TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/3 97/08/0536

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Veröffentlicht am 03.07.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §47 Abs1;
AlVG 1977 §56;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AMSG 1994 §16;
AMSG 1994 §17;
AMSG 1994 §24;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §59 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. B in S, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer (vormals Bernhart-Wagner), Rechtsanwältin in 1010 Wien, Kärntner Ring 10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 8. August 1997, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/1997, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) die Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Dem Beschwerdeführer war am 2. September 1996 vom Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt eine kollektivvertraglich entlohnte Beschäftigung als Außendienstmitarbeiter beim Dienstgeber Firma S. in Bad Vöslau ab dem 16. September 1996 zugewiesen worden. Das Beschäftigungsverhältnis kam nicht zustande. Die Firma S. gab am 16. September 1996 an, der Beschwerdeführer sei wegen "S 40.000,-- Gehaltsvorstellung" nicht eingestellt worden. Der Beschwerdeführer gab am 20. September 1996 an, das Beschäftigungsverhältnis sei nicht zu Stande gekommen, weil ihn die Firma angerufen und ihm ohne Begründung abgesagt habe. Er sei nach seinem früheren Verdienst gefragt worden, der zwischen S 35.000,-- und S 40.000,-- brutto betragen habe. Er habe diesen Betrag aber nicht als Bedingung für die Beschäftigung angegeben.

Ein in die Datenbank eingegebener Aktenvermerk des AMS vom 20. September 1996 lautet:

"Nach tel. Rücksprache am 16.9. mit Hrn. S. wurde Gen. nicht eingestellt, weil er 40.000,-- Entlohnung haben wollte. Es wurde - im Gegensatz zu den Angaben des Gen. - diese Summe als Einstellungsbedingung gefordert und nicht nur als zuletzt erhaltener Gehalt angegeben. Nach Anruf bei AK vom 17.9.:

Kollektivvertrag für diese Stelle wäre bei Anrechnung von 18 Berufsjahren 25.060,-- Brutto/inkl. Provisionen gewesen!!! (...)

Anruf bei AK: KV wäre für Handelsangestellten i. Fotohandel Lohngruppe B, Beschäftigungsgruppe 4 bei 18 Berufsjahren 25.060,-- /brutto inkl. Provisionen. Dies trifft lt. AK auf Stelle für Außendienst im Fotohandel zu. (...)

Anruf bei Fa. S., da lt. VV Gehaltsvorstellung von 40.000,--, daher nicht eingestellt: lt. Hrn. S. hätte Gen. den Berufsjahren entsprechende Entlohnung erhalten. Provisionen wären inkludiert gewesen."

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt vom 1. Oktober 1996 wurde gemäß § 10 AlVG festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 16. September 1996 bis 27. Oktober 1996 verloren habe, weil der Beschwerdeführer die Arbeitsaufnahme bei der Firma S. durch weit überhöhte Gehaltsforderungen vereitelt habe.

Der Beschwerdeführer, dem gemäß § 18 Abs. 4 AVG unter Beisetzung des Namens des Genehmigenden eine mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte Ausfertigung dieses Bescheides zugestellt worden war, erhob Berufung und brachte vor, er habe einen Betrag von S 40.000,-- brutto nicht als Bedingung für die Aufnahme einer Beschäftigung genannt. Im Verlauf des Vorstellungsgespräches habe Hr. S. die Verdienstaussichten der fraglichen Stelle mit einem Fixum von S 10.000,-- brutto monatlich sowie mit einer umsatzabhängigen Provision von etwa S 10.000,-- angegeben. Eine Garantie für eine bestimmte Mindesthöhe habe es nicht gegeben. Das Gespräch sei keineswegs abgebrochen worden und habe damit geendet, dass Hr. S. nicht sofort über die Bewerbung des Beschwerdeführers entschieden, sondern diese vorgemerkt habe. Die Version, dass es sich bei der Gehaltsvorstellung von S 40.000,-

- um eine "Bedingung" für die Arbeitsaufnahme gehandelt habe, stütze sich ausschließlich auf einen Aktenvermerk der Sachbearbeiterin über ein von ihr mit Hrn. S. geführtes Telefonat. Die Annahme eines derartigen Verlaufes des Bewerbungsgespräches stehe in Widerspruch zur aktenkundigen Tatsache, dass dieses Gespräch nicht zur Ablehnung seiner Bewerbung, sondern zur Vormerkung durch die Firma S. geführt habe. Die Behörde erster Instanz hätte durch geeignete Erhebungen den Sachverhalt zu klären gehabt. Insbesondere wäre Hr. S. niederschriftlich zum detaillierten Verlauf des Bewerbungsgespräches sowie über die tatsächlichen Gründe seiner Personalentscheidung einzuvernehmen und dieses Ermittlungsergebnis dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme vorzulegen gewesen. Eine gründliche Beweisaufnahme sei unterblieben.

Die Stelle sei überdies nicht dem Kollektivvertrag entsprechend dotiert (und daher nicht zumutbar) gewesen. Nach über 15 Dienstjahren als Angestellter belaufe sich seine kollektivvertragliche Mindestentlohnung als Außendienstverkäufer im Handel und Großhandel auf S 24.580,-- bei 14 Gehältern jährlich. Aus der im Akt befindlichen Stellenbeschreibung gehe ein Fixum von S 10.000,--, also nicht einmal der Hälfte dieses Betrages hervor. Eine betragsmäßige Mindesthöhe der umsatzabhängigen Provision sei nicht garantiert gewesen. Über das Jahr gerechnet sei an Fixum und Provisionen S 260.000,-- brutto zu erwarten, wo hingegen nach dem Kollektivvertrag S 344.120,-- brutto zu bezahlen wären.

Die Ergebnisse weiterer Erhebungen der belangten Behörde wurden im Aktenvermerk vom 2. Oktober 1996 wie folgt zusammengefasst:

"Aufgrund Berufung wurde heute nochmals tel. Rücksprache mit Firma S., Chef gehalten: die Gehaltsvorstellung war für ihn klar eine Gehaltsforderung, da Gen. auch gesagt hat, dass ihm alles unter 40.000,-- zu wenig ist. Und selbstverständlich hätte Firma ihm die Differenz auf Kollektivvertrag gezahlt, wenn er mit Provision entsprechenden Betrag nicht erreicht hätte. Es stimmt, dass Gen. zuerst vorgemerkt war, aber auf Grund o.a. Fakten kam es zu keiner Einstellung. Und Gen. gibt ja in Berufung selbst an, dass Firma ihm noch am selben Tag Bescheid gegeben hat.

Hr. S. steht ausdrücklich zu seiner Aussage, dass Gen. die Arbeit vereitelt hat. Nach Ansicht der Beratung ist daher der Berufung nicht stattzugeben."

In einem Schreiben vom 26. Mai 1997 teilte der potenzielle Dienstgeber Josef S. Folgendes mit:

"Wie Sie auf der am 16.9.1996 retournierten Vorstellungskarte sehen, war sich Hr. Dr. H. B. bei mir als Außendienstmitarbeiter vorstellen und hat angegeben, dass er unter ÖS 40.000,-- nicht arbeiten geht. Dies war keine Gehaltsvorstellung sondern eine Forderung.

Hr. Dr. H. wäre natürlich mit Fixum und Provision entlohnt worden.

Da aber seine Gehaltsforderung weit darüber lag, war für mich klar, dass er kein Interesse an der Stelle hat."

Am 10. Juli 1997 bekräftigte der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde seine Angaben in der Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid.

Spruch und Fertigungsklausel dieses Bescheides lauten:

"Bescheid

Das Arbeitsmarktservice Niederösterreich, Landesgeschäftsstelle, hat in seinem Ausschuss für Leistungsangelegenheiten der rechtzeitig eingebrachten Berufung des (Beschwerdeführers) gegen den Bescheid der Regionalen Geschäftsstelle Wr. Neustadt vom 01.10.1996 ... keine Folge gegeben.

(...)

Für den Landesgeschäftsführer

(unleserliche Unterschrift)

Hofrat Mag. K.

Abteilungsleiter"

In der Begründung wurde nach Darstellung der Rechtslage und

des Verwaltungsgeschehens ausgeführt:

"Wenn im gegenständlichen Fall der Berufungswerber die Angaben der Firma auch in Abrede stellt und angibt, dass er durchaus bereit gewesen wäre um eine kollektivvertragliche Entlohnung die Beschäftigung anzunehmen, so ist doch nach h.o. Ansicht der Aussage der Firma S. eine größere Glaubwürdigkeit beizumessen. Dies insbesonders deshalb, weil die Firma der Regionalen Geschäftsstelle einen dringenden Bedarf für einen Außendienstmitarbeiter gemeldet hat und es daher schwer vorstellbar erscheint warum die Firma den Berufungswerber bei entsprechender Arbeitswilligkeit nicht hätte in ihrem Betrieb einstellen sollen. Im übrigen geht auf Grund der Aktenlage hervor, dass die angebotene Beschäftigung kollektivvertraglich entlohnt gewesen wäre.

Für die h.o. Berufungsbehörde steht somit fest, dass das Dienstverhältnis mit dem Berufungswerber wegen seiner überhöhten Gehaltsforderungen nicht zustande gekommen ist.

(...)

Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht im Sinne

des § 10 Abs 2 AlVG ... liegen nicht vor. "

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, gemäß § 56 Abs. 3 AlVG wäre die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich verpflichtet gewesen, über die Berufung des Beschwerdeführers eine Entscheidung in einem Ausschuss des Landesdirektoriums zu treffen. Der angefochtene Bescheid sei nicht in einem Ausschuss des Landesdirektoriums erlassen worden, er beruhe auch nicht auf einer Entscheidung dieses Ausschusses. Dies gehe eindeutig aus der Bescheidbegründung hervor, wo es heiße:

"Auf Grund des festgestellten Sachverhalts hat die Landesgeschäftsstelle Niederösterreich rechtlich erwogen ...". Dem gesamten Verwaltungsakt sei nicht zu entnehmen, dass die Angelegenheit dem Ausschuss vorgelegt worden wäre und dass über die Berufung vom Ausschuss eine Abstimmung vorgenommen wäre. Gemäß § 57 AVG leide der angefochtene Bescheid daher an einem Fehler, der seine Nichtigkeit bewirke.

Dieses Vorbringen ist unbegründet. Der zitierte Spruch des angefochtenen Bescheides enthält einen eindeutigen Hinweis, dass er sich auf einen Beschluss des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten gründe. Dieser Beschluss ist - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend verweist - nach der Aktenlage auch tatsächlich gefasst worden, wie sich etwa aus dem Stempelabdruck vom 7. August 1997 auf dem Original der Berufung ergibt. Durch das Vorhandensein des genannten Hinweises unterscheidet sich der hier angefochtene Bescheid von jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1999, Zl. 97/08/0621, zu Grunde lag. Die Fertigung des auf dem Beschluss des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten beruhenden angefochtenen Bescheides durch den vom Landesgeschäftsführer dazu Ermächtigten entspricht ebenfalls der Rechtslage.

Da der angefochtene Bescheid somit einerseits die Zurechnung der Entscheidung zu dem Kollegium (dessen Willensbildung ihr zu Grunde liegt) und andererseits die Zurechnung zur Landesgeschäftsstelle (als deren Leiter dem Landesgeschäftsführer die Genehmigung der Urschrift zunächst obliegt) erlaubt und darüber hinaus sogar die - zwar wünschenswerte aber nicht unverzichtbare - Berufung auf die vom Landesgeschäftsführer erteilte Ermächtigung enthält, bestehen gegen den angefochtenen Bescheid unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit der belangten Behörde keine Bedenken (vgl. zu der in der Beschwerde angesprochenen Problematik ausführlich das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 98/08/0351, mwN).

1.2. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die gemäß § 10 Abs. 2 AlVG erforderliche Anhörung des Regionalbeirates unterblieben wäre. Auch dieser Vorwurf trifft - wie der zutreffende Hinweis der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift auf ON. 15 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes zeigt - nicht zu. Schließlich ist auch der Vorwurf, der Bescheid der Behörde erster Instanz vom 1. Oktober 1996 trage keine Unterschrift, nicht zielführend, weil der erstinstanzliche Bescheid automationsunterstützt ausgefertigt wurde. Nach § 18 Abs. 4 AVG bzw. § 47 Abs. 1 AlVG genügte jedenfalls die hier erfolgte "Beisetzung des Namens des Genehmigenden" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 99/08/0031).

1.3. Der Beschwerdeführer rügt, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides entgegen § 59 Abs. 1 AVG die angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht enthalte. Auch damit zeigt er keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf. Zwar muss ein Bescheid seine Rechtsgrundlagen zweifelsfrei erkennen lassen. Die Verletzung des § 59 Abs. 1 AVG hinsichtlich der Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen führt nur dann zur Aufhebung des Bescheides, wenn auch die Begründung des Bescheides Zweifel über die angewendeten Vorschriften nicht beseitigt. Im vorliegenden Fall führt die belangte Behörde jedoch in der Begründung die angewendeten Gesetzesbestimmungen teils vollinhaltlich, teils auszugsweise an. Damit ist aber der Beschwerdeführer an einer Verfolgung seiner Rechte nicht gehindert und andererseits der Verwaltungsgerichtshof in der Lage, seiner Kontrollbefugnis nachzukommen (vgl. das Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 99/08/0031; Walter/Thienel, VerwaltungsverfahrensgesetzeI2, E 209ff zu § 59 AVG).

2.1. In der Sache wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie habe auf Grund einer unrichtigen Beweiswürdigung den Sachverhalt nicht richtig festgestellt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist -

die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8.619/A). Der Verwaltungsgerichtshof ist aber nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d.h. ihr mit der Begründung entgegenzutreten, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre.

Die belangte Behörde hat sich mit den gegensätzlichen Angaben des Beschwerdeführers und des Zeugen S. in nachvollziehbarer Weise beweiswürdigend auseinander gesetzt. Der Beschwerdeführer hält dem lediglich entgegen, dass er bei der Firma S. Anspruch auf ein kollektivvertragliches Entgelt von S 25.480,-- brutto gehabt habe und er bereits am 18. November 1996 (bei einem anderen Arbeitgeber) eine Berufstätigkeit mit einem Bruttogehalt von S 30.000,-- aufgenommen habe. Dies spräche dagegen, dass er im Zuge des Bewerbungsgespräches eine unrealistische Gehaltsforderung von S 40.000,-- monatlich brutto gestellt hätte. Die Angaben der Firma S. seien überdies widersprüchlich, weil im Vorstellungsbogen vom 16. September 1996 von "ÖS 40.000,-- Gehaltsvorstellung" die Rede sei. Erst in der Stellungnahme vom 26. Mai 1997 habe die Firma S. angegeben, dass dies keine Gehaltsvorstellung, sondern eine Forderung gewesen sei. Gegen die Auffassung einer Vereitelung spreche auch, dass die Firma S. den Beschwerdeführer keineswegs sofort abgelehnt habe, was bei einer derart überhöhten Gehaltsforderung zu erwarten gewesen wäre. Sie habe den Beschwerdeführer vielmehr "vorgemerkt" und offenbar erst, nachdem sie einen geeigneteren Kandidaten gefunden habe, abgesagt. Die Absage sei am 12. September 1996, sohin erst eine Woche nach dem Vorstellungsgespräch erfolgt.

Mit diesen Überlegungen zeigt die Beschwerde aber keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit der Beweiswürdigung auf.

2.2. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Eine solche Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert.

Als angemessene Entlohnung im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG ist das nach dem (im konkreten Fall anzuwendenden) Kollektivvertrag gebührende Entgelt für die konkret zugewiesene Beschäftigung anzusehen. Das Kriterium der "angemessenen Entlohnung" im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG stellt nicht auf die individuelle Bedarfssituation oder Wunschvorstellung des Arbeitslosen ab, sondern auf objektive Gegebenheiten des Arbeitsmarktes. Auf die Höhe des vom Arbeitslosen vorher erzielten Verdienstes oder auch nur die Höhe eines "Durchschnittsverdienstes" kommt es nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 98/08/0242).

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Annahme der angebotenen Beschäftigung bei der Firma S. sei ihm nicht zumutbar gewesen, weil die Firma S. lediglich ein Fixum von S 10.000,-- brutto plus Provision genannt habe. Eine Mindestgarantie des Gesamteinkommens sei nicht gegeben worden. Die Angabe der Firma S. gegenüber der Sachbearbeiterin der Behörde erster Instanz, worin die Firma S. behauptet habe, sie hätte die Differenz auf den Kollektivvertragslohn bezahlt, wenn er mit Fixum und Provision nicht erreicht worden wäre, bekunde lediglich eine nachträgliche Bereitschaft, die dem Beschwerdeführer gegenüber im Vorstellungsgespräch nicht geäußert worden sei.

Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer allfällige (subjektive) Zweifel an der kollektivvertragsentsprechenden Entlohnung durch die Firma S. beim Vorstellungsgespräch hätte anmelden können. Auch wenn ein Gehaltsangebot in Bezug auf sein Verhältnis zum Kollektivvertrag (objektiv) unvollständig oder zweifelhaft wäre, müsste sich der Arbeitslose (vor der Ablehnung der Beschäftigung) durch entsprechende Rückfragen Klarheit verschaffen (vgl. das Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, 98/08/0392, mwN). Das dem Beschwerdeführer im Vorstellungsgespräch unterbreitete Gehaltsangebot, das neben dem Fixum eine Provision in nicht genau prognostizierter Höhe enthielt, lässt in Ermangelung weiterer in diese Richtung gehender Anhaltspunkte den vom Beschwerdeführer (subjektiv) gezogenen Schluss, der potenzielle Dienstgeber hätte bei niedrigen Provisionseinkünften nicht einmal den kollektivvertraglichen Mindestlohn bezahlen wollen, nicht zu. Es konnte daher von der Zumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung i.S. des § 9 Abs. 2 AlVG ausgegangen werden.

2.3. Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn eines Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt dieser Zeitraum acht Wochen.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn schon das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden:

Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit, etc.), oder aber dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich behandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. dazu das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042, Slg. Nr. 13.722/A).

Im vorliegenden Fall musste dem Beschwerdeführer klar sein, dass sein Gehaltswunsch von S 40.000,-- bei dem gegebenen (kollektivvertraglichen) Gehaltsanbot von ca. S 25.000,-- brutto den Vorstellungen des potenziellen Dienstgebers auf keinen Fall entsprechen konnte. Die belangte Behörde hat daher das Verhalten des Beschwerdeführers schon aus diesem Grund zu Recht als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG qualifiziert (vgl. das Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 95/08/0329).

Aus dem Umstand, dass der potenzielle Dienstgeber die Bewerbung des Beschwerdeführers nicht sofort ablehnte sondern diesen vormerkte, kann der Beschwerdeführer ebenfalls nichts gewinnen, denn sowohl im Falle sofortiger Ablehnung als auch im Falle der Vormerkung, sohin immer dann, wenn die Bewerbung nicht sogleich zum Erfolg führt, wäre der Beschwerdeführer (auch bei weniger "überhöhter" Gehaltsforderungen) verpflichtet, sogleich klarzustellen, dass er bereit wäre, auch die vom Dienstgeber vorgeschlagene (angemessene) Entlohnung zu akzeptieren (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. Mai 1995, Zl. 95/08/0054, und vom 26. Jänner 2000, Zl. 98/08/0242, mwN).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Wien, am 3. Juli 2002

Schlagworte

Intimation Zurechnung von Bescheiden Behördenbezeichnung Fertigungsklausel Unterschrift Genehmigungsbefugnis Spruch und Begründung Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Ausfertigung mittels EDV

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1997080536.X00

Im RIS seit

07.11.2002

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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