TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/3 99/03/0168

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Veröffentlicht am 03.09.2002
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §25 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des W in Wien, vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 12, gegen den auf Grund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 8. März 1999, Zl. LGS-W Abt. 10/1218/56/1999, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Rückforderungsausspruches wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 97/08/0462, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 23. Mai 1997 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit dem nun angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 8. März 1999 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 17. Februar 1997 betreffend Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe teilweise stattgegeben und der Bescheid dahin abgeändert, dass die Leistung für den Zeitraum 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1991, 1. Jänner 1994 bis 31. Dezember 1994, 26. November 1995 bis 31. Dezember 1995, 1. Jänner 1996 bis 31. Mai 1996 widerrufen und in der Höhe von S 321.423,80 zurückgefordert werde. Es wurde ausgesprochen, dass für das Bezugsjahr 1992 die Leistung weder widerrufen noch rückgefordert werde. Die belangte Behörde verwies in der Begründung ihres Bescheides zunächst darauf, dass die Erstbehörde ihre Entscheidung (auf Rückforderung von S 452.527,--) darauf gegründet habe, der Beschwerdeführer habe seine als ruhend angegebene selbständige Erwerbstätigkeit weitergeführt, und führte nach Darlegung der Rechtslage und des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers weiters aus, er habe in seinen (nach dem Datum genannten) Anträgen jeweils die Frage 5 immer dahin beantwortet, dass er wohl selbstständig erwerbstätig sei, jedoch sein Gewerbe als ruhend gemeldet habe. Eine Meldung des Beschwerdeführers über die Fortführung der selbständigen Erwerbstätigkeit sowie die Erzielung eines Einkommens finde sich aber in den Leistungsunterlagen bis zur Beischaffung der Einkommenssteuerbescheide 1991 - 1994 bzw. des Umsatzsteuerbescheides 1994 per 7. Jänner 1997 nicht. Dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe sich immer nach der zulässigen Höhe eines Zusatzverdienstes erkundigt und nie einen Hehl daraus gemacht, dass er erwerbstätig sei, und habe, weil er die Einkommensgrenze nie erreicht hätte, keinen Grund für weitere Veranlassungen gesehen, er habe somit seine Tätigkeit und sein Einkommen weder verschwiegen noch verheimlicht, entgegnete die belangte Behörde, dass ein Arbeitsloser nach der herrschenden Rechtsprechung eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch dann dem Arbeitsamt zu melden habe, wenn sie seiner Auffassung nach den Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung nicht zu beeinflussen vermöge. Guter Glaube sei im vorliegenden Fall auszuschließen.

Die belangte Behörde stellte sodann fest, in welcher Höhe die vom Beschwerdeführer erzielten Einkünfte bzw. Umsätze die Geringfügigkeitsgrenze im jeweils relevanten Zeitraum überstiegen oder unterschritten hätten, und führte aus, die nachträgliche Überprüfung des Einkommens des Beschwerdeführers und des Umsatzes gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG in der jeweils geltenden Fassung im maßgeblichen Zeitraum habe ergeben, dass dieser in den angeführten Rückforderungszeiträumen über der jeweils geltenden Geringfügigkeitsgrenze gelegen sei. Für den Rückforderungszeitraum 1. Jänner 1992 bis 31. Dezember 1992 sei sein Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Für die genannten Zeiträume sei daher der Widerruf auszusprechen. Durch die Auskunft, sein Gewerbe ruhend gemeldet zu haben, habe der Beschwerdeführer das AMS nicht in die Lage versetzt, seine Anspruchsberechtigung auf Notstandshilfe zu überprüfen, weil die angegebene Ruhendmeldung auf eine Nichtausübung des Gewerbes hinweise. Weiters habe aus den allfälligen Angaben des Beschwerdeführers über die Geringfügigkeitsgrenze weder geschlossen werden können, dass er sein Gewerbe tatsächlich ausübe, noch welches Einkommen er daraus erziele. Außerdem wäre er verpflichtet gewesen, die von ihm erzielten Einkommen gemäß Punkt 8 seiner jeweiligen Anträge dem Arbeitsmarktservice bekannt zu geben. Da er somit seiner Meldepflicht gemäß § 50 AlVG nicht nachgekommen sei, sei der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt. Die Begründung des angefochtenen Bescheides endet mit einem Hinweis an den Beschwerdeführer, dass der Rückforderungsbetrag in Höhe von S 240.013,-- binnen zwei Wochen nach Bescheidzustellung mittels beiliegendem Erlagschein auf das Konto des Arbeitsmarktservice Wien einzuzahlen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Inhaltlich wird lediglich der Rückforderungsausspruch bekämpft.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines Vorbringens betreffend einen gutgläubigen Verbrauch der bezogenen Notstandhilfe zu entgegnen, dass es der Verpflichtung zum Rückersatz nicht entgegensteht, dass der Empfänger des Arbeitslosengeldes seiner Behauptung nach das Arbeitslosengeld in der Zwischenzeit verbraucht habe. Denn der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG differenziert, anders als dies bei Leistungen mit Unterhaltscharakter im Zivilrecht der Fall ist, nicht danach, ob ein gutgläubiger Verbrauch der nicht gebührenden Geldleistung erfolgt ist, sondern nur danach, ob die Leistung gutgläubig empfangen wurde; ein solcher gutgläubiger Empfang ist aber dann nicht anzunehmen, wenn einer der im § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG angeführten Rückforderungstatbestände gegeben ist. § 25 AlVG enthält eine bereicherungsrechtlich abschließende Regelung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/08/0145, mit weiterem Nachweis). Auch sonst ist dem Beschwerdeführer, insoweit er eine Grundlage für die Rückforderung der an ihn bezahlten Beträge bestreitet und darauf hinweist, er habe mitgeteilt, er sei erwerbstätig und hätte bei entsprechenden Fragen des Beamten "detailliertere Auskünfte" erteilt, zu entgegnen, dass er nicht bestreitet, in den jeweils dem Zuspruch von Notstandshilfe zu Grunde liegenden Anträgen die Frage nach einem eigenen Einkommen mit nein beantwortet zu haben, sodass es schon deshalb nicht als rechtswidrig erkannt werden kann, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, er habe maßgebende Tatsachen im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG verschwiegen.

Der Beschwerdeführer wendet ein, der angefochtene Bescheid widerspreche sich insofern selbst, als im Spruch ein Betrag von S 321.423,80 zurückgefordert werde und andererseits zum Abschluss der Begründung darauf hingewiesen werde, dass der Rückforderungsbetrag in Höhe von S 240.013,00 binnen zwei Wochen zurückzuzahlen sei. Aus den Feststellungen, dass in bestimmten Perioden die Einkünfte (bzw. Umsätze) bestimmte gesetzliche Grenzen überschritten hätten, folge allenfalls, dass für diese Perioden der Bezug zu widerrufen sei und die geleisteten Beträge zurückzufordern seien. Daraus folge jedoch keinesfalls ein bestimmter Rückforderungsbetrag der Höhe nach. Dem bekämpften Bescheid lasse sich nicht entnehmen, wie sich der errechnete Rückforderungsbetrag zusammensetze und woraus sich dieser der Höhe nach ergebe. Der Bescheid sei sohin nicht nachprüfbar und inhaltlich rechtswidrig.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet die Begründung eines Bescheides die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher all jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist dem Bescheidadressaten eine Verfolgung seiner Rechte und auch dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung des Bescheides auf seine Rechtsrichtigkeit möglich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 1994, Zl. 90/07/0029). Begründungslücken sind dann wesentlich, wenn sie zur Folge haben, dass der Beschwerdeführer über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, Zl. 93/12/0047).

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Bescheid der belangten Behörde im ersten Rechtsgang mit der Begründung aufgehoben, er sei schon deshalb rechtswidrig, weil er keinerlei Feststellungen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG in den gegenständlichen Zeiträumen enthalte. Die belangte Behörde hat im nunmehr angefochtenen Bescheid zwar die Bestimmung des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG in den Fassungen der BGBl. Nr. 615/87, 817/1993, 297/1995 und 201/1996 genannt und (pauschal) Einkommen bzw. Umsätze in den hier in Rede stehenden Zeiträumen festgestellt, es ist jedoch aus dem angefochtenen Bescheid nicht erkennbar, in welchen Zeiträumen der Beschwerdeführer welche Beträge an Notstandshilfe erhalten hat, die nun Gegenstand der Rückforderung bilden. Die belangte Behörde trifft im angefochtenen Bescheid keinerlei konkrete Feststellungen darüber, wie sich die rückgeforderte Summe von S 321.423,80 errechnet. Sie legt auch nicht dar, warum in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich von einem zu zahlenden Rückforderungsbetrag von S 240.013,-- die Rede ist. Mangels entsprechender Feststellungen ist es dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, den Bescheid hinsichtlich der Höhe der rückgeforderten Summe zu überprüfen. Der angefochtene Bescheid ist daher bereits aus diesem Grunde im bekämpften Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 3. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999030168.X00

Im RIS seit

07.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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