TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/20 2002/08/0054

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2002
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 idF 1994/314;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §79 Abs19 idF 1995/297;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Mag. Thomas di Vora, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Lendgasse 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 29. Mai 2001, Zl. LGS/Abt. 4/1218/2001, betreffend Widerruf und Rückzahlung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit zwei Bescheiden der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, beide vom 10. Jänner 1997, wurde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 1. Juni 1993 bis zum 9. Oktober 1993 bzw. der Bezug der Notstandshilfe für die Zeiträume vom 10. Oktober 1993 bis 27. Februar 1994, vom 5. März 1994 bis 30. April 1994 und vom 11. Jänner 1995 bis 31. Juli 1995 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt. Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG wurde der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von S 35.520,-- und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG iVm § 38 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 110.360,-- verpflichtet. Begründend wurde in beiden Bescheiden ausgeführt, der Beschwerdeführer erziele Einkünfte aus Werkverträgen, welche die maßgebenden Einkommensgrenzen überstiegen.

In seiner Berufung gegen diese Bescheide führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er in den in den Bescheiden genannten Zeiträumen insgesamt auf Grund zweier Werkverträge Einkünfte, und zwar in der Zeit vom 1. Juni 1993 bis 30. Juli 1993 im Rahmen einer Nachzahlung S 39.600,-- (erhalten am 30. Juli 1993) und in der Zeit vom 1. Jänner 1994 bis 29. Jänner 1994 im Wege einer Vorauszahlung (Arbeiten durchgeführt vom 28. Februar 1994 bis zum 5. März 1994 und Entgelt bezogen am 31. Jänner 1994) S 50.000,--, bezogen habe. Von vornherein ungerechtfertigt seien daher Rückforderungen für Zeiten zwischen 30. Jänner 1994 und 31. Juli 1995. Im Übrigen verwies der Beschwerdeführer auf ein Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt. Er sei auf Grund der Überschneidung eines einzigen Werkvertrages (und zwar hinsichtlich des Zeitraumes der Leistungserbringung) mit der Auszahlung von Krankengeld, und zwar für einen Zeitraum von drei Tagen und einen Betrag von S 1.379,50 wegen § 146 StGB verurteilt worden. Damals sei er von dem Vorwurf des schweren Betruges freigesprochen worden, da sich seine Unschuld herausgestellt habe. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass eine Überschneidung der Werkverträge mit Zeiträumen des Notstandsbezuges nicht bestehe und dass der Beschwerdeführer auch keinerlei (über den in der Verurteilung genannten Betrag hinausgehenden) ihm nicht zustehende Beträge kassiert habe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und sprach aus, dass für die Zeiträume vom 1. Juni 1993 bis 9. Oktober 1993 und vom 10. Oktober 1993 bis 27. Februar 1994 bezogenes Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe nicht widerrufen werde, da aus den Einkommensteuerbescheiden des Beschwerdeführers für die Kalenderjahre 1993 und 1994 hervorgehe, dass er in diesen Jahren kein Einkommen bezogen habe, welches über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen wäre. Für den Zeitraum vom 11. Jänner 1995 bis 31. Juli 1995 sprach die belangte Behörde hingegen aus, dass die dafür bezogene Notstandshilfe gemäß § 38 AlVG iVm § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen werde. Weiters verpflichtete sie den Beschwerdeführer gemäß § 38 AlVG iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung dieser unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Ausmaß von S 55.732,--. Begründend führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, aus dem Einkommensteuerbescheid des Beschwerdeführers für das Jahr 1995 ergebe sich, dass er in diesem Jahr ein Einkommen von S 168.818,--erzielt habe. Damit sei die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von S 3.452,-- überschritten worden. Der Beschwerdeführer habe im Übrigen sein Einkommen gegenüber dem Arbeitsmarktservice verschwiegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Zu dieser Gegenschrift hat der Beschwerdeführer eine Äußerung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 412/1990 hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

Hinsichtlich der Arbeitslosigkeit enthalten die wesentlichen Teile des § 12 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 314/1994 folgende Regelungen:

"Arbeitslosigkeit

§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

(2) ...

(3) Als arbeitslos ... gilt insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbständig erwerbstätig ist;

...

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung unberücksichtigt bleibt;

b) wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, dessen nach den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften festgestellter Einheitswert S 54.000,-- nicht übersteigt;

c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist und daraus im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit einen Umsatz erzielt, von dem 11,1 vH die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt;

...

(9) Der Umsatz gemäß § 12 Abs. 6 lit. c wird auf Grund des Umsatzsteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem Arbeitslosengeld bezogen wird, festgestellt. Als monatlicher Umsatz gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahresumsatzes, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit der anteilsmäßige Umsatz in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag.

(10) Der Leistungsbezieher ist verpflichtet, den Umsatz- bzw. Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr, in dem Arbeitslosengeld bezogen wurde, binnen zwei Wochen nach Erlassung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle vorzulegen. Bis zur Erlassung und Vorlage des Bescheides ist die Frage der Arbeitslosigkeit bzw. der Einkommenshöhe, insbesondere auf Grund einer eidesstattlichen Erklärung des Arbeitslosen über die Höhe seines Umsatzes bzw. seiner Einkünfte, einer allenfalls bereits erfolgten Einkommensteuererklärung bzw. eines Umsatz- bzw. Einkommensteuerbescheides aus einem früheren Jahr vorzunehmen. Des weiteren hat der Arbeitslose schriftlich seine Zustimmung zur Einholung von Auskünften beim Finanzamt zu erteilen. Für die von den Finanzämtern erteilten Auskünfte gilt die abgabenrechtliche Geheimhaltepflicht des § 48a der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961. Lehnt der Arbeitslose die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung bzw. der Zustimmungserklärung ab, ist ein geringfügiges Einkommen nicht anzunehmen.

..."

Für Ansprüche, deren Anfallstag nach dem 30. April 1995 (§ 79 Abs. 19 AlVG) liegt, lauten die hier wesentlichen Teile des § 12 AlVG in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes BGBl. Nr. 297/1995:

"(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a)

...

b)

...

c)

wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge übersteigt;

... ."

Im vorliegenden Fall geht es um Ansprüche auf Notstandshilfe, die dem Beschwerdeführer auf Grund seines Antrages vom 11. Jänner 1995 ab diesem Tag gewährt wurden. Der Anfallstag der dem Beschwerdeführer zuerkannten Leistungen für die Zeit vom 11. Jänner 1995 bis 31. Juli 1995 war somit der 11. Jänner 1995 (vgl. zum Anfallstag das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 96/08/0286).

Im vorliegenden Fall war daher gemäß § 79 Abs. 19 AlVG idF BGBl. Nr. 297/1995 weiterhin § 12 AlVG in der oben zitierten Fassung BGBl. Nr. 314/1994 anzuwenden. Diese Bestimmung stellt hinsichtlich selbstständiger Erwerbstätigkeit ausdrücklich nur auf den daraus erzielten Umsatz ab. Feststellungen zur Höhe des Umsatzes des Beschwerdeführers enthält der angefochtene Bescheid jedoch nicht.

Da die belangte Behörde Feststellungen über den Umsatz des Beschwerdeführers nicht traf, sondern (in Verkennung der von ihr zeitraumbezogen anzuwendenden Rechtslage) dem angefochtenen Bescheid ausschließlich dessen Einkommen zugrundelegte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren erfolgte gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da diese in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits enthalten ist.

Wien, am 20. November 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080054.X00

Im RIS seit

05.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten