TE Vwgh Beschluss 2002/7/25 2002/07/0002

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Veröffentlicht am 25.07.2002
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Index

E1E;
E3L E15103030;
E3R E15103030;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

11997E234 EG Art234;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Anh2A;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Anh2B;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Art3 Abs5;
31975L0442 Abfallrahmen-RL;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Art7 Abs4 lita Spstr1;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Art7 Abs4 lita Spstr5;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV;
61980CJ0169 Gondrand Freres VORAB;
62000CJ0006 ASA Abfall Service VORAB;
AWG 1990;
VwGG §38a;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2002/0003 * EuGH-Zahl: C-291/02 * Übersendung der EuGH-Entscheidung durch Kanzler des EuGHEuGH 62000CJ0228 13. Februar 2003 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2003/07/0033 E 20. März 2003 VwSlg 16045 A/2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, in der Beschwerdesache der R GmbH in B, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, Faistauergasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 8. November 2001, Zl. 313544/626-III/1 U/01-Lo, betreffend Verbringung von Abfällen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Weisen die Bestimmungen der Verordnung Nr. 259/93/EWG zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft und der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle hinsichtlich der Frage, ob eine geplante Verbringung von Abfällen dem Verwertungsverfahren R1 des Anhanges II B oder dem Beseitigungsverfahren D10 des Anhanges II A der Richtlinie 75/442/EWG zuzuordnen ist, jenes Maß an Klarheit und Eindeutigkeit auf, das es den jeweils Betroffenen (Privaten wie Mitgliedstaaten) erlaubt, die jeweiligen Rechtsfolgen ihres Verhaltens abzuschätzen oder sind die genannten Bestimmungen wegen mangelnder Bestimmtheit und daraus resultierender Unvollziehbarkeit ungültig?

2. Ist für die Zuordnung einer Abfallbehandlungsmaßnahme zum Verwertungsverfahren R1 (Hauptverwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung) des Anhanges II B der Richtlinie 75/442/EWG allein entscheidend, ob der Abfall zur Gänze zur Energieerzeugung (Energienutzung) Verwendung findet und die gewonnene Energie auch tatsächlich genutzt wird?

3. Ist es zulässig, dass die zuständige Behörde am Bestimmungsort bei der Frage, ob eine geplante Abfallverbringung dem Verwertungsverfahren R1 oder dem Beseitigungsverfahren D10 zuzuordnen ist, von folgenden Kriterien ausgeht:

a)

Gefahrenminderung

b)

Schonung von Rohstoff-Ressourcen

c)

Schonung von Energieressourcen

d)

Schonung von Deponieraum

e)

Ökologische Zweckmäßigkeit des Verfahrens

f)

Ökonomische Zweckmäßigkeit des Verfahrens

              4.              Trifft folgende Aussage zu:

Nicht jede Verbrennung mit Energienutzung ist eine Verwertung im Sinne des Verfahrens R1. Das Verfahren R1 bezieht sich nicht alleine auf die Nutzung der frei gesetzten Verbrennungswärme, sondern fordert einen Einsatz als Brennstoff. Ein Brennstoff ist dadurch charakterisiert, dass er bestimmte Kriterien hinsichtlich Heizwert, Schadstoffgehalt und Abbrandgeschwindigkeit erfüllt und ausreichende Homogenität in Bezug auf diese Eigenschaften aufweist, um den Verbrennungsvorgang steuern zu können. Abfälle, die diese Kriterien nicht erfüllen können, d.h. die keinen ausreichenden Heizwert besitzen oder deren Zusammensetzung derart schwankt, dass keine ausreichende Regelbarkeit der Verbrennung (in konventionellen Verbrennungsanlagen) vorliegt oder die derart mit Schadstoffen belastet sind, dass ihre Verbrennung zu unzulässigen Emissionen führt, können per se keiner Verwertung entsprechend R1 zugeführt werden.

Begründung

I. Zum Sachverhalt:

Die R GmbH mit Sitz in B in der Bundesrepublik Deutschland notifizierte entsprechend den Bestimmungen der Verordnung Nr. 93/259/EWG die Verbringung von 800 t Rückständen aus der Lösemitteldestillation von B nach Österreich zur G Zementproduktions- und -Handels GmbH. Gemäß den Angaben auf den Notifizierungsbogen sollten die Abfälle bei der G Zementproduktions- und -Handels GmbH dem Verwertungsverfahren R1 (Hauptverwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung) gemäß Anhang II der Richtlinie 75/442/EWG zugeführt werden.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erhob Einwände gegen die Verbringung und wies in der Folge mit Bescheid vom 8. November 2001 den Antrag der R GmbH auf Erteilung der Zustimmung zur Verbringung der Rückstände gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. a erster und fünfter Bindestrich der Verordnung Nr. 259/93/EWG ab.

Die zuständige Behörde am Versandort in der Bundesrepublik Deutschland hatte gegen die Verbringung keine Einwände erhoben.

Der Bundesminister begründete seine ablehnende Entscheidung damit, dass entgegen den Angaben im Notifizierungsbogen keine Verbringung zur Verwertung nach dem Verfahren R1 des Anhanges II B, sondern eine Verbringung zur Beseitigung nach dem Beseitigungsverfahren D10 des Anhanges II A der Richtlinie 75/442/EWG vorliege.

Zu diesem Ergebnis kam der Bundesminister, indem er die in Frage 3 (in verkürzter Form und lediglich schlagwortartig) angeführten Kriterien zugrundelegte.

Diese Kriterien sind dem österreichischen Bundes-Abfallwirtschaftsplan 1998 entnommen. In diesem Bundes-Abfallwirtschaftsplan, der auf Grund des österreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes erlassen wurde, sind sie als "Einstufungsgrundsätze für Beseitigungs- und Verwertungsverfahren" festgesetzt. Es handelt sich bei diesen Kriterien also um eine einer Rechtsvorschrift ähnliche Anleitung für die Einordnung von Verfahren als Beseitigungs- oder als Verwertungsverfahren.

Im vollen Wortlaut habe diese - in Frage 3 nur verkürzt wiedergegebenen - Kriterien folgenden Inhalt:

a) Steht im Vordergrund des Verfahrens die Zerstörung oder Immobilisierung von Schadstoffen? Wie vollständig ist diese Gefahrenminderung absolut gesehen (d.h. bezogen auf den spezifischen Abfall) und relativ (d.h. im Vergleich zu alternativen Behandlungsverfahren)?

b) Hier ist die tatsächliche, objektive Verringerung von potentiellen Umweltgefahren (Gefahrenminderung absolut) zu bewerten. Diese wird bei nicht gefährlichen Abfällen, von denen im Allgemeinen keine besonderen Gefahren ausgehen, naturgemäß eher gering sein. Im Falle einer für einen Abfall ungeeigneten Behandlung können sich die potentiellen Umweltgefahren erhöhen. Die relative Gefahrenminderung bezieht sich auf das Verhältnis der mit dem Abfall verknüpften Umweltrisken vor und nach der Behandlung. Auch wenn die absoluten Gefahren, die von einem Abfall ausgehen, gering sind, ist eine möglichst vollkommene Minderung dieser Gefahren ein Maßstab für die Qualität einer Behandlung.

c) Wie groß ist die Schonung von Rohstoff-Ressourcen absolut (d.h. die tatsächlich erreichte Einsparung von Primärrohstoffen und relativ (d.h. bezogen auf die aus diesem Abfall maximal gewinnbaren Sekundärrohstoffe)?

d) Bei der Bewertung der absoluten Schonung ist auch zu berücksichtigen, inwieweit eine schonenswerte Ressource geschützt wird. Wenn ein Rohstoff substituiert wird, der keiner Verknappung unterliegt, so ist der Wert der Ressourcenschonung geringer anzusetzen, insbesondere wenn diese durch einen erhöhten Verbrauch anderer, knapper Ressourcen (etwa Energie) erkauft wird. Die relative Ressourcenschonung gibt demgegenüber an, wie viel an Inputmaterial tatsächlich verwertet und in den Stoffkreislauf zurückgeführt wird.

e) Wie groß ist die Schonung von Energieressourcen absolut (d.h. welches Einsparungspotential an Primärenergie ergibt sich bezogen auf eine Beseitigung der Abfälle ohne Energienutzung) und relativ (d.h. welcher Anteil an potentieller Energieeinsparung wird durch die Verwertung des Abfalls tatsächlich realisiert)?

f) Auch hier ist zwischen absoluter und relativer Zielerreichung zu unterscheiden. In die absolute Ressourcenschonung wäre auch der Energieaufwand für die alternative Bereitstellung an Primärrohstoffen einzubeziehen. Die relative Schonung der Energieressourcen ist durch das Verhältnis des tatsächlichen Energieinhalts und des rückgewonnenen und verwerteten Anteils gegeben. Auch diese relative Maßzahl gibt über die Qualität eines Recyclingprozesses Auskunft.

g) Wie groß ist die Schonung von Deponieraum durch Rückführung von Stoffen in den Wirtschaftskreislauf?

h) Diese ergibt sich durch die Nichtinanspruchnahme von Deponieraum durch verwertete Abfälle. Für sich alleine betrachtet kann dieses Kriterium aber nicht zur Unterscheidung zwischen echter Verwertung und "shame recycling" herangezogen werden. Es ist vielmehr die Wechselbeziehung der Frage der ökologischen Zweckmäßigkeit herzustellen. Wenn eine Schonung des Deponieraums durch eine Dissipation von Schadstoffen in die Umwelt erkauft wird, so ist dies im Lichte der Frage Verwertung - verdeckte Beseitigung negativ zu bewerten.

i) Ist das Verfahren ökologisch zweckmäßig (oder wäre zum Schutz der Umwelt ein anderes Verfahren, gegebenenfalls auch ein Beseitigungsverfahren, vorzuziehen)?

j) Hier ist mit einzubeziehen, in welcher Weise die Umwelt durch die alternative Bereitstellung primärer Rohstoffe im Vergleich zur Abfallverwertung belastet würde. Dabei ist nicht zuletzt auf die Gefahren einer Dissipation von Schadstoffen und auf die Notwendigkeit des Einsatzes zusätzlicher Ressourcen (etwa von Energie) zu achten.

k)

Ist das Verfahren ökonomisch zweckmäßig?

l)

Eine positive Wertschöpfung ist zweifellos ein Indiz für eine Verwertung. Mit den übergeordneten und langfristigen Zielen der Abfallwirtschaft ist aber gegebenenfalls auch ein Recycling unter Zuzahlung als Verwertung anzusehen, solange die Kosten in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Soweit ein höher ökonomischer Nutzen vorliegt, ist jedenfalls ein starkes Indiz für eine Verwertung gegeben.

Die Anwendung dieser Kriterien auf den konkreten Fall bewertete der Bundesminister wie folgt:

a)

Zur Verringerung von potentiellen Umweltgefahren:

b)

Auf Grund der vorgelegten Unterlagen sei davon auszugehen, dass die gegenständlichen Abfälle hinsichtlich ihres Schwermetallgehaltes durchschnittliche Kohlen deutlich, z.T. um ein Vielfaches übertreffen und dass sie einer derart großen Schwankungsbreite (hinsichtlich des Gehaltes einzelner Schwermetalle) unterworfen seien, dass von einer homogenen Zusammensetzung nicht ausgegangen werden könne.

              c)              Diese Umstände ließen den Schluss zu, dass Zweck der vorgesehenen Behandlung primär die Verringerung von potentiellen Umweltgefahren sei, die von den Abfällen ausgingen und dass dieses Kriterium gegenüber der Nutzung des Energieinhaltes im Vordergrund stehe. Es könnten somit sowohl die absolute als auch die relative Gefahrminderung als hoch angesetzt werden.

d)

Zur Schonung von Energieressourcen:

e)

Eine Schonung von Energieressourcen könne nur dann angenommen werden, wenn die Abfälle auch tatsächlich geeignet seien, als Brennstoff eingesetzt zu werden. Im vorliegenden Fall sei von einem hohen Heizwert (gemäß Angaben 27.626 kJ/kg) auszugehen.

              f)              Im Vergleich zu einer Beseitigung der Abfälle gänzlich ohne Energienutzung sei (auch unter Berücksichtigung eines längeren Transportweges zur Verwertungsanlage - von einer absoluten Schonung von Energieressourcen auszugehen.

              g)              Durch den vorgesehenen Einsatz könne auch die relative Schonung als hoch angesehen werden.

h)

Zur Schonung von Rohstoffressourcen:

i)

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Erdöl und Kohle derzeit keine Rohstoffe darstellten, die von einer akuten Verknappung betroffen seien, könne dieser Parameter in absoluter Hinsicht lediglich als durchschnittlich eingestuft werden. Eine Beurteilung der relativen Schonung (Rückführung in den Stoffkreislauf) erscheine nicht sinnvoll.

j)

Schonung von Deponieraum:

k)

Es sei keine Beurteilung durchzuführen, da die Abfälle nicht deponiefähig seien und auch nicht deponiert werden sollten.

l)

Ökologische Zweckmäßigkeit:

m)

Das Verfahren erscheine grundsätzlich als ökologisch zweckmäßig, da organische Schadstoffe zerstört würden und bei den anorganischen von einer Einbindung in das Produkt auszugehen sei. Auf Grund des relativ hohen Schadstoffgehaltes könne von einer zwar zulässigen, aber nicht zu leugnenden Anreicherung dieser Stoffe im Produkt ausgegangen werden; insgesamt könne daher die ökologische Zweckmäßigkeit als lediglich durchschnittlich angesehen werden.

n)

Ökonomische Zweckmäßigkeit:

o)

Eine ökonomische Zweckmäßigkeit könne in erster Linie durch unterschiedliche Behandlungskosten angenommen werden; sie könne daher bestenfalls als durchschnittlich angesehen werden.

Insgesamt könne somit davon ausgegangen werden, dass

-

die Gefahrminderung und die Schonung von Energieressourcen als hoch,

-

die absolute Schonung von Rohstoffressourcen sowie die ökologische und ökonomische Zweckmäßigkeit als durchschnittlich

anzusehen seien.

Die gegenständlichen Abfälle wiesen einen - im Vergleich zu konventionellen Brennstoffen - evident hohen Schadstoffgehalt auf und seien inhomogen.

Daraus folgerte der Bundesminister, die vorgesehene Behandlung der Abfälle bei der G Zementproduktions- und Handels GmbH sei unter Heranziehung der aus dem österreichischen Bundes-Abfallwirtschaftsplan 1998 (Teilband: Leitlinien zur Abfallverbringung und Behandlungsgrundsätze) ersichtlichen Kriterien auf Grund des evident hohen Schadstoffgehaltes und der starken Inhomogenität der gegenständlichen Abfälle nicht als Verwertungs-, sondern als Beseitigungsverfahren einzustufen. Die Hintanhaltung der von diesen Abfällen ausgehenden Gefährdungen stehe bei dieser Behandlung jedenfalls im Vordergrund. Es liege daher das Beseitigungsverfahren D10 vor.

Gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat die R GmbH Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Darin vertritt sie die Auffassung, dass die Abgrenzung der Tatbestände und die Zuordnung unterschiedlicher Maßnahmen zu den in den Anhängen II A und II B der Richtlinie 75/442/EWG enthaltenen Verfahren sehr allgemein gehalten sei, sodass einzelne Maßnahmen nicht zuordenbar seien.

Es sei aber nicht zulässig, dass ein Mitgliedstaat nationale Detailregelungen, wie etwa Österreich im Abfallwirtschaftsplan für die Zuordnung zu den einzelnen Verfahren schaffe.

Nach Auffassung der Europäischen Kommission sei einzig entscheidend, ob der Abfall zur Gänze zur Energienutzung Verwendung finde und die gewonnene Energie (Wärme) auch tatsächlich genutzt werde.

Die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft herangezogenen Kriterien seien gemeinschaftsrechtlich unzulässig.

II. Zu den Voraussetzungen der Vorlage:

Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 234 EG, also ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.

Die gestellten Fragen sind entscheidungserheblich, Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu diesen Fragen fehlen soweit ersichtlich und die anzuwendenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sind, was die Beantwortung dieser Fragen anlangt, unklar.

III. Zu den Fragen:

              1.              Zu Frage 1:

Artikel 3 Abs. 5 fünfter Spiegelstrich der Verordnung Nr. 259/93 verpflichtet die notifizierende Person im Falle der Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen, Angaben über Verfahren im Zusammenhang mit der Beseitigung gemäß Anhang II A der Richtlinie 75/442/EWG zu machen.

Artikel 6 Abs. 5 fünfter Spiegelstrich der Verordnung verpflichtet die notifizierende Person im Falle der Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen zu Angaben über Verwertungsverfahren gemäß Anhang II B der Richtlinie 75/442/EWG.

Nach dem Urteil des EuGH vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache C-6/00 (Abfallservice-AG) darf die zuständige Behörde am Versandort nach Art. 2 lit. c der Verordnung Nr. 295/93 prüfen, ob eine geplante Verbringung, die in der Notifizierung als "Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen" eingestuft ist, dieser Zuordnung tatsächlich entspricht. Gleiches muss wohl für die zuständige Behörde am Bestimmungsort gelten.

Die notifizierende Person wie auch die Behörde stehen also vor der Notwendigkeit, eine geplante Verbringung einem der Verfahren zuzuordnen, die in Anhang II A oder Anhang II B der Richtlinie 75/442/EWG genannt sind. Mit der Zuordnung sind gravierende Folgen verbunden. Im vorliegenden Fall resultierte aus der Zuordnung durch die Behörde die Ablehnung des Verbringungsantrages.

Für diese Zuordnung enthalten weder die Verordnung noch die Richtlinie auch nur den geringsten Anhaltspunkt.

Für den Verwaltungsgerichtshof stellt sich daher die Frage, ob Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, die derart unbestimmt sind, nicht wegen Verstoßes gegen das auch im Gemeinschaftsrecht anerkannte Prinzip der Rechtssicherheit und das Rechtsstaatsprinzip ungültig sind (vgl. das Urteil des EuGH vom 9. Juli 1981 in der Rechtssache 169/80 (Gondrand Freres(, in welchem der EuGH ausgesprochen hat, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass eine belastende Regelung klar und deutlich ist, damit der Rechtsunterworfene seine Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und somit seine Vorkehrungen treffen kann).

              2.              Zu Frage 2:

Angeblich vertritt die Kommission in einem vor dem EuGH anhängigen Verfahren (Rs C-228/2000) den Standpunkt, dass einzig entscheidend sei, ob der Abfall zur Gänze zur Energieerzeugung (Energienutzung) Verwendung finde und die gewonnene Energie auch tatsächlich genutzt werde. Dies würde wohl bedeuten, dass Kriterien der Art, wie sie im vorliegenden Fall vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft herangezogen wurden, unzulässig wären.

              3.              Zu Frage 3:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im vorliegenden Fall eine Reihe von Kriterien angewandt, die im österreichischen Abfallwirtschaftsplan für die Unterscheidung zwischen Beseitigung und Verwertung festgeschrieben sind. Diese Kriterien orientieren sich großteils an nationalem Recht (Abfallwirtschaftsgesetz).

Die Orientierung an nationalem Recht allein würde nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen der Auffassung der R GmbH noch nicht zur Unzulässigkeit der Heranziehung dieser Kriterien bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts führen, wenn es sich um Kriterien handelt, die mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.

Ob Letzteres aber der Fall ist, scheint fraglich, was wieder damit zusammenhängt, dass das Gemeinschaftsrecht keine operationalen Kriterien für die Zuordnung zur Beseitigung oder Verwertung und innerhalb dieser beiden großen Unterscheidungen zu den einzelnen Verfahren bietet.

Eine Ableitung der von ihr angewandten Kriterien hat die Behörde (der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) denn auch nicht einmal ansatzweise versucht.

              4.              Zu Frage 4:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat in der Begründung seines Bescheides die in Frage 4 dargestellte Auffassung vertreten. Es scheint fraglich, ob diese Auffassung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

Gemäß Art. 234 EG waren daher die Spruch formulierten Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Wien, am 25. Juli 2002

Gerichtsentscheidung

EuGH 62000CJ0006 ASA Abfall Service VORAB
EuGH 61980CJ0169 Gondrand Freres VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002070002.X00

Im RIS seit

18.09.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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