TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/26 2001/11/0168

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Veröffentlicht am 26.11.2002
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §136 Abs5;
ASVG §136;
SHG Wr 1973 §10;
SHG Wr 1973 §11 Abs1 Z1;
SHG Wr 1973 §12;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;
SHG Wr 1973 §13 Abs6;
SHG Wr 1973 §16 Abs1;
SHG Wr 1973 §16 Abs3;
SHV Richtsätze Wr 1973 §4 Abs3;
SHV Richtsätze Wr 1973 §7;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/11/0169 2001/11/0325 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2002/11/0005 E 21. Jänner 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerden des G in W, im Beschwerdeverfahren Zl. 2001/11/0168 vertreten durch Dr. Marco Iglitsch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ballgasse 6, im Beschwerdeverfahren Zl. 2001/11/0169 vertreten durch Dr. Wilhelm Huber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 5, und im Beschwerdeverfahren Zl. 2001/11/0325 vertreten durch Dr. Michael Brand, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Maria Theresienstraße 9, gegen die Bescheide der Wiener Landesregierung 1. vom 2. April 2001, Zl. MA 15-II-H 9/2001 (hg. Zl. 2001/11/0168), 2. vom 9. April 2001, Zl. MA 15-II-H 11/2001 (hg. Zl. 2001/11/0169) und

3. vom 22. Juni 2001, Zl. MA 15-II-H 20/2001 (hg. Zl. 2001/11/0325), jeweils betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer in jedem der drei Beschwerdeverfahren Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren in den Verfahren Zl. 2001/11/0168 und Zl. 2001/11/0352 wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Schreiben vom 8. November 2000 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung einer "zusätzlichen Geldaushilfe" und begründete dies damit, dass er bedingt durch seine Erkrankung (Herzmuskelschwäche und Diabetes-Mellitus-Typ II) einen Mehraufwand für Diabetikerschonkost und einen Mehraufwand für Bekleidungsbedarf habe. Weiters begehrte er S 825,-- "für den Bezug von ärztlichen Rezepturen" und wies darauf hin, dass er nicht rezeptgebührenbefreit sei, den Rechtsmittelweg aber beschritten habe.

1.2. Mit Bescheid vom 31. Jänner 2001 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag des Beschwerdeführers vom 8. November 2000 gemäß den §§ 8 und 10 des Wiener Sozialhilfegesetzes - WSHG ab und führte aus, nach § 13 Abs. 1 leg. cit. in Verbindung mit den §§ 1 und 4 der Richtsatzverordnung - Richtsatz-VO betrügen die monatlichen Geldleistungen für einen Alleinunterstützten S 5.142,--

zuzüglich Zuschlag in der Höhe von S 2.858,--, insgesamt S 8.000,-

-. Der Beschwerdeführer beziehe eine Invaliditätspension von S 11.243,40. Da der Beschwerdeführer über ein Einkommen verfüge, das ausreiche, seinen Lebensbedarf zu sichern, sei der Antrag abzuweisen.

1.3. In der dagegen erhobenen Berufung vom 5. Februar 2001 wies der Beschwerdeführer insbesondere auf den im Hinblick auf seinen körperlichen Zustand erhöhten Bedarf für Lebensmittel (Mehrausgaben für Diätkost) und Bekleidung hin. Auch der Medikamentenbedarf gehöre zum Lebensbedarf.

1.4. Mit Bescheid vom 2. April 2001 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid vom 31. Jänner 2001.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage aus, der Beschwerdeführer beziehe eine Invaliditätspension von S 11.243,40 netto. Zur Auszahlung gelange auf Grund eines monatlichen Abzuges von S 2.066,40 nur ein Betrag von S 9.177,--. Die Miete betrage monatlich S 1.938,48. Die Berechnung des monatlichen Sozialhilfeanspruches ergebe S 9.082,48 (S 8.000,-- ASVG-Richtsatz, zuzüglich Miete S 1.938,48, abzüglich Selbstbehalt S 856,--). Dem stehe ein Einkommen von S 11.243,40 gegenüber. Auch bei Berücksichtigung des monatlichen Abzuges gelange ein Betrag von S 9.177,--, der über dem Sozialhilfebedarf von S 9.082,48 liege, zur Auszahlung. Soweit sich der Beschwerdeführer auf § 13 Abs. 6 WSHG berufe, sei festzuhalten, dass diese Gesetzesstelle einen "grundsätzlichen Sozialhilfeanspruch" voraussetze, der im Fall des Beschwerdeführers aber auf Grund seines über dem Sozialhilfe-Richtsatz liegenden Einkommens nicht bestehe. Nur wenn ein solcher Sozialhilfeanspruch bestehe, sei der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf an Lebensunterhalt, z.B. Bekleidung, durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken.

1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 2001/11/0168 protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2.1. Mit Schreiben vom 12. Jänner 2001 beantragte der Beschwerdeführer eine "zusätzliche Geldaushilfe", weil er bedingt durch seine Erkrankungen (Herzmuskelschwäche und Diabetes-Mellitus-Typ II) einen Mehraufwand für Diabetikerschonkost und für Bekleidung habe. Seine Invaliditätspension reiche zur Deckung des Bedarfes nicht aus.

2.2. Mit Bescheid vom 23. Februar 2001 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag vom 12. Jänner 2001 gemäß den §§ 8 und 10 WSHG ab und führte begründend aus, die Invaliditätspension des Beschwerdeführers betrage ab 1. Jänner 2001 S 11.317,40 und liege damit über den in den §§ 1 und 4 der Richtsatz-VO festgesetzten Richtsätzen. Der Beschwerdeführer verfüge damit über ein Einkommen, das ausreiche, um seinen Lebensbedarf zu sichern.

2.3. Die dagegen erhobene Berufung vom 7. März 2001 enthält im Wesentlichen das gleiche Vorbringen wie die oben unter 1.3. genannte Berufung vom 5. Februar 2001. 2.4. Mit Bescheid vom 9. April 2001 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid vom 23. Februar 2001.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Berechnung des monatlichen Sozialhilfeanspruches ergebe unter Berücksichtigung der für 2001 geltenden Richtsätze einen Betrag von S 9.219,74 (S 8.121,-- ASVG-Richtsatz, zuzüglich Miete S 1.967,74, abzüglich Selbstbehalt S 869,--). Dem stehe ein Einkommen von S 11.317,40 gegenüber. Selbst bei Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Beschwerdeführer monatlich nur S 9.268,-- ausbezahlt werden, liege das Einkommen des Beschwerdeführers noch über dem Sozialhilfebedarf von S 9.219,74. Dem Hinweis des Beschwerdeführers auf seinen krankheitsbedingten erhöhten Bedarf sei zu erwidern, dass der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf nur dann durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken wäre, wenn ein "grundsätzlicher Sozialhilfeanspruch" bestehe.

2.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 2001/11/0169 protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

3.1. Mit Schreiben vom 14. Februar 2001 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung einer Geldaushilfe ("Richtsatzdifferenz") und die Übernahme der Kosten seines Medikamentenbedarfes ab 1. Jänner 2001. Dieser habe im Jänner 2001 für insgesamt 18 ärztliche Verschreibungen S 1.008,-- betragen.

3.2. Mit Bescheid vom 26. Februar 2001 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag vom 14. Februar 2001 gemäß den §§ 8 und 10 WSHG ab und führte aus, gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. in Verbindung mit den §§ 1 und 4 der Richtsatz-VO würden die monatlichen Geldleistungen für einen Alleinunterstützten insgesamt S 8.121,-- (S 5.220,-- Richtsatz für einen Alleinunterstützten, S 2.901,-- Zuschlag) betragen. Auf Grund der Invaliditätspension in der Höhe von S 11.317,40 verfüge der Beschwerdeführer über ein Einkommen, dass zur Sicherung seines Lebensbedarfes ausreiche.

3.3. Die dagegen erhobene (mit 9. Februar 2001 datierte und am 16. März 2001 bei der Erstbehörde eingelangte) Berufung hat im Wesentlichen den gleichen Inhalt wie die oben unter 1.3. und 2.3. genannten Berufungen.

3.4. Mit Bescheid vom 22. Juni 2001 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid vom 26. Februar 2001. Begründet wurde dieser Bescheid in gleicher Weise wie der oben unter 2.4. genannte Bescheid.

3.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 2001/11/0325 protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

4.2. Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des WSHG von Bedeutung:

"Aufgaben und Leistungen der Sozialhilfe

§ 1. (1) Die Sozialhilfe hat jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

...

Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes

Anspruch

§ 8. (1) Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

...

Einsatz der eigenen Mittel

§ 10. (1) Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfe Suchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.

...

Lebensbedarf

§ 11. (1) Zum Lebensbedarf gehören

1. Lebensunterhalt,

...

3. Krankenhilfe,

...

Lebensunterhalt

§ 12. Der Lebensunterhalt umfasst insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.

Geldleistungen

§ 13. (1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

...

(3) Der Richtsatz ist so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.

(4) Der Richtsatz kann im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfe Suchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. ...

...

(6) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden.

...

Krankenhilfe

§ 16. (1) Die Krankenhilfe umfasst

1.

Heilbehandlung einschließlich Zahnbehandlung,

2.

Versorgung mit Heilmitteln, Heilbehelfen, Körperersatzstücken und Zahnersatz,

...

(3) Für die Gewährung der in Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie in Abs. 2 bezeichneten Leistungen der Krankenhilfe sind durch Verordnung der Landesregierung Einkommensrichtsätze festzusetzen. Diese Richtsätze sind unter Bedachtnahme auf die Mehraufwendungen festzusetzen, die dem Hilfe Suchenden neben den Kosten der medizinischen Behandlung durch die Krankheit entstehen."

Weiters sind die folgenden Bestimmungen der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe (Richtsatz-VO), LGBl. Nr. 13/1973 in der Fassung der Verordnungen LGBl. Nr. 64/1999 (für das Jahr 2000) und LGBl. Nr. 71/2000 (für das Jahr 2001) maßgebend. Im Folgenden wird der Verordnungstext in der für das Jahr 2001 maßgebenden Fassung zitiert, die für das Jahr 2000 geltenden Beträge werden jeweils in Klammer in Kursivschrift beigefügt:

"Richtsätze für den Lebensunterhalt

§ 1. (1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beträgen festgesetzt:

1. für den Alleinunterstützten 5.220 S (5.142 S) ...

...

§ 4. (1) Bei Dauersozialhilfebeziehern, die das 65. Lebensjahr bei Männern, das 60. Lebensjahr bei Frauen überschritten haben oder für mindestens ein halbes Jahr erwerbsunfähig sind, ist der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abzudecken.

(2) Die Höhe des Zuschlages beträgt ab 1.1.2001 (2000)

1.

für den Alleinunterstützten 2.901 S (2.858 S)

2.

für den Hauptunterstützten 3.883 S (3.825 S).

(3) Durch den Zuschlag sind insbesondere der Heizbedarf, der durchschnittliche Mietbedarf und anderer individueller Sonderbedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes gedeckt und es sind hiefür - abgesehen von Ausnahmefällen - keine weiteren Geld- oder Sachleistungen zu gewähren.

(4) Als durchschnittlicher Mietbedarf gilt für das Jahr 2001 (2000) ein Betrag von 869 S (856 S) monatlich.

§ 5. (1) Bei anderen als in § 4 Abs. 1 genannten Sozialhilfebeziehern ist der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist.

(2) Der Mietbedarf ist durch eine Mietbeihilfe zu decken. Die Mietbeihilfe ist alleinunterstützten oder hauptunterstützten Sozialhilfebeziehern in der Höhe des tatsächlichen Mietzinses zu gewähren, soweit die Wohnung des Sozialhilfebeziehers einen angemessenen Wohnraumbedarf nicht übersteigt, und nur im Ausmaß des auf den einzelnen Sozialhilfebezieher entfallenden Mietzinsanteiles...

...

§ 7. Die Einkommensrichtsätze für die Gewährung der in § 16 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie Abs. 2 des Sozialhilfegesetzes bezeichneten Leistungen der Krankenhilfe sowie der Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen werden mit dem eineinhalbfachen Betrag der in § 1 genannten Richtsätze zuzüglich des Mietbedarfes nach § 5 Abs. 2 festgesetzt."

4.3. Der Beschwerdeführer hat in den Anträgen vom 8. November 2000, 12. Jänner 2001 und 14. Februar 2001 - neben den den "Medikamentenbedarf" betreffenden Begehren im erst- und drittgenannten Antrag - jeweils Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ("Richtsatzdifferenz") begehrt und behauptet, einen Mehrbedarf wegen der Notwendigkeit von Diabetikerkost und einen Mehrbedarf für Bekleidung (der Beschwerdeführer ist nach einem von ihm vorgelegten ärztlichen Entlassungsbericht der Sonderkrankenanstalt A. betreffend einen Aufenthalt vom 15. August bis 4. September 1999 hochgradig adipös) zu haben, ohne sein diesbezügliches Begehren auf einen bestimmten Monat zu beschränken. Sein Begehren ist demnach auf wiederkehrende monatliche Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes gerichtet. Auch die Erstbehörde hat in ihrem (oben unter 1.2. genannten) Bescheid vom 31. Jänner 2001 den Abspruch nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt. Auf Grund der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung vom 5. Februar 2000 war das Begehren des Beschwerdeführers auf wiederkehrende Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes Sache des Berufungsverfahrens. Nur die belangte Behörde war daher zur Entscheidung über dieses Begehren zuständig (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) unter E. Nr. 1 und 2 zu § 66 AVG zitierte hg. Rechtsprechung). Der Erstbehörde kam diesbezüglich während des anhängigen Berufungsverfahrens keine Entscheidungsbefugnis zu. Sie war daher zur Erlassung der (oben unter 2.2. und 3.2. genannten) Bescheide vom 23. Februar  2001 und vom 26. Februar 2001, soweit diese das Begehren auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes betreffen, nicht zuständig. Im Rahmen der Entscheidung über die dagegen erhobenen Berufungen hätte die belangte Behörde die Unzuständigkeit der Erstbehörde von Amts wegen beachten und den Bescheid der Erstbehörde vom 23. Februar 2001 zur Gänze und jenen vom 26. Februar 2001, soweit er das Begehren auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ("Richtsatzdifferenz") betrifft, wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde aufheben müssen. Da sie dies unterlassen und über die Berufungen meritorisch entschieden hat, hat sie ihren (zweitangefochtenen) Bescheid vom 9. April 2001 zur Gänze und den (drittangefochtenen) Bescheid vom 22. Juni 2001 im beschriebenen Umfang mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. auch dazu die zuvor zitierte Rechtsprechung).

4.4. Im (oben unter 1.4. genannten erstangefochtenen) Bescheid vom 2. April 2001 begründete die belangte Behörde die Abweisung des auf einen erhöhten Bedarf gegründeten Begehrens auf Geldaushilfe damit, dass selbst bei Berücksichtigung des monatlichen Abzuges der auf Grund der Invaliditätspension ausbezahlte Betrag von S 9.177,-- über dem Sozialhilfebedarf liege. Damit bestehe kein "grundsätzlicher Sozialhilfeanspruch", weshalb auch der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf an Lebensunterhalt, z.B. Bekleidung, nicht zu berücksichtigen sei.

Die belangte Behörde hat damit die Rechtslage verkannt, wie im Folgenden dargelegt wird:

Für die Beurteilung der Frage, ob dem Beschwerdeführer Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zustehen, hat die belangte Behörde zutreffenderweise den Sozialhilfebedarf dem Einkommen gegenübergestellt. Für die Höhe des Einkommens ist jener Betrag maßgebend, der dem Hilfe Suchenden tatsächlich zukommt. Bei der Hilfegewährung nach dem WSHG ist auf die aktuelle Notlage abzustellen, weshalb in der Vergangenheit begründete Schulden insoweit zu berücksichtigen sind, als sie sich zur Zeit der Entscheidung über die Hilfegewährung noch im Sinne einer aktuellen oder unmittelbar drohenden Notlage auswirken, also insbesondere dann, wenn auf das Einkommen des Hilfe Suchenden Exekution geführt wird. Dem Hilfe Suchenden steht in einem solchen Fall nur der unpfändbare Freibetrag (Existenzminimum) als eigenes Einkommen im Sinne des § 10 WSHG zur Verfügung (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 2000/11/0015, mwN.). Maßgebend war daher im Beschwerdefall der dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Invaliditätspension tatsächlich monatliche ausbezahlte Betrag, der im Bescheid vom 2. April 2001 mit S 9.177,-- festgestellt wurde.

Der von der belangten Behörde errechnete Sozialhilfebedarf wäre dann zutreffend, wenn davon ausgegangen werden könnte, dass keine Gründe für eine Richtsatzüberschreitung gemäß § 13 Abs. 4 WSHG vorliegen und der Bekleidungsbedarf im Rahmen des von der belangten Behörde berücksichtigten Zuschlages gemäß § 13 Abs. 6 WSHG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Richtsatz-VO zur Gänze gedeckt ist. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, dass er auf Grund seiner Krankheit eine besondere Diät beachten muss und ihm dadurch ein erheblicher Mehraufwand für Lebensmittel entsteht. Er hat ferner behauptet, dass er (auf Grund seiner Körpermaße) einen erhöhten Aufwand für Bekleidung habe, der durch den im Richtsatz-Zuschlag gemäß § 13 Abs. 6 WSHG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Richtsatz-VO enthaltenen Anteil für Bekleidung nicht gedeckt sei.

Die belangte Behörde hat sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seinen erhöhten Bedarf unter dem Gesichtspunkt, ob eine Richtsatzüberschreitung gemäß § 13 Abs. 4 WSHG gerechtfertigt ist, in Verkennung der Rechtslage überhaupt nicht befasst. Soweit sie unter Bezugnahme auf § 13 Abs. 6 WSHG davon ausgeht, dass diese Bestimmung einen "grundsätzlichen Sozialhilfebedarf" voraussetze, der aber im gegenständlichen Fall auf Grund des über dem Sozialhilferichtsatz liegenden Einkommens nicht bestehe, verkennt sie, dass sie bei der Berechnung des Sozialhilfebedarfes den nicht durch den Richtsatz gedeckten Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes an sich ohnedies durch Hinzurechnung des Zuschlages nach § 13 Abs. 6 zweiter Satz WSHG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Richtsatz-VO berücksichtigt. § 4 Abs. 3 der zitierten Verordnung lässt aber höhere Leistungen "in Ausnahmefällen" zu. Die belangte Behörde hätte sich daher damit auseinander zu setzen gehabt, ob der Beschwerdeführer auf Grund des durch seine Körpermaße bedingten Bekleidungsaufwandes einen solchen Ausnahmefall darstellt.

4.5. Soweit der Beschwerdeführer in seinen Anträgen vom 8. November 2000 bzw. 14. Februar 2001 Geldleistungen "für den Bezug von ärztlichen Rezepturen" bzw. die Übernahme der Kosten seines Medikamentenbedarfs ab 1. Jänner 2001 begehrt, lässt sein Vorbringen im Zusammenhang mit den von ihm vorgelegten Aufstellungen und Beilagen erkennen, dass es sich dabei um die Rezeptgebühren für eine Reihe von Heilmitteln (Arzneien) handelt. Das gestellte Begehren bezieht sich daher seinem Inhalt nach nicht auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 12 WSHG), sondern auf Krankenhilfe gemäß § 16 Abs. 1 Z. 2 WSHG. Der Beschwerdeführer ist zwar als Bezieher einer Invaliditätspension gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 lit. a ASVG krankenversichert, weshalb er jene Leistungen, die er auf Grund der gesetzlichen Krankenversicherung erhält, im Hinblick auf die aus § 8 Abs. 1 WSHG sich ergebende Subsidiarität der Sozialhilfe nicht im Rahmen der Sozialhilfe geltend machen kann. Die Rezeptgebühr (§ 136 ASVG) stellt in Bezug auf Heilmittel einen Selbstbehalt des Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung dar, der - sofern nicht eine Befreiung von der Rezeptgebühr nach § 136 Abs. 5 ASVG in Verbindung mit den Richtlinien des Hauptverbandes über die Befreiung von der Rezeptgebühr möglich ist - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen vom Sozialhilfeträger zu übernehmen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/11/0040). Zu diesen Voraussetzungen gehört einerseits die medizinische Notwendigkeit des Heilmittels und andererseits, dass das Einkommen des Hilfe Suchenden den Einkommensrichtsatz gemäß § 16 Abs. 3 WSHG in Verbindung mit dem hiefür einschlägigen § 7 Richtsatz-VO nicht übersteigt. Auch in diesem Zusammenhang kann - wie oben bereits ausgeführt wurde - als Einkommen des Hilfe Suchenden nur jener Betrag angesehen werden, der ihm tatsächlich zur Verfügung steht, und nicht Beträge, die auf Grund einer Lohnpfändung einbehalten und an den betreibenden Gläubiger abgeführt werden.

Die belangte Behörde hat sich in Verkennung der Rechtslage mit dem Begehren des Beschwerdeführers auf Übernahme von Rezeptgebühren im Rahmen der Krankenhilfe im dargelegten Sinne nicht befasst und damit die oben unter 1.4. und 3.4. genannten Bescheide auch insoweit mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet.

5.1. Aus den dargelegten Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Von der im Verfahren Zl. 2001/11/0169 vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

5.2. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des in den Verfahren Zl. 2001/11/0168 und Zl. 2001/11/0325 gestellten Mehrbegehrens erfolgte deshalb, weil die zitierte Verordnung die darin enthaltenen Aufwandersätze mit den in der Verordnung genannten Beträgen abschließend

pauschaliert, sodass eine Hinzurechnung von 60 % Einheitssatz (geltend gemacht im Verfahren Zl. 2001/11/0168) und 20 % Umsatzsteuer (geltend gemacht in beiden genannten Verfahren) nicht in Betracht kommt.

Wien, am 26. November 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001110168.X00

Im RIS seit

05.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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