TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/17 2001/20/0478

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Veröffentlicht am 17.10.2002
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Index

41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

WaffG 1986 §12 Abs1 idF 1994/520;
WaffG 1986 §36 Abs1 Z1;
WaffG 1986 §36 Abs1 Z2;
WaffG 1986 §36 Abs1 Z4;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des PP in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 58/14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. Juni 2001, Zl. SD 658/99, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juni 2001 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), der Besitz von Waffen und Munition verboten. Zur Begründung verwies die belangte Behörde - anders als noch die Erstbehörde in ihrem Bescheid vom 23. Juni 1999 - nur auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Bezirksgericht Donaustadt vom 7. Dezember 1999 wegen des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1, 2 und 4 des Waffengesetzes 1986 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten. Dem Urteil liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer - im Zuge einer Hausdurchsuchung Mitte 1995 sichergestellte - fünf Faustfeuerwaffen sowie einen Einstecklauf für eine Faustfeuerwaffe besessen habe, ohne im Besitz einer waffenrechtlichen Urkunde zu sein. Weiters habe er verbotene Waffen besessen, und zwar "eine KK-Pistole Erma Kal. 22 Long rifle mit Schalldämpfer, einen Nachbau eines deutschen Geheimdienstgewehres mit Schalldämpfer sowie ein Gewehr Marlin". Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer unbefugt Kriegsmaterial besessen, nämlich "eine KKW Selbstladebüchse umgebaut für Serien- bzw. Dauerfeuer sowie eine Patrone 12,7 x 108 mm Vollmantelspitz mit Panzerbrandgeschoss für üsMG". Nach Darstellung der Rechtslage fasste die belangte Behörde zusammen, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach den zitierten Bestimmungen des Waffengesetzes 1986 rechtskräftig verurteilt worden sei, weil er unbefugt fünf genehmigungspflichtige Schusswaffen, drei verbotene Waffen sowie "zwei Kriegsmaterialien" besessen habe. Besitze ein Mensch (unerlaubterweise) eine verbotene Waffe, so könne die Behörde zu der nach § 12 Abs. 1 WaffG erforderlichen Prognose gelangen, dass er durch missbräuchliche Verwendung von Waffen "die öffentliche Sicherheit" gefährden könnte. Das gesetzliche Verbot des Besitzes derartiger Waffen lasse eindeutig die Absicht des Gesetzgebers erkennen, "deren missbräuchliche, die öffentliche Sicherheit gefährdende Verwendung, die auf Grund ihrer Beschaffenheit allgemein befürchtet werden müsse, hintanzuhalten." In diesem Zusammenhang sei besonders zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 1985 der Waffenpass entzogen und ein neuerlicher Antrag auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte von ihm im Jahr 1994 wieder zurückgezogen worden sei. Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweise, er besitze eine Jagdkarte, leite Großwildjagden in Afrika, verwahre Waffen sorgfältig und er sei in Bezug auf den Umgang mit Waffen "absolut verlässlich", so sei es "umso schwerwiegender, dass er als Person, die im Umgang mit Waffen vertraut ist, sich dazu hinreißen lässt, unbefugt Faustfeuerwaffen, verbotene Waffen und Kriegsmaterial zu besitzen". Der dem oben zitierten Strafurteil zugrunde liegende Sachverhalt lasse nach Ansicht der belangten Behörde daher jedenfalls die in § 12 Abs. 1 WaffG normierte Annahme als gerechtfertigt erscheinen, weshalb ein Waffenverbot auszusprechen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 12 Abs. 1 WaffG lautet:

"Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs. 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, durch die die im Gesetz umschriebene Annahme für die Zukunft gerechtfertigt erscheint. Bei der Beurteilung dieser Frage ist nach dem Schutzzweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl. 2000/20/0425, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem ausführlich begründeten, zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1986 in der Fassung der Waffengesetznovelle 1994, BGBl. Nr. 520, ergangenen Erkenntnis vom 6. November 1997, Zl. 96/20/0745, unter Bedachtnahme auf die Vorjudikatur mit der Frage befasst, inwieweit der unbefugte Besitz von Waffen und Kriegsmaterial ein Waffenverbot rechtfertigen kann. Die Ausführungen in diesem Erkenntnis, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, gelten auch für die korrespondierende Bestimmung des Waffengesetzes 1996 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 2001/20/0433, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof kam in dem eingangs erwähnten Erkenntnis zunächst zu der Schlussfolgerung, die bloße Tatsache eines allenfalls auch vorsätzlichen Verstoßes gegen Waffenrecht rechtfertige nicht losgelöst von der Art des Verstoßes und den Umständen des Einzelfalles die Verhängung eines Waffenverbotes, und legte dann dar, aus welchen Gründen sich der dort zu beurteilende Sachverhalt in Ansehung dieser Kriterien von dem mit Erkenntnis vom 20. Februar 1985, Zl. 85/01/0039 (Ansammeln von an die 20 Stück Faustfeuerwaffen, einer Maschinenpistole, und weiterer verbotener Waffen und großer Mengen von Munition), entschiedenen - als Orientierungsmaßstab herangezogenen - Fall wesentlich unterschied. Das trifft auch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zu:

Es handelt es sich nämlich nicht nur um eine geringere Menge an (verbotenen) Waffen und Munition, die der Beschwerdeführer besessen hatte, sondern es ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im gerichtlichen Strafverfahren nur zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt wurde, sodass diese Verurteilung - bei Bedachtnahme auf § 8 Abs. 3 und 4 WaffG - für sich genommen die Verhängung eines Waffenverbotes nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. zu diesem Gesichtspunkt jüngst das bereits zitierte Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl. 2000/20/0425). Der Beschwerdeführer hat aber - nach der Aktenlage - weder in dem Zeitraum von etwa sechs Jahren seit der Sicherstellung der erwähnten Waffen und Munition bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ein waffenrechtlich relevantes Fehlverhalten gesetzt, noch ist - außer dem unbefugten Besitz der erwähnten Waffen - in der Zeit davor eine Verhaltensweise des Beschwerdeführers mit "waffenrechtlichen Bezug" zu Tage getreten, welche die Prognose eines Waffenmissbrauches im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG hätte indizieren können (in dieser Hinsicht anders der mit dem Erkenntnis vom 10. Juli 1997, Zl. 95/20/0201, entschiedene Fall, in dem es um die Lagerung einer beträchtlichen Menge an - geladenen und somit einsatzbereiten - Waffen und Kriegsmaterial unter anderem in einem Wohnwagen ging). Vielmehr ist auch die belangte Behörde entsprechend den Einwänden des Beschwerdeführers offenbar davon ausgegangen, dass er sich bisher im Umgang mit Waffen als verlässlich gezeigt hat. Warum gerade daraus - wie die belangte Behörde meint - eine Missbrauchsgefahr abzuleiten sein soll, ist aber für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

Es bestehen nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid schließlich auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür (und die belangte Behörde hat das Waffenverbot auch darauf nicht gestützt), dass der Beschwerdeführer "einer kaum noch als rational einzustufenden Leidenschaft zum Besitz von Waffen verfallen sei, die ihn an der Einhaltung waffenrechtlicher Vorschriften hindere", sodass auch in dieser Hinsicht keine Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs. WaffG anzustellen gewesen wäre (vgl.  zur Berücksichtigung dieses Aspektes das bereits erwähnte Erkenntnis vom 6. November 1997, Zl. 96/20/0745, mwN).

Da somit der Rechtsansicht der belangten Behörde, der festgestellte Sachverhalt sei eine ausreichende Grundlage für die Verhängung eines Waffenverbotes, nicht gefolgt werden kann, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 17. Oktober 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001200478.X00

Im RIS seit

20.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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