fragen ausgesetzt.

In der Begründung seines Beschlusses verwies der Verwaltungsgerichtshof auf die zur Zl. 97/08/0003 protokollierte Beschwerde. In diesem Verfahren sei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften u. a. folgende Frage mit dem Ersuchen um Vorabscheidung vorgelegt worden:

"Ist es unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbotes des Art. 39 (vorm. 42) EGV iVm Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) 1408/71 zulässig, wenn ein Mitgliedstaat für die Berücksichtigung von Versicherungszeiten, die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, in seiner Rechtsordnung zwar eine gegenüber der VO (EWG) 1408/71 günstigere Regelung vorsieht (hier: Verzicht auf das Erfordernis einer unmittelbar vorangehenden Versicherung iS des Art. 67 Abs. 3 VO (EWG) 1408/71), deren Anwendung jedoch - abgesehen vom Fall der Familienzusammenführung - von einem 15- jährigen Wohnsitz im Inland vor dem Erwerb der Versicherungszeiten in dem anderen Mitgliedstaat abhängig macht?"

Seit der Vorlage durch den Verwaltungsgerichtshof sei zwar das Urteil in der Rechtssache C-75/99 (Thelen) vom 9. November 2000 ergangen; dieses unterscheide sich allerdings vom vorliegenden Fall dadurch, dass dort die Rahmenfrist vor dem 1. Jänner 1994 zurückreicht. Auch im vorliegenden Beschwerdefall hänge die Entscheidung von der Beantwortung der mit dem Ersuchen um Vorabscheidung vorgelegten Frage ab.

Mit Urteil vom 5. Februar 2002, C-277/99 (Kaske), hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (6. Kammer) auf die ihm vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. Juni 1999 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

"1. Die vom Gerichtshof im Urteil vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache C-227/89 (Rönfeldt) aufgestellten Grundsätze, wonach die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, unangewendet bleiben können und auf den einem Mitgliedstaat angehörenden Arbeitnehmer weiterhin ein bilaterales Abkommen angewandt werden kann, an dessen Stelle diese Verordnung eigentlich getreten ist, gelten auch dann, wenn der betreffende Arbeitnehmer von der Freizügigkeit noch vor Inkrafttreten dieser Verordnung und vor dem Wirksamwerden des Vertrages in seinem Heimatmitgliedstaat Gebrauch gemacht hat.

2. Die Situation des einem Mitgliedstaat angehörenden Arbeitnehmers ist, sofern die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, auf Grund deren er Anspruch auf das von ihm begehrte Arbeitslosengeld hat, vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1408/71 begonnen haben, für die gesamte Zeit, in der er von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, nach den Bestimmungen des bilateralen Abkommens zu beurteilen, wobei sämtliche von ihm zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen sind, ohne dass danach unterschieden wird, ob diese Zeiten vor oder nach dem Inkrafttreten des Vertrages und der Verordnung Nr. 1408/71 im Heimatmitgliedstaat des Arbeitnehmers liegen. Macht der Betreffende dagegen nach Erschöpfung aller seiner Rechte aus dem Abkommen erneut von der Freizügigkeit Gebrauch und legt neue Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zurück, die ausschließlich nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1408/71 liegen, so bestimmt sich seine neue Situation nach dieser Verordnung.

3. Ein nationales Recht darf gegenüber dem Gemeinschaftsrecht günstigere Vorschriften vorsehen, sofern diese die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts wahren. Artikel 48 EG-Vertrag steht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach Arbeitnehmer, die sich vor ihrer letzten Beschäftigung im Ausland mindestens 15 Jahre in diesem Mitgliedstaat aufgehalten haben, hinsichtlich der Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld eine Sonderstellung haben."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Voraussetzungen, welche § 67 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 ("Wanderarbeitnehmer-Verordnung") für die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorsieht, liegen im Beschwerdefall nicht vor:

Abs. 1 dieser Bestimmung sieht zwar vor, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaates, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruches (wegen Arbeitslosigkeit) von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, soweit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates zurückgelegt wurden, berücksichtigt als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind. Art. 67 Abs. 3 erster Gedankenstrich dieser Verordnung bestimmt allerdings, dass diese Zusammenrechnung (außer in einem im Beschwerdefall nicht vorliegenden Fall eines Grenzgängers) nur unter der Voraussetzung zu erfolgen hat, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt werden.

Die letztgenannte Voraussetzung liegt im Beschwerdefall unstrittigerweise nicht vor, da die Beschwerdeführerin vor ihrer Antragstellung in Österreich in diesem Staat keinerlei Versicherungszeiten erworben hat.

2.1. Der im Beschwerdefall ferner maßgebende § 14 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 lautet auszugsweise:

"Anwartschaft

§ 14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft erfüllt, wenn 1. der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war, wobei höchstens 16 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten nach § 35 Abs. 2 des Arbeitsmarktservicegesetzes, BGBl. Nr. 313/1994, herangezogen werden dürfen, und 2. ihm das Arbeitsmarktservice auch unter weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmaßnahmen keine zumutbare Beschäftigung vermitteln kann, wobei diesbezüglich der Regionalbeirat anzuhören ist.

...

(5) Ausländische Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten sind auf die Anwartschaft anzurechnen, soweit dies durch zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Verträge geregelt ist. Bei dieser Berücksichtigung ausländischer Beschäftigungs- und Versicherungszeiten ist die Zurücklegung einer Mindestbeschäftigungszeit im Inland vor der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes nicht erforderlich, wenn der Arbeitslose

1. vor seiner letzten Beschäftigung im Ausland insgesamt 15 Jahre seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt hat oder

2. zwecks Familienzusammenführung nach Österreich übersiedelt ist und sein hier lebender Ehegatte insgesamt mindestens 15 Jahre seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat

und in beiden Fällen innerhalb von drei Monaten nach dem Ende der Beschäftigung oder der Versicherungspflicht im Ausland sich in Österreich arbeitslos meldet.

..."

2.2. In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang - wie bereits im Verwaltungsverfahren - vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei zwecks Familienzusammenführung nach Österreich übersiedelt. Der im Jahr 1950 geborene Ehemann der Beschwerdeführerin habe 1966 seinen Wohnsitz nach Deutschland verlegt und sei bis einschließlich 31. Dezember 1995 in Frankfurt beschäftigt gewesen. Mit Jahresbeginn 1996 habe er eine Beschäftigung in Österreich angenommen und sei zum Jahreswechsel 1995/96 nach Österreich übersiedelt. Um in Zukunft nicht von ihrem Ehegatten getrennt leben zu müssen, habe die Beschwerdeführerin ihr Dienstverhältnis in Deutschland zum 31. Dezember 1995 gekündigt und sei mit ihrem Gatten nach Wien gezogen. Es sei zwar richtig, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 14 Abs. 5 zweiter Satz Z. 1 AlVG nicht erfülle, doch stütze sie ihr Begehren auf den zweiten Ausnahmetatbestand (Z. 2), dessen Erfüllung von der belangten Behörde ohne nähere Begründung verneint worden sei. Der Begriff der Familienzusammenführung nach § 14 Abs. 5 leg. cit. sei ihrer Ansicht nach nicht formal im rein grammatikalischen Sinn (arg.: Getrenntes zusammenführen) zu verstehen, sondern das Ziel der Regelung sei sicherlich auch, die Trennung von Familien zu verhindern. Entscheidend sei, dass der Ehegatte in Österreich lebe und die im Gesetz geforderten Voraussetzungen erfülle.

2.3. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin aus folgenden Erwägungen nicht im Recht:

2.3.1. Der Begriff der Familienzusammenführung - in dem vom Gesetz selbst eingeschränkten Sinn in Beziehung ausschließlich zum anderen Ehegatten - umfasst nicht jede "Wiedervereinigung" von Ehepartnern nach einer vorübergehenden Trennung. Von einer Familienzusammenführung wird im Allgemeinen nur dann zu sprechen sein, wenn eine erstmalige oder wenn eine - durch Umstände, welche die Eheleute nicht beeinflussen können - unfreiwillige Trennung der Familie beendet werden soll. Eine unfreiwillige Trennung, nach deren Beendigung man von einer Familienzusammenführung sprechen könnte, liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls dann nicht vor, wenn sie durch die Lebensplanung der Ehepartner bedingt ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Trennung ausschließlich dadurch bedingt wäre, dass der (die) Ehegatte (Ehegattin) einer(s) Beschwerdeführerin (Beschwerdeführers) aus beruflichen Gründen von Deutschland nach Österreich übersiedelte. Weder eine zeitverschobene noch eine zeitgleiche Übersiedlung der Eheleute nach Österreich könnte daher unter den Tatbestand der Familienzusammenführung subsumiert werden (vgl. dazu das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2002/08/0077).

2.3.2. Nach dem Urteil des EuGH vom 5. Februar 2002, C-277/99 (Kaske), steht Art. 48 EGV einer Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, wonach Arbeitnehmer, die sich vor ihrer letzten Beschäftigung im Ausland mindestens 15 Jahre in diesem Mitgliedstaat aufgehalten haben, hinsichtlich der Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld eine Sonderstellung haben. Die Voraussetzung einer 15-jährigen Aufenthaltsdauer in § 14 Abs. 5 zweiter Satz Z. 1 AlVG ist deshalb gemeinschaftsrechtswidrig und daher unangewendet zu lassen (zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts vgl. etwa Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union,

5. Aufl., Rz 158 ff).

§ 14 Abs. 5 Z. 1 AlVG ist daher so zu lesen, dass es auf die Aufenthaltsdauer nicht ankommt. Als gegenüber der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 günstigere Voraussetzung für die Anrechnung deutscher Versicherungszeiten bleibt somit, dass die betreffende Person vor ihrer letzten Beschäftigung im Ausland ihren gewöhnlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in Österreich gehabt hat. Damit besteht nach der - gemeinschaftsrechtskonform gelesenen - Regelung eine Erleichterung gegenüber der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 für jene Personen, die vor Inanspruchnahme der Freizügigkeit in Österreich einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten, also in gewissem Sinne "zurückgekehrt" sind.

Die Voraussetzung des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes in Österreich vor ihrer letzten Beschäftigung wird von der Beschwerdeführerin allerdings gleichfalls nicht erfüllt.

3. Die Beschwerdeführerin hat von der Freizügigkeit erst nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 erstmals dadurch Gebrauch gemacht, dass sie Ende 1995/Anfang 1996 ihren Wohnsitz nach Österreich verlegt hat. Sie kann daher auch nicht behaupten, Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verloren zu haben, die sich für sie aus zwischenstaatlichen Abkommen ergeben hätten (vgl. das bereits mehrfach genannt Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 5. Februar 2002 unter Hinweis auf das Urteil vom 9. November 1995, C-475/93 (Thevenon)). Als ein solches Abkommen hätte das zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland geschlossene Abkommen über Arbeitslosenversicherung in Frage kommen können, welches - als gesetzesändernd und -ergänzend vom Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG genehmigt - im BGBl. Nr. 392/1979 kundgemacht wurde und am 1. Oktober 1979 in Kraft getreten ist. Dieses umfasst auch die im Beschwerdefall in Rede stehenden Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a und b). Nach Art. 7 Abs. 2 dieses Abkommens werden jedoch bei Arbeitslosen, die nicht die Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates besitzen, in dem der Anspruch geltend gemacht wird, Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Vertragsstaates zurückgelegt worden sind, nur dann berücksichtigt, wenn der Arbeitslose nach seiner letzten Einreise in das Gebiet des Vertragsstaates, in dem er den Anspruch geltend macht, dort mindestens vier Wochen ohne Verletzung der Vorschriften über die Beschäftigung von Ausländern als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen ist.

Im Beschwerdefall fehlte es auch an dieser Voraussetzung.

4. Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 5. Juni 2002

Gerichtsentscheidung

EuGH 61999J0277 Kaske VORAB

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 FamilienzusammenführungDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 unfreiwillige Trennung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080078.X00

Im RIS seit

07.10.2002

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten