TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/17 2002/17/0284

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Veröffentlicht am 17.10.2002
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Index

E1E;
E3L E09301000;
E6J;
L37204 Armenprozente Versteigerungsabgabe Oberösterreich;
L70314 Versteigerung Oberösterreich;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E025 EG Art25;
11997E028 EG Art28;
11997E029 EG Art29;
11997E090 EG Art90;
11997E093 EG Art93;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33;
61967CJ0031 Stier VORAB;
61988CJ0047 Kommission / Dänemark;
61988CJ0093 Wisselink VORAB;
61990CJ0078 Compagnie Commerciale de l'Ouest VORAB;
61991CJ0017 Lornoy VORAB;
61997CJ0338 Erna Pelzl VORAB;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
61998CJ0228 Dounias / Oikonomikon VORAB;
VersteigerungsabgabeO Linz 1996 §1;
VersteigerungsabgabeO Linz 1996;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2002/17/0295 E 17. Oktober 2002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der X GmbH & Co KG in Y, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in 1014 Wien, Tuchlauben 17, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. August 2002, Zl. Gem- 524225/12-2002-Sto/Shz, betreffend Versteigerungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, 4041 Linz, Neues Rathaus, Hauptstraße 1-5), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, dem angefochtenen Bescheid sowie dem zur hg. Zl. 2001/17/0214 geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Magistrates der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom 31. Juli 2000 wurde der X GmbH für die in der Zeit vom 1. März 2000 bis 31. Mai 2000 stattgefundenen freiwilligen Feilbietungen (Versteigerungen) gemäß § 1 der Versteigerungsabgabeordnung der Stadt Linz eine 5 %ige Versteigerungsabgabe in Höhe von S 417.355,75 sowie ein Säumniszuschlag in der Höhe von S 16.694,-- vorgeschrieben. Die erstinstanzliche Behörde sprach aus, dass der sich daraus ergebende Gesamtbetrag von S 434.049,75 binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides einzuzahlen sei.

Die X GmbH erhob anwaltlich vertreten Berufung, in welcher sie die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Versteigerungsabgabe behauptete.

Nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung am 12. Oktober 2000 und der Einbringung einer als Vorlageantrag gewerteten Eingabe dieser Gesellschaft wurde der X GmbH mit Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom 18. Mai 2001 die Versteigerungsabgabe für den Zeitraum vom 1. März 2000 bis 31. Mai 2000 in der Höhe von S 417.355,75 vorgeschrieben, auf welche jedoch entrichtete Versteigerungsabgabe in Höhe von S 3.531,45 anzurechnen sei, sodass sich eine Nachforderung in Höhe von S 413.824,30 ergebe. Weiters wurde für die nicht fristgerecht entrichtete Versteigerungsabgabe in der Höhe von S 413.824,30 ein 4 %iger Säumniszuschlag in Höhe von S 16.552,97 vorgeschrieben.

Die X GmbH erhob Vorstellung an die belangte Behörde, wobei sie ihre Argumente in der Berufung aufrechterhielt.

Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft ging auf Grund eines Umwandlungsplanes vom 21. September 2001 durch Umwandlung gemäß §§ 1 ff des Umwandlungsgesetzes aus der X GmbH hervor. Die Beschwerdeführerin wurde am 23. Oktober 2001, ihr Hervorgehen aus der Umwandlung am 8. November 2001 in das Firmenbuch eingetragen.

Mit einer Erledigung der belangten Behörde vom 22. November 2001 wies diese die Vorstellung der X GmbH als unbegründet ab. Die Zustellung dieser Erledigung wurde an die X GmbH zu Handen ihres Rechtsvertreters verfügt. Sie erfolgte am 29. November 2001.

Die gegen diese Erledigung erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin wurde mit dem hg. Beschluss vom 25. Juni 2002, Zl. 2001/17/0214, zurückgewiesen, weil die Zustellung der genannten Erledigung zu Handen der in diesem Zeitpunkt bereits gelöschten X GmbH keine Bescheiderlassung gegenüber der Beschwerdeführerin bewirkt hatte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. August 2002 wies diese die von der X GmbH gegen den zweitinstanzlichen Abgabenbescheid vom 18. Mai 2001 erhobene Vorstellung als unbegründet ab. Die belangte Behörde verfügte diesmal die Zustellung dieses Bescheides an die Beschwerdeführerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der X GmbH zu Handen ihres Rechtsvertreters.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertritt die belangte Behörde die Auffassung, Art. 33 der

6. Mehrwertsteuerrichtlinie stehe - anders als die Vorstellungswerberin meine - der in Rede stehenden Versteigerungsabgabe nicht entgegen. Diese habe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer, weil es ihr an der Allgemeinheit fehle, sie nur auf einer Stufe erhoben werde und die Möglichkeit eines Vorsteuerabzuges fehle. Schließlich werde auch die Abwälzung auf die Verbraucher, sprich die Ersteigerer, nicht in einer Rechnung festgehalten.

Auch ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit liege nicht vor, zumal die Abgabe zum einen nicht diskriminierend sei, zum anderen aus dem Honorar der Vorstellungswerberin getragen und nicht dem Versteigerungstarif aufgeschlagen werde. Damit liege keine produktbezogene Maßnahme vor, die eine Behinderung des freien Warenverkehrs bewirken könnte.

Schließlich sei die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs durch die in Rede stehende Abgabe überhaupt nicht betroffen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung der gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden Versteigerungsabgabe verletzt. Sie macht der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Zeitraum zwischen 1. März und 31. Mai 2000 stand die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 19. September 1996, mit der eine Versteigerungsabgabeordnung der Stadt Linz beschlossen wurde, in der Stammfassung derselben, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz vom 14. Oktober 1996, Folge 19, S. 597 f, in Geltung.

§ 1 Abs. 1 und 2, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 4 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung lauteten:

"§ 1

Abgabenerhebung

(1) Die Stadt Linz erhebt von den im Stadtgebiet stattfindenden freiwilligen Feilbietungen (Versteigerungen) beweglicher und unbeweglicher Sachen eine ausschließliche Gemeindeabgabe in Form einer Versteigerungsabgabe nach den Bestimmungen dieser Abgabenverordnung.

(2) Als freiwillig gelten Versteigerungen, die vom Eigentümer veranlasst oder in dessen Auftrag durchgeführt werden.

...

§ 2

Abgabensatz, Bemessungsgrundlage

(1) Die Abgabe beträgt 5 % des bei der Versteigerung erzielten Erlöses.

...

§ 3

Abgabenschuldner

(1) Abgabepflichtig ist derjenige, der die Versteigerung beweglicher oder unbeweglicher Sachen vornimmt oder vornehmen lässt.

(2) Ist der Abgabepflichtige nicht Eigentümer der Sache, so haftet der jeweilige Eigentümer sowie der Erwerber mit dem Abgabepflichtigen zur ungeteilten Hand für die Entrichtung der Abgabe.

...

§ 4

Abgabenentrichtung, Abgabenerklärung

(1) Die Abgabenschuld entsteht zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung.

(2) Der Abgabenschuldner hat die entstandene Abgabenschuld selbst zu berechnen und bis zum 15. (Fälligkeitstag) des folgenden Kalendermonats beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz zu entrichten."

Art. 33 der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern lautet:

"Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern, sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen."

In den Beschwerdeausführungen wird zum einen geltend gemacht, dass sich entsprechend den durch die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften aufgestellten Kriterien zeige, dass die Versteigerungsabgabe gegen Art. 33 der Richtlinie 77/388/EWG verstoße. Der Anwendungsvorrang des Art. 33 verdränge die Bestimmungen der Verordnung vom 20. April 1985, sodass der angefochtene Bescheid ohne Rechtsgrundlage erlassen worden sei.

Ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinn von Art. 33 der 6. Richtlinie hat, hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (vgl. das Urteil vom 8. Juni 1999, Erna Pelzl u.a., verbundene Rechtssachen C-338/97 u.a.) vor allem davon ab, ob sie das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze so belastet, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist. Der Gerichtshof hat hiezu ausgeführt, dass Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, auf jeden Fall als Maßnahmen anzusehen sind, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Art und Weise belasten. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, sieht der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu diesem Zweck als wesentliche Merkmale der Mehrwertsteuer an:

allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehende Geschäfte; Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält; Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze; Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, sodass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird (vgl. hiezu auch die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2000, Zl. 98/17/0191, betreffend die in Wien erhobene Anzeigenabgabe).

Im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juli 1989, Wisselink & Co BV u. a., verbundene Rechtssachen 93/88 und 94/88, Slg. der Rechtsprechung 1989, S. 2671, wurde klargestellt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ein Mehrwertsteuersystem einzuführen und es ihnen verboten ist, neben der Erhebung der Mehrwertsteuer Umsatzsteuern nach kumulativem Mehrphasensystem ganz oder teilweise aufrechtzuerhalten oder neu einzuführen. Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern hätten, könnten aber beibehalten und eingeführt werden.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass es sich bei der Versteigerungsabgabe um eine allgemeine Steuer handle, weil sie alle beweglichen und unbeweglichen Sachen erfasse, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der Versteigerungsabgabe schon deshalb um keine allgemeine Steuer handeln kann, weil sie nicht darauf abzielt sämtliche Umsätze in dem beteiligten Mitgliedstaat zu erfassen (vgl. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache Evangelischer Krankenhausverein Wien, C-437/97, Rz 24, wo gerade diese Voraussetzung für die Allgemeinheit einer Steuer ausdrücklich gefordert wird). Der durch öffentliche Versteigerungen erzielte Umsatz macht jedoch nur einen verschwindenden Anteil des in Österreich überhaupt erzielten Umsatzes aus. Die Beschwerdeführerin behauptet weiters, der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften betone in seiner Rechtsprechung, dass eine Abgabe nicht in allen Punkten der Mehrwertsteuer gleichen müsse und beruft sich auf das Urteil vom 31. März 1992 in der Rechtssache Dansk Denkavit, C-200/90. In diesem Erkenntnis hatte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften jedoch nicht das Fehlen des Charakters der Allgemeinheit einer Steuer zu beurteilen (vgl. Rz 13 und 14 des genannten Urteils). Demgegenüber hat dieser Gerichtshof in seinem bereits zitierten Urteil vom 9. März 2000 ausdrücklich ausgesprochen, dass die übrigen Merkmale einer Steuer im Falle der Verneinung ihrer Allgemeinheit für die Frage ihrer Vereinbarkeit mit der in Rede stehenden Richtlinie nicht mehr geprüft zu werden brauchen (vgl. Rz 25). Es ergibt sich somit bereits aus dem Fehlen der Allgemeinheit der Versteigerungsabgabe, dass diese nicht unter den Begriff der Umsatzsteuer im Sinne des Art. 33 der 6. Richtlinie subsumiert werden kann. Unzweifelhaft wird die Versteigerungsabgabe jedoch darüber hinaus nicht, wie für die Umsatzsteuer charakteristisch, auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben.

Die gegenständliche Versteigerungsabgabe hat eindeutig nicht den Charakter einer Umsatzsteuer und verstößt daher auch nicht gegen Art. 33 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie (vgl. in diesem Sinne auch schon das zu der in Wien erhobenen Versteigerungsabgabe ergangene hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2002, Zl. 2002/17/0153).

Die Beschwerdeführerin stützt sich weiters auf Art. 28 EG (=ehemals Art. 30 EG-Vertrag) und macht geltend, dass die Versteigerungsabgabe gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoße. Der Zweck der in Art. 28 EG festgelegten Verbote liege darin, den freien innergemeinschaftlichen Warenverkehr zu gewährleisten, also staatliche Hindernisse im Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten auszuschalten und damit einen freien Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu sichern. Unter Hinweis auf Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Sachen Kommission gegen Dänemark vom 11. Dezember 1990, Rs 47/88, Rz 13, vertritt sie die Auffassung, auch Abgaben könnten Maßnahmen gleicher Wirkung im Verständnis des Art. 28 EG darstellen. Weiters sei aus den Urteilen dieses Gerichtshofes vom 11. Juli 1974, Dassonville, Rs 8/74, und vom 5. April 1984, van de Haar, verbundene Rechtssachen 177 und 178/82, abzuleiten, dass auch geringfügige Behinderungen der Warenverkehrsfreiheit gegen Art. 28 EG verstießen. Die Versteigerungsabgabe stelle somit eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 28 EG dar, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hemme und nicht zu rechtfertigen sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Zweck der in den Art. 28 und 29 (ex Art. 30 und 34) festgelegten Verbote zwar im Sinne der Beschwerdeausführungen darin liegt, den freien innergemeinschaftlichen Warenverkehr zu gewährleisten, d.h. staatliche Hindernisse im Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten auszuschalten und damit einen freien Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes dadurch zu sichern, dass aus anderen oder in andere Mitgliedstaaten gelieferte Waren den gleichen Marktzugang erhalten wie im Inland hergestellte und verkaufte Erzeugnisse. Soweit der Warenverkehr im Binnenmarkt durch Zölle oder Abgaben gleicher Wirkung behindert wird, geht Art. 25 (ex Art. 12 bis 17) als Sondervorschrift vor. Das Gleiche gilt für etwaige Diskriminierungen mittels inländischer Abgabenregelungen, weil diese in den Anwendungsbereich des Art. 90 (ex Art. 95) fallen (vgl. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 16. Dezember 1992, C-17/91, G. Lornoy/Belgien, Slg. 1992, I-6523). In einigen vor diesem Urteil getroffenen Entscheidungen hat es der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (demgegenüber) für möglich gehalten, die Art. 28 und 29 (ex Art. 30 und 34) als Auffangtatbestand heranzuziehen, wenn die Voraussetzungen des Art. 25 (ex Art. 12 bis 17) bzw. des Art. 90 (ex Art. 95) nicht erfüllt sind (vgl. die Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 11. März 1992, C-78-83/90, Societes Compagnie commerciale de l'Ouest u.a./Receveur des douanes von La Pallice Port, Slg. 1992, I-1847, und vom 15. Dezember 1990, C-47/88, Kommission/Dänemark, Slg. 1990, I-4509, sowie die zusammenfassende Darstellung bei Lux in Lenz, EG-Vertrag2, Rz 4 zu Art. 28 EG).

Demnach war jedenfalls zunächst zu prüfen, ob ein Verstoß gegen Art. 90 EG (ex Art. 95 EGV) vorliegt. Diese Bestimmung verbietet es den Mitgliedstaaten, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar höhere inländische Abgaben zu erheben, als gleichartige inländische Waren zu tragen haben. Gleiches gilt für Abgaben, die geeignet sind, andere inländische Produktionen zu schützen. Das Kriterium für die Anwendung dieser Vorschrift besteht folglich darin, ob eine inländische Abgabe diskriminierenden oder schützenden Charakter hat (vgl. u.a. das Urteil des EuGH vom 11. März 1992 in der Rechtssache Societes Compagnie commerciale de L'Ouest und andere, C-78/90 ff). Art. 90 EG kann demzufolge nicht gegen die gegenständliche Versteigerungsabgabe ins Treffen geführt werden, weil diese weder eine diskriminierende noch schützende Wirkung im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung ausübt. Die Abgabe wird völlig unabhängig davon erhoben, ob es sich um inländische oder ausländische Waren handelt.

Sollte ungeachtet der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, nach welcher der Anwendungsbereich des Art. 28 EG (ex Art. 30 EGV) solche Beeinträchtigungen nicht erfasst, für die sonstige spezifische Vertragsvorschriften gelten (vgl. hiezu insbesondere auch die wohl als Absetzung von der Vorjudikatur zu deutenden Ausführungen im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Februar 2000 in der Rechtssache Charalampos Dounias, C-228/98, Rz 39 und 40), dieser Bestimmung (als Auffangtatbestand) vorliegendenfalls überhaupt noch eine Bedeutung zukommen, dann müsste es sich bei der Versteigerungsabgabe um eine "Maßnahme gleicher Wirkung" im Sinne des Art. 28 EG handeln. Durch die Versteigerungsabgabe wird jedoch die Einfuhr von Gütern in keiner Weise gehindert, ebenso wenig der Vertrieb in anderer Weise als durch die Versteigerung. Auch der Vertrieb von Waren im Wege der Versteigerung ist im Hinblick auf die prozentuelle Höhe der in Rede stehenden Abgabe keinesfalls in einer Weise behindert, die eine Wirkung wie diejenige einer mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung entfalten könnte. In diesem Zusammenhang kommt auch folgenden Überlegungen besonderes Gewicht zu:

Gemäß Art. 93 EG (ex Art. 99 EGV) erlässt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig die Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes innerhalb der in Art. 14 EG gesetzten Frist notwendig ist. Die Harmonisierung der indirekten Steuern stellt somit einen Prozess dar, der durch die Gemeinschaft zwar in Angriff genommen wurde, jedoch bislang noch nicht abgeschlossen wurde. Die gegenständliche Versteigerungsabgabe wurde von dieser Harmonisierung nicht erfasst. Auch aus Art. 33 der 6. Umsatzsteuerrichtlinie lässt sich, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, ableiten, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, alle Steuern, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen. Art. 93 EG (und damit in Einklang stehend die zitierte Richtlinie) nimmt es daher ganz offenkundig in Kauf, dass in dem noch nicht von der Harmonisierung erfassten Bereich der Abgaben in den Mitgliedstaaten auch (indirekte) Steuern in unterschiedlicher Höhe existieren und daher auch Waren betreffen und belasten dürfen, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt wurden. Soweit diese Steuern, wie dies bei der Versteigerungsabgabe der Fall ist, nicht diskriminierend angewandt werden, zeigt Art. 93 EG, dass sie jedenfalls nicht schon deshalb dem Art. 28 EG widersprechen, weil ihre Einhebung (naturgemäß) eine, allenfalls nur geringfügige Erschwernis für die Vermarktung der davon betroffenen Waren ist. Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Urteil Kommission/Dänemark, Rs 47/88, Rz 12, ausgeführt hat, können Abgaben allenfalls (vgl. hiezu aber die oben wiedergegebene jüngere Rechtsprechung) an Hand der allgemeinen Regeln der Art. 28 ff EG zu messen sein. Auch in dieser Rechtssache, wie auch in der Rechtssache Stier, Rs 31/67, ging der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gleichwohl davon aus, dass ein Verbot der Einhebung von Abgaben nur bestehe, wenn diese derart hoch seien, dass der freie Warenverkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes hinsichtlich der davon betroffenen Erzeugnisse beeinträchtigt würde. Dafür gibt es jedoch im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Wenn die Beschwerdeführerin ins Treffen führt, die Versteigerungsabgabe sei geeignet, ausländische Einbringer von der Versteigerung ihrer Waren in Österreich abzuschrecken, weil eine solche Abgabe im Ausland nicht bestehe, so ist auf die (im Hinblick auf die Effizienz dieser Vertriebsform) relativ geringe Höhe der Versteigerungsabgabe von 5 % des bei der Versteigerung erzielten Erlöses zu verweisen.

Soweit zur Stützung der Beschwerdebehauptung, auch geringfügige Beeinträchtigungen der Warenverkehrsfreiheit verstießen gegen Art. 28 EG, Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zitiert wurden, ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass diese Urteile keine behauptete Behinderung der Warenverkehrsfreiheit durch Abgaben betroffen haben. Aus diesen Urteilen ist für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, weil ihre darauf gestützten Argumente den Regelungsgehalt der Art. 90 und 93 EG verkennen.

Dieser Beurteilung steht auch das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Dezember 1981, Kommission/Italien, Rs 193/80, nicht entgegen. In diesem Urteil hat der Gerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass ein Verstoß gegen Art. 30 EGV (nunmehr Art. 28 EG) auch durch eine Verwaltungsvorschrift in einem Bereich, welcher von der in Art. 100 EGV (nunmehr Art. 94 EG) geregelten Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken, noch nicht erfasst ist, erfolgen kann. Die zitierte Entscheidung betraf daher nicht das Verhältnis zwischen Art. 28 EG (Art. 30 EGV) und Art. 93 EG (Art. 99 EGV). Auch stellt, anders als die in Art. 93 EG genannten Steuern, nicht jede Verwaltungsvorschrift, welche sich (in irgendeiner Form) auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirkt, notwendigerweise eine Erschwernis für die Vermarktung von Waren dar, welche aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt wurden. Wie oben bereits ausgeführt, mag es dessen ungeachtet allenfalls zutreffen, dass Art. 28 EG auch im Bereich nicht harmonisierter Steuern bedeutsam sein könnte, freilich nicht in dem von der Beschwerdeführerin unterstellten Verständnis, sie widersprächen schon allein deshalb dieser Bestimmung, weil eine Vermarktung importierter Waren infolge ihrer Belastung mit diesen Steuern geringfügig erschwert werde.

Ob die Versteigerungsabgabe einer Verkaufsmodalität vergleichbar ist, welche der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vom Anwendungsbereich des Art. 28 EG (vgl. das Urteil des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vom 24. November 1993 in der Rechtssache Keck und Mithouard, C-267/91 und C-268/91) ausgenommen hat, kann damit dahingestellt bleiben. Freilich ist die in Rede stehende Abgabe, wenn überhaupt, als ein noch geringeres Hindernis für die Vermarktung importierter Waren anzusehen als etwa eine "Verkaufsmodalität", welche die Veräußerung von Waren im Wege der öffentlichen Versteigerung einschränken oder schlechthin verbieten würde.

In den Beschwerdeausführungen wird schließlich ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit geltend gemacht, weil die Tätigkeit der Beschwerdeführerin, die auch in der Organisation von Versteigerungen bestehe, als Dienstleistung im Sinne des Art. 50 EG anzusehen sei. Diese Versteigerungsdienstleistung werde von der Versteigerungsabgabe beeinträchtigt, weil dafür eine Abgabe anfalle, die in das Honorar der Beschwerdeführerin hineinkalkuliert sei und dieses mit 14,85 % belaste.

Insoweit man die in Österreich durchgeführte Versteigerung von Waren über Auftrag von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten überhaupt als grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung durch die Beschwerdeführerin auffassen wollte, ist die Beschwerdeführerin auch in diesem Zusammenhang auf die oben erstatteten Ausführungen zu den Art. 90 und 93 EG zu verweisen. Der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Wettbewerbsnachteil durch die in Rede stehende Abgabe ist nicht von einer Intensität, die ihr die Dienstleistungserbringung (gegenüber Kunden aus anderen Mitgliedstaaten, welche Waren im Wege der öffentlichen Feilbietung in Linz zu veräußern in Erwägung ziehen) in einer Weise erschweren würde, dass die Leistungserbringung nahezu unmöglich würde. Er ist daher als Folge unterschiedlicher Standortbedingungen infolge unterbliebener Harmonisierung der Abgaben auf diesem Gebiet aus der Sicht des Gemeinschaftsrechtes offenkundig hinzunehmen.

Damit erweist sich zweifelsfrei die Vereinbarkeit der Versteigerungsabgabe mit dem Gemeinschaftsrecht, sodass eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu den von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen nicht einzuholen war.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Oktober 2002

Gerichtsentscheidung

EuGH 61997J0338 Erna Pelzl VORAB
EuGH 61997J0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB
EuGH 61988J0047 Kommission / Dänemark
EuGH 61991J0017 Lornoy VORAB
EuGH 61990J0078 Compagnie Commerciale de l'Ouest VORAB
EuGH 61990J0078 Compagnie Commerciale de l'Ouest VORAB
EuGH 61998J0228 Dounias / Oikonomikon VORAB
EuGH 61988J0047 Kommission / Dänemark
EuGH 61967J0031 Stier VORAB
EuGH 61988J0093 Wisselink VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002170284.X00

Im RIS seit

21.02.2003

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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