TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/27 2001/10/0206

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Veröffentlicht am 27.06.2002
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Index

L50006 Pflichtschule allgemeinbildend Steiermark;
L50506 Schulbau Schulerhaltung Steiermark;
L50806 Berufsschule Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §60;
PSchErhG Stmk 1970 §23 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der Gemeinde Empersdorf, vertreten durch Mag. Michael Berghofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wielandgasse 2/II, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 6. September 2001, Zl. 13 E 6-2001, betreffend sprengelfremder Schulbesuch (mitbeteiligte Partei: Monika G, als Erziehungsberechtigte der mj. Tanja G, H), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 9. März 2001 beantragte die Mitbeteiligte bei der beschwerdeführenden Gemeinde die Bewilligung des sprengelfremden Schulbesuches ihrer minderjährigen Tochter Tanja. Sie brachte dabei im Wesentlichen vor, ganztägig berufstätig zu sein und sich nachmittags kein Kindermädchen leisten zu können. Sie habe sich daher entschlossen, ihre Tochter in die Schule in St. U. zu schicken, da dort in der Nähe ein Kindergarten vorhanden sei, in dem das Kind beaufsichtigt werden könne.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 2. Juli 2001 wurde dem Antrag gemäß § 23 Abs. 2 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 1970, LGBl. Nr. 70, keine Folge gegeben. Nach der Begründung bestehe seit 1. April 2001 auch in der beschwerdeführenden Gemeinde die Möglichkeit, Kinder im Alter von 0 bis 12 Jahren in der Zeit von 06.00 bis 22.00 Uhr durch eine näher genannte Organisation betreuen zu lassen. Die Betreuung der Kinder erfolge dabei durch ausgebildete Kindergärtnerinnen.

In diesem Zusammenhang wurde auf die Schwierigkeit hingewiesen, die 4-Klassigkeit der Volksschule der Gemeinde aufrecht zu erhalten. Die bestehende Volksschule sei bereits durch stark schwankende Geburtsjahrgänge stark gefährdet, sodass eine zusätzliche Abwanderung sprengelangehöriger Kinder eine Zusammenlegung zweier Klassen beschleunigen würde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte eine als Einspruch bezeichnete Berufung, in der sie sich mit der von der beschwerdeführenden Gemeinde vorgeschlagenen Betreuungseinrichtung nicht einverstanden erklärte. Sie wünsche für ihr Kind ausschließlich eine Betreuung, wie sie im Kinderhaus "Robin Hood" angeboten werde. Dabei verwies sie auf "Umfeld, pädagogisches Programm, udgl." Außerdem stelle die örtliche Lage des Kinderhauses für sie eine zusätzliche Erleichterung dar, ihren Tagesablauf positiv gestalten zu können.

In einer Niederschrift vor der belangten Behörde vom 10. August 2001 gab die Mitbeteiligte im Wesentlichen an, Alleinerzieherin zu sein. Sie arbeite bei der Firma Hofer (von 07.00 bis 13.30 Uhr bzw. von 09.30 bis 16.00 Uhr) und sei daher auf eine Fremdbetreuung ihrer Tochter angewiesen. Die Betreuung im "Robin Hood" Zentrum wäre ideal, da ihre Tochter bereits jetzt in St. U. in den Kindergarten gehe und mit ihren Freundinnen zusammenbleiben könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Mitbeteiligten Folge gegeben und der sprengelfremde Schulbesuch der Tochter in der Volksschule St. U. gemäß § 23 Abs. 2 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 1970 bewilligt.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen vertrat die belangte Behörde im Wesentlichen die Auffassung, dass eine ganztägige Betreuung des Kindes der Mitbeteiligten im Kinderhaus "Robin Hood" eine optimale Betreuungsform darstelle, die hervorragende Möglichkeiten zur persönlichen Betreuung und Entfaltung der Schüler biete. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 1970 idF der Novelle LGBl. Nr. 72/1995 ist jeder Schulpflichtige in die für ihn nach der Schulart in Betracht kommenden Schule, deren Schulsprengel er angehört (Sprengelschule), aufzunehmen.

Über Antrag des Erziehungsberechtigten kann gemäß § 23 Abs. 2 leg. cit. die Aufnahme eines dem Schulsprengel nicht angehörigen Schulpflichtigen genehmigt werden. Über diesen Antrag entscheidet der Bürgermeister der Gemeinde des Wohnsitzes nach Anhörung des Schulerhalters der Sprengelschule und des Bezirksschulrates. Der Antrag ist, abgesehen von begründeten Ausnahmefällen, bis zum 31. März für das folgende Schuljahr bei der Wohnsitzgemeinde einzubringen. Die Entscheidungsfrist beträgt vier Wochen. Die Bewilligung zum sprengelfremden Schulbesuch kann unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Schülers, seiner individuellen Bildungsziele, unter Bedachtnahme auf die örtlichen Verkehrsverhältnisse, die Zumutbarkeit des Schulweges und die Organisationsform der betroffenen Pflichtschule erteilt werden. Gegen die Entscheidung des Bürgermeisters ist innerhalb von zwei Wochen die Berufung an die Bezirksverwaltungsbehörde - in Städten mit eigenem Statut an die Landesregierung - zulässig; die Frist für die Entscheidung im Berufungsverfahren beträgt vier Wochen. Die Entscheidung im Berufungsverfahren ist endgültig.

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, es sei zwar richtig, dass § 23 Abs. 2 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 1970 der Behörde ein Ermessensspielraum einräume, vom eingeräumten Ermessen müsse jedoch im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht werden. Die mit dem sprengelfremden Schulbesuch für den Schulpflichtigen verbundenen Vorteile müssten die bei der Sprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen überwiegen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides erlaube allerdings nicht, die Entscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes zu überprüfen. In der Bescheidbegründung werde lediglich auf die Möglichkeit einer ganztägigen Betreuung im Bereich der sprengelfremden Schule eingegangen. Die übrigen, bei der Sprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen der beschwerdeführenden Gemeinde würden jedoch gänzlich unerwogen gelassen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Betreuungseinrichtung in der Gemeinde und die Existenzgefährdung der Volksschule verwiesen.

Bereits mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Gemeinde im Ergebnis im Recht.

Nach § 23 Abs. 2 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 1970 kann die Bewilligung erteilt werden, wenn die für den sprengelfremden Schulbesuch ins Treffen geführten Gründe insgesamt für den Schulbesuch sprechen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 19. Oktober 2000, Zl. 98/10/0355).

Gemäß § 60 AVG hat die belangte Behörde in der Begründung ihrer Entscheidung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Diesen Anforderungen wird die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht gerecht, hat doch die belangte Behörde in ihrer Entscheidung lediglich die Auffassung vertreten, dass eine Betreuung des Kindes der Mitbeteiligten im Kinderhaus "Robin Hood" eine optimale Betreuungsform darstelle, die hervorragende Möglichkeiten zur persönlichen Betreuung und Entfaltung der Schüler biete. Weshalb diese Betreuungsform der von der beschwerdeführenden Gemeinde angebotenen Betreuung vorzuziehen sei, wurde von der belangten Behörde nicht erörtert. Ebenso unterblieb eine Auseinandersetzung mit den von der beschwerdeführenden Gemeinde geltend gemachten Interessen.

Dieser Begründungsmangel hinderte nicht nur die beschwerdeführende Gemeinde an der Verfolgung ihrer Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof, sondern verwehrt diesem auch die Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlichen Kontrollbefugnisse; er ist daher wesentlich (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. April 1998, Zl. 98/10/0001).

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings zu dem Hinweis veranlasst, dass es dem Sinn des Gesetzes entspricht, auch im Unterbleiben eines Schulwechsels einen "Vorteil für den Schulpflichtigen" zu erblicken (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis vom 27. November 1995, Zl. 93/10/0209).

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Juni 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001100206.X00

Im RIS seit

19.09.2002

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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