TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/20 2003/07/0033

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Veröffentlicht am 20.03.2003
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E15103030;
E3R E15103030;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

31975L0442 Abfallrahmen-RL Anh2B ZR1;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Art7 Abs3;
31975L0442 Abfallrahmen-RL;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Art7 Abs4 lita;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV;
62000CJ0228 Kommission / Deutschland;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag:2002/07/0002 B 25. Juli 2002 Vorabentscheidungsverfahren:* EuGH-Entscheidung: EuGH 62000CJ0228 13. Februar 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der R GmbH in B, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, Faistauergasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 8. November 2001, Zl. 313544/626-III/1 U/01-Lo, betreffend Verbringung von Abfällen,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Das Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Juli 2002 wird nicht aufrechterhalten;

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei mit Sitz in B in der Bundesrepublik Deutschland notifizierte entsprechend den Bestimmungen der Verordnung Nr. 93/259/EWG die Verbringung von 800 t Rückständen aus der Lösemitteldestillation von Braunschweig nach Österreich zur G Zementproduktions- und Handels GmbH. Gemäß den Angaben auf dem Notifizierungsbogen sollten die Abfälle bei der Gmundner Zementproduktions- und Handels GmbH dem Verwertungsverfahren R 1 (Hauptverwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung) gemäß Anhang II der Richtlinie 75/442/EWG zugeführt werden.

Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. November 2001 den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung der Zustimmung zur Verbringung der Rückstände gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. a erster und fünfter Bindestrich der Verordnung Nr. 259/93/EWG ab.

In der Begründung heißt es, die Entscheidung, ob die Behandlung von Abfällen ein Verwertungs- oder ein Beseitigungsverfahren darstelle, sei in jedem Einzelfall durch eine abfall- und prozessbezogene Einzelbewertung zu treffen. Im österreichischen Bundes-Abfallwirtschaftsplan 1998, Teilband: Leitlinien zur Abfallverbringung und Behandlungsgrundsätze, erlassen vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie am 30. Juni 1998, seien im Abschnitt 2 Einstufungsgrundsätze für Beseitigungs- und Verwertungsverfahren festgesetzt. Zur Abgrenzung der Verfahren R 1 - D 10 werde ausgeführt, dass "nicht jede Verbrennung mit Energienutzung eine Verwertung im Sinne des Verfahrens R 1" darstelle. Das Verfahren R 1 beziehe sich nicht alleine auf die Nutzung der frei gesetzten Verbrennungswärme, sondern fordere einen Einsatz als Brennstoff. Ein Brennstoff sei dadurch charakterisiert, dass er bestimmte Kriterien hinsichtlich Heizwert, Schadstoffgehalt und Abbrandgeschwindigkeit erfülle und ausreichende Homogenität in Bezug auf diese Eigenschaften aufweise, um den Verbrennungsvorgang steuern zu können. Abfälle, die diese Kriterien nicht erfüllen könnten, die also keinen ausreichenden Heizwert besitzen oder deren Zusammensetzung derart schwankt, dass keine ausreichende Regelbarkeit der Verbrennung (in konventionellen Verbrennungsanlagen) vorliegt und die derart mit Schadstoffen belastet sind, dass ihre Verbrennung zu unzulässigen Emissionen führt, könnten per se keiner Verwertung entsprechend R 1 zugeführt werden.

Für die Bewertung, ob ein Verwertungs- oder ein Beseitigungsverfahren vorliege, seien jedenfalls, aber nicht ausschließlich, die Kriterien der objektiven Verringerung von potentiellen Umweltgefahren, der Schonung von Rohstoffressourcen, der Schonung von Energieressourcen, der Schonung von Deponieraum, der ökologischen Zweckmäßigkeit des Verfahrens und der ökonomischen Zweckmäßigkeit des Verfahrens heranzuziehen.

Diese Kriterien seien für die in Rede stehenden Abfälle wie folgt zu beurteilen:

Zur Verringerung von potentiellen Umweltgefahren:

Abfälle, die als Brennstoffe eingesetzt werden sollten, müssten - neben einem ausreichenden Energieinhalt - mit konventionellen Brennstoffen vergleichbare Schadstoffgehalte (speziell anorganische Schadstoffe) aufweisen, da ansonsten ein Überwiegen des Kriteriums der Gefahrminderung gegenüber der Nutzung des Energieinhaltes anzunehmen sei.

Auf Grund der vorgelegten Unterlagen sei davon auszugehen, dass die gegenständlichen Abfälle hinsichtlich ihres Schwermetallgehaltes durchschnittliche Kohlen deutlich, zum Teil um ein Vielfaches, überträfen und einer derart großen Schwankungsbreite (hinsichtlich des Gehaltes einzelner Schwermetalle) unterworfen seien, dass von einer homogenen Zusammensetzung nicht ausgegangen werden könne.

Diese Umstände ließen den Schluss zu, dass Zweck der vorgesehenen Behandlung primär die Verringerung von potentiellen Umweltgefahren sei, die von den gegenständlichen Abfällen ausgingen, und dass dieses Kriterium gegenüber der Nutzung des Energieinhaltes im Vordergrund stehe. Es könnten somit sowohl die absolute als auch die relative Gefahrenminderung als hoch angesetzt werden.

Zur Schonung von Energieressourcen:

Eine Schonung von Energieressourcen könne nur dann angenommen werden, wenn die Abfälle auch tatsächlich geeignet seien, als Brennstoff eingesetzt zu werden. Im gegenständlichen Fall sei von einem hohen Heizwert (gemäß Angaben 27.626 kJ/kg) auszugehen.

Im Vergleich zu einer Beseitigung der Abfälle gänzlich ohne Energienutzung sei - auch unter Berücksichtigung eines längeren Transportweges zur Verwertungsanlage - von einer absoluten Schonung von Energieressourcen auszugehen.

Durch den vorgesehenen Einsatz könne auch die relative

Schonung als hoch angesehen werden.

Zur Schonung von Rohstoffressourcen:

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Erdöl und Kohle derzeit keine Rohstoffe darstellten, die von einer akuten Verknappung betroffen seien, könne dieser Parameter in absoluter Hinsicht lediglich als durchschnittlich eingestuft werden. Eine Beurteilung der relativen Schonung (Rückführung in den Stoffkreislauf) erscheine nicht sinnvoll.

Schonung von Deponieraum:

Es sei keine Beurteilung durchzuführen, da die Abfälle nicht deponiefähig seien und auch nicht deponiert werden sollten.

Ökologische Zweckmäßigkeit:

Das Verfahren erscheine grundsätzlich als ökologisch zweckmäßig, da organische Schadstoffe zerstört würden und bei den anorganischen von einer Einbindung in das Produkt auszugehen sei. Auf Grund des relativ hohen Schadstoffgehaltes könne von einer zwar zulässigen, aber nicht zu leugnenden Anreicherung dieser Stoffe im Produkt ausgegangen werden; insgesamt könne daher die ökologische Zweckmäßigkeit als lediglich durchschnittlich angesehen werden.

Ökonomische Zweckmäßigkeit:

Eine ökonomische Zweckmäßigkeit könne in erster Linie durch unterschiedliche Behandlungskosten angenommen werden; sie könne daher bestenfalls als durchschnittlich angesehen werden.

Insgesamt könne somit davon ausgegangen werden, dass

-

die Gefahrminderung und die Schonung von Energieressourcen als hoch,

-

die absolute Schonung von Rohstoffressourcen sowie die ökologische und ökonomische Zweckmäßigkeit als durchschnittlich

anzusehen seien.

Die gegenständlichen Abfälle wiesen einen - im Vergleich zu konventionellen Brennstoffen - evident hohen Schadstoffgehalt auf und seien inhomogen.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verbringungsverordnung könnten die zuständige Behörde am Bestimmungsort und am Versandort und die für die Durchfuhr zuständige Behörde innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach der Absendung der Empfangsbestätigung Einwände gegen die Verbringung erheben. Derartige Einwände seien auf Abs. 4 zu stützen.

Gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. a erster Bindestrich der Verbringungsverordnung könnten die zuständigen Behörden am Versandort und am Bestimmungsort gegen die geplante Verbringung gemäß der Richtlinie 75/442/EWG, insbesondere gestützt auf Art. 7, mit Gründen zu versehende Einwände erheben.

Gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 75/442/EWG könnten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um das Verbringen von Abfällen, das ihren Abfallbewirtschaftungsplänen nicht entspreche, zu unterbinden.

Im österreichischen Bundes-Abfallwirtschaftsplan 1998, Teilband: Leitlinien zur Abfallverbringung und Behandlungsgrundsätze, seien im Abschnitt 2 Einstufungsgrundsätze für Beseitigungs- und Verwertungsverfahren festgesetzt.

Gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. a fünfter Bindestrich der Verbringungsverordnung könnten die zuständige Behörde am Versandort und am Bestimmungsort gegen die geplante Verbringung mit Gründen zu versehende Einwände erheben, wenn der Anteil an verwertbarem und nicht verwertbarem Abfall, der geschätzte Wert der letztlich verwertbaren Stoffe oder die Kosten der Verwertung und die Kosten der Beseitigung des nicht verwertbaren Anteils eine Verwertung unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten nicht rechtfertigen.

Die vorgesehene Behandlung bei der G Zementproduktions- und Handels GmbH sei (unter Heranziehung der aus dem österreichischen Bundes-Abfallwirtschaftsplan 1998, Teilband: Leitlinien zur Abfallverbringung und Behandlungsgrundsätze ersichtlichen Kriterien) auf Grund des evident hohen Schadstoffgehaltes und der starken Inhomogenität der gegenständlichen Abfälle nicht als Verwertungs-, sondern als Beseitigungsverfahren einzustufen; die Hintanhaltung der von diesen Abfällen ausgehenden Gefährdung stehe bei dieser Behandlung jedenfalls im Vordergrund.

Die vorgesehene Behandlung der gegenständlichen Abfälle sei folglich als Beseitigungsverfahren D 10 (Verbrennung an Land) gemäß Anhang II A der Richtlinie 75/442/EWG einzustufen. Verbringungen von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten zur Beseitigung unterlägen dem Genehmigungsverfahren gemäß den Art. 3 ff der Verbringungsverordnung. Der beantragten Verbringung der Abfälle aus Deutschland nach Österreich zur Verwertung sei daher nicht zuzustimmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die beschwerdeführende Partei macht geltend, die Heranziehung des Bundesabfallwirtschaftsplanes zur Bestimmung der Kriterien, nach denen ein Verfahren der Beseitigung oder der Verwertung zugeordnet werde, sei unzulässig. Der angefochtene Bescheid enthalte keine nachvollziehbare Begründung dafür, warum die Verwendung der Abfälle zur Erzeugung von Energie im vorliegenden Fall ein Beseitigungs- und nicht ein Verwertungsverfahren sei. Nationale Detailregelungen seien mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Die Europäische Kommission habe die Auffassung vertreten, entscheidend sei nur, ob der Abfall zur Gänze zur Energienutzung verwendet und die gewonnene Energie auch genutzt werde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die beschwerdeführende Partei hat eine Replik erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 25. Juli 2002, EU 2002/0003 (2002/07/0002) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

              1.              Weisen die Bestimmungen der Verordnung Nr. 259/93/EWG zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft und der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle hinsichtlich der Frage, ob eine geplante Verbringung von Abfällen dem Verwertungsverfahren R1 des Anhanges II B oder dem Beseitigungsverfahren D10 des Anhanges II A der Richtlinie 75/442/EWG zuzuordnen ist, jenes Maß an Klarheit und Eindeutigkeit auf, das es den jeweils Betroffenen (Privaten wie Mitgliedstaaten) erlaubt, die jeweiligen Rechtsfolgen ihres Verhaltens abzuschätzen oder sind die genannten Bestimmungen wegen mangelnder Bestimmtheit und daraus resultierender Unvollziehbarkeit ungültig?

              2.              Ist für die Zuordnung einer Abfallbehandlungsmaßnahme zum Verwertungsverfahren R1 (Hauptverwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung) des Anhanges II B der Richtlinie 75/442/EWG allein entscheidend, ob der Abfall zur Gänze zur Energieerzeugung (Energienutzung) Verwendung findet und die gewonnene Energie auch tatsächlich genutzt wird?

              3.              Ist es zulässig, dass die zuständige Behörde am Bestimmungsort bei der Frage, ob eine geplante Abfallverbringung dem Verwertungsverfahren R1 oder dem Beseitigungsverfahren D10 zuzuordnen ist, von folgenden Kriterien ausgeht:

a)

Gefahrenminderung

b)

Schonung von Rohstoff-Ressourcen

c)

Schonung von Energieressourcen

d)

Schonung von Deponieraum

e)

Ökologische Zweckmäßigkeit des Verfahrens

f)

Ökonomische Zweckmäßigkeit des Verfahrens

              4.              Trifft folgende Aussage zu: Nicht jede Verbrennung mit Energienutzung ist eine Verwertung im Sinne des Verfahrens R1. Das Verfahren R1 bezieht sich nicht alleine auf die Nutzung der frei gesetzten Verbrennungswärme, sondern fordert einen Einsatz als Brennstoff. Ein Brennstoff ist dadurch charakterisiert, dass er bestimmte Kriterien hinsichtlich Heizwert, Schadstoffgehalt und Abbrandgeschwindigkeit erfüllt und ausreichende Homogenität in Bezug auf diese Eigenschaften aufweist, um den Verbrennungsvorgang steuern zu können. Abfälle, die diese Kriterien nicht erfüllen können, d.h. die keinen ausreichenden Heizwert besitzen oder deren Zusammensetzung derart schwankt, dass keine ausreichende Regelbarkeit der Verbrennung (in konventionellen Verbrennungsanlagen) vorliegt oder die derart mit Schadstoffen belastet sind, dass ihre Verbrennung zu unzulässigen Emissionen führt, können per se keiner Verwertung entsprechend R1 zugeführt werden.

Der EuGH übermittelte mit Schreiben vom 17. Februar 2003 dem Verwaltungsgerichtshof eine Kopie des Urteiles dieses Gerichtshofes vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C-228/00 (Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland) und ersuchte um Mitteilung, ob im Hinblick auf dieses Urteil das Vorabentscheidungsersuchen vom 25. Juli 2002 noch aufrechterhalten werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Zum Vorabentscheidungsersuchen:

Das vom EuGH übermittelte Urteil dieses Gerichtshofes vom 13. Februar 2003, C-228/00, erging in einem von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Bundesrepublik Deutschland angestrengten Vertragsverletzungsverfahren. Die Kommission hatte gemäß Art. 226 EG Klage auf Feststellung erhoben, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 259/93/EWG verstoßen hat, dass sie unberechtigte Einwände gegen bestimmte Verbringungen von Abfällen in andere Mitgliedstaaten zur Hauptverwendung als Brennstoff erhoben hat.

Der EuGH hat mit dem erwähnten Urteil dieser Klage stattgegeben.

In den Randnummern 41 bis 50 des Urteils hat der EuGH Folgendes ausgeführt:

"41 Diese Bestimmung (sc. R 1 des Anhangs II B der Richtlinie 75/442/EWG( erfasst die Verwendung von Abfällen als Brennstoff in Zementöfen, wenn - zum einen - Hauptzweck des fraglichen Verfahrens die Verwendung der Abfälle als Mittel der Energieerzeugung ist. Der Begriff der "(Haupt(Verwendung" in R 1 des Anhangs II B der Richtlinie impliziert nämlich, dass das dort genannte Verfahren im Wesentlichen dazu dient, die Abfälle für einen sinnvollen Zweck, nämlich die Energieerzeugung einzusetzen.

42 Zum anderen fällt die Verwendung von Abfällen als Brennstoff in Zementöfen dann unter das in R 1 des Anhangs II B der Richtlinie genannte Verfahren, wenn die Bedingungen, unter denen dieses Verfahren durchzuführen ist, die Annahme zulassen, dass es tatsächlich ein "Mittel der Energieerzeugung" ist. Das setzt voraus, dass durch die Verbrennung der Abfälle mehr Energie erzeugt und erfasst wird, als beim Verbrennungsvorgang verbraucht wird und dass ein Teil des bei dieser Verbrennung gewonnenen Energieüberschusses tatsächlich genutzt wird, und zwar entweder unmittelbar in Form von Verbrennungswärme oder nach Umwandlung in Form von Elektrizität.

43 Zum Dritten ergibt sich aus dem Begriff "Haupt(verwendung(" in R 1 des Anhanges II B der Richtlinie, dass die Abfälle hauptsächlich als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung verwendet werden müssen. Dies bedeutet, dass der größere Teil der Abfälle bei dem Vorgang verbraucht und der größere Teil der frei gesetzten Energie erfasst und genutzt werden muss.

44 Diese Auslegung entspricht dem Verwertungsbegriff der Richtlinie.

45 Entscheidend dafür, dass eine Abfallverwertungsmaßnahme vorliegt, ist nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie sowie nach ihrer vierten Begründungserwägung nämlich, dass es ihr Hauptzweck ist, die Abfälle für einen sinnvollen Zweck einzusetzen, also andere Materialien zu ersetzen, die sonst für diesen Zweck hätten eingesetzt werden müssen, um dadurch natürliche Rohstoffquellen zu erhalten (Urteil ASA, Randnr. 69).

46 Die Verbrennung von Abfällen stellt daher eine Verwertungsmaßnahme dar, wenn es ihr Hauptzweck ist, die Abfälle für einen sinnvollen Zweck, nämlich zur Energieerzeugung einzusetzen und dadurch eine Primärenergiequelle zu ersetzen, die sonst für diesen Zweck hätte eingesetzt werden müssen.

47 Erfüllt die Verwendung von Abfällen als Brennstoff die in den Randnummern 41 bis 43 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen, fällt sie somit unter das in R 1 des Anhangs II B der Richtlinie genannte Verwertungsverfahren, ohne dass andere Kriterien wie der Heizwert der Abfälle, der Schadstoffgehalt der verbrannten Abfälle oder die Frage der Vermischung der Abfälle herangezogen werden dürften.

48 Auch wenn ein bestimmtes Verfahren, bei dem Abfälle als Brennstoff verwendet werden, als Verwertungsverfahren eingestuft werden kann, können die zuständigen Behörden am Versandort und am Bestimmungsort jedoch in den in Art. 7 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung genannten Fällen Einwände gegen die im Hinblick auf dieses Verfahren durchgeführte Verbringung erheben.

49 Namentlich können die betreffenden Behörden nach dem fünften Gedankenstrich dieser Vorschrift einer Verbringung von Abfällen zur Verwertung entgegentreten, wenn der Anteil an verwertbarem und nicht verwertbarem Abfall, der geschätzte Wert der letztlich verwertbaren Stoffe oder die Kosten der Verwertung und die Kosten der Beseitigung des nicht verwertbaren Anteils eine Verwertung unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten nicht rechtfertigen.

50 Dabei können die Behörden insbesondere Kriterien wie die in Randnummer 47 des vorliegenden Urteils genannten heranziehen, um im Einzelfall darzutun, dass die Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 4 Buchstabe a fünfter Gedankenstrich der Verordnung für die Erhebung von Einwänden gegen eine bestimmte Abfallverbringung erfüllt sind."

Durch diese Ausführungen im Urteil des EuGH vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache 2-228/00 sind auch die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorabentscheidungsersuchen vom 25. Juli 2002 gestellten Fragen beantwortet, weshalb das Vorabentscheidungsersuchen nicht mehr aufrecht zu erhalten war. II. Zur Beschwerde:

Nach dem Urteil des EuGH vom 13. Februar 2003, C-228/00 (Randnr. 47) fällt die Verwendung von Abfällen als Brennstoff unter das in R 1 des Anhangs II B der Richtlinie 75/442/EWG genannte Verwertungsverfahren, wenn diese Verwendung die in den Randnummern 41 bis 43 dieses Urteils genannten Voraussetzungen erfüllt, ohne dass andere Kriterien wie der Heizwert der Abfälle, der Schadstoffgehalt der verbrannten Abfälle oder die Frage der Vermischung der Abfälle herangezogen werden dürften.

Bei den in den Randnummern 41 bis 43 des Urteils genannten Kriterien handelt es sich um folgende:

-

Hauptzweck des fraglichen Verfahrens muss die Verwendung der Abfälle als Mittel der Energieerzeugung sein.

-

Die Bedingungen, unter denen dieses Verfahren durchzuführen ist, müssen die Annahme zulassen, dass es tatsächlich ein "Mittel der Energieerzeugung" ist. Das setzt voraus, dass durch die Verbrennung der Abfälle mehr Energie erzeugt und erfasst wird als beim Verbrennungsvorgang verbraucht wird und dass ein Teil des bei dieser Verbrennung gewonnenen Energieüberschusses tatsächlich genutzt wird, und zwar entweder unmittelbar in Form von Verbrennungswärme oder nach Umwandlung in Form von Elektrizität.

-

Die Abfälle müssen hauptsächlich als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung verwendet werden. Dies bedeutet, dass der größere Teil der Abfälle bei dem Vorgang verbraucht und der größere Teil der frei gesetzten Energie erfasst und genutzt werden muss.

Die belangte Behörde hat aber nicht diese Kriterien, sondern den hohen Schadstoffgehalt und die starke Inhomogenität der Abfälle als Kriterien für die Einstufung der geplanten Verbrennung als Beseitigungsverfahren herangezogen. Diese Kriterien aber sind mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar, wie sich insbesondere aus Randnr. 47 des Urteils des EuGH vom 13. Februar 2003, C- 228/00, ergibt.

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 13. Februar 2003, C-228/00 (Randnr. 48) allerdings auch ausgesprochen, dass die zuständigen Behörden am Versandort und am Bestimmungsort auch dann, wenn ein bestimmtes Verfahren, bei dem Abfälle als Brennstoff verwendet werden, als Verwertungsverfahren eingestuft werden kann, in den in Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 259/93/EWG genannten Fällen Einwände gegen die im Hinblick auf dieses Verfahren durchgeführte Verbringung erheben können. Namentlich können die betreffenden Behörden nach dem fünften Gedankenstrich dieser Vorschrift einer Verbringung von Abfällen zur Verwertung entgegentreten, wenn der Anteil an verwertbarem und nicht verwertbarem Abfall, der geschätzte Wert der letztlich verwertbaren Stoffe oder die Kosten der Verwertung und die Kosten der Beseitigung des nicht verwertbaren Anteils eine Verwertung unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten nicht rechtfertigen. Dabei können die Behörden insbesondere Kriterien wie die in Randnummer 47 des Urteils genannten (Heizwert der Abfälle, Schadstoffgehalt der verbrannten Abfälle, Frage der Vermischung der Abfälle) heranziehen, um im Einzelfall darzutun, dass die Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 4 Buchstabe a fünfter Gedankenstrich der Verordnung für die Erhebung von Einwänden gegen eine bestimmte Abfallverbringung erfüllt sind.

Die belangte Behörde zitiert in der Begründung ihres Bescheides zwar Artikel 7 Absatz 4 lit. a fünfter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 259/93, legt aber nicht dar, dass die dort genannte Voraussetzung, dass eine Verwertung unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt ist, im Beschwerdefall gegeben ist. Die Ausführungen in der Begründung indizieren vielmehr das Gegenteil, wird doch der geplanten Abfallbehandlung eine durchschnittliche ökonomische und ökologische Zweckmäßigkeit zugestanden.

Weiters zitiert die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch Art. 7 Abs. 4 lit. a erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 93/259/EWG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 75/442/EWG.

Nach Art. 7 Abs. 4 lit. a erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 93/259/EWG können die zuständigen Behörden am Versandort und am Bestimmungsort gegen die geplante Verbringung gemäß der Richtlinie 75/442/EWG, insbesondere gestützt auf Art. 7, mit Gründen zu versehende Einwände erheben.

Nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 75/442/EWG können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um das Verbringen von Abfällen, das ihren Abfallbewirtschaftungsplänen nicht entspricht, zu unterbinden.

Als Widerspruch der geplanten Abfallverbringung zum Bundesabfallwirtschaftsplan könnte allenfalls der Umstand angesehen werden, dass die geplante Abfallbehandlung nach den Kriterien des Bundesabfallwirtschaftsplanes nicht als Verwertung, sondern als Beseitigung anzusehen wäre. Die diesbezüglichen Kriterien des Bundesabfallwirtschaftsplanes sind aber auf Grund des Urteils des EuGH vom 13. Februar 2003, C-228/00, mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar.

Auf Art. 7 Abs. 4 lit. a erster Gedankenstrich in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 75/442/EWG konnte daher die Versagung der Zustimmung zur Verbringung der Rückstände auch nicht gestützt werden.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Das auf Zuerkennung von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren der beschwerdeführenden Partei war abzuweisen, weil diese bereits im pauschalierten Kostenersatz enthalten ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2002, 2001/07/0027, u. v.a.).

Wien, am 20. März 2003

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003070033.X00

Im RIS seit

05.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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