TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/24 2002/16/0133

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Veröffentlicht am 24.09.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
91/02 Post;

Norm

BAO §176 Abs1;
B-VG Art20 Abs3;
FinStrG §108;
FinStrG §120 Abs1;
FinStrG §99 Abs1;
FinStrG §99 Abs3 idF 2002/I/097;
PTSG 1996 §1 Abs1;
PTSG 1996 §1 Abs2;
PTSG 1996 §1 Abs4 idF 1999/I/031;
PTSG 1996 §11 idF 1999/I/031;
PTSG 1996 §13a;
PTSG 1996 §22 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der Österreichische Post AG in Wien, vertreten durch Mag. Thomas Koller, Rechtsanwalt in Wien XVIII, Aumannplatz 1/Währingerstraße 162, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 20. März 2002, GZ RV 1649/1-10/2002, betreffend Kostenersatz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Österreichische Post AG ist Rechtsnachfolgerin der Post- und Telekom Austria AG, die mit § 1 Abs 2 Poststrukturgesetz, Art 95 Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl Nr. 201/1996, eingerichtet worden ist.

Mit zwei auf § 120 FinStrG gestützten Amtshilfeersuchen vom 23. Oktober 2000 und vom 11. Dezember 2000 wurde die Beschwerdeführerin vom Hauptzollamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz um die Erteilung bestimmter Auskünfte und die Herstellung von Kopien der vorhandenen Unterlagen ersucht.

Nach teilweiser Entsprechung dieser Amtshilfeersuchen wurde von der Beschwerdeführerin in zwei Schriftsätzen je vom 25. April 2001 gleichlautend ausgeführt, für Auskünfte und Nachforschungen sei auf Grund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Gelddienst Inland und Ausland je Sendung ein Entgelt in Höhe von S 50,-- zu entrichten. Es wurde um Überweisung von Beträgen in Höhe von S 2.250,-- und S 10.900,-- ersucht.

Nach einer entsprechenden Aufforderung wurde in einem Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 17. Mai 2001 ausgeführt, die Amtshilfeersuchen seien mit einem erheblichen Aufwand verbunden gewesen. Dementsprechend seien im einen Fall 218 Auszahlungen von Postanweisungen und im anderen Fall 45 Auszahlungen von Postanweisungen im Jahr 2000 festgestellt worden. Je Postanweisung seien S 50,-- eingefordert worden. Für die Kopien der ausbezahlten Postanweisungen seien keine gesonderten Kosten in Rechnung gestellt worden. Im Übrigen wurde in der Eingabe die Auffassung vertreten, seit der Ausgliederung der Post zum 1. Mai 1996 habe die Post ihre Behördeneigenschaft verloren. § 120 FinStrG beziehe sich aber nur auf Dienststellen der Gebietskörperschaften.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom 30. November 2001 wurden die Anträge der Beschwerdeführerin um Kostenersatz abgewiesen. In der Begründung wurde insbesondere die Ansicht vertreten, die Beschwerdeführerin sei gemäß § 120 FinStrG iVm § 22 Poststrukturgesetz zur Leistung von Amtshilfe verpflichtet.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde unter anderem ausgeführt, bei der Mitwirkung der Beschwerdeführerin an einem Finanzstrafverfahren handle es sich um eine privatwirtschaftliche Tätigkeit. Dafür stehe ihr ein angemessener Kostenersatz zu.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die (Administrativ-)Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, für die Beschwerdeführerin bestehe unabhängig davon, ob die Auskunftserteilung im Rahmen einer behördlichen oder einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit erfolge, nach § 120 FinStrG die Verpflichtung zur Auskunftserteilung. Nach dieser Bestimmung sei aber eine Kostenersatzpflicht anders als in dem hier nicht zur Anwendung kommenden § 99 FinStrG im Gesetz nicht vorgesehen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Kostenersatz für Auskunftserteilungen nach dem Finanzstrafgesetz verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 99 Abs 1 FinStrG ist die Finanzstrafbehörde berechtigt, von jedermann Auskunft für Zwecke des Finanzstrafverfahrens zu verlangen. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung gelten die §§ 102 bis 106 und § 108 FinStrG sinngemäß.

Nach § 120 Abs 1 FinStrG ist die Finanzstrafbehörde erster Instanz berechtigt, zur Durchführung der Finanzstrafrechtspflege unter anderem mit allen Dienststellen der Gebietskörperschaften einschließlich jener der Post- und Telegraphenverwaltung unmittelbares Einvernehmen durch Ersuchschreiben zu pflegen. Derartige Ersuchschreiben sind mit möglichster Beschleunigung zu beantworten oder es sind die entgegenstehenden Hindernisse sogleich bekanntzugeben; erforderlichenfalls ist Akteneinsicht zu gewähren.

Nach § 1 Abs 1und 2 Poststrukturgesetz, Art 95 Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl I Nr 201/1996, wurde zur Besorgung der bisher von der Post- und Telegraphenverwaltung wahrgenommenen Aufgaben, insbesondere auf dem Gebiet des Post-, Postauto- und Fernmeldewesens, eine Aktiengesellschaft unter der Firma "Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft" eingerichtet. Nach § 22 Abs 2 Poststrukturgesetz (PTSG) tritt die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, soweit in anderen Bundesgesetzen von der Post- und Telegraphenverwaltung die Rede ist, an deren Stelle.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung kommt es zwar für die Anwendbarkeit des § 120 FinStrG nicht darauf an, ob sich die Ersuchschreiben auf eine hoheitliche oder eine privatwirtschaftliche Tätigkeit der ersuchten Stelle beziehen. Die belangte Behörde hat aber im angefochtenen Bescheid übersehen, dass die Ersuchschreiben der Finanzstrafbehörde ja gar nicht an die Post- und Telekom Austria AG - die, wie die belangte Behörde an sich zutreffend ausgeführt hat, im Hinblick auf § 22 Abs 2 PTSG nach wie vor als Normadressat des § 120 Abs 1 FinStrG anzusehen ist, und zwar auch ungeachtet der ab 26. Juni 2002 wirksamen Bestimmung des § 99 Abs 3 FinStrG idF des Art VI Z 10 Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl I Nr 97/2002 -, sondern vielmehr an die beschwerdeführende Österreichische Post AG gerichtet worden sind und dass auch von der Beschwerdeführerin die begehrten Auskünfte erteilt worden sind. Die Beschwerdeführerin wurde aber (erst) unter Beachtung der durch die Poststrukturgesetz-Novelle 1998, BGBl I Nr 31/1999, geänderten Bestimmungen §§ 11 bis 13a PTSG über die Privatisierung der Unternehmensbereiche Postdienst, Postautodienst und Telekommunikationsdienst der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (vgl § 1 Abs 4 PTSG idF der zuletzt genannten Novelle) errichtet. Dabei enthält die Novelle BGBl I Nr. 31/1999 - anders als das PTSG selbst - keine Verweisungs- und Übergangsbestimmungen. Daraus folgt aber, dass § 120 FinStrG zwar auf die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, nicht aber auf die nach § 13a PTSG durch Umgründungen eingerichteten Gesellschaften anzuwenden ist.

Im Übrigen ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. Juni 1998, 15 Os 40/98, auf die sich die Beschwerdeführerin im gegebenen Zusammenhang beruft, zu Bestimmungen der Strafprozessordnung und des Fernmeldegesetzes 1993 ergangen. Daraus konnte somit für die Anwendung des § 120 FinStrG nichts gewonnen werden.

Schließlich kann auch der Auffassung der belangten Behörde, durch § 120 FinStrG sei dem § 99 Abs 1 FinStrG (in seinem ganzen Inhalt) derogiert worden, nicht gefolgt werden. Der normative Inhalt des § 120 Abs 1 FinStrG ist nämlich (allein) darin gelegen, dass damit eine - verfassungsgesetzlich vorgesehene - Ausnahme von der Amtsverschwiegenheit iSd Art 20 Abs 3 B-VG geschaffen wird.

Für den Beschwerdefall ist letztlich allein entscheidend, dass für die Erteilung der von der Finanzstrafbehörde verlangten Auskünfte die §§ 102 bis 106 und 108 FinStrG sinngemäß gelten (§ 99 Abs 1 letzter Satz FinStrG).

Nach § 108 FinStrG haben Zeugen - ebenso wie nach § 176 Abs 1 BAO - Anspruch auf Reise- und Aufenthaltskosten und auf Entschädigungen für Zeitversäumnis unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Ausmaß wie Zeugen im gerichtlichen Verfahren. Im gerichtlichen Verfahren umfasst die Gebühr des Zeugen nach § 3 GebAG 1975 den Ersatz der notwendigen Reise- und Aufenthaltskosten sowie die Entschädigung für Zeitversäumnis. Anders als dem Sachverständigen nach § 24 Z 4 GebAG steht dem Zeugen im gerichtlichen Verfahren eine Gebühr für die Mühewaltung nicht zu.

Nach § 176 Abs 1 BAO hat der Zeuge auch Anspruch auf den Ersatz der notwendigen Barauslagen. Zu § 108 FinStrG hat dabei der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, in dieser Bestimmung bestehe eine echte Gesetzeslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, die - entsprechend dem selbst der lückenhaften Regelung entnehmbaren Zweck, die mit Zeugeneinvernehmungen bzw Auskunftserteilungen verbundenen nennenswerten Kosten nicht endgültig Personen, die an der andere Personen betreffenden Rechtsfindung der Behörde mitwirken, tragen zu lassen - zu schließen ist (vgl die hg Erkenntnisse vom 21. März 1996, Zlen 93/15/0221, 0224, und vom 22. April 1998, Zl 93/13/0182). Den Zeugen und Auskunftspersonen steht somit der Ersatz notwendiger Barauslagen zu (vgl das hg Erkenntnis vom 3. Juli 1996, Zl 93/13/0015).

Bei den von der Beschwerdeführerin angesprochenen Beträgen handelt es sich nach dem eindeutigen Vorbringen im Verwaltungsverfahren um die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) festgelegten Entgelte. Ein entsprechender Auszug aus diesen AGB wurde im Verwaltungsverfahren der Behörde vorgelegt. In den Anträgen wurde ausdrücklich festgehalten, dass Kopierkosten nicht verrechnet worden seien. Daraus folgt aber, dass es sich bei den angesprochenen Beträgen um im privatrechtlichen Verkehr nach den AGB der Beschwerdeführerin festgelegte Entgelte für die Inanspruchnahme ihrer Dienstleistungen, keineswegs aber um einen im Sinne von öffentlichrechtlichen Bestimmungen zustehenden Ersatz von notwendigen Barauslagen handelt. Dass diese Entgelte dabei nach dem Beschwerdevorbringen als "kostenorientiert" anzusehen und "behördlich kontrolliert" seien, ist dabei für die Frage, ob durch die in Rede stehenden Auskunftsersuchen ziffernmäßig näher bezeichnete, notwendige Barauslagen tatsächlich entstanden sind, ohne jede Bedeutung.

Da damit die durch den angefochtenen Bescheid erfolgte Abweisung des Antrages, die im rechtsgeschäftlichen Verkehr durch die AGB festgelegten Entgelte für die Auskunftsersuchen an die Beschwerdeführerin zu leisten, im Ergebnis dem Gesetz entsprach, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. September 2002

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002160133.X00

Im RIS seit

09.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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