TE Vfgh Erkenntnis 1999/10/13 V30/98

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Veröffentlicht am 13.10.1999
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
AutomatenV der Gemeinde Innerbraz vom 30.07.82
GewO 1994 §52 Abs4

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer AutomatenV; Untersagung der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten entlang einer Straße im Gemeindegebiet zum Schutz von unmündigen Minderjährigen erforderlich

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (im folgenden: UVS) stellt den auf Art139 Abs1 (iVm. Art89 Abs2 und Art129a Abs3) B-VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "die Worte 'entlang der Arlbergstraße,' in der lita) der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Innerbraz vom 30.7.1982 über das Verbot der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten im Gebiet der Gemeinde Innerbraz, als gesetzwidrig" aufheben.

1.2. Der UVS stellt diesen Antrag aus Anlaß des bei ihm zu Zl. 1-0532/97/E2 anhängigen Verfahrens, dessen Gegenstand eine Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 26. Mai 1997 ist, mit dem über den Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach §367 Z15 iVm. §52 Abs4 Gewerbeordnung 1994 und der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Innerbraz vom 30. Juli 1982 eine Verwaltungsstrafe verhängt wurde, weil er das Gewerbe mittels Automaten entgegen den Bestimmungen der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Innerbraz ausgeübt habe.

1.3. Seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung legt der UVS wie folgt dar:

"Die angefochtene Bestimmung der zitierten Verordnung widerspricht dem Einleitungssatz des Abs4 des §52 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, wonach die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten nur untersagt werden darf, soweit dies für bestimmte Zwecke 'erforderlich' ist. Dieser Formulierung ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber das Anbringen von Süßwaren-Automaten nicht zur Gänze unterbinden wollte. Es ist daher nur eine sachliche Beschränkung der Ausübung der gewerblichen Tätigkeiten mittels Automaten, und zwar zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben oder vor Gefahren des Straßenverkehrs zulässig. Diesen Anforderungen entspricht die angefochtene Bestimmung der Verordnung vom 30.7.1982 nicht, da sie im Ergebnis ein unbeschränktes Verbot der Ausübung dieser gewerblichen Tätigkeit verfügt. Die im Ortsgebiet Innerbraz verlaufende L 97 ("Arlbergstraße") weist eine Länge von ca. 2,5 km auf. Es ist aber nicht erkennbar, weshalb eine Verbotszone in diesem Ausmaß gerechtfertigt sein sollte. Die angefochtene Bestimmung der Verordnung ist daher insgesamt mit der gesetzlichen Bestimmung, auf deren Grundlage sie erlassen wurde, nicht in Einklang zu bringen. Diese Erwägungen begründen nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung der Verordnung."

2. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und der Berufungswerber im Administrativverfahren haben von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

3. Der Bürgermeister der Gemeinde Innerbraz ist den Bedenken des UVS mit folgender Äußerung vom 8. April 1998 entgegengetreten:

"Der Bürgermeister der Gemeinde Innerbraz hat mit Verordnung vom 30.7.1982 und auf der Grundlage der damals geltenden Bestimmungen (§52 Abs4 GewO 1973 idF. BGBl. Nr. 619/1981) die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten im Bereich bestimmter Straßenzüge verboten.

Dieser Verordnung gingen massive Interventionen von Eltern, bzw. der Elternvereine aus Volks- und Hauptschule, aber auch der Schulen voraus, die sich nachdrücklich gegen die Anbringung von 'Süßigkeiten- und Kaugummi-Automaten' ausgesprochen haben und deren umgehende Beseitigung forderten. Das Gemeindeamt ist nach Prüfung der Rechtslage dieser Aufforderung nachgekommen, bzw. hat der Bürgermeister die zit. Verordnung erlassen.

Bei der Eingrenzung des Verbotsbereiches lag die Überlegung zugrunde, insbesondere jene Bereiche, Straßen und Plätze, einzubeziehen, die erfahrungsgemäß von Kindern und Jugendlichen (unmündige Minderjährige) besonders frequentiert werden. Nachdem unsere Gemeinde ein typisches Straßendorf mit West/Ost-Ausrichtung darstellt, in dem sich das besiedelte Gebiet im wesentlichen entlang der Arlbergstraße (L 97) befindet und dieser Straßenbereich auf eine Länge von 2,50 Km zwangsläufig auch Schulweg sowohl für alle (!) Kinder der Volks- und Hauptschule, als auch des Kindergartens ist, lag es nahe, den Verbotsbereich 'entlang der Arlbergstraße' in die Verordnung aufzunehmen.

Es wird auch in Zukunft in unserem Interesse liegen, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, das Aufstellen von Automaten zu verhindern, deren Zielgruppe unmündige Kinder sind, und die zu unüberlegten Geldausgeben veranlasst werden."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

1. Der Antrag ist zulässig.

Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel, daß der UVS bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung die angefochtene Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Innerbraz vom 30. Juli 1982, wegen deren Übertretung der Berufungswerber bestraft wurde, anzuwenden hätte.

2. Der Antrag ist aber nicht begründet:

2.1. Zunächst ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach sich der Gerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 bzw. zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken hat (vgl. etwa VfSlg. 12592/1990, 12691/1991, 12947/1991, 13471/1993 bzw. VfSlg. 9089/1981, 10811/1986, 14044/1995). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Wortfolge der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Innerbraz vom 30. Juli 1982 aus den in der Begründung des Antrages des Unabhängigen Verwaltungssenates dargelegten Bedenken gesetzwidrig ist.

2.2. Die angefochtene Verordnung beruht nunmehr auf §52 Abs4 Gewerbeordnung 1994. Diese Bestimmung lautet in der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung:

"(4) Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben oder vor den Gefahren des Straßenverkehrs erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,

1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,

2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benutzt werden,

3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,

4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder

5. im näheren Umkreis der in Z4 angeführten Plätze und Räume

untersagen."

2.3. §52 Abs4 Gewerbeordnung 1994 ermächtigt demnach die Gemeinde zur Untersagung der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind.

Die Erlassung einer solchen Verordnung setzt zweierlei voraus:

Die Verordnung muß erstens "zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben oder vor den Gefahren des Straßenverkehrs erforderlich" sein. Die Verordnung darf zweitens nur Orte erfassen, die den in §52 Abs4 Z1 bis 5 Gewerbeordnung 1994 abstrakt umschriebenen Kriterien entsprechen.

2.4. Beide Voraussetzungen werden durch die angegriffene Verordnung erfüllt; die Bedenken des UVS, daß die Untersagung der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten "entlang der (gesamten) Arlbergstraße" im Gemeindegebiet der Gemeinde Innerbraz nicht "erforderlich" im Sinne des Einleitungssatzes des §52 Abs4 Gewerbeordnung 1994 wäre, kann der Verfassungsgerichtshof nicht teilen. Der Bürgermeister der Gemeinde Innerbraz hat in seiner Äußerung vom 8. April 1998 darauf hingewiesen, daß der gesamte Straßenverlauf der Arlbergstraße im Gebiet der Gemeinde Innerbraz, welche als "typisches Straßendorf" angelegt sei, "als Schulweg sowohl für alle ... Kinder der Volks- und Hauptschule, als auch des Kindergartens" diene; dies wird u.a. dadurch bestätigt, daß der Erlassung der Verordnung "massive Interventionen von Eltern bzw. der Elternvereine aus Volks- und Hauptschule, aber auch der Schulen (vorausgegangen wären), die sich nachdrücklich gegen die Anbringung von 'Süßigkeiten- und Kaugummi-Automaten' ausgesprochen" hätten. Vor diesem Hintergrund sind sowohl die Voraussetzungen des Einleitungssatzes des §52 Abs4 Gewerbeordnung 1994 als auch jene der Z1, 4 und 5 für die Arlbergstraße im Ortsgebiet der Gemeinde Innerbraz erfüllt.

2.5. Die Wortfolge "entlang der Arlbergstraße," in der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Innerbraz vom 30. Juli 1982 ist daher nicht gesetzwidrig. Der Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung war daher abzuweisen.

III. Dies konnte gemäß §19 Abs4,

erster Satz, VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Gewerberecht, Automaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:V30.1998

Dokumentnummer

JFT_10008987_98V00030_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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