TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/17 2002/01/0022

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Veröffentlicht am 17.09.2002
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57;
MRK Art3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des SA in Wien, geboren am 4. Dezember 1983, vertreten durch Mag. Michael Tscheinig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Museumstraße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Oktober 2001, Zl. 220.891/0-XII/37/01, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2. (Entscheidung nach § 8 AsylG) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Sierra Leone und am 24. Oktober 2000 in das Bundesgebiet eingereist, beantragte die Gewährung von Asyl. Seinen Asylantrag begründete er im Wesentlichen damit, dass er in Freetown gewohnt habe und dort im September 2000 in seinem Haus von Rebellen der RUF aufgesucht und aufgefordert worden sei, sich der Rebellentruppe anzuschließen. Das habe er abgelehnt, weshalb man ihn mit dem Umbringen bedroht habe; in der Folge sei er geflüchtet und müsse deshalb für den Fall seiner Rückkehr nach Sierra Leone Verfolgung durch die RUF befürchten.

Das Bundesasylamt sowie - nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - die belangte Behörde gingen davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers, er sei Staatsangehöriger von Sierra Leone, unglaubwürdig seien. Die belangte Behörde begründete dies u.a. damit, dass der Beschwerdeführer keine Kenntnisse über die in seiner (angeblichen) Heimatstadt vorherrschende Sprache Krio besitze und nicht im Stande gewesen sei, an Hand einer ihm vorgelegten "Bilderliste" wichtige Gebäude, die jeder in Freetown lebende Mensch kennen müsste, zu erkennen. Sowohl das Bundesasylamt als auch die belangte Behörde wiesen daher den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab; weiters stellten sie fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei.

Über die gegen den Berufungsbescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerde muss insoweit, als sie sich gegen die Abweisung des Asylantrages richtet (Spruchpunkt 1. des bekämpften Bescheides), erfolglos bleiben, weil die Beweiswürdigung der belangten Behörde der auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkten Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof - auch bei Bedachtnahme auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde - standhält. Hinzuweisen ist insbesondere darauf, dass die Ausführungen im bekämpften Bescheid, wonach der Beschwerdeführer auf ihm vorgehaltenen Bildern wichtige Gebäude der Stadt Freetown nicht erkannt habe, unbestritten bleiben.

Was die Entscheidung nach § 8 AsylG anlangt, so hat sich die belangte Behörde mit einer bloßen Betrachtung der "Sicherheitslage" in Sierra Leone begnügt und schon im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer jedenfalls in dem von der Staatsregierung und den UNAMSIL-Truppen kontrollierten Gebiet (das seien Freetown und große Teile der Süd- und Ostprovinz einschließlich der Stadt Bo) Zuflucht suchen könne und dort keinen extremen Bürgerkriegsgefahren ausgesetzt wäre, seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone für zulässig erachtet. Demgegenüber hätte sie sich aus den im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/01/0597, auf das insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargestellten Gründen umfassend - auch unter Beachtung humanitärer Aspekte - mit der aktuellen Lage in Sierra Leone auseinander setzen und allgemein darauf abstellen müssen, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers dorthin u.a. mit Österreichs Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK vereinbar wäre. Dass in einem von der belangten Behörde in ihrem Verfahren herangezogenen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom März 2001 zusammenfassend ausgeführt wird, die humanitäre Lage in Sierra Leone sei teilweise katastrophal, da kaum der Bedarf an Grundnahrungsmitteln und grundlegender medizinischer Versorgung gedeckt werden könne, und sämtliche lokale und nationale Hilfsorganisationen seien überfordert und warnten vor dem landesweiten Ausbruch von Seuchen und Epidemien, sei in diesem Zusammenhang ergänzend angemerkt.

In seinem Ausspruch nach § 8 AsylG (Spruchpunkt 2.) war der bekämpfte Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen (siehe oben) gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 17. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002010022.X00

Im RIS seit

07.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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